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Neue Solidarität
Nr. 39, 23. September 2009

Einschüchterungskampagne der EU gegen Irland

Der EU-Kommission wird vorgeworfen, sie betreibe in Irland eine Kampagne von „Angst und Schrecken“, um ein Ja-Votum beim Referendum über den Vertrag von Lissabon am 2. Oktober zu erzwingen.

Auf einer Pressekonferenz beim Europäischen Parlament in Straßburg am 16. September warf Joe Higgins, Europaparlamentarier der Sozialistischen Partei Irlands, der Kommission vor, sie verwende Steuergelder für eine „Angst und Schrecken“-Kampagne. Seit Wochen schicke die Kommission Mitarbeiter, bis hin zum Generalsekretär der Kommission, nach Irland in Schulen, als „ein zynisches Mittel, um den Eltern die Botschaft zu übermitteln, daß sie für den Lissabon-Vertrag stimmen sollten“. Die irische Regierung und die Establishmentorganisationen, die für den Vertrag werben, hätten die Methoden der EU übernommen und betrieben eine Einschüchterungskampagne, um das irische Volk zur Zustimmung zum Lissabon-Vertrag zu drängen.

Dabei werde die Furcht in der Bevölkerung vor der Wirtschaftskrise ausgenutzt mit der Behauptung, eine Nein-Stimme werde die Wirtschaftskatastrophe noch weiter verschlimmern. Das sei um so zynischer, als ja gerade die neoliberale Wirtschaftspolitik der Kommission selbst für die Krise verantwortlich sei.

Higgins warf Kommissionspräsident José Manuel Barroso vor, er mische sich unverhohlen in die Debatte in Irland ein, und sagte: „Die Linke in Irland ist für eine breitestmögliche öffentliche Debatte über den Lissabon-Vertrag, und wir sind voll und ganz bereit dazu, mit jeder politischen Gruppe in Europa darüber zu debattieren. Aber es ist ein krasser Mißbrauch von Steuergeldern und demokratischer Prozeduren, wenn die Kommission in einseitiger Weise so interveniert, wie es die Kommission in Irland getan hat.“ Nach der Wiederwahl Barrosos zum Kommissionspräsidenten für die kommenden fünf Jahre würden die Gegner des Vertrages ihre Bemühungen verdoppeln. „Europa hat genug von der neoliberalen Agenda des Herrn Barroso.“

EIR-Korrespondenten sprachen Higgins darauf an, daß in Deutschland das Bundesverfassungsgericht kürzlich faktisch erklärt hat, daß der Lissabon-Vertrag mit dem Grundgesetz nur sehr eingeschränkt vereinbar ist und daß auch in Deutschland und anderen EU-Staaten politische Kräfte Referenden fordern. Er antwortete, er sei sich dieser Tatsachen wohl bewußt, und das mache die Nein-Kampagne im irischen Referendum um so wichtiger für das übrige Europa. Higgings nahm gerne ein ganzes Paket von Schriften an, darunter Helga Zepp-LaRouches Aufruf zu einem Referendum in Deutschland über den Lissabon-Vertrag.

Die Sozialistische Partei Irlands hat zusammen mit 13 weiteren Organisationen in dem Bündnis „Sagt nein zu Lissabon - Kampagne gegen die EU-Verfassung“ den irischen Premierminister und seine Regierungskollegen eingeladen, sich Ende September zu einem Zeitpunkt ihrer Wahl einer umfassenden Debatte im Dubliner Mansion House zu stellen, aber bisher wurde auf diese Herausforderung nicht reagiert. Die Gruppe hat diesen Vorschlag gemacht, weil die Regierung die einzige Einrichtung, die eine ausgewogene Debatte über den Vertrag hätte organisieren können - das Nationale Forum über Europa - unmittelbar vor der Ansetzung des zweiten Referendums aufgelöst hatte.

Leider hat auch die Katholische Kirche Irlands den Vertrag unterstützt. Der Bischof von Down und Connor, Rev. Noel Treanor, sagte am 16. September vor einem Ausschuß des irischen Parlaments, Katholiken könnten für den Vertrag stimmen, da dieser die irische Position zur Abtreibung nicht ändere. Bischof Treanor, der die irische Bischofskonferenz 20 Jahre lang in Brüssel vertreten hat, sagte, diese Erklärung werde vom katholischen Primas Kardinal Sean Bready unterstützt.

Higgins sagte bei der Pressekonferenz, angesichts der Unterstützung durch die großen Unternehmen und die Massenmedien habe das Ja-Lager zehnmal mehr Geld für die Kampagne ausgeben können als das Nein-Lager. Das Ja-Lager habe die volle Unterstützung der hoffnungslos bankrotten irischen Banken, die soeben mit 54 Mrd. Euro von der Regierung gestützt wurden.

Am 16. September kündigte die irische Regierung einen eigenen Plan für eine sog. „bad bank“ an, die Nationale Werteverwaltungsbehörde (NAMA). Sie soll den großen irischen Banken - darunter die Bank of Ireland, die Allied Irish Bank, die EBS Building Society, Irish Nationwide, Irish Life and Permanent und die inzwischen verstaatlichte Anglo-Irische Bank - einen gigantischen Berg von Giftmüll-Papieren abkaufen. Dieser Giftmüll gehört vor allem Spekulanten, die während des Booms des „keltischen Tigers“ groß eingekauft hatten, aber nun, nachdem die Märkte kollabiert sind, nicht zahlen können oder wollen. Es handelt sich um das größte finanzielle Rettungspaket der irischen Geschichte, und es kam auf direkte Anordnung des Weltwährungsfonds und der Europäischen Zentralbank zustande. Die Regierung wird 54 Mrd. Euro an Regierungsanleihen bezahlen, um Müllpapiere im „Wert“ von 77 Mrd. Euro zu übernehmen.

Finanzminister Brian Lenihan unternahm sogar einen perversen Versuch, das Rettungspaket als Argument für die Regierungskampagne für ein Ja-Votum im Referendum zu benutzen: „Im Verlauf des letzten Jahres spielte die Mitgliedschaft in der Europäischen Union und insbesondere der Eurozone eine entscheidende Rolle in unserer Antwort auf die gegenwärtige Finanzkrise. Die EZB stand in der Zeit der größten Not hinter diesem Land, und niemand sollte das vergessen, wenn es am 2. Oktober zum Referendum über den Lissabon-Vertrag kommt.“

Die 54 Mrd. Euro entsprechen mehr als einem Drittel des irischen Bruttoinlandsproduktes. Die Regierung kürzte den Staatshaushalt um 20% und mußte zugeben, daß Lebensstandard und Arbeitslosigkeit auf den Stand von vor 20 Jahren zurückgeworfen wurden.

Im Juni 2008 hatte das irische Volk in der ersten Abstimmung den Lissabon-Vertrag mit 53,4%:46,6% der Stimmen zu Fall gebracht. Die Nein-Stimmen kamen vor allem aus der Arbeiterschicht und von jungen Wählern, die den Vertrag ablehnten, weil sie in der neoliberalen Politik der EU eine Bedrohung für ihre Existenz sahen. Diesmal ist zwar wegen der üblen Medienkampagne der Regierung das Rennen so knapp, daß eine reale Gefahr besteht, daß das Ja-Lager gewinnt. Aber wie immer die Abstimmung auch ausgehen wird: Die Wirtschaftskrise wird gerade auch in Irland noch weit schlimmer werden, und daher ist schon bald eine ähnliche politische Reaktion der Bevölkerung zu erwarten wie bei dem Massenstreik in den Vereinigten Staaten, und das wird dann die politische Lage völlig umkrempeln.

dea

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