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Aus der Neuen Solidarität Nr. 12/2009

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Warum wir dringend eine Pecora-Kommission brauchen

Von Jacques Cheminade

Jacques Cheminade ist der Vorsitzende der französischen Partei Solidarité et Progrès. Die folgende Rede hielt er auf der Konferenz des Schiller-Instituts am 22. Februar 2009 in Rüsselsheim.

Die Szene ist eine Anhörung in den Vereinigten Staaten. Es ist im Jahr 1933. Auf der einen Seite sitzt J.P. Morgan, der „Löwe der Wall Street“, der nur widerwillig seine Aussage macht. Auf der anderen Seite sitzt Ferdinand Pecora. Er genießt es.

An einem heißen Nachmittag im Juli fragt Ferdinand Pecora Morgan, ob er 1930 Einkommensteuer bezahlt habe. Morgan schweigt. Auch Pecora schweigt. Schließlich erwidert der Löwe der Wall Street: „Ich kann mich nicht erinnern.“ Man stellt ihm die gleiche Frage über 1931, über 1932, die Antwort ist immer die gleiche: „Ich kann mich nicht erinnern.“

Schließlich sortiert Pecora seine Papiere und enthüllt, daß J.P. Morgan noch nie Einkommensteuer gezahlt hat. Und er hat dabei gegen kein Gesetz verstoßen. Es war völlig legal!

Finanzminister Andrew Mellon („Andy“ für die Damen), bemerkte Pecora, habe entsprechende Klauseln in das Steuergesetz eingefügt, so daß Morgan und seinesgleichen nie Steuern zahlen müßten. Al Capone wäre nie ins Gefängnis gekommen, wenn er „Andy“ Mellon besser gekannt hätte.

Pecora zeigte dann, wieviel Steuern das gesamte Haus Morgan und seine Partner in den letzten fünf Jahren gezahlt hatten: Es war eine einzige Zahlung von 5000 Dollar im Jahre 1931.

Es folgte eine Auflistung der Besitztümer von J.P. Morgan und seinen Partnern. Zusammen mit ihren britischen Freunden gehörte ihnen ein großer Teil der amerikanischen Wirtschaft. Es folgte J.P. Morgans Liste der Vorzugskunden, nach der einflußreichen Freunden der Bank, darunter der ehemalige Präsident Calvin Coolidge, Aktien zu stark vergünstigten Preisen angeboten wurden. Damit wurde aufgedeckt, daß sie die amerikanische Volkswirtschaft völlig unter ihrer Kontrolle hatten.

Diese Anhörung fand vor dem Banken- und Währungsausschuß des amerikanischen Senats statt, in dessen Auftrag Pecora nach dem Krach von 1929 die Praktiken der Banken und Börsenmakler der Wall Street untersuchte. Ferdinand Pecora stammte aus Sizilien und war Sohn eines Schusters, der in die USA ausgewandert war. Eigentlich war er ein progressiver Republikaner - kein Demokrat - und erhielt seinen Posten in den letzten Monaten der Regierung Hoover. Als hart durchgreifender Distriktsstaatsanwalt von New York hatte er sich darauf spezialisiert, mehr als hundert Winkelbörsen („bucket shops“) zu schließen. Diese nicht konzessionierten Maklerstuben waren eine typische Erscheinung der USA jener Zeit: illegale Maklergeschäfte, wo man Wetten auf Termingeschäfte abschloß, indem man seinen Einsatz in einen Eimer warf - die primitiven Vorläufer der heutigen Derivate.

Unterstützt wurde Pecora in seinem New Yorker Amt von John T. Flynn, einem irisch-amerikanischen Journalisten, und von Max Löwenthal, einem jüdischen Rechtsanwalt. Keine Vorzugsbehandlung für „weiße angelsächsische Protestanten“ (WASPs). Die amerikanische Republik schlug gegen das Empire zurück.

Das ist ein sehr bedeutender Punkt, denn es zeigt den wahren Geist Amerikas. Ein Italoamerikaner, ein irischer Amerikaner und ein jüdischer Amerikaner schlossen sich zusammen, um gegen die anglo-amerikanischen Wallstreet-Granden, die WASPs, den Geist der Gründerväter zu erneuern. Ein anderer entscheidender Punkt war, daß ihr Vorhaben überparteilich war, im Dienste der Grundsätze der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung und Verfassung.

Denken wir uns nun in diese Menschen hinein, wie sie voller Begeisterung die Wahrheit ans Tageslicht brachten und keine Angst hatten, sich dabei unbeliebt zu machen - wie Lyndon LaRouche sagen würde: „Unbeliebt sein, wenn es am besten schmeckt.“

Wir sollten uns heute von ihnen inspirieren lassen, im gleichen Geist in unseren jeweiligen Ländern eine neue Pecora-Kommission zu fordern, die heute so wie damals eine gründliche Aufarbeitung des Zwillingskrachs von Immobilien und Börsen unternimmt - um „das geistige Umfeld für den politischen Wechsel“ zu schaffen, wie es Ron Chernow, der Autor von House of Morgan und Alexander Hamilton, am 5. Januar 2009 in der New York Times formulierte. Zuvor hatte natürlich bereits Lyndon LaRouche eine neue Pecora-Kommission gefordert. Sie ist heute noch dringender notwendig als damals, denn der weltweite Finanzkollaps heute ist vom Ausmaß her schon weitaus schlimmer als der Crash von 1929, wie gestern hier [auf der Konferenz] bereits dargestellt wurde. Wenn er nicht gestoppt wird, werden wir eine Krise wie den „Schwarzen Tod“ im 14. Jahrhundert erleben, nur heute nicht auf Europa beschränkt, sondern im weltweiten Maßstab.

Gegen die Bankster

Schauen wir also zurück, was Pecora damals wirklich erreichte. Gewöhnlich heißt es, er habe Beweise für „irreguläre Praktiken“ - um es deutlich zu sagen, Betrug - auf den Finanzmärkten gefunden. Ein Betrug der reichen Insider auf Kosten der kleinen Anleger. Das stimmt. Doch es steckt noch viel, viel mehr dahinter. Er hat die größten Namen der Finanzwelt unerbittlich verhört.

Morgan stand nicht am Anfang. Die Anklage gegen Morgan war eine Art krönender Abschluß. Er begann mit Charles Mitchell, Präsident und Vorstandsvorsitzender der National City Bank. Er bewies, daß Mitchell während des Krachs Aktien der eigenen Bank verkauft, also gegen seine Firma gewettet und damit sehr viel Geld verdient hatte. Er hatte Wetten gegen seine eigene Aktie abgeschlossen, was gesetzlich verboten war. Das gleiche hat in unserer Zeit Goldman Sachs getan, als das Finanzhaus seinen Kunden minderwertige Hypothekenpapiere verkaufte und Leerverkäufe zum eigenen Vorteil gegen sie tätigte.

Er enthüllte die schmutzigen Geschäfte Mitchells mit dem damaligen kubanischen Präsidenten Gerardo Machado - genannt „der Schlächter“. National City Bank hatte sich wertloser kubanischer Zuckeranleihen über 31 Mio.$ entledigt, indem sie diese ohne deren Wissen auf die Aktionäre der Tochterbank Cuban National City übertrug und diese so ruinierte. Ebenso hatte er den ahnungslosen Kunden der National City Company wertlose peruanische Staatsanleihen angedreht.

Pecora deckte dann den bis dahin größten Betrug in der amerikanischen Bankengeschichte auf, das Anaconda-Kupfer-Geschäft der National City Bank. Und er bewies, daß Mitchell ein alter Freund von Finanzminister Andy Mellon war! Der hatte das Land in den Jahren zuvor quasi regiert - im Namen der Präsidenten Harding, Coolidge und Hoover, die er in Wirklichkeit lenkte und ausnutzte.

Es sei daran erinnert, daß die Mellon Scaife Foundation in den achtziger Jahren die Machenschaften gegen Lyndon LaRouche und seine Vereinigung finanzierte, und ebenso in den neunziger Jahren die Pressekampagne, die fast zur Amtsenthebung Bill Clintons geführt hätte. Dadurch wurden damals Clintons Bemühungen um eine neue internationale Finanzarchitektur unterbunden und genügend Druck aufgebaut, das Glass-Steagall-Gesetz außer Kraft zu setzen, indem das Gram-Leach-Bliley-Gesetz vom 12. November 1999 durchgesetzt wurde.

Nach Mitchell nahm sich Pecora Albert Wiggin, den Chef der Chase National Bank, vor und deckte auf, wie auch dieser während des Krachs Chase-Aktien verkauft und dadurch auf Kosten seiner eigenen Bank und deren Kunden sehr viel Geld verdient hatte. Dann war die Reihe an Richard Whitney, dem Chef der New Yorker Börse, der - anders als Madoff heute - im Knast landete und in Sing Sing einsaß.

Pecora erhielt von dem Senatsausschuß für seine Arbeit 255 Dollar im Monat - weniger, als die meisten Wallstreet-Größen wöchentlich als Trinkgeld verteilten. Doch er stieß diese Hohepriester vom Thron und stellte sie als das bloß, was sie wirklich waren: klein und habgierig. Auf diese Weise wurde Pecora in Amerika ein Volksheld.

Roosevelts Antrittsrede vom 4. März 1933, in der er die „modernen Geldwechsler“ brandmarkte, fand in dem Klima statt, das Pecora mit seinen Anhörungen erzeugt hatte. Es war ein heftiger Kampf. Roosevelts Haushaltsdirektor [Lewis Douglas], ein Morgan-Mann in der Administration, erklärte damals, das sei „das Ende der westlichen Zivilisation!“ Zur gleichen Zeit schrieb John Maynard Keynes einen Brief an Roosevelt, worin er diesen aufforderte, „mit den Unternehmern nicht so hart umzuspringen“.

Die Pecora-Untersuchungen waren somit weit mehr als nur eine Attacke gegen die Banker und die Wall Street, wie es gewöhnlich hingestellt wird. Es war eine Anklage gegen das gesamte System, nicht bloß eine „mutige, pragmatische Initiative“, sondern ein allumfassendes politisches Vorgehen gegen die Oligarchie. Der Höhepunkt war erreicht, als Senator Glass - kein guter Kerl - sich auf die Seite Morgans schlug und forderte, alles wieder rückgängig zu machen, mit dem Satz: „Das ist ein Zirkus, und das einzige was fehlt, sind Erdnüsse und Limonade!“

Morgan gefiel dieses Bild so gut, daß er sich für die nächste Ausschußsitzung etwas ausdachte, was er für besonders lustig hielt: Er erschien mit einem Zirkuszwerg, der bei ihm auf dem Schoß saß. Pecora und das Roosevelt-Team machten sich diese Gelegenheit zunutze, wie man es in einem solchen Fall immer tun sollte. Photos von Morgan mit dem Zwerg erschienen in der gesamten Weltpresse: Morgans Arroganz und Menschenverachtung waren in aller Munde, und seine Macht an der Wall Street war erledigt.

An diesem Punkt mußte sogar die New York Times, die Pecora mit Bezeichnungen wie „vulgär“, „schwitzend“, „billiger Applaus“, „zigarrekauend“ oder „so unbritisch“ überzogen hatte, den Rückzug antreten und eingestehen, daß J.P. Morgans sagenhafte Macht „keine populäre große Fantasie“ war, wie Thomas Lamont gemeint hatte, sondern eine schockierende Tatsache. Seine Macht reichte in jeden Winkel Amerikas, in die Institutionen der Bundesstaaten und in die Privatwirtschaft. Roosevelts eigener Finanzminister Woodin, der auf Morgans Vorzugsliste stand, mußte am selben Tag, an dem es zur Auseinandersetzung zwischen Glass und Pecora um den „Zirkus“ kam, am 26. Mai 1933 zurücktreten.

An diesem Tag unterband Roosevelt auch die Möglichkeit, eine Goldklausel in private Verträge aufzunehmen, wodurch er den Goldspekulanten an der Wall Street einen Strich durch die Rechnung machte. Am gleichen Tag verabschiedete der Kongreß ein Industriegesetz, das dem Präsidenten mehr Zollbefugnisse einräumte, um die einheimische Industrie zu schützen.

Es war also nicht nur eine Operation gegen die „Bankster“, wie die Times sie nannte - ein wahrscheinlich von Pecora geprägter Begriff -, sondern ein allgemeiner politischer Kampf. Pecora warf ein grelles Licht auf den Gegensatz zwischen dem Leben von Millionen Amerikanern, die infolge der Großen Depression auf der Straße saßen und in bitterer Armut lebten, und dem verschwenderischen Leben der Finanziers und ihrer Komplizen in der Politik. Pecora veranstaltete aber keinen öffentlichen Schauprozeß, sondern er benutzte die Ergebnisse gründlicher, geduldiger Ermittlungen, um der Bevölkerung die Augen zu öffnen. Als die Wallstreet-Banken vor Pecoras Ausschuß zitiert wurden, gab es in den Vereinigten Staaten 17 Millionen Arbeitslose, und 40% aller amerikanischen Banken hatten geschlossen. Selbst die Musik klang nach Depression: „Brother, Can You Spare a Dime?“ (Bruder, hast du einen Groschen übrig?) war damals der beliebteste Schlager. Tausende von überfüllten, verwahrlosten, unhygienischen Obdachlosen-Camps waren entstanden, die in Anlehnung an Präsident Hoovers Ausspruch „Der Aufschwung ist gleich um die Ecke“ „Hoovervilles“ genannt wurden. Zeitungen hießen nur noch „Hoover-Decken“, und Fahrräder erhielten den Spottnamen „Hoovermobile“.

In diesem gesellschaftlichen Umfeld wirkten die Pecora-Anhörungen wie ein Blitz, der plötzlich Licht in das Dunkel hinter der Bühne bringt. Indem Pecora die Betrügereien, die Vermehrung fiktiven Kapitals und das Spiel mit Geld auf Kosten von Menschenleben offenlegte, gab er den Menschen das Gefühl, daß jemand im Kongreß und jemand im Weißen Haus sie verteidigt und sich um das Wohl des Volkes sorgt. Es gibt ein sehr schönes Foto von Pecora, auf dem er Freude ausstrahlt, daß David gegen Goliath gewinnt, daß man mit Entschlossenheit das Gefühl wiedererwecken kann, die Dinge zum Guten zu wenden und die Schuldigen zur Rechenschaft zu ziehen.

Pecora hat vieles erreicht. Er befragte persönlich hochrangige Zeugen mit einer absoluten Entschlossenheit, die Wahrheit ans Licht zu bringen, die Wahrheit hinter dem, was Roosevelt während des Wahlkampfs „die rücksichtslose Manipulation professioneller Glücksspieler und des Wirtschaftssystems“ genannt hatte. Pecora hatte eine wirkliche amerikanische Debatte über zentrale Wirtschaftsfragen in Gang gesetzt - darüber, was eine Wirtschaft ist und was sie nicht ist. Er hatte Berichte in den Medien als pädagogisches Mittel organisiert, um der Bevölkerung die wahren Ursachen der Depression zu verdeutlichen und sie von den Schuldgefühlen, die die Oligarchie in den Menschen auszulösen versuchte, zu befreien. Pecora hatte als Ankläger nicht nur die Vollmacht, Zeugen vorzuladen, sondern auch Zugang zu allen Bankunterlagen. So stand nicht einfach Aussage gegen Aussage, sondern Ideen konnten mit Beweisen untermauert werden.

Dabei war die Debatte selbst gar nicht das eigentliche Thema, sondern in erster Linie ging es um die Gesetze, die dadurch bewirkt wurden - die rechtliche Hebelwirkung sozusagen. Hierzu produzierte Pecora 171 Kisten mit Material, und die Zeugenaussagen füllten mehr als 12.000 Druckseiten. Die Anhörungen führten zur Schaffung neuer Institutionen, in denen sich die Staatsmacht bzw. die amerikanische Verfassungsordnung gegen die Wall Street behauptete. Diese neuen Institutionen entstanden nicht um Einzelfragen herum, sie bildeten ein kohärentes Gesamtkonzept zur Steuerung des politischen Umfeldes.

Die Bankster hatten vorerst den kürzeren gezogen, und der amerikanische Kongreß verabschiedete aufgrund der Enthüllungen folgende Gesetze: 1933 das Wertpapiergesetz, 1934 das Börsengesetz, 1935 die Gründung der Börsenaufsicht, die die neuen Gesetze durchsetzen sollte; das Banken-Notgesetz im Zusammenhang mit den berühmten Bankfeiertagen; die Home Owners Loan Corp. (HOLC), den Vorläufer von LaRouches viel breiter angelegtem Gesetz zum Schutz der Eigenheimbesitzer und Banken; Ende Juni 1933 das Glass-Steagall-Gesetz, das die Geschäfte registrierter Handelsbanken von denen reiner Investmentbanken sowie Banken von Versicherungen trennte, und das Wheeler-Rayburn-Gesetz über Öffentliche Versorgungsunternehmen.

Nachdem Pecora seine Untersuchungen am 2. Juli 1934 abgeschlossen hatte, ernannte Roosevelt ihn zum Kommissar der neu gebildeten US-Wertpapier- und Börsenaufsichtsbehörde. Und 1939 schrieb Pecora sein berühmtes Buch über seine Ermittlungen im Auftrag des Staates: Wall Street under Oath (Wall Street unter Eid) dessen Untertitel häufig weggelassen wird: „Die Geschichte unserer modernen Geldwechsler“.

Ich möchte zwei Zitate aus Pecoras Buch anführen. Das erste ist ein Zitat von ihm aus dem Vorwort:

Das zweite Zitat ist aus dem Buch Wall Street unter Eid selbst:

Die Fackel wieder aufnehmen

Pecora sagt uns damit, daß damals noch viel zu tun übrig blieb, und heute liegt es an uns, die Fackel wieder aufzunehmen. Tatsächlich sind seither alle Ordnungsvorschriften von damals völlig verwässert worden oder verschwanden ganz in der liberalen und kriminellen Atmosphäre der „Neuen Ökonomie“ - der Abkopplung des Dollars vom Gold am 15. August 1971, der großen Londoner Deregulierung vom 27. Oktober 1986 unter Thatcher, dem Greenspanschen „Überschwang“ von 1987 und dem „Washingtoner Konsens“ der neunziger Jahre. Wenn man sich diese Geschichtsperiode betrachtet, läßt sich leicht nachweisen, daß die Londoner City das Sprungbrett des Gangstertums an der Wall Street war. Man sieht es an Joseph Casano, dem Londoner Repräsentanten der Versicherungsgesellschaft AIG, der dem Beispiel Michael Milkens folgend die „Forderungsbesicherten Wertpapiere“ (CDOs) erfand. So werden Kredite in Vermögenswerte verwandelt, mit denen man Geld macht, dann kommen mehr Kredite, mehr Werte usw. bis die Lawine ins Rollen kam, die jetzt die gesamte Wirtschaft und die Menschheit unter sich zu begraben droht.

Deswegen ist es so dringend, jetzt sofort eine neue Pecora-Kommission einzusetzen. Lyndon LaRouche hat es zuerst gefordert, und wir von seiner Bewegung haben die Forderung in unsere jeweiligen Länder weitergetragen. In Frankreich haben inzwischen mehr als 1500 Personen, davon 50 Bürgermeister, diesen Aufruf unterschrieben. Hundert Experten, darunter Ron Chernow, fordern eine solche Kommission. Bernie Sanders, der unabhängige Senator aus Vermont, tat es im Magazin The Nation: „Stellt die Wall Street unter Eid“, schrieb er dort. Der republikanische Senator Richard Shelby aus Alabama ruft dazu auf, und auch Stephen Lewis, der am 9. Januar 2009 unter der Überschrift „Untersuchungen über die Finanzkrise und meine Vorliebe für Borsalino-Hüte“ über seine persönliche Begegnung mit Richter Pecora berichtete.

Ein Problem ist, daß die neue Pecora-Kommission, außer für uns und wenige andere, zu einer isolierten Einzelfrage werden könnte, was sie für Pecora selbst und Präsident Franklin Roosevelt sicherlich nicht war. Es gibt ja bereits einige Kommissionen, die den Bankern Fragen stellen, allerdings so idiotische Fragen wie: „Was haben Sie mit dem Geld gemacht?“ Stellen Sie einem Banker niemals eine solche Frage, er wird Sie nie wieder ernst nehmen.

So fanden vor Chris Dodds Senatsausschuß für Bank-, Wohnungs- und Stadtangelegenheiten mit Unterstützung des Abgeordneten Barney Frank Anhörungen statt, wie „die Finanzmärkte besser überwacht“ werden könnten. Nichts kam dabei heraus. Die Voraussetzungen waren falsch, deshalb waren es anders als bei Pecora nur technische und keine politischen Anhörungen. Barney Frank - die Frage bleibt, ob er einfach nur dumm oder ein Finanzhai oder beides ist - sabotierte die Bemühungen, die völlig unregulierten Märkte für Finanzderivate von über 1,4 Billarden $ einzuschränken. Er verhinderte sogar ein Gesetz, das Leerverkäufe - also Spekulation mit etwas, was man gar nicht besitzt - verboten hätte.

Die Aufsichtsbehörde für Warentermingeschäfte machte noch den zaghaften Vorschlag, wenigstens die berüchtigten Kreditausfallswaps (CDS) zu verbieten, womit man auf die Zahlungsunfähigkeit seines Nachbarn wettet. Selbst das wurde abgelehnt! Ganz zurückhaltend setzte die Aufsichtsbehörde hinzu: „Nur unter bestimmten Umständen und mit Zustimmung des Präsidenten.“ Trotzdem war Frank dagegen. „Die Wall Street läuft Sturm gegen diesen Vorschlag. [Die Parlamentspräsidentin] Nancy Pelosi und ich unterstützen die Wall Street.“ Und so kam es dann auch.

Lyndon LaRouche sagte dazu: „Wir befinden uns inmitten der schlimmsten Finanz- und Wirtschaftskrise der amerikanischen Geschichte. Es gab nichts vergleichbares seit dem Zusammenbruch des Hauses Bardi im 14. Jahrhundert, wodurch in Europa das neue dunkle Zeitalter eingeläutet wurde. Damals wurde infolge des Kollapses des Lombard-Banksystems ein Drittel der europäischen Bevölkerung ausgelöscht. Und Barney Frank verhält sich wie eine Figur aus Boccaccios Decamerone, die in völliger Realitätsverleugnung herumspringt, während um sie herum sich die ganze Zivilisation auflöst. Das ist arglistig, bösartig.“

In Frankreich haben die Nationalversammlung und der Senat die Banken höflich gebeten, sich zu äußern - die Abgeordneten und Senatoren hatten keinerlei Vollmacht für Vorladungen oder Dokumenteneinsicht. Das ist, als wenn sich Pecora vor seinen Anhörungen beide Hände und Füße abgehackt hätte.

Die Bankiers sagten, der Staat habe ihnen Geld gegeben und sie hätten es annehmen müssen. Aber die Lage sei so gut, daß die das genausogut hätten ablehnen können. Mit anderen Worten, sie stecken das Geld ein, ohne auch nur danke zu sagen. Etienne Pflimlin, Präsident von Crédit Mutuel und Mitglied einer Familie, die in Frankreich Geschichte geschrieben hat, erklärte: „Wenn gesagt wird, der Staat teilt Geschenke an die Banken aus, hat das verheerende Folgen, wenn ein Kunde einen Kredit verlangt und wir ablehnen müssen. Es gibt in Frankreich keine ,Kreditverknappung’, nur unzuverlässige Kunden.“ Es wurde darüber viel gelacht, und es heißt, die Lügen-Nase der Bankiers hätte von der Nationalversammlung die Seine überquert und bis zur Madeleine-Kirche gereicht.

All das ist völlig lächerlich und hat nichts mit Pecoras Ermittlungen gemeinsam, außer vielleicht das Wort „Kommission“ oder „Ausschuß“.

In meinem eigenen Aufruf habe ich eine umfassende Untersuchung gefordert, nicht nur darüber, was die Banken mit den staatlichen Geldern getan haben, sondern über alle Finanzpraktiken der letzten 40 Jahre - wie bei Pecora. Statt einer Untersuchung zu einer Einzelfrage brauchen wir Ermittlungen, wo „finanzielle Zeit“ in einem politischen Kontext durch „wirtschaftliche Zeit“ ersetzt wird. Ich fordere die Befugnis zur Zwangsvorladung, Akteneinsicht bei den Banken, Hinzuziehung von Rechtsberatern und vorübergehenden Verstaatlichung von Banken. Und ich habe hinzugesetzt, daß ich selbst gern bei den Ausschußsitzungen anwesend wäre, um Fragen zu stellen - oder anderen dabei zu helfen, Fragen zu stellen.

Ich höre schon die Reaktionen: „Oh, mein Herr, was verlangen Sie da? Das ist unmöglich! Das ist gegen die Spielregeln! Nein!“

Dazu sei gesagt, daß Lyndon LaRouche, Helga Zepp-LaRouche und durchaus auch ich selbst eine gewisse Spezialität haben: zu fordern, was unmöglich scheint, aber im weiteren Verlauf der Krise unabdingbar wird. Wenn wir uns nicht die Vergangenheit anschauen, können wir die Zukunft nicht meistern.

Ich möchte Ihnen kurz einige der Fragen nennen, die ich den Bankern gern stellen würde (ich kann mich da nicht zurückhalten):

„Warum steigt Ihr operativer Gewinn und trotzdem vergeben Sie immer weniger Kredite?“

„Warum gewähren Sie dem Mittelstand nicht die Kredite, die dieser verlangt? Entweder sind Ihre Banken in viel schlechterem Zustand, als Sie behaupten, oder Sie versuchen Profit aus der Krise zu schlagen - oder beides. Könnten Sie das bitte erklären?“

An die Herren Bébéar und Pébereau [von der PNB Paribas]: „Warum haben Sie noch vor einigen Monaten behauptet, die Komplexität des Finanzsystems sei ein absoluter Schutz für die Anleger und die Wirtschaft? Und jetzt geben Sie dieser Komplexität die Schuld, nicht sich selbst? Viele von Ihnen schieben wie der französische Ministerpräsident die Verantwortung auf die Steueroasen. Warum aber eröffnen Sie dann immer weitere Zweigstellen in diesen Steueroasen - auf Jersey, den Bahamas, den Jungferninseln, den Kaiman-Inseln? Können Sie mir das genauer erklären, Herr Pébereau?“

„Warum haben Sie, Herr Ackermann, schon 2003 eine ,Bad Bank’ gefordert, die den Giftmüll der Deutschen Bank aufnehmen könnte, während Sie gleichzeitig behaupteten, als sei in bester Ordnung?“

„Warum haben Sie, der Herr von der Société Générale, 2005 Ihre Schweizer Tochter angewiesen, alle Madoff-Investitionen zu verkaufen, ohne das gleiche auch Ihren Kunden zu raten? Können Sie das erklären?“

„Warum liegen die Zinssätze für Schatzanleihen soweit auseinander? Für zehnjährige Schatzanleihen werden in Griechenland 5,8%, in Italien 4,6%, in Irland 5,5%, in Deutschland 3,2% und in Frankreich 3,6% geboten. In der Eurozone gibt es eine Solidaritätsvorschrift, und deshalb sollten die Zinssätze einheitlich sein. Meine Herren Banker, setzen Sie auf einen Euro-Kollaps, während Sie gleichzeitig in der Öffentlichkeit sagen, das sei eine Katastrophe, die nie eintreten werde?“

Und eine letzte Frage:

„Der Direktor des UN-Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung, Antonio Maria Costa, hat kürzlich in dem österreichischen Nachrichtenmagazin Profil vom 27.1.2009 erklärt: ,Vielfach ist Drogengeld derzeit das einzige verfügbare liquide Investmentkapital, um zum Beispiel Immobilien zu kaufen. In der zweiten Hälfte des Jahres 2008 wiederum war Liquidität das größte Problem des Bankensystems, und damit wurde flüssiges Kapital zu einem wichtigen Faktor.’ Herr [EZB-Chef] Jean-Claude Trichet, warum haben Sie dann Milliarden Euros genommen, um die Banco Santander und andere Banken mit Liquidität zu versorgen, die mit Geldern gewisser Herkunft aus Mittel- und Südamerika den Immobilienboom in Spanien schürten? Lassen Sie uns bitte einen Blick in Ihre Bücher werfen. Lassen Sie uns ihre Konten prüfen.“

Es ist nicht zu erwarten, daß Barney Frank in den USA, Herr Arthuis oder Herr Migaud in Frankreich oder vergleichbare Leute in Deutschland solche Fragen stellen. Sie sind alle viel zu höflich. Zu höflich, als daß man ihnen vertrauen könnte!

Momentan wird das also noch nicht passieren. Warum? Politische Feigheit!

Attacken auf Roosevelt

Schauen wir aber wieder zurück auf die Lage in den Vereinigten Staaten 1933-34. Noch vor seiner Amtseinführung wurde im Februar 1933 auf den neugewählten Präsidenten Franklin Roosevelt ein Mordanschlag verübt. Dabei wurde der neben ihm stehende Bürgermeister von Chikago getötet. In den französischen Geschichtsbüchern - und wahrscheinlich auch in denen anderer europäischer Länder - wird das praktisch nie erwähnt.

Im April-Juni 1934 war klar, daß die Wall Street vor der Pecora-Kommission eine Niederlage erlitten hatte bzw. die Bedingungen für die Niederlage reif waren. Was geschah nun? Es begannen Vorbereitungen für einen faschistischen Staatsstreich in den Vereinigten Staaten! Nicht nur, daß George W. Bushs Großvater, Prescott Bush, zusammen mit einigen Bankern Hitlers Aufstieg zur Macht finanziert hatte, jetzt sollte sogar ein faschistischer Coup in den USA selbst veranstaltet werden.

Ende November 2008 erschien im Magazin Time ein Angriff auf Obama, mit Obama in der Pose Roosevelts als Titelbild. Obama wird darin praktisch mit Roosevelt gleichgestellt, und der Artikel springt mit Obama nicht gerade zimperlich um, noch garniert mit einigen widerlichen rassistischen Anspielungen.

Wenn also heute Roosevelt mit Obama verglichen wird und damals ein faschistischer Coup gegen Roosevelt geplant wurde, ist das eine deutliche Warnung an Obama. Soros und seine Leute wollen ihm mitteilen: „Benimm dich! Tue, wofür du bezahlst wurdest. Höre nicht auf LaRouche, der heute Roosevelt verkörpert!“

Time machte damals Werbung für Benito Mussolini. Auch Life, das Magazin von Henry und Claire Booth Luce, der Synarchie in den Vereinigten Staaten, warb im Juli 1934 für Mussolini.

Wenn man sich so beim Denken von der Vergangenheit anregen läßt, sieht man viel klarer, was die heutige Lage der Vereinigten Staaten ist. Es droht die gleiche Art von Gefahr wie 1933-34 - in anderer Form, mit anderen Leuten, die die Fäden ziehen, aber mit der gleichen Absicht und gegen die gleichen Personengruppen gerichtet.

Was stand hinter der Kampagne gegen Roosevelt und Pecora und dem Liebäugeln mit Mussolini in den dreißiger Jahren? Die Wall Street und die Londoner City wollten Roosevelt mit einem Putsch los werden. Man wollte ihn vielleicht nicht umbringen, aber soweit schwächen, daß er mehr wie ein französischer Präsident jener Tage wäre, ein Marionettenpräsident. Ein Oligarch dieser Zeit drückte sich so aus: Roosevelt sollte genauso behandelt werden, wie Mussolini den italienischen König behandelt hatte.

Ihr wichtigstes Werkzeug war die American Legion, die wegen ihres so britischen und patrizischen Auftretens auch „The Royals“ genannt wurde. 1921 hatte der Präsident der Legion, Alwin Owsley, gesagt: „Wenn nötig, ist die American Legion bereit, die Institutionen dieses Landes und seine Ideale zu schützen, so wie es die Faschisten gegen die zerstörerischen Kräfte taten, die Italien bedrohten. Vergeßt nicht, daß die Faschisten für das heutige Italien das sind, was American Legion für die Vereinigten Staaten ist.“

Aus dem Umkreis der American Legion - aber nicht nur der American Legion - kamen 1931, 1932, 1934 zahlreiche Äußerungen zugunsten von Mussolini und gegen Roosevelt, wobei auch der Ku Klux Klan eine wichtige Rolle spielte.

Zweitens entstanden im Zusammenwirken mit der American Legion zahlreiche paramilitärische faschistische Gruppen in den Vereinigten Staaten, zum Beispiel die Silver Shirts (Silberhemden), die Crusaders (Kreuzfahrer) und die Sentinels of the Republic (Wächter der Republik). Und in Kalifornien gründete der Schauspieler Victor McLaughlin die California Light Brigades (Leichte Brigade Kaliforniens). All das war an sich nicht besonders wichtig; es war die Begleitmusik, um Stimmung für eine faschistoide Regierung in den Vereinigten Staaten zu machen.

Vor allem wollte man sich die Unzufriedenheit der Kriegsveteranen zunutze machen. In Europa ist nicht bekannt, daß sich bereits im Juli 1932, also noch vor den Wahlen von 1932, ein Heer von Veteranen (die „Bonus-Armee“), die Zahlungen der Regierung einforderten, am Ufer des Anacostia in Washington niedergelassen hatte. Dem Chef der Truppe, Generalmajor Smedley Darlington Butler, der ein wirklicher, wenn auch etwas fehlgeleiteter amerikanischer Patriot war, gelang es, die Lage wieder zu beruhigen.

Der Plan der Morgans und Lehmans zusammen mit britischen und italienischen Faschisten hatte darin bestanden, Butler nach seiner Aktion mit der Bonus-Armee in einen neuen Feldzug von Veteranen gegen Roosevelt einzuspannen. Der wichtigste Drahtzieher vor Ort war dabei ein gewisser Gerald MacGuire, der mit Oberst Grayson Mallet-Prevost Murphy zusammenarbeitete. Dieser Mallet stand als einer der Direktoren des Morgan Guaranty Trust den Morgans sehr nahe. Er trug gewöhnlich einen faschistischen Orden, der ihm von Mussolini verliehen worden war. MacGuire bezog Gelder aus verschiedensten Quellen, den Lehmans, den Morgans und von der Familie Singer. Ein gewisser Clark versuchte Butler mit Geld zu kaufen, das er von der Familie des Singer-Nähmaschinen-Konzerns erhalten hatte, doch der Versuch scheiterte. Auch wurde versucht, Frank N. Belgrano jr., den neuen Präsidenten der Legion, der im Herbst 1933 gewählt wurde, auf Morgans Seite zu bringen. Belgrano wurde dann Vizepräsident der Bank of Italy/Bank of America, die Mussolinis Konten in den Vereinigten Staaten verwaltete.

In dieser Zeit hatte Roosevelt als erster westlicher Staatschef am 6. November 1933 offiziell die Sowjetunion anerkannt. Die Banker sprangen ihm sofort an die Gurgel und stöhnten, das sei ein „zweites Rapallo mit den Sowjets“. Und mehr als alle anderen fürchteten die Briten, Roosevelt werde ihren Plan, Hitler und Stalin gegeneinander auszuspielen, zunichte machen. Thomas Lamont hielt damals eine unglaubliche Rede vor den Foreign Policy Association, in der er Mussolini und seine Methoden in höchsten Tönen lobte: Der Faschismus sei in sozial- und wirtschaftspolitischer Hinsicht das beste aller Gesellschaftssysteme.

MacGuire reiste im Dezember 1933 nach Europa und kam anschließend zu dem Schluß, daß die harten Formen des Faschismus für die Vereinigten Staaten nicht geeignet seien, und setzte sich für ein anderes Modell, das französische Modell, ein. Das Croix de Feu, die faschistische Bewegung von Kriegsveteranen in Frankreich, die später zur Parti Social Français wurde, hatte gegen Roosevelts Freund und Verbündeten in Frankreich, Léon Blum, Front gemacht und ihn isoliert. MacGuire verwies auch auf die paramilitärische Organisation Cagoule, die in der Zeit nach der französischen Volksfrontregierung [1937-38] einen faschistischen Putsch plante.

Aber Roosevelt baute, mit dem Impuls der Pecora-Kommission, seine Basis auf. Er stoppte die Zwangsvollstreckungen von Eigenheimen und organisierte den Paritätspreis für die Landwirtschaft, das Wagner-Gesetz für die Arbeiter, die Tennessee Valley Authority, die Reconstruction Finance Corporation und die Works Progress Administration [Infrastrukturbau und Arbeitsbeschaffung].

Der Putsch scheiterte, weil Roosevelt durch seinen Kampf die Unterstützung der Bevölkerung gewonnen hatte. Und das ist der Grund dafür, daß die Leute, die Roosevelt heute angreifen, ihn so hassen. Denn er gewann. Trotz der Tatsache, daß die mächtige Familie du Pont sich dem Lager der Putschisten angeschlossen hatte und sogar durch die von ihr kontrollierte Firma Remington die Versorgung mit Waffen vorbereitete. Und schließlich auch, weil Butler erkannte, daß man ihn manipulierte, und die Putschpläne verriet, weil er ein Patriot war. Die gesamte Presse machte sich über Butler lustig, von der New York Times bis zu den Magazinen! Morgan selbst erklärte: „Das ist zu lächerlich, um es zu kommentieren. So etwas gibt es in den Vereinigten Staaten nicht.“

Aber dann wurde die „Putsch-Hypothese“, wie man sie seinerzeit nannte, von dem Sonderausschuß des Repräsentantenhauses zur Untersuchung von Nazi-Verbrechen in den Vereinigten Staaten überprüft. Und das war wie eine Fortsetzung der Aufdeckungen der Pecora-Kommission. Man sollte das als eine Einheit betrachten.

Ich bin hier durch all das durchgegangen, um zu zeigen, daß das, was Pecora organisierte, nicht bloß etwas Technisches war, das Werk eines guten Experten und mutigen Mannes. Es war ein politischer Kampf, mit allen politischen Konsequenzen: Der Anti-Nazi-Ausschuß veröffentlichte am 15. Februar 1935 einen Bericht, in dem es heißt: „In den wenigen Wochen der Existenz unseres Ausschusses haben wir Beweise dafür erhalten, daß einige Personen versucht haben, eine faschistische Organisation in unserem Lande aufzubauen. Es besteht kein Zweifel, daß über diese Versuche verhandelt wurde, daß sie geplant wurden und auch durchgeführt worden wären, wenn und sobald ihre finanziellen Unterstützer dies für nützlich gehalten hätten.“

Roosevelts New Deal war daher die Politik, um dem faschistischen Dilemma, dem faschistischen Putsch zu entkommen. Sie beruhte auf dem Gemeinwohl und der Tradition des Amerikanischen Systems der physischen Ökonomie. Es war weder liberaler Monetarismus noch dirigistischer Monetarismus, es war das System von Friedrich List und Hamilton - und Lyndon LaRouche hat uns von der Verbindung zwischen Franklin Delano Roosevelt und [dessen Vorfahr] Isaac Roosevelt, einem Freund der Hamiltons, berichtet. Es war das System von List, Hamilton, den Careys und solchen europäischen Ökonomen wie Paul Cauwès in Frankreich, nur in fortgeschrittenerer Form, und Bismarcks Beratern in Deutschland.

Roosevelts Idee eines „globalen New Deal“ für die ganze Welt, von dem er 1944 sprach, ist heute ein Bezugspunkt für den Verrat Harry Trumans und der Leute, die sich während des Krieges hinter Roosevelt versteckten und mit Truman nach dem Krieg wieder auf die Bühne kamen.

Keynes ist keine Lösung

Nun der letzte Punkt, und das ist meiner Meinung nach der wichtigste. Wir erleben heute mit der Politik, die von England, den Vereinigten Staaten und Europa verfolgt wird, ein Wiederaufkommen von Bankholding-Gesellschaften, ähnlich jenen, die es in der Mussolini-Zeit in Italien gab. Und wir müssen uns daran erinnern, daß Hitler und Mussolini sowie Pétain in Frankreich, von internationalen Bank- und Finanzholdings, insbesondere der Londoner City und ihren Verbündeten an der Wall Street, an die Macht gebracht wurden, um Europa zu „teilen und beherrschen“ und um letztlich Rußland und vor allem die Vereinigten Staaten zu vernichten. Das war ihr Plan - und es ist jetzt immer noch ihr Plan.

Wenn wir heute eine neue Pecora-Kommission fordern, geht es also nicht um eine solche Kommission an sich als Einzelfrage. Sie ist eine Waffe, um die Bevölkerung unter den gegenwärtigen Bedingungen der Zerstörung der Arbeitskraft und Auflösung der produktiven Volkswirtschaften gegen die Rückkehr des Finanzfaschismus zu mobilisieren. Es geht darum, daß das produktive Potential der Arbeitskraft zerstört wird, während die relative potentielle Bevölkerungsdichte derzeit bereits unter der realen Bevölkerungsdichte liegt. Das Potential, eine Bevölkerung zu ernähren und zu entwickeln, ist also geringer, als notwendig ist, um die gegenwärtige Bevölkerung zu erhalten!

Und es sind genau die Finanzinteressen, die nach dem Zweiten Weltkrieg und nach Roosevelts Tod wiederbelebt wurden, die zum jetzigen Zeitpunkt einen Kurswechsel verhindern. Pecora ist ein Vorbild, denn er hat sozusagen, wie eine Figur des Rabelais, den Bankiers in ihren feinen Garten gepinkelt. Er lokalisierte seine Identität bewußt außerhalb des Systems. Und aus diesem Grund war er ein Vorbild für sein ganzes Volk, einer von wenigen, die mit ihrem starken Willen allen übrigen in einer freudigen, humorvollen Weise Orientierung und Führung gaben. Er forderte, unter und mit Roosevelt, die kulturelle Unmoral einer zerfallenden Gesellschaft heraus.

Die Wirkung einer Intervention solcher Art ist, daß die Menschen ihr menschliches Potential entdecken oder wiederentdecken. Und das ist der Schlüssel zu Pecora und die Wiederbelebung Pecoras heute.

Lyndon LaRouche hat in seinem jüngsten Papier aufgezeigt, daß wir, um unsere Aufgabe erfolgreich zu bewältigen, die Relativität der physischen Raum-Zeit im Gegensatz zur linearen Zeit der Uhren verstehen müssen - jene physische Raum-Zeit, die eine Zeit der Schöpfung ist.

Betrachten wir nun noch etwas [Bild von J.M. Keynes als Supermann]. Im Gegensatz zu dem, was manche Leute glauben mögen, steht das S hier nicht für Supermann. Es steht für Sex und Statistik. (Heiterkeit.)

Denn Keynes selbst schrieb von den Orchideen-Inseln, als er mit Duncan Grant in die „Flitterwochen“ reiste, wie er es selbst nannte - und Duncan Grant war der spätere Ehemann von Vanessa Bell, der Schwester Virginia Woolfes - ich verliere da den Überblick! - einem Brief an seinen früheren Liebhaber Lytton Strachey, der zeitweilig auch Liebhaber Virginia Woolfes und Duncan Grants war.

Das ist wie in den Londoner Konglomeraten. Eine Gruppe von Leuten ist zusammen - diese hier nannte man das Bloomsbury-Set - und verfolgt zwar verschiedene Interessen, hält aber trotzdem zusammen, um andere zu beherrschen und einzudämmen.

Erinnern Sie sich daran, daß LaRouche gestern die Tatsache erwähnte, daß Keynes selbst 1937, im Vorwort zur deutschen Ausgabe seiner Theorie der Beschäftigung, der Zinsen und des Geldes, schrieb, Staaten wie Deutschland - damals Nazideutschland - seien am besten dazu geeignet, seine Ideen anzuwenden. Jean de l’Argenté schrieb 1942, als Keynes’ Theorie auch in französischer Sprache erschien: „Was die Geldpolitik angeht, die in Deutschland seit 1933 von Dr. Schacht verfolgt wird, so ist es schwer, ohne Keynes ihre Natur und ihre Resultate zu verstehen.“

Keynes war ein Bewunderer der Piraten, und er glaubte, daß England zum Teil von Sir Francis Drake geschaffen wurde.

Zuletzt möchte ich Ihnen ein Foto der beiden Männer zeigen, die in der Tradition Pecoras einen Teil des Potentials verwirklichten, das Pecora geschaffen hatte - de Gaulle und Roosevelt, jeder auf seine Weise. Man nannte sie die „feindlichen Verbündeten“ oder auch die „verbündeten Feinde“. Tatsächlich wurden beide von Churchill und schlechten Beratern auf beiden Seiten in die Irre geleitet. Aber eigentlich waren sie verbunden durch ihre Absichten und in der Arbeit, die sie gemeinsam verrichteten, weil sie mit Blick auf die Zukunft regierten.

Und was geschieht, wenn man eine solche Führung hat? Man erkennt, daß die Zeit an sich und die Existenz des Raumes an sich Täuschungen sind, wie Lyndon LaRouche gesagt hat. Man sieht, wie sich der Raum und die Zeit unter den Bedingungen der menschlichen Entwicklung ändern. Zeit und Raum sind physikalisch relativistisch! Man sieht, wie sich der Raum ändert. Man mißt den Raum nicht in Kilometern oder Meilen, sondern in der geringsten Zeit, die zwischen einem Punkt und einem anderen vergeht. Die zurückgelegte Distanz verringert sich durch die wissenschaftliche Entdeckung von Prinzipien, die als technischer Fortschritt angewendet werden - etwa mit den TGV-Hochgeschwindigkeitszügen oder den Magnetbahnen. Die Zeit wird auch gemessen in sozialen, demographischen Begriffen, wobei sich „relativ“ dann auf die wachsende relative Bevölkerungsdichte bezieht, relativ zur dynamischen Weiterentwicklung der Technik.

Man befindet sich dann in einem wahrhaft menschlichen Universum. Ferdinand Pecora hat in gewisser Weise die Tore geöffnet. Unsere Aufgabe und unsere Beschränkungen, die uns der dramatische Kollaps der Welt und der Gesellschaft aufzwingen, führen zu einem höheren Zustand der Menschheit, höheren Zuständen des Seins, der gemeinsamen Kraft, der Falle zu entkommen - denn das, was uns bedroht, ist eine Falle. Das ist eine Bedingung dafür, daß die Menschheit ihr Schicksal meistert.

Ich bin aufgewühlt, aber gleichzeitig auch, hier unter Ihnen, voller Hoffnung. Ich denke, wenn wir alle unsere Mission erfüllen, werden wir in eine Zeit eintreten, wo die Fähigkeit wächst, intensive und leidenschaftliche Gedanken über Mensch und Natur zu vermitteln und aufzunehmen - einer Fähigkeit, die in der Zeit aller Zeiten in unserer Seele thront.

Vielen Dank.

Lesen Sie hierzu bitte auch:
Die Oligarchie gegen Roosevelt: Damals und heute
- Neue Solidarität Nr. 9/2009
Wir fordern eine „Pecora-Kommission“
- Neue Solidarität Nr. 7/2009
Es wird Zeit für ein neues Pecora-Hearing
- Neue Solidarität Nr. 42/2008
Das Gemeinwohl schützen: Wie Roosevelt die Bankenkrise überwand
- Neue Solidarität Nr. 41/2008
Gerechtigkeit für F.D. Roosevelt
- Neue Solidarität Nr. 10/2003
Franklin D. Roosevelt und sein Erfolgsprogramm gegen die Depression: Teil I - Teil II - Teil III - Teil IV
- Neue Solidarität Nr. 10, 12, 14 und 16/2003

 

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