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Neue Solidarität
Nr. 37, 9. September 2009

Helga Zepp-LaRouche im Dialog - Teil 2

Im Rahmen der fast zweistündigen Diskussion im Anschluß an ihren Vortrag bei ihrem Internetforum am 21. August beantwortete Helga Zepp-LaRouche zahlreiche Fragen zu verschiedenen Themenbereichen. Hier eine Auswahl.

Wir brauchen die Energieflußdichte der Kernenergie

Frage eines Betriebsrates eines Kernkraftwerkes: In den Kernkraftwerken sind wir in einer schwierigen Situation. Einerseits sind wir aufgrund der allgemeinen Stimmung gegen die Kernenergie ständig einer Feindseligkeit und Ablehnung unserer Arbeit ausgesetzt, und andererseits wird von uns erwartet, daß wir unsere Anlagen sicher betreiben. Diese Erwartung entspricht unserem Selbstverständnis. Jeder auch noch so kleine Fehler wird zu einem Wahlkampfthema hochgepuscht, und das Selbstverständnis unserer täglichen Arbeit, nämlich die Betriebssicherheit unserer Anlagen zu gewährleisten, wird durch unsere politischen Gegner in Frage gestellt. Durch den Konsens gegen die Kernenergie müssen wir frühzeitig demontieren, was unser Lebenswerk war. Wir bezweifeln, daß dieser deutsche Weg zukunftsträchtig ist. Diese Zweifel sind in Anbetracht der weltweiten Wirtschaftskrise erst recht berechtigt. Kann  man überhaupt noch die Hoffnung haben, daß in Deutschland die Kernkraft wieder aufgebaut werden wird? Was kann man tun?

Helga Zepp-LaRouche: Wenn man sich die sogenannten Störfälle anschaut, dann war das in den allermeisten Fällen irgendein Bereich, der mit der Kernenergie gar nichts zu tun hatte, der dann aber unheimlich aufgebauscht wurde, um genau diese negative Propaganda zu befördern. Man muß natürlich sehen, daß die einzelnen Betreiberfirmen, wenn die in dieser Welt sind, auch bei der Sicherheit manchmal sparen.

Unsere Antwort darauf ist: Wir müssen so schnell wie möglich zu den inhärent sicheren Reaktoren kommen: der Hochtemperaturreaktor, der Kugelhaufenreaktor, die „vierte Generation“, die inhärent sicher ist, wo nichts passieren kann, und die die absolut notwendige Stufe ist, um zur Kernfusion zu kommen. Wir können nicht zur Energieflußdichte von Sonnenenergie zurückkehren und uns vorstellen, wir könnten von da aus den Sprung zur Kernfusion schaffen. Wir brauchen die Energieflußdichte der Kernenergie, um zur Kernfusion zu kommen.

Wenn  wir das nicht machen - ich kann nur noch einmal darauf hinweisen, ich weiß nicht, ob ihr oben im Computer die Karte habt mit der Verteilung von Kernkraftwerken - d.h., wenn man sich ankuckt, wie viele Länder heute massiv in die Kernenergie investieren: Rußland hat, glaube ich, 40 oder 50 Kernkraftwerke in Planung, Indien will den gesamten Thorium-Zyklus entwickeln, Japan, USA - alle Länder um uns herum haben massive Kernkraftwerksprogramme in Vorbereitung. Und Deutschland muß sich darüber im Klaren werden: Wenn wir eine Industrienation bleiben wollen, mit einem relativ hohen Lebensstandard, dann ist die Vergrünung [fatal], die im Augenblick stattfindet.

Insofern haben die Grünen recht, wenn sie sagen, daß da „Produktklau“ ist bei ihnen, weil inzwischen alle grün sind. Guttenberg hat schon eine schwarz-grüne Koalition in Aussicht gestellt, was natürlich in der Konsequenz heißen würde, daß die CDU-CSU von dem bißchen Pro-Kernkraft-Stand natürlich auch abrücken würde. Die SPD, das neue Steinmeier-Programm - das gute ist, daß er die Idee hat, vier Millionen Arbeitsplätze zu schaffen, aber dieses Programm - und ich habe es sehr sorgfältig gelesen - besteht nur aus grünen Arbeitsplätzen. Es geht also wirklich genau in die gegenteilige Richtung von dem, was ich gesagt habe, daß man eben die Produktivität erhöhen muß, daß man die Energieflußdichte erhöhen muß. Die Linke sowieso - also, die Grünen sind grün, die Linke ist grün, die SPD ist grün, die CDU ist grün, und die FDP, die so ein bißchen für Kernkraft ist, die sind leider monetaristisch, also auch ein Problem. Von daher gibt es eigentlich keine Partei in Deutschland, außer der BüSo, die sich wirklich zu einer sicheren, zukunftsträchtigen Kernenergie bejahend stellt.

Und ich denke mal, daß das aber in den kommenden Stürmen klar werden wird, daß alles falsch gelaufen ist, das grüne Paradigma, das grüne, neoliberale Paradigma der letzten 40 Jahre ist gescheitert. Das wird sonnenklar werden.

Wir haben kein Recht, unsere Maschinenbau-Kapazitäten zu verlieren

Frage aus dem Publikum: Das hat mir ganz gut gefallen, aber ich habe ein bißchen den Eindruck, daß jetzt zum anderen Extrem übergegangen wird. Ich meine, wenn ich betont auf Großprojekte setze, dann kann das manchmal auch ineffektiv werden, wenn ich einen kleinen, regionalen Bereich nehme. Also jetzt die alternative Technik so ein bißchen abwertend zu behandeln: das halte ich nicht für günstig, sondern ich halte es für besser, beides so zu verknüpfen, daß man sowohl die Großtechnik hat - ich sage mal jetzt, die Kerntechnik -, aber man sollte die Sonnenenergie oder Windenergie in einem begrenzten Bereich durchaus nicht herabmildern, und sie effektiv miteinander verbinden. Und das gleich sehe ich auch bei Ernährung oder Transport, denn wir haben die großen Weltstraßen, aber ich habe auch den regionalen Verkehr. Und da hat also auch das kleine Elektroauto, daß ich dann verknüpfe mit einem Bahnhof, durchaus noch seine Berechtigung, und nicht, daß ich das völlig ins Abseits stelle.

Helga Zepp-LaRouche: Na ja, das ist ja klar. Aber ich habe ja auch nicht davon gesprochen, daß man das kleine Elektroauto abschaffen soll, ich habe nur gesagt, man soll den Lastverkehr von der Straße wegkriegen auf diese anderen Systeme. Daß der Individualverkehr eine Berechtigung hat, ist ja klar. Ich würde aber auch lieber mit einem Elektroauto über eine Autobahn fahren, wo man noch vorankommt, als über eine, die verstopft ist, jeden Tag zwei Stunden in jede Richtung.

Aber man muß natürlich sehen: In einer Wirtschaft ist es immer die Frage: Wie kann man einen Prozeß maximieren? Wenn man z.B. sieht, wieviel Steuergelder in Subventionen geflossen sind in Windräder, in Sonnenenergie - und das waren natürlich Gelder, die nicht mehr in die Kernforschung gegangen sind, oder nicht mehr in die Kernfusionsforschung. Was wir eigentlich vorschlagen, ist, daß man ein Crashprogramm macht, um wirklich eine technologische Revolution zu machen, d.h., daß man wirklich einige Durchbrüche kriegt.

Oder anders ausgedrückt: Wir haben durch das falsche Paradigma der letzten 40 Jahre, zu dem ganz viele Aspekte gehören - dazu gehört z.B. die Sex-Drogen-Rock-Counterculture, die Zerstörung des kognitiven Potentials von mehreren Generationen, die damit einhergegangen ist; dazu gehört z.B. die Weichenstellung in Richtung Spekulation, Benachteiligung von Produktion. Also da gehören ganz viele Faktoren mit hinein.

Alle diese vielen Faktoren, die dieses Paradigma erzeugt haben, was zu dieser Krise, die wir jetzt haben, beigetragen hat, haben dazu geführt, daß vom Standpunkt der physikalischen Wirtschaft die industriellen und landwirtschaftlichen Kapazitäten nicht mehr gegeben sind, die notwendig sind, um die jetzt lebende Bevölkerung vernünftig zu ernähren, d.h., wir hätten sonst nicht eine Milliarde hungernde Leute, und eine weitere Milliarde, die elend sind, wenn das nicht so wäre. Es gibt keine Überproduktion, sondern einen enormen Mangel an Gütern, die notwendig sind, um diese Menschen zu versorgen.

Und wir haben zusätzlich noch einen Kollaps der Realwirtschaft, von 50% in einigen Sektoren. Das ist der helle Wahnsinn, bei meinem letzten Internetforum habe ich die Zahlen ja alle dokumentiert, und es ist weiter gegangen.

Damit man das jetzt aufheben kann, oder daß man es überwinden kann, braucht man eine technologische Erneuerung. Man muß die Produktivität im Produktionsprozeß steigern. Das ist auch für Deutschland die einzige Chance, denn wir haben - natürlich haben wir ein demographisches Problem, wir haben eine Bevölkerung, die immer älter wird, das hat viele Faktoren, aber das ist nun mal im Augenblick so. Das ist kein Problem, wenn wir eine hohe Rate von technologischer Erneuerung haben, sodaß die Produktivität im Produktionsprozeß erhöht wird. Das Wachstum muß real mindestens drei, besser mehr Prozent sein, was reales Wachstum im Sinne von Erhöhung der Produktivität bedeutet. Dann können wir uns bei einer älter werdenden Bevölkerung Krankenhaussysteme leisten, können wir uns eine gute Bildung leisten, und all diese Dinge.

Wir haben Grenzbedingungen, die wir berücksichtigen müssen, wenn wir über physische Ökonomie reden. Jedes Land hat diese Grenzbedingungen, und die sind auch in jedem Land anders. Z.B. China hat die Grenzbedingung, daß sie zwar ein Sechstel der menschlichen Bevölkerung haben, also jeder sechste Mensch ist Chinese - Frauen sollten deshalb aufpassen beim 7. Kind, das kann dann ein Chinese werden [Heiterkeit] - Entschuldigung. - Aber sie haben nur 7% der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche. Das liegt an den geographischen Bedingungen. China hat z.B. phantastische Berge. Das sehen sie an diesen wunderbaren Wandzeichnungen, da sieht man diese phantastischen Berge, und das sind ganz tolle Landschaften. Aber diese Berge kann man nicht mit Landwirtschaft nutzen, sie sind einfach zu steil und zu unwegsam.

Also muß China sich überlegen, was macht es? China hat jetzt dasselbe Problem wie Deutschland, nur auf einem viel größeren Maßstab, durch die unselige Ein-Kind-Politik. Damals, als China die eingeführt hat, haben wir da total dagegen polemisiert und gesagt, China wird irgendwann einmal ein Land sein von 1,4 Milliarden alten Leuten. Denn natürlich, wenn pro Ehepaar nur ein Kind erlaubt ist, und manche Ehepaare haben gar keines, dann ist natürlich die Pyramide - irgendwann verschiebt sich das so, daß die alten Leute mehr sind als die jungen Leute, und das ist katastrophal, denn China hat immer noch nur ein bißchen mehr als 20% städtisch ausgebildete Leute, aber 80% der Leute leben immer noch auf einem Steinzeitniveau, machen z. T. Landwirtschaft ohne Geräte, ohne Tiere, nur mit der Hand werden Reisfelder angelegt.

Und wenn da jetzt so eine Katastrophe kommt, da gibt es nur einen einzigen Weg: China muß ganz dringend sein technologisches Niveau im Produktionsprozeß erhöhen, damit mehr produziert wird, damit mehr Menschen ernährt werden können. Das ist wirklich sehr, sehr wichtig, denn wir haben ja auch eine Verantwortung für die Weltbevölkerung insgesamt. Natürlich müssen wir die eigene Bevölkerung zuallererst verteidigen, aber es wäre kurzsichtig, nicht die gesamte Weltbevölkerung zu betrachten.

Und da muß man natürlich sehen: Wie sich die Welt entwickeln kann, hängt u. a. davon ab, welche industriellen Kapazitäten da sind. Also wenn sie sich eine Karte vorstellen: Wo gibt es Maschinenbau-Kapazitäten? - Das sind nicht viele Länder. Deutschland ist da an der Spitze, Japan und Korea, die USA nur ganz wenig, im militärischen Bereich, dann gibt es noch die Schweiz, die haben eine „full-set-economy“, also eine Wirtschaft, in der alle Teile da sind.

Jedenfalls, wenn wir jetzt die Hälfte unserer Maschinenbau-Kapazitäten verlieren, dann hat das enorme Konsequenzen für die Weltwirtschaft. Das ist nicht nur unser Problem. Das ist auch nicht etwas, was man mal so über Nacht aus dem Hut ziehen kann wie der Zauberer das Kaninchen. Da geht enorm viel an Wissen rein, an Ausbildung, an Teamwork von Ingenieuren, an eingearbeiteten Gruppen, und wenn man das zerstört, dann  muß man jedesmal sofort zur Kenntnis nehmen: Das bedeutet eine Reduktion  des Bevölkerungspotentials, was von der Weltwirtschaft noch erhalten werden kann. Deshalb haben wir kein Recht, unsere Maschinenbau-Kapazitäten zu verlieren. Das ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Man muß das, was Realwirtschaft ist, wirklich völlig neu überdenken, und ich kann nur empfehlen, die  Schriften von meinem Ehemann zu studieren, denn er ist der beste Ökonom, der gegenwärtig da ist. Er schreibt jeden Tag seitenweise wichtige Konzepte, und ich kann nur empfehlen: Wer sich wirklich mit den inhärenten Fehlern dieses Systems beschäftigen will, und wer die Fundamente haben will, wie ein richtiges System der physikalischen Ökonomie aussehen muß, der sollte sich am besten im Urlaub die Koffer vollpacken mit den Büchern meines Mannes, und das so schnell wie möglich studieren. Das ist im übrigen etwas, was viele Leute in Rußland machen, in China, in Indien, in anderen Ländern, wo das Interesse an diesen Ideen wirklich sehr verbreitet ist, und wenn man meint, in Deutschland hätte man das nicht nötig, dann kann ich nur sagen: Dummheit und Stolz wachsen auf einem Holz.

Hartz-4 ist ein Derivat des monetaristischen Systems

Rainer Apel: So, wir kommen jetzt auf ein dunkles Kapitel zu sprechen, das findet hier statt in Deutschland und ist bekannt unter dem Namen Hartz-4, und wir haben einige Fragen dazu erhalten. Aus einer werde ich etwas ausführlicher zitieren, weil sie ziemlich erschreckend ist, erschreckende Zustände schildert.

Eine Eingangsbemerkung: Es gibt wachsende Armut in Deutschland, und es hilft nichts, wenn Politiker sagen: „Seid stille, euch geht es noch besser als in Bangladesh.“ Das mag stimmen, aber die Armut wächst. Armut ist relativ, d.h., aus dem Blickpunkt eines Kindes, das aufwachsen will, es kann viele der Dinge, die ganz selbstverständlich sind, gar nicht wahrnehmen, und das hat natürlich seine Auswirkungen auf die Entwicklung dieses Kindes.

Viele dieser Kinder wachsen auf in Haushalten mit alleinerziehenden Müttern, und Berlin, die Bundeshauptstadt, ist auf dem besten Wege, Hauptstadt der Armut zu werden. Die neueste Statistik war, daß von denen, die das Glück hatten, in Teilzeitjobs oder Minijobs oder anderen dieser Art überwiegend Dienstleistungstätigkeiten zu finden - daß von diesen immerhin 116.000 alleine in Berlin nicht in der Lage sind, sich selbst zu ernähren, sondern sie sind weiterhin angewiesen auf die Unterstützung des Staates. Das ist das erste.

Jetzt haben wir Hartz-4. Uns schreibt jemand: „Ich bin Student der öffentlichen Verwaltung und arbeite nebenbei im Wachschutz.“ - Wachschutz, das genau so eine Kategorie, die schlecht bezahlt wird, das können Leute sein, die im Supermarkt stehen, für maximal 5 Euro die Stunde, und dort aufpassen, daß niemand Dosen ungefragt mit nach hause nimmt, und dergleichen. - Dieser Student hat im Rahmen des Arbeitslosenforums Fragen geschickt an die verschiedenen Parteien zum Mindestlohn, der sollte mindestens bei 10 Euro liegen, und zu Hartz-4, hier ist die Erhöhung auf 500 Euro angemahnt. Die CDU, wie berichtet wird, hat nicht geantwortet, die SPD will beim Mindestlohn nur bis 7,50 Euro gehen, und die Linken haben natürlich zugestimmt.

Die Frage ist eben, ob die Erhöhung von Hartz-4 und des Mindestlohns nicht auch eine Maßnahme ist zur Stabilisierung der Wirtschaftskrise und Ankurbelung der Binnennachfrage, was wiederum dazu führt, daß wieder mehr Steuereinnahmen kommen und das Gesundheitssystem wieder finanzierbar wird.

Das war die eine Frage. Die andere schildert eben die erschreckenden Zustände, mit denen man zu tun hat, wenn man Hartz-4-Empfänger ist und von einer dieser privat geführten Arbeitsgemeinschaften umgeschult wird - immer mit der Drohung, daß man, wenn einem diese Umschulung nicht gefällt, natürlich auch in einen Billigjob gesteckt werden kann.

Das schildert hier jemand, der ist von Beruf Modellbauer, hatte auch den Beruf des Malers im väterlichen Betrieb jahrelang ausgeübt, bis hin zur Bauleitung: „Ich habe mir alles autodidaktisch erarbeitet - Projektkalkulation, Aufmaß, Massenerfassung, Projektanalyse usw. Man kann sich wohl denken, daß ich im väterlichen Bereich einiges beigebracht bekommen habe.“ Nun, die Idee wäre ja, daß man ihn entsprechend einstellt. Das passiert aber nicht, sondern er macht folgendes durch: Im Rahmen dieser Arbeitsgemeinschaft mußte er einwilligen zu einem Drei-Monats-Kurs, und hier in diesem dreimonatlichen Kurs werden z.B. Bilder gemalt auf Holzplatten, in 30 mal 30 cm, mit Plakatfarbe - Motive wie Hasen, Katzen, Bäume im Andy-Warhol-Stil, aber für Kleinkinder ab drei Jahre. In einem anderen mehrwöchigen Kurs mußten erwachsene Menschen, 20 an der Zahl, sich im Kreis drei bis vier Stunden lang Tennisbälle zuwerfen und fangen. Dann wurde anschließend erörtert, warum der eine oder andere den Ball nicht fangen konnte. „Man wollte uns den Gemeinschaftssinn näher bringen, wurde uns erläutert. Von Rätselspielen bis zu Stadt, Land, Fluß war alles dabei, Walking-Beratung mit inbegriffen - Walking deswegen, weil manche Probanden fit gemacht werden mußten für die ein- bis zweistündigen Betriebsbesichtigungen, die so mancher gar nicht mehr schaffe.“ Dieser Teilnehmer eines solchen Seminars hat das kritisiert, und eben die besagte Drohung bekommen: „Sein Sie stille, wir können Sie sonst auch in einem billigen Job unterbringen.“

Helga Zepp-LaRouche: Natürlich ist Hartz-4 eine absolute Katastrophe, die sofort weg muß. [Applaus.] Es ist eine unmenschliche Behandlung von Leuten, der ganze Bereich Hartz-4-Agenda 2010.

Wir haben ja, als das eingeführt wurde, dagegen die Montagsdemonstrationen organisiert, deren Initiator wir waren, was dann durch eine ganze Reihe von Unterwanderungen und Übernahmen wirklich bewußt kaputt gemacht worden ist. Aber immerhin waren das ja doch auf dem Höhepunkt im September 2004 über 100.000 Leute, die da auf die Straße gegangen sind, und das war auch vollkommen wichtig.

Aber wir wissen auch, was der Druck war auf Schröder. Damals wurde gegen die Währung spekuliert, das war praktisch wirklich ein Krieg. Und damals haben bestimmte Finanzexperten in London und anderswo gesagt, wenn da mehr als eine Million Leute auf die Straße gegangen wären, dann hätte man das nicht stoppen können.

Ich bin nun kein Bewunderer von Steinbrück, denn ich denke, er hat das nicht so gut gemacht, aber immerhin haben er und Steinmeier ja inzwischen kapiert, wo das Problem sitzt: in der City of London. Herr Steinbrück hat jetzt bei einer Wahlveranstaltung in Wiesbaden - da haben Leute interveniert und haben gefragt, warum er den ganzen Giftmüll nicht einfach abschreibt, und dann sagte er: „Wenn ich das vorschlagen würde, dann würden sie mich in London und Washington für verrückt erklären.“ Und er hat dann später noch einmal gesagt, London ist das Problem. Und Steinmeier hat das ja auch gesagt. Und das ist, glaube ich, wirklich ein wichtiger Punkt.

Ein Aspekt in dieser ganzen Debatte ist natürlich: Solange wir in Europa es akzeptieren, innerhalb eines Empires zu leben - das Empire ist nicht das britische Empire aus Großbritannien oder selbst die City of London, sondern das ist das monetäre System, und da ist die City of London nur die dominante Stelle, aber es ist dieses monetäre System, was eben auf der Profitmaximierung, auf dieser ganze Werteskala von „kreativen Finanzinstrumenten“ usw. basiert.

Und solange wir uns diesem System unterwerfen, sind die Politiker einfach impotent - ich meine, politisch impotent, indem sie einfach ausführen, was von ihnen erwartet wird. Und dann ist natürlich Hartz-4 ein Derivat dieser Politik. Deshalb denke ich, wenn wir begreifen, daß wir dieses Empire, gleich Globalisierung, gleich monetaristisches System, abschaffen müssen, und ersetzen müssen durch ein Kreditsystem, dann verschwinden solche absolut menschenunwürdigen Sachen wir Hartz-4.

Denn ein Staat, der vernünftig ist und von Wirtschaft eine Ahnung hat, der versteht: Die einzige Quelle des gesellschaftlichen Reichtums ist die Kreativität seiner Bürger. Und der würde alles tun, damit alle Bürger, von Kindern, Jugendlichen, Studenten, Leute mittleren Alters, selbst ältere Leute - daß die sich pausenlos wirklich besser qualifizieren können, um bessere Arbeitsplätze zu haben.

Was diese Arbeitslosigkeit uns kostet! Ich habe das mal berechnet. Das waren - ich habe jetzt nicht die genauen Zahlen für, aber als wir fünf Millionen Arbeitlose hatten, hat alleine das Arbeitslosengeld schon an die 100 Milliarden gekostet. Das ist Geld, was man genausogut investieren könnte, um produktive Arbeitsplätze zu schaffen.

Dieser ganze Schrott von Umschulung - was diese letzte Frage da beschrieben hat, oder es gibt Fälle, wo Leute einen Sechs-Wochen-Kurs machen müssen, damit sie lernen, wie sie Bewerbungen ausfüllen, um dann eine Quote zu haben, wo dann ein Arbeitsplatz auf 32 Bewerber kommt, oder im Osten sogar auf 110 Bewerber kommt, also mit anderen Worten, man lernt sechs Wochen lang, um sich dann 110 Absagen einzuholen: Das ist doch verrückt!

Jemand, der sich das ausgedacht hat, der hat eine Macke! Der hat nicht nur von Wirtschaft keine Ahnung, sondern er ist auch ein menschenverachtender Bürokrat. Und diese subalternen Bürokraten sind auch ein Problem, immer schon gewesen, weil sie eben unter Bedingungen einer Depression auch schnell zu Faschisten werden. Das muß man auch sehen. Leute, die ihre einzige Autorität aus ihrem Amt beziehen, und das Menschliche darüber vergessen, das ist wirklich ein Phänomen.

Deshalb brauchen wir eine Bevölkerung, die sagt: „So nicht mehr!“ Denn Hartz-4 ist unmenschlich und muß weg. Natürlich muß man in der Übergangszeit, bis wir die Wirtschaft so umorganisiert haben, wie wir das vorschlagen, den Mindestlohn anheben, denn das ist eben so, das kann sonst nicht funktionieren. Dieser Zyniker, der ehemalige Finanzsenator [Sarrazin], der jetzt auch noch in der Bundesbank drinsitzt, der dann vorrechnet, wie man mit zwei Euro den ganzen Tag gut leben kann - ich möchte nicht wissen, wie viele Kaviar-Brötchen dieser Mann schon verzehrt hat! Das kommt bestimmt auf eine ganze Menge. Und das ist einfach Zynismus.

Und ich denke, wir brauchen wirklich eine Bürgerrechtsbewegung, die dafür sorgt, daß das sich ändert. Das ist die einzige Chance. Und deshalb bitte ich Sie wirklich, den Wahlkampf der BüSo in den nächsten Wochen mit allen Ihren Kräften unterstützen, als würde Ihr Leben davon abhängen, weil es das tut.

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