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Neue Solidarität
Nr. 21, 20. Mai 2009

Das Prinzip des menschlichen Geistes

Von Lyndon LaRouche
- 3. und letzter Teil -

Das folgende Papier hat der Autor bei der Podolinskij-Konferenz am 9. April in Kiew eingereicht.

II. Die moralischen Implikationen

Seit die Menschheit als eine von allen anderen Lebewesen qualitativ unterschiedene Gattung auftrat, ist die Einheit von Kreativität und Moral, wie ich sie im letzten Kapitel erneut dargestellt habe, das wesentliche Merkmal, das die Noosphäre von allen anderen Seinsformen abhebt. Unter allen Lebewesen existiert systemisch nur für die menschliche Gattung eine wirkliche Moralvorstellung. Die mangelnde Berücksichtigung dieses Aspektes der Kreativität (als solcher) als etwas wissenschaftlich Unverzichtbares war der Hauptgrund für die verbreitete Inkompetenz führender Regierungen und anderer Institutionen, die den ganzen Planeten in den jetzigen Zustand geführt hat - in die größte Gefahr für die Menschheit seit der beispielhaften Erfahrung Europas mit dem sogenannten Neuen Dunklen Zeitalter des 14. Jahrhunderts.16

Ein entscheidender Aspekt dieser gefährlichen Lage ist die Vernachlässigung der schwerwiegenden Folgen durch die Regierungen sowie die meisten Regierten, die es nach sich ziehen wird, wenn man nicht erkennt, daß zwischen einer erfolgreichen Volkswirtschaft einerseits und der leidenschaftlichen Hingabe für die Wahrheit, die durch die Entdeckungen universeller physikalischer Prinzipien verkörpert wird - bei denen wiederum die Moral eine unverzichtbare Rolle spielt - andererseits, eine ganz wesentliche Wechselwirkung besteht. Ich meine damit universelle Naturprinzipien, in deren Entdeckung sich Moral ausdrückt, wie bei Johannes Keplers ureigener Entdeckung des Prinzips der universellen Gravitation in der Physik.

Menschliche Kreativität, wie ich sie bereits beschrieben habe, auf der einen Seite und richtig verstandene Moral auf der anderen Seite sind als einzigartig und wesentlich miteinander verbunden zu betrachten. Sie sind als integrale Bestandteile Ausdruck von etwas, was tatsächlich einem allgemeinen Prinzip menschlicher Güte entspricht - einem Prinzip, das der ausgesprochen widerlichen empiristischen Unmoral, wie sie Adam Smith in seiner Theorie der moralischen Empfindungen beweist, diametral entgegensteht. In Fragen menschlichen Verhaltens, besonders auch des wissenschaftlichen Verhaltens, ist kompetente Wissenschaft niemals moralisch neutral.17

Moral liegt im wesentlichen in der Mobilisierung der potentiellen schöpferischen Kräfte des menschlichen Geistes - vor allem in den Naturwissenschaften und der Entwicklung klassischer Kunstformen - zur Steigerung der jedem Menschen innewohnenden Fähigkeit, zu einem fruchtbaren, immer reicheren anti-entropischen Fortschritt der Menschheit im und über das Universum beizutragen.

Die Grundlage hierfür besteht darin, Moral nach dem grundsätzlichen Unterschied zwischen Mensch und Tier zu definieren, d.h. der nur dem Menschen eigenen Kreativität in Wissenschaft und klassischer Kunst - so wie Johannes Keplers Entdeckung des Prinzips der universellen Gravitation Kreativität verdeutlicht.

Ohne die Bejahung dieser speziellen Rolle der Kreativität gibt es weder wahre Kreativität noch eine wahrhaftig und wirksam praktizierte öffentliche Moral. Ohne eine solche Bejahung fehlt der Gesellschaft wahre Moral und deren Entsprechung, das Streben nach wahrer Kreativität. Um die Idee des kreativen Prinzips mit wissenschaftlicher Kompetenz zu verstehen, muß man diese Funktion wahrer Kreativität kennen.

In diesem moralischen wie auch wissenschaftlichen Zusammenhang ist es zu verstehen, daß das Akademiemitglied W.I. Wernadskij das Konzept der Biosphäre und Noosphäre in die moderne Naturwissenschaft einführte.

Damit verbunden ist die Vorstellung von Glück im Sinne von Gottfried Leibniz’ Definition von „Leben, Freiheit und dem Streben nach Glückseligkeit“, die zur zentralen Aussage der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung wurde. Diese Definition ist so zu verstehen, daß sie eine Leidenschaft ausdrückt, die bei aller wissenschaftlichen Arbeit erforderlich ist. Alles andere, was man „Arbeit“ nennen könnte, ist höchstens qualitativ schwach und entspricht jedenfalls nicht wahrer menschlicher Kreativität. Hier liegt der eigentliche Defekt des sogenannten anglo-holländischen Liberalismus - ein Defekt, der praktisch Ausdruck des Bösen ist, weswegen auch in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung die Weltanschauung von John Locke, David Hume und Adam Smith indirekt als böse abgelehnt wird. Das Böse ist das Ausschließen des Guten oder auch nur Gleichgültigkeit gegenüber dem Guten; Moral, so definiert, ist unverzichtbar - vorausgesetzt, die Leidenschaft für Moral wird wissenschaftlich kompetent verstanden. Eine wichtige und auch tiefgehende Erkenntnis dieses Zusammenhangs findet sich bei Dostojewskis überaus ironischer Darstellung des zutiefst Bösen im Charakter des Großinquisitors.18

Es kann keine Kompetenz in der Wissenschaft geben, wenn die Wissenschaft in ihrer Funktion als menschliche Handlungsweise nicht ebensoviel Wert auf die Frage der Moral legt, wie es Leibniz tat - also ausdrücklich im Gegensatz zu dem Bösen in John Lockes Sklavenhalterlehre - und wie ich es hier tue.

In dieser Hinsicht ist die folgende kurze persönliche Anmerkung für das Thema Wissenschaft, wie es in diesem Aufsatz behandelt wird, von Bedeutung.

In meinem Alter und mit meiner Lebenserfahrung kann ich bezeugen, daß ich den Zusammenhang, auf den ich eben hingewiesen habe, sehr gut kennengelernt habe. Ich kenne ihn im Guten wie im Schlechten, so wie andere weise alte Männer und Frauen auch, das kann ich von den bitteren wie den süßen Erfahrungen meines bisherigen Lebens mit voller Überzeugung sagen. Die Fakten sind überwältigend: Wir erfahren es ständig, daß die Welt, in der wir leben, insbesondere seit den letzten gut vier Jahrzehnten, überwiegend gemein und meistens sogar bösartig ist.

Das Gute, auf das man in den bekannten Werken von W.I. Wernadskij trifft, zeigt beispielhaft, daß es auch glückliche Ausnahmen gibt. Das wahre Gute - zum Beispiel im Werk von Kardinal Nikolaus von Kues oder seinem Anhänger Johannes Kepler oder das geistige Nacherleben von Gottfried Leibniz, Bernhard Riemann und Albert Einstein oder im Werk von Wernadskij - wird uns bewußt, wenn wir, oft fast mit Freudentränen, einen außergewöhnlichen Augenblick des Guten im Zusammenhang mit einer Entdeckung eines wirklich wissenschaftlichen Prinzips erfahren.

Es ist hier von handfester Bedeutung, und nicht bloße Illustration, wenn ich in Hinsicht auf die Einheit von Wissenschaft und Moral, wie sie sich in Fragen der Politik, des Rechts und der klassischen Dichtung äußert, häufig auf die Verteidigung der Poesie des englischen Dichters Percy Bysshe Shelley verwiesen habe. Das gilt vor allem für den Höhepunkt des Werks, den recht langen, wissenschaftlich entscheidendenden Schlußabsatz, wo Shelley seine Vorstellung von der Beziehung zwischen menschlichem Guten und der Kraft menschlicher schöpferischer Phantasie zusammenfaßt. In guter Naturwissenschaft wie in großer klassischer Dichtung treffen wir hier auf eine bestimmte Qualität der Hingabe. Große klassische und wissenschaftliche Kompositionen erscheinen durch den Ausdruck ihrer Kreativität als untrennbar mit der Hingabe zum Guten verbunden.19

Mit anderen Worten ausgedrückt: Ohne die Verbindung zu dem Gefühl des Guten, das der christliche Apostel Paulus im klassischen Griechisch mit dem Namen agape umschreibt, hat es wahrscheinlich niemals eine wahrhaft schöpferische geistige Leistung gegeben. Sie ist immer begleitet und hervorgerufen von dieser Erfahrung von agape, wie das Paulus in seinem berühmten Brief an die Korinther und später Johannes Brahms in seiner Vertonung derselben, oder auch Johann Sebastian Bach in der Motette Jesu, meine Freude ausdrücken.

Man kann sicher sein, daß kein wahrhaft kreativer wissenschaftlicher oder klassisch-künstlerischer Akt stattgefunden hat, wenn nicht diese ganz besondere Erfahrung mit ihm verbunden war.

Um diesen Punkt, der für den Gegenstand dieses Aufsatzes von großer Bedeutung ist, zu rekapitulieren: Kreativität - wie ich dieses Prinzip im vorigen Kapitel dargestellt habe - ist nicht zu trennen von einer bestimmten Qualität des Guten im Menschen, die von einer an- und vorantreibenden Leidenschaft des schöpferischen menschlichen Geistes herrührt. Das war der Unterschied zwischen dem schöpferischen Leibniz und den Anhängern des zutiefst bösen Abtes Antonio Conti, Voltaire, D’Alembert, Leonhard Euler, Joseph Lagrange u.a. im 18. Jahrhundert. Daher läßt sich das Schöpferische im Werk von W.I. Wernadskij, in Shelleys Verteidigung der Poesie oder bei Beethoven, Mendelssohn, Schumann und Brahms im Gegensatz zu den Romantikern unschwer erkennen. Nach meiner Erfahrung ist es unmöglich, Gutes und Kreativität in unterschiedliche Kategorien der Motivation und des Erlebens zu stecken.

Diese grundsätzliche Verwandtschaft schöpferischer wissenschaftlicher Impulse mit wahrer Moral ist kein Zufall. Als Veranschaulichung läßt sich auf bekannte klassische griechische Werke außergewöhnlichen Ranges verweisen. Wie ich hier zeige, ist bei dieser Verwandtschaft Moral nicht nur eine unverzichtbare Nebenerscheinung wahrer wissenschaftlicher Kreativität, sondern die Leidenschaft, die sich in wirklicher künstlerischer und wissenschaftlicher Kreativität ausdrückt, ist im wesentlichen von der gleichen Qualität. Dies läßt sich an der künstlerischen Schönheit des öffentlich bekannten schöpferisch-wissenschaftlichen Werks von Wernadskij aufzeigen.

Man muß jedoch die folgende einschränkende Beobachtung anfügen, damit nicht der falsche Eindruck entsteht, Moral beruhe auf gedankenlosen romantischen Gefühlen oder auf willkürlichen Regeln oder Konventionen von Recht oder Gebräuchen. Die Leidenschaft für die Wahrheit, die sich in echten schöpferischen Impulsen äußert, wie ich dies im vorigen Kapitel dargestellt habe, ist nach meinem Wissen ein integraler Bestandteil jeder wahrhaft kreativen Handlung, ob in der Kunst oder in der Naturwissenschaft.

Wann immer die Moral, im eben definierten Sinn, den Ort wissenschaftlicher Betätigung verläßt, wird sich an diesem Ort ein unausstehlicher Gestank ausbreiten.

Zum Abschluß des jetzigen Zwischenkapitels muß ich daher diesen Zusammenhang näher erläutern, um mich dann dem Hauptgegenstand des Aufsatzes zuzuwenden.

Das Prometheus-Prinzip

Um diesen notwendigen Punkt zu betonen, betrachte man einige wichtige Seiten aus der Geschichte des klassischen Griechenlands. Denken wir zunächst an Aischylos’ Der gefesselte Prometheus. Man beachte dabei jedoch, daß man zum Kern der Sache - nämlich dem Optimismus, der in der Prometheus-Trilogie des großen klassischen Dramatikers Aischylos zum Ausdruck kommt - erst dann vordringt, wenn man das Werk mit Blick auf den Gegensatz zwischen dem tragischen Mief von Homers Ilias und dem humanistischen Optimismus seiner Odyssee betrachtet.

Das in der Komposition der Ilias zum Ausdruck kommende Genie ist das große, häßliche, aber wahrhaftige Paradigma der Tragödie als solcher: Denkbar böse Götter und Halbgötter flüstern ihren Spielzeugen, den menschlichen Charakteren des Dramas, ihre Launen ins Ohr, und diese Narren handeln daraufhin wie unter dem Zwang, sich selbst und andere zu zerstören - ähnlich wie der tragische Fall der heutigen Welt, die noch immer den britischen Imperialismus und speziell dessen fabianische Variante des imperialen Faschismus toleriert.

In den Göttern, besonders den Anhängern des fiktiven Zeus, ist ein Prinzip des Bösen an sich dargestellt. In dem Maße, wie „Götter“ und „Halbgötter“ mit ihren Einflüsterungen das Denken ihrer Opfer leiten, werden die Menschen dieser Kultur im allgemeinen von diesen Einflüssen beherrscht. Das ist das einzige wahre Prinzip aller klassischen Tragödien. Ähnlich schreibt Shelley im abschließenden Absatz seiner Verteidigung der Poesie, daß die allgemein vorherrschende Dynamik darüber entscheidet, ob das Verhalten der breiten Mehrheit der Bevölkerung ein gutes oder ein schlechtes Ende nimmt.

Wenn also unser Thema vom unbelebten und tierischen Bereich, wo es weder Schuld noch Unschuld gibt, auf den Bereich der Noosphäre übergeht, dann erscheinen Wissenschaft und Moral in ihren wesentlichen Bestandteilen als unterschiedliche Facetten desselben Gegenstands. Diese Besonderheit liegt in den schöpferischen Kräften des menschlichen Individuums, die unsere Gattung, die menschliche Gattung, vollkommen von allen anderen Lebewesen unterscheidet.

Es ist deshalb wichtig zu verstehen, daß Bernhard Riemanns Habilitationsschrift von 1854, besonders die beiden zwei Anfangsparagraphen und der abschließende Satz, sowohl ein wissenschaftlich äußerst strenger Ausdruck physikalischer Grundprinzipien ist als auch eine Aussage über die wahre Moral, die sich in den schöpferischen Aspekten der vom Menschen praktizierten Naturwissenschaft äußert.

Hält man sich an diese dem Empirismus und Reduktionismus entgegengesetzten Prinzipien, werden sie zu einer Kraft (Dynamik), die das Verhalten der Bevölkerung in einer Weise beeinflußt, daß die Manipulation böser „olympischer“ Mächte, wie sie üblicherweise insbesondere durch Sophismus und Reduktionismus geschieht, im allgemeinen zurückgedrängt wird.

Dabei ist es wesentlich, zu begreifen, daß eine wahre Tragödie - anders als unsere modernen Romantiker und ähnliche sogenannte Experten meinen - niemals bloß das persönliche Versagen einer oder mehrerer Charaktere auf der Bühne darstellt. Eine wahre Tragödie stellt immer das Scheitern einer ganzen Kultur dar, wo ein Volk von einem Element des Bösen so stark in Beschlag genommen ist, daß es unfähig wird, sich gegen seine eigenen falschen Entscheidungen zu wehren. Es entscheidet sich selbst, Leid und Ruin über sich zu bringen, und das einzig und allein wegen der falschen Gewohnheiten, die es gegenwärtig angenommen hat - so wie heute mit dem tragischen Einfluß des irrationalen „Umwelt“-Kults. Die Fesseln in Form der falschen Gewohnheiten eines Volkes hindern diese Toren daran, sich vom bösen Einfluß des eingebildeten heidnischen Gottes, oder - was das gleiche ist - der ruinösen Kultur einer herrschenden Gesellschaftsschicht zu befreien. Sie sagen praktisch, wie Shakespeares Hamlet sinngemäß meint: „Wenn ich so handle, werden ich und meine Gesellschaft untergehen - ich muß aber trotzdem so handeln, weil die herrschende Kultur meines Volks es so verlangt.“ Er denkt: „Ich muß unsere heidnischen Götter ehren, sonst werden mich ihre Anhänger vernichten, um mich für meinen Ungehorsam gegenüber dem Willen ihrer Götter zu bestrafen.“

So ist auch die Lage seit dem sogenannten Siebenjährigen Krieg, aus dem das Privatempire der anglo-holländischen Liberalen im Februar 1763 sozusagen als Tyrann über Europa und darüberhinaus siegreich hervorging. Es blieb seit damals in der Weltgeschichte fast durchgängig so, bis auf den heutigen Tag. Die britische Monarchie und der Commonwealth repräsentieren diese imperiale Tyrannei einer finanz-oligarchischen Macht über das Geld und über die Menschen, die sich mit Geld oder vergleichbaren Verlockungen kaufen lassen.

Es gab nur eine relativ kurze Zeitspanne, seit die USA als „unbequemer Verbündeter“ ein Kriegsbündnis mit England eingingen, bis US-Präsident Richard Nixon 1971 das System fester Wechselkurse aufkündigte, in der die USA von 1941-71 nominell der „Top dog“ in einem anglo-amerikanischen Arrangement waren; doch das endete im wesentlichen wieder mit den verheerenden Folgen des anglo-saudischen Ölschwindels der siebziger Jahre und dem bis heute anhaltenden Ruin der USA durch die Umsetzung der Pläne von David Rockefellers und Zbigniew Brzezinskis Trilateraler Kommission unter den Präsidenten Carter, Reagan und Bush senior.

So herrschte diese Art des Imperiums durch die Einflüsterungen eingebildeter böser Götter und Halbgötter, wie in der Ilias-Tragödie. Ähnlich zeigen die späteren Tragödien von Aischylos, Shakespeare und Schiller - etwa die Wallenstein-Trilogie -, wie die Menschheit sich häufig selbst vollkommen zum Narren gemacht hat, indem sie sich selbst zur Beute des Bösen in Form der Zwänge ruinöser nationaler oder vergleichbarer Gewohnheiten machte. Der Modellfall solcher Gewohnheiten ist es, wie der olympische Zeus in Der gefesselte Prometheus den Menschen verbietet, kreativ zu sein.

So empfahl auch Edward Gibbon, der Autor von Verfall und Untergang des Römischen Reiches, seinem Gebieter Lord Shelburne, das Britische Empire solle die Methoden des römischen Kaisers Julian Apostata nachahmen, indem es die Religionen eines imperial-britischen Pantheons gegeneinander ausspielt. Auf diese Weise haben europäische und andere Nationen sich quasi als Mitglieder wie Opfer eines britischen Pantheons wiederholt in Kriegen gegenseitig zugrunde gerichtet, ähnlich wie bei römischen Gladiatorenkämpfen - zum sadistischen Vergnügen und zum größeren Ruhm ihres gemeinsamen Unterdrückers, des Britischen Empires. Sie kämpften immer wieder als Narren zum Ruhme des Empires, etwa in den Napoleonischen Kriegen oder im 20. Jahrhundert in den sogenannten „Weltkriegen“ und dem „Kalten Krieg“ - nur um sicherzustellen, daß das sogenannte Britische Empire weltweit die vorherrschende finanzimperiale Macht venezianischer Art blieb, eine räuberische Sarpische, anglo-holländische liberale Macht. Hier und bei ähnlichen Beispielen stoßen wir auf den eigentlichen geistigen Ursprung aller großen Tragödien.

Solche Tragödien, das Sinnbild aller wahren klassischen Tragödien seit Homers Ilias, bestehen immer darin, daß Kulturen sich in einem törichten, kollektiven Wahn selbst zugrunde richten oder sich wieder und immer wieder einem Tyrannen zu Füßen zu werfen, der sie zerstört, indem er sie dazu verführt, eingefahrenen dummen Leidenschaften zu frönen.

Ein solcher Fall war auch das gemeinsame Vorgehen der britischen Premierministerin Margaret Thatcher, von US-Präsident George Bush sen. und des französischen Präsidenten François Mitterrand, um Deutschland nach dem Fall der Mauer niederzuhalten. Deutschland wurde angewiesen, seine Wirtschaft Stück für Stück auseinanderzunehmen, weil es dem Britischen Empire, das seither die beherrschende imperiale Macht in der Weltpolitik geblieben ist, so gefiel.

Menschen zugrunde zu richten, ist schon ein Verbrechen; ein Volk dazu zu bringen, sich selbst zu zerstören, wie es das Britische Empire während der letzten Jahrhunderte z.B. durch die Förderung des Drogenhandels immer wieder getan hat, gehört zu den größten Verbrechen überhaupt. Beispielhaft hierfür ist auch, wie die Briten Adolf Hitler in Deutschland zur Macht verhalfen und ihn unterstützten, bis die damaligen faschistischen Verbündeten der Briten in Frankreich der relativ schwächeren Wehrmacht dazu verhalfen, die eigentlich überlegenen französischen Streitkräfte zu überrennen.20

Eine solche induzierte, habituelle moralische Selbstdegradierung von Völkern und Nationen war in der gesamten Geschichte immer der größte Fluch der Menschheit. Diese Selbsterniedrigung ermöglichte es, daß sich von der Antike bis zur Gegenwart imperiale Herrschaften auf diese Weise durchsetzen konnten.

Das gleiche vollzog sich im Bereich der neuzeitlichen Wissenschaft, wo das Böse, das im Einfluß Paolo Sarpis auf das heutige Wissenschafts-, Religions- und Politikverständnis zum Ausdruck kommt, die europäische Zivilisation wiederholt in einen Morast meist freiwilliger Erniedrigung zog, indem sie üblen Leidenschaften folgte wie denen, die das in der Ilias dargestellte Übel hervorriefen. Das Verderben, das an der Person Paolo Sarpis und dem Ursprung und anhaltenden Einfluß des jetzigen sogenannten „Britischen Empires“ deutlich wird, hat über weite Strecken der neuzeitlichen Geschichte vor und nach dem Pariser Frieden vom Februar 1763 aus der europäischen und anderen Zivilisationen einen großen Narren gemacht.

Der Mangel an jenen Leidenschaften, die Ausdruck wahrer Kreativität sind, bringt großes Leid über alle Nationen, die dem Verbot des olympischen Zeus folgen. Was und wo sind dann, ontologisch verstanden, diese Leidenschaften?

III. Die historische Dynamik der amerikanischen Verfassung als Modellfall

In der zeitgenössischen akademischen und verwandten Auffassung von Wissenschaftsmethode steckt ein großer Fehler, nämlich die Annahme, man dürfe „harte“ naturwissenschaftliche Fakten nicht mit der „Gefühlsduselei“ von Moral und Kultur vermischen. Entgegen solchen verbreiteten Unsinns über das Wesen der Naturwissenschaft ist menschliches Verhalten natürlich auch Gegenstand von Wissenschaft. Sämtliche nachweislich systemischen Aspekte der Entwicklung bzw. fehlenden Entwicklung des Menschen, um Mittel und Wege zur Entdeckung und Umsetzung von Möglichkeiten zur Beibehaltung und Steigerung der relativen potentiellen Bevölkerungsdichte der Menschheit zu finden, sind dann ein integraler Bestandteil der Naturwissenschaft. Dieser Teil läßt sich vom Zweck der Wissenschaft für die Menschheit - als einzige Quelle für den Erhalt und die Entwicklung der menschlichen Gattung - nicht trennen.

Die politisch motivierte Propaganda für den Betrug der sogenannten „Klimaerwärmung“ ist dafür ein anschauliches Beispiel. Es gibt keinen prinzipiellen Unterschied zwischen dieser heute praktizierten Vorspiegelung falscher Tatsachen und dem Gegenstand von Aischylos’ Der gefesselte Prometheus. Die Einheit von Moral und Wissenschaft zeigt sich auch an der besonderen Qualität menschlicher Hingabe, die für den Entdeckungsprozeß universeller physikalischer Prinzipien notwendig ist. Wissenschaft ist nie „objektiv“, wie sich einige Narren vorstellen; sie ist im wesentlichen ein Akt der Hingabe der betreffenden Person an eine langanhaltende und hochintensive Leidenschaft. Wie ich anhand meiner intensiven Beschäftigung mit der Weiterentwicklung der Wissenschaft der physischen Ökonomie bezeugen kann, werden das Identitätsgefühl und die Emotionen der Person dabei praktisch das ganze Leben lang von dieser Leidenschaft erfaßt. Noch wichtiger, diese Art der Hingabe überspannt Leben und Tod ganzer Generationen, die sich einer bestimmten Mission verschrieben haben. Das wird z.B. daran deutlich, daß sämtliche kompetente Wissenschaft der Neuzeit sich auf die leidenschaftliche Arbeit von Kardinal Nikolaus von Kues in der Mitte des 15. Jahrhunderts zurückgeht. Es wird auch daran deutlich, daß die moderne Naturwissenschaft eine Art Spiegel oder eine Wiedergeburt der gleichen Prinzipien ist, die schon zu den Lebzeiten der Pythagoräer und Platons gültig waren. Die Menschheit ist in ihrem Wesen unsterblich.

Der Unterschied zwischen Mensch und Tier liegt im bewußten Denken, und dadurch erlangen wahre Naturwissenschaft und klassische Kunst in der Abfolge von Generationen wissenschaftlich orientierter Kulturen Unsterblichkeit.

Die Folgen der Dummheit als System, wie es ein kulturelles Phänomen wie der neuzeitliche Empirismus hervorruft und festschreibt, bedeuten nicht, daß die Person des Empiristen kein geistiges menschliches Potential besitzt. Vielmehr wird die Fähigkeit, Kreativität wachzurufen, die natürlicherweise jedem gesunden menschlichen Individuum innewohnt, gelähmt und unterdrückt. Die schöpferischen Fähigkeiten werden verkrüppelt, mit etwa vergleichbaren Folgen wie bei der früheren Praxis, sehr jungen chinesischen Mädchen die Füße einzuschnüren.

Der Kontrast zwischen den Tugenden der Menschheit und dem dynamischen Einfluß des Bösen auf die allgemein akzeptierten Gewohnheiten eines Volkes macht die eigentliche Definition des Prinzips der Tragödie aus.

Der große klassische Dramatiker Griechenlands, Aischylos, hat diese Spannung in seiner Prometheus-Trilogie eingefangen: Der herrschende, böse Gott, der olympische Zeus, untersagte es den sterblichen Menschen, die ihnen angeborene Fähigkeit zu nutzen, Feuer zu machen. Das angeborene Potential des jungen chinesischen Mädchens bestand darin, so zu gehen, wie Mädchen ohne diese Beeinträchtigung normalerweise gehen könnten. Die Fähigkeit an sich ist der menschlichen Natur dadurch nicht genommen worden, sie verkümmert nur unter einer moralisch verkrüppelten Kultur.

Das eben Gesagte bewegt sich als Argument zwar in Richtung der Wahrheit, ist aber noch eine verkrüppelte Wahrheit. Solche induzierte Dummheit, die der olympische Zeus durch seine Herrschaft verbreitet, ist kein Phänomen von Einzelfällen, es ist systemisch - wie bei den heranwachsenden Jungen der herrschenden Klasse Spartas, die für ihren Kriegseinsatz übten, indem sie aus bloßem Spaß unbewaffnete Heloten jagten und umbrachten. Das Problem ist nicht individuell, sondern systemisch; es ist, wie eine religiöse Überzeugung, dynamisch. Die Mitglieder der Gesellschaft zwingen sich gegenseitig, sich diesem Zustand unterzuordnen, sogar dann, wenn sie selbst Opfer von Unrecht sind, das sie auf diese Weise freiwillig über sich bringen.

Betrachten wir nun den Fall der Ursprünge der Vereinigten Staaten von Amerika. Man verfolge die Geschichte im einzelnen, angefangen mit der ersten Welle von Niederlassungen der Mayflower-Siedler und der Massachusetts Bay Colony im sogenannten „Neuengland“. Man behandele die Ankunft der anfangs überwiegend freiwilligen Auswanderer aus den Niederlanden und England als das, was sie war: die kulturelle Transformation bzw. die Entstehung einer neuen Kultur, die ein Teil der Bevölkerung aus einer früheren Kultur annimmt. Der gleiche Effekt, der „nordamerikanische Kolonisierungseffekt“, läßt sich auch an den späteren Einwanderern in die Vereinigten Staaten aus Deutschland, Italien, Osteuropa usw. studieren. Das Phänomen, auf das ich damit hinweise, ist ein Beispiel für das Dynamikprinzip, wie es in dem Fall in einem bestimmten kulturellen Umfeld gewirkt hat.

Andere Gesellschaften verhielten sich in ganz anderer Weise - so das Phänomen, daß sich die Jugendlichen in Sparta auf die Aufnahme in das kulturelle Paradigma ihrer Kultur vorbereiteten, indem sie „zum Spiel“ die Heloten jagten und töteten.

Ähnliche Stereotypen kultureller Dynamik kennzeichnen zum Guten oder Schlechten den Prozeß in den Gesellschaften generell.

In dem Fall der amerikanischen Siedler, der hier relevant ist, zeichneten sie sich insbesondere dadurch aus, daß sie die Tradition des europäischen Feudaladels grundsätzlich ablehnten. Betrachten wir die Grundzüge der wahren Geschichte hinter der erwähnten Entwicklung der nordamerikanischen Kolonien.

Ausgangspunkt des sozialen Prozesses, der zur Gründung der englischsprachigen USA führte, waren verschiedene Entwicklungen nach dem Zusammenbruch Europas im Finsteren Zeitalter des 14. Jahrhunderts, als die vorhandene monetaristische Kultur unter Herrschaft der venezianischen Finanziers, die übrigens auch Europas Ritterschaft steuerten, kollabiert war. Die Anfänge sowohl der neuzeitlichen europäischen Kultur als auch der nordamerikanischen Kultur als deren Nebenprodukt liegen in den Bemühungen, die westlichen und östlichen Zweige der christlichen Kirche zu erneuern und wiederzuvereinen, was 1439 in dem großen ökumenischen Konzil von Florenz gipfelte. Das Ergebnis dieses Versuchs war gemischt. Im Zuge der Renaissance des 15. Jahrhunderts entstanden zwar in Frankreich unter Ludwig XI. und in England unter Heinrich VII. die ersten modernen Nationalstaaten, doch schlugen die Überreste des mittelalterlichen Feudalismus unter Führung der Monetaristen Venedigs zurück, indem sie über den gesamten Zeitraum von 1492 bis 1648 hinweg ständig lange, blutige Religionskriege anzettelten.

Derselbe Nikolaus von Kues, führender Vertreter der Renaissance des 15. Jahrhunderts, der auch die neuzeitliche europäische Wissenschaft begründete, erkannte schon früh, daß die Folgen der durch den Fall Konstantinopels ausgelösten Balkankriege den Erfolg der Renaissance vereiteln würden. So konzipierte Nikolaus eine Bewegung für transozeanische Schiffsreisen, um neue Verbündete für die Sache der Renaissance zu finden. Um 1480 lernte ein damals in portugiesischen Diensten stehender genuesischer Kapitän Schriften kennen, in denen diese Vorstellungen des Cusaners ausgeführt waren. In Absprache mit noch lebenden Mitarbeitern Cusas in Italien entschied Kolumbus, die von Nikolaus angeregte transatlantische Seereise vorzunehmen. 1492 wurde die Mission ausgeführt.

Die erste Kolonisierung ging von Spanien aus, und etwas später wagte sich Portugal an die Reise in das spätere Brasilien. Unterdessen spitzten sich während des gesamten 16. Jahrhunderts die Perioden verheerender Religionskriege zu. Das Konzil von Trient kam und ging, und im Gefolge davon trat ein neuer Verfechter weiterer Religionskriege auf den Plan, der Venezianer Paolo Sarpi. In diesem Umfeld des späten 16. und frühen 17. Jahrhunderts kam es zu den ersten großen französisch- und englischsprachigen Siedlerbewegungen nach Nordamerika.

Was folgte, war ein komplexer, überwiegend transatlantischer Prozeß, von dessen vielfältigen Einzelheiten an dieser Stelle nur einige wenige Hauptdynamiken betrachtet werden können. Das wichtigste Ereignis der Zeit zwischen der ersten Plymouth-Siedlung 1620 und dem amerikanischen Sieg über das Britische Empire war, abgesehen von dem amerikanischen Sieg selbst, die Gründung des Britischen Empires, das bis heute weiterbesteht. Durch den sogenannten Siebenjährigen Krieg wurde London im Februar 1763 zur Hauptstadt eines im Grunde anglo-holländischen, liberalen, weltbeherrschenden Seereichs. Dies setzte bei den Hauptopfern des Siebenjährigen Krieges, voran Frankreich und Rußland, eine Bewegung in Gang, die in europäischen Augen glaubwürdige Sache zu unterstützen, den imperialen Begierden ihres verhaßten anglo-holländischen Nachbarn auf jeden Fall Einhalt zu gebieten.

Diese Allianz gegen die anglo-holländische Tyrannei hatte im wesentlichen zwei positive Ergebnisse. Das eine war die Verteidigung Europas gegen das anglo-holländische liberale Imperium, welche von vielen gekrönten Häuptern Europas unterstützt wurde. Das andere war die Errichtung einer ganz neuen Form des souveränen Nationalstaats, der US-Republik.

Nach diesem im Konflikt der Jahre 1763-89 festgelegten Muster verlief die gesamte Periode bis zum Tod von US-Präsident Franklin Roosevelt 1945 mit zunehmenden Komplikationen bis heute weiter. So wurden die unabhängigen Staaten Kontinentaleuropas mit den von der britischen Premierministerin Margaret Thatcher - zusammen mit dem fanatisch anglophilen US-Präsidenten George Bush sen. und dem französischen Präsidenten François Mitterrand - eingeleiteten Mitteln massiv unterdrückt. Dies ging soweit, daß der frühere britische Premier Tony Blair in offen gesagt faschistischer Weise den Westfälischen Frieden von 1648 aufkündigte und statt dessen eine Kreuzung zwischen Imperialismus und dem neuen Turmbau zu Babel namens „Globalisierung“ propagierte.

Wesentlich an dem jahrhundertelangen Prozeß von der allgemeinen europäischen Zusammenbruchskrise im 14. Jahrhundert bis heute war, daß sich ein Muster herausbildete, das durch die erfolgreiche Amerikanische Revolution und den Sieg der USA über das Britische Imperium unter Präsident Abraham Lincoln dargestellt wird. Damit wurde der Angriff des Empire durch einen Krieg der Vereinigten Staaten zurückgeschlagen. Die Einwanderungswellen von Europa in die USA in der gesamten Zeit bis zum sogenannten „Zweiten Weltkrieg“ bilden einen Geschichtsabschnitt, der den sozialen Charakter des amerikanischen politisch-ökonomischen Systems und die soziale Ausrichtung der großen Mehrheit der amerikanischen Bürger gefestigt hat.

Offenbar stellt der Eintritt der USA in den Krieg gegen Nazideutschland, Japan und das faschistische Regime Italiens - „made in London“ -, eine deutliche Niederlage für den oligarchisch-faschistischen Flügel dar. Dieser Flügel war von Londoner Interessen in den moralisch korrumpierten USA aufgebaut worden und umfaßte ein Netzwerk, das zur Zeit von Präsident Franklin Roosevelt vor allem in der faschistischen American Liberty League aktiv war - einem britischen Werkzeug, von dem heute so moralisch verkommene Kreaturen wie Amity Shlaes abstammen. Präsident Franklin Roosevelts Tod war ein Rückschlag, der die Entwicklungen in den USA vor allem durch den Fabianismus des Vereinigten Königreiches auf die faschistische anglo-amerikanische Ausrichtung von Theodore Roosevelt, Woodrow Wilson, Calvin Coolidge und Herbert Hoover sowie der American Liberty League zurückdrängte.

Nachdem all dies Notwendige gesagt ist: Jetzt ist die Zeit gekommen, in der die USA inmitten der allgemeinen wirtschaftlichen Zusammenbruchskrise nur durch die Rückbesinnung auf die unter Präsident Franklin Roosevelt verfolgten Richtlinien einen Sieg der Völker dieses Planeten über den imperialistischen Feldzug möglich machen könnten.

Die größte Gefahr, beim Zurückschlagen der anglo-holländisch liberalen (d.h. fabianischen) Bestrebungen zur Errichtung eines Weltreichs namens „Globalisierung“ zu scheitern, liegt darin, daß wir das Konzept der Dynamik nicht verstehen und uns nicht nachdrücklich genug für einen dynamischen, d.h. nicht-kartesischen Entwurf für die entsprechenden sozialen Prozesse einsetzen.

Nicht irgendeine konkrete materielle Stärke ist jetzt ausschlaggebend dafür, daß die Vereinigten Staaten in dieser Frage eine entscheidende Rolle spielen - es ist eine bestimmte Dynamik im amerikanischen Charakter, die tief verwurzelte Abneigung des wahren Republikaners gegen die vermeintliche Autorität aller gesellschaftlichen Institutionen, die oligarchischen Traditionen folgen.

IV. Was ist Realität?

Aus dem, was ich in diesem Bericht bisher geschrieben habe, sollte klar sein, daß die große intellektuelle Frage, vor der heute sowohl die wissenschaftliche als auch die populäre Meinung steht, diese ist: Was ist real - Wissenschaft oder Sinneswahrnehmung? Ist das, was wir als die Abbilder der Sinneswahrnehmung ausmachen, die Wirklichkeit, oder ist es nicht vielmehr so, daß die Sinneswahrnehmungen bloß der Schatten sind, den die Wirklichkeit auf die Einbildung des primitiven Geistes wirft?

Ist es nicht der Fall, wie ich bereits in den bisherigen Abschnitten dieses Berichtes betonte, daß wir in einer Sprache kommunizieren müssen, die sich zwar auf die Erfahrungen unserer Sinneswahrnehmung bezieht, aber nicht, weil diese Bilder die Realität als solche ausdrücken, sondern weil die Wahrheit nur in jener scheinbar wundersamen Fähigkeit des menschlichen Geistes liegt, die Botschaften der Sinne so zu entschlüsseln, daß unser Geist die Realität sieht, die diese nicht sehen können? In anderen Worten: Wir müssen an das glauben, was unser Geist „sehen“ muß, statt Sinneswahrnehmungen an und für sich schon für die eigentlich wirksame Realität zu halten.

Anders ausgedrückt: Der Name „Wissenschaft“ sollte auf die Realität begrenzt werden, die unsere Sinneswahrnehmungen verursacht. Im Grunde gilt das nicht nur für das, was wir als Naturwissenschaft bezeichnen, sondern auch für die künstlerische Kreativität, die sich für die Sinne in Ironien der Kompositionen in der klassischen Kunst ausdrücken. Wie ich oben bereits geschrieben habe, befaßt sich die kompetente Naturwissenschaft, wie wir sie kennen, mit der Beziehung des Menschen zu Fragen des abiotischen Bereichs und der Biosphäre; klassische Kunstwerke beziehen sich auf die wesentlichen Verhältnisse der kreativen Fähigkeiten der Menschen untereinander. Dadurch werden die menschlichen Beziehungen in einer ironischen Form ausgedrückt, die mit der naturwissenschaftlichen Arbeit vergleichbar ist.

Der kultivierte Geist eines Menschen ist daher ein Ausdruck des Übergangs einerseits von der Auffassung, die Sinneswahrnehmungen repräsentierten tatsächlich das reale Universum, andererseits zur Angewöhnung eines selbstbewußten Verständnisses, welches die Wissenschaft als real und die Sinneswahrnehmungen nur als Schatten betrachtet.

Diese Gedanken, die ich hier zusammengefaßt habe, sind eigentlich nicht neu. Alle großen klassischen Künstler und Wissenschaftler heben sich von der populären Meinung ab, indem sie sich in signifikantem Grade einer solchen Denkweise annäherten. Wie nennen solche Künstler und Wissenschaftler „Genies“. In Wirklichkeit ist aber der Geist, der so weit entwickelt ist, im wahrsten Sinne „normal“ -  während Menschen, die immer noch in ihrer emotionalen Bindung an die Sinneswahrnehmung gefangen sind, noch kein wahrhaft menschliches Verständnis ihrer eigenen Identität gefunden haben.

Man muß in den schöpferischen Persönlichkeiten der Vergangenheit unsterbliche Menschen sehen, die auf ihre Weise immer noch mit uns kommunizieren, während wir nur auf das antworten können, was sie uns mit unsterblicher Wirkung mitgeteilt haben. Das heißt, daß wir, wenn sich aus der Vergangenheit Fragen zu bestimmten Prinzipien stellen, möglichst nachvollziehen müssen, was im Geist des verstorbenen Denkers vorging, oder in unserem eigenen Geist noch einmal die gleichen Umstände schaffen müssen, unter denen er in der betreffenden Zeit und Lage in der Vergangenheit arbeitete.

Die entscheidende Frage ist dieses Gefühl der Unsterblichkeit des kreativen individuellen Menschen. Es ist das Gefühl, daß wir selbst in der Gegenwart in einer geistigen Welt mit diesen Unsterblichen aus den Reihen der Verstorbenen zusammenleben.

So gesehen lebt die große Mehrheit der heute lebenden Menschen immer noch in einem Geisteszustand, der bestenfalls eine schlechte Vorahnung dessen ist, was der menschliche Geist in seiner wahren, ausgereiften Entwicklung werden soll. Um das nochmals zu betonen: Die Menschheit lebt heute, von immer noch ziemlich seltenen Ausnahmen abgesehen, in der Dunkelheit vor der Morgendämmerung des wahren Menschseins.

Wenn viele Menschen sich den Anforderungen der Sache der wahren, schöpferischen Humanität vehement widersetzen, ist dies daher ein wesentlicher Grund dafür, daß heute unter den Nationen und ihren Völkern noch soviel Dummheit oder oftmals sogar Böses herrscht. In unseren Gesellschaften stützen wir uns auf einen verhältnismäßig gesunden moralischen Zustand, den wir dem Einfluß der außergewöhnlichen Individuen unter uns verdanken - unserem Benjamin Franklin, Franklin Roosevelt oder Albert Einstein. Ohne solche Genies hätten wir selbst unter den besten Bedingungen der nationalen Geschichte nicht so weit voranschreiten können, wie wir es getan haben. Aber daß es der Gesellschaft nicht gelingt, sich insgesamt auf ein vergleichbares Niveau solch persönlicher Entwicklung zu erheben, bleibt eine der größten Gefahrenquellen für unsere ganze Zivilisation.

Bis die Menschheit die Wirklichkeit nicht mehr „durch einen Spiegel in einem dunklen Wort“ sieht, wie es der Apostel Paulus ausdrückte, sondern sich selbst in jener Realität erkennt, von der die Sinneswahrnehmungen lediglich Schatten sind, solange sind wir immer umgeben von den Gefahren, die diese Rückständigkeit mit sich bringt. Wissenschaft und ein Leben in der klassischen Kunst sind gut, und das Gegenteil, wie die heute populäre Kultur, ist grundsätzlich schlecht, weil sie die Bevölkerung dazu verleitet, sich selbst zu erniedrigen oder zu wilden Bestien zu verrohen, wie es die gewalttätigen „68er“ taten, was wiederum verheerende Folgen für die Kultur der ganzen heutigen Welt hatte.

Kreativität, so wie ich hier für sie plädiert habe, ist nicht bloß ein Vorteil - sie ist der einzige Ausweg aus der Unmenschlichkeit der heutigen Welt, um die Menschheit auf solche Art und Weise zu erheben, daß ein langanhaltendes, planetares Neues Finsteres Zeitalter verhindert werden kann.

Anmerkungen

16. Hiermit folgen wir in diesem Aufsatz der Übereinkunft, daß die schöpferischen Fähigkeiten in der Naturwissenschaft und in der klassischen Kunst insoweit identisch sind, daß sie beide das Produkt des gleichen schöpferischen Potentials des menschlichen Geistes sind. Zum Unterschied ist festzustellen, daß bei der Naturwissenschaft die schöpferischen Fähigkeiten des Geistes auf die Einwirkung des Menschen auf die Natur konzentriert werden, wohingegen bei dem anderen die gleichen schöpferischen Fähigkeiten auf den Menschen selbst angewendet werden.

17. Dieser Begriff des Guten im Menschen war ein erklärter Grundsatz der Winthrops und Mathers, die in der Zeit bis 1688-89 die Massachusetts Bay Colony anführten. Erst als unter Wilhelm von Oranien die Freiheit dieser Kolonie unterdrückt wurde, war der Weg frei für die Ausbreitung der Verderbnis in Neuengland unter der Herrschaft einer Fraktion aus dem Umfeld der britischen und niederländischen Ostindiengesellschaften und ihrer gedungenen Ideologen, wie dem korrupten, bösartigen Sklavenhändler John Locke und Adam Smith. Zu den entgegengesetzten Ansichten siehe die hervorragende Studie - ein wirklicher wissenschaftlicher Durchbruch - von Graham Lowry How The Nation Was Won: America’s Untold Story, Washington 1988.

18. Fjodor Dostojewskijs Großinquisitor war zwar offensichtlich eine spezielle Figur der russischen Kultur, doch hat sie aus meiner Sicht und auch aus jedem kulturellen Standpunkt Europas eine merkwürdig eigene Wahrhaftigkeit. Das Pantheon im Römischen Reich zeigt wesentlich, wie der Imperialismus durch das Schüren religiöser und verwandter Konflikte über seine Opfer herrscht, so wie dies noch heute durch das Sykes-Picot-Abkommen in Südwestasien der Fall ist. Es ist das Bild des falschen Gottes, der über die streitenden Parteien in der Gesellschaft wie z.B. unterschiedliche Glaubensrichtungen herrscht, indem eine Gruppe irregeführter Untertanen gewalttätig gegen die andere ausgespielt wird. Der Großinquisitor ist somit der vom Imperium, vom Satan - wie dem Britischen Imperium heute - geschaffene falsche Prophet, der vorgibt, ein wahrer Repräsentant von Jesus Christus zu sein. Die spanische Inquisition und die europäischen Religionskriege von 1492 bis 1648 verdeutlichen dies. So auch meine entfernte Verwandte, die legendäre Lizzie Borden: „Lizzie Borden nahm eine Axt und schlug den Vater vierzigmal. Als sie sah, was sie getan, die Mutter einundvierzigmal“ [ein populärer amerikanischer Kinderreim]. Ob die tatsächliche Lizzie Borden selbst die Tat begangen hat, ist unklar, denn wie in vielen Fällen spinnt die Legende die Geschichte weiter, ob sie nun wahr ist oder der Erzähler sie erfunden hat. Genauso doppeldeutig bleibt auch Dostojewskijs Erzählung.

19. In der Musik verkörpern J.S. Bach und seine prominenten Nachfolger wie Joseph Haydn, Wolfgang A. Mozart, Beethoven, Franz Schubert, Robert Schumann und Johannes Brahms in ihrer Kompositionsmethode eine Begeisterung für die Wahrheit, an welcher es den Vertretern der romantischen Schule des 19. Jahrhunderts mangelte - so auch der Schule des „kriminellen Czerny“ (wie es Beethoven ausdrückt), der den hochtalentierten Franz Liszt verdarb und dadurch zum bösartigen Vorläufer des von London geschaffenen Hitler-Kults machte. Die Populärmusik des 20. Jahrhunderts tendiert häufig offen zum Bösen und wird zur Gewohnheit, die - ähnlich wie Blähungen beim Mittagstisch - bei gewohnheitsmäßig Leichtgläubigen den Zugang zu den Erkenntniskräften und zur Moral versperrt.

20. An dieser Stelle des Berichts ist es wichtig, hervorzuheben, daß das Britische Empire im gleichen Stil wie im Siebenjährigen Krieg erneut seine Vormachtstellung zu bewahren suchte, indem es gezielt unter auserwählten Opfern, wie den Nationen Kontinentaleuropas, Kriege organisierte. So trifft London die hauptsächliche Kriegsschuld für die zwischen 1890 und 1914 getroffenen Vorbereitungen eines neuen „Siebenjährigen Kriegs“, der sich heute „Erster Weltkrieg“ nennt. Genauso baute London das Hitler-Regime in der Absicht auf, daß sich Deutschland im Krieg gegen die Sowjetunion aufreiben würde - auch das in der Tradition des „Siebenjährigen Krieges“. Die Institutionen in Deutschland wollten sich, obwohl dort Londons Werkzeug Hitler im Sattel saß, jedoch nicht auf eine Neuauflage des verheerenden Rußlandfeldzugs von Napoleon Bonaparte einlassen, solange eine noch überlegene französische Militärstreitmacht in Deutschlands Rücken lag. Das kleine Problem wurde gelöst, indem man in Frankreich selbst eine faschistische Regierung einsetzte, welche die überlegenen französischen Truppen dermaßen in Unordnung brachte, daß der deutsche „Blitzkrieg“ gelingen konnte. Die britische Führung, die den Mussolini- und Hitler-Faschismus geschaffen hatte, war selbst faschistisch geworden; nun brachte Frankreichs Zusammenbruch die ebenso bösartigen wie närrischen Briten unter Winston Churchill in die peinliche Lage, sich an jenen Präsidenten Franklin Roosevelt, den sie eigentlich loswerden wollten, wenden zu müssen, damit er sie vor den Früchten ihrer eigenen imperialistischen Torheiten rettete.

Lesen Sie hierzu bitte auch:
Das Prinzip des menschlichen Geistes - Teil 2
- Neue Solidarität Nr. 20/2009
Das Prinzip des menschlichen Geistes - Teil 1
- Neue Solidarität Nr. 19/2009
Schriften von Lyndon H. LaRouche 1981-2006
- Internetseite des Schiller-Instituts
Was Lyndon LaRouche wirklich sagt
- Internetseite der Bürgerrechtsbewegung Solidarität (BüSo)
Internetseite des LaRouche-Aktionskomitees
- in englischer Sprache