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Aus der Neuen Solidarität Nr. 10/2009 |
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350 Teilnehmer diskutierten am 21. und 22. Februar bei der internationalen Konferenz des Schiller-Instituts in Rüsselsheim, wie die weltweite Krise überwunden werden kann.
Nachdem der Chor der LaRouche-Jugendbewegung mit Johann Sebastian Bach Motette Jesu meine Freude den Ton für die bevorstehenden Diskussionen gesetzt hatte, begann Lyndon LaRouche seine Eröffnungsrede über „Die nächsten Schritte“ mit der Feststellung, daß wir uns weltweit in einer Krise befinden, wie man sie seit dem Finsteren Zeitalter des 14. Jahrhunderts nicht mehr gesehen hat, einer Krise, in der ganze Zivilisationen und Kulturen und große Teile der Weltbevölkerung untergehen könnten.
Um diese Krise zu überwinden, brauche man zwei sich scheinbar widersprechende Dinge: Erstens müsse - vor allem in Europa! - die nationale Souveränität wiederhergestellt werden. Und man müsse verstehen, wie die Nationen mit dieser nationalen Souveränität gemeinsam einen globalen Kampf gegen den globalen Zusammenbruch führen können. Dazu sei eine neue Form der Kooperation erforderlich. Man müsse die Entwicklung seit 1968 rückgängig machen und wieder auf technologischen und wissenschaftlichen Fortschritt setzen.
Das Problem sei, daß heute kaum noch jemand verstehe, was wahre Kreativität ist. Kreativität äußere sich im Kontext der jeweiligen nationalen Kultur. Die nationalen Sprachen dienen dazu, Ideen zu kommunizieren. Aber wenn 50% oder 60% der Bevölkerung unwissend sind und in diesem Zustand gehalten werden, können sie diese Kreativität nicht entwickeln. Deshalb müsse man die nationalen Kulturen insgesamt entwickeln.
Dabei müßten die Vereinigten Staaten eine besondere Rolle übernehmen, denn Amerika sei gegründet worden, um das Beste der europäischen Zivilisation aus dem Einflußbereich der europäischen Oligarchie zu retten. „Wir mögen keine Oligarchen. Wir glauben, daß die natürliche, eingeborene Führung einer Nation aus den Menschen selbst erwächst. Und wir wollen, daß Menschen die Führung haben, die Patrioten sind - und nicht aufgrund irgendwelcher Blutsverwandtschaft, weil sie von dem richtigen Tier abstammen, oder so etwas.“
Das sei die Stärke der Vereinigten Staaten. Gemeinsam mit Rußland, China, Indien und anderen Ländern könne man ein Kollegium von Nationen bilden, die bereit sind, langfristige Verpflichtungen - über 80-100 Jahre - einzugehen, um den Zweck zu erfüllen. „Wir müssen uns von der Idee befreien, daß Geld in irgendeiner Weise einen Eigenwert hat. Geld repräsentiert keinen Wert an sich... Wir brauchen ein Kreditsystem, in dem Geld nur durch einen souveränen Akt der Regierung geschöpft werden kann. Wir brauchen langfristige Investitionen, über 15-25 Jahre, 50jährige Investitionen und 100jährige Investitionen, wie die großen Eisenbahn- und Wassersysteme Europas und Eurasiens. Das sind im wesentlichen 100jährige Investitionen... Wir brauchen eine Menge Kernkraft. Wir müssen die Kernfusion entwickeln, um noch höhere Energieflußdichten zu erreichen, für Technologien, die wir ohne diese höheren Energieflußdichten nicht realisieren können.“
Die neue amerikanische Regierung sei hierfür personell teilweise gut ausgestattet. Das Problem liege im Einfluß solcher Leute wie George Soros. „Das Problem ist, daß die finanziellen Mächte in den Vereinigten Staaten einen starken politischen Einfluß haben, und auch die Tradition einen starken politischen Einfluß hat. Und da komme ich ins Spiel: Beim Entwurf eines solchen Systems, wie ich es gerade beschrieben habe. Und weil ich verstehe, was Investitionen bedeuten. Denn die meisten Leute in den Vereinigten Staaten und in Europa wissen nicht, was Investition bedeutet.“ (Den Wortlaut LaRouches Rede finden Sie in dieser Ausgabe.)
In der anschließenden Diskussion stand zunächst die Frage der Kernkraft im Mittelpunkt, da es insbesondere in Mitteleuropa einen starken Widerstand gegen ihre Nutzung gibt. LaRouche beschrieb, wie in den siebziger und achtziger Jahren der Widerstand gegen die Kernkraft künstlich aufgebaut wurde. In Frankreich sei dieser Widerstand wieder abgeflaut, aber in Deutschland sei es zu einem regelrechten Bürgerkrieg gekommen. Dadurch habe man die deutsche Bevölkerung und die Politiker einer regelrechten Gehirnwäsche unterzogen. Es gebe keine vernünftigen technischen oder moralischen Einwände gegen die Kernkraft, nur politische.
Deutschland habe seine Verbindung zum wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt verloren, nicht nur im Bereich der Kernkraft, die Kapazitäten seien zerstört worden. Trotzdem sei er optimistisch. Frankreich habe sein Kernkraftprogramm noch. Andere Teile der Welt hätten diese Widerstände nicht. „Gehen wir also hin, und schaffen wir ein internationales Klima, das dafür günstiger ist, dann wird auch Deutschland wieder einsteigen.“
Anschließend sprach Prof. Köchler aus Österreich, der Präsident der International Progress Organization (IPO), über die „Rückkehr zur Neuen Weltwirtschaftsordnung: Philosophische Überlegungen zum Kollaps der Globalisierung“. Er erinnerte zunächst an den 1. Mai 1974, als eine Sondersitzung der Vereinten Nationen die Errichtung einer Neuen Gerechten Weltwirtschaftsordnung forderte, in der die besondere Rolle der souveränen Nationalstaaten hervorgehoben wurde. In dieser Ordnung sollten alle Nationen gleichberechtigt sein, und sie sollte auf dem gemeinsamen Interesse aller Nationen beruhen.
Die Erklärung habe hervorgehoben, daß alle Staaten die Souveränität über ihre eigenen Ressourcen und ihre eigene Volkswirtschaft haben. Man habe damals auch einen Aktionsplan beschlossen, um dieses Ziel zu verwirklichen. Wenn man heute an diese Erklärung erinnere, müsse man auch daran erinnern, daß darin auch die Gefahr der finanziellen Instabilität angesprochen wurde, insbesondere der Wechselkurse, der Schutz des realen Wertes der Finanzreserven der Entwicklungsländer und der internationalen Liquidität.
Köchler beschrieb dann die Ideologie der Globalisierung, die er als „beinahe verrückt“ bezeichnete, wegen der Vorstellung, man könne Reichtum allein durch Finanzinstrumente schaffen. Alle nationalen Regulierungen seien abgeschafft worden, wobei insbesondere Alan Greenspan eine führende Rolle gespielt habe, um den freien Fluß von Geld und Waren zu ermöglichen. Das habe man als Globalisierung vergöttert und die Nationalstaaten zerstört.
Diese neue Weltordnung der Gier habe nicht nur die gegenwärtige Finanzkrise ausgelöst, sondern auch eine systemische Krise in den internationalen Beziehungen. Die bisherigen Reaktionen hierauf behandelten nur die Symptome, aber nicht die Ursachen. Man weigere sich, die Zerstörung nicht nur der geographischen, sondern auch der ethischen und moralischen Grenzen zur Kenntnis zu nehmen.
Die Philosophie, nach der er dies beurteile, sagte Köchler, sei 2500 Jahre alt und stamme aus dem alten Griechenland. Geld an sich habe keinen Wert, und dies habe schon Aristoteles erkannt. Geld müsse in der realen Wirtschaft wurzeln, sonst blühten alle möglichen Formen der Spekulation, bis es zu einem Kollaps komme, in der die Realwirtschaft wieder ihre Rechte geltend mache. Jeder Reichtum, der auf Kosten anderer aufgehäuft werde, sei künstlich.
Es sei an der Zeit, diese Philosophie wiederzubeleben, um den Wert der Güter wieder auf Grund philosophischer Prinzipien zu bestimmten. Man brauche eine wirkliche neue, gerechte Weltwirtschaftsordnung, die nicht auf Gier, sondern auf Prinzipien beruhe. Es müsse Regeln geben, die auf der Autorität des Staates beruhen, als integraler Bestandteil seiner Souveränität. Man müsse unethische Prinzipien verbieten, da Glückspiele keine wirtschaftliche Aktivität seien. Dazu gehörten Derivate, Devisenspekulationen etc.
Die neoliberalen Ideologen hätten den Bankrott der Globalisierung nicht erwartet, aber er sei eingetreten, herbeigeführt durch die Gier mit allen Eigenschaften der Hysterie. Nun sei es Zeit, dem ein für allemal ein Ende zu setzen. Die souveränen Staaten als Garantiemächte der globalen Ordnung müßten das globale Kasino schließen.
Prof. Wilhelm Hankel, früherer Chefökonom der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und ehemaliger enger Mitarbeiter Karl Schillers, beschrieb dann, wie die Konstruktion des Euro die Finanzkrise verschärft, indem sie die nationalen Regierungen als auch die europäischen Institutionen handlungsunfähig gegen diese Krise macht. Das Ungleichgewicht der wirtschaftlichen Entwicklung und der finanziellen Flüsse zwischen den Mitgliedern des Euroraumes verstärke sich, aber es werde von den europäischen Institutionen bewußt nicht erfaßt. Es drohe der Bankrott nicht nur von Banken, sondern von ganzen Staaten im Euroraum, insbesondere den „Club-Med-Staaten“ am Mittelmeer, zu denen er als „Ehrenmitglied“ auch Irland rechne. Daher müsse man den nationalen Regierungen die Handlungsfähigkeit zurückgeben, indem man wieder zu eigenen Währungen mit untereinander „atmenden“ Wechselkursen zurückkehre, wobei der Euro als Verrechnungseinheit ähnlich dem ECU beibehalten werden könne.
An Hankels Vortrag schloß sich eine Diskussion an. Von einem serbischen Ökonomen kam die Frage nach dem „Erfolgsgeheimnis“ der KfW. Hankel antwortete, eigentlich sei das Wirtschaftswunder einer amerikanischen Intervention zu verdanken, weil sie kein Geld, sondern Waren gaben, die benötigt wurden. Die Erlöse aus dem Verkauf dieser Waren bildeten dann den Kapitalstock der KfW. Auch die D-Mark sei eine amerikanische Schöpfung. Zur gegenwärtigen Lage Serbiens erklärte Hankel, der Westen müsse Serbien beim Wiederaufbau unterstützen, wie man es auch in Deutschland gemacht habe, anstatt es weiter zu demütigen.
Auf eine Frage nach seiner Einschätzung des neuen Wirtschaftsministers erklärte Hankel, eigentlich habe Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg bisher erst zwei kompetente Wirtschaftsminister gehabt; das sei aber kein wirkliches Problem gewesen, solange die Wirtschaftsminister von einem kompetenten Beamtenstab umgeben waren. Das habe sich seit der Ära Kohl geändert; die hohen Beamtenposten würden nun an Parteigänger der jeweiligen Regierungen vergeben. Mit solchem Personal sei von der Regierung nichts Positives zu erwarten.
Hankel wurde auch auf eine mögliche Wiederbelebung des Stabilitätsgesetzes von 1967 angesprochen, an dessen Formulierung er einst selbst mitgearbeitet hatte. Hankel erklärte, auch wenn vom Stabilitätsgesetz heute nur noch ein Torso übrig sei, sei er überzeugt, daß man zu dem Impuls dieses Gesetzes zurückkehren wird, da es der Zusammenarbeit der öffentlichen Institutionen bei der Überwindung der Krise klare Priorität einräume. Auf dem Höhepunkt der Krise werde man wieder nach Interventionen des Staates rufen.
Ein Teilnehmer aus Italien protestierte gegen die Zuordnung Italiens zu den „Club-Med-Staaten“ - immerhin habe Italien noch keine einzige Bank stützen müssen, und die Verschuldung des privaten Sektors sei relativ gering. Hankel antwortete, anders als in Deutschland und anderen Staaten habe sich zwar in Italien kein „Overbanking“ - ein übermäßiger Anteil des Finanzsektors am BIP der betreffenden Nation - entwickelt, aber aufgrund der internationalen Verflechtungen im Finanzsektor könne man die Lage nicht mehr nur in den Grenzen der betreffenden Nation betrachten. Italiens eigentliches Problem sei die Unterentwicklung des Mezzogiorno, und dagegen könne Italien nur etwas tun, wenn es dazu auch frei Hand habe. Deshalb müsse es wieder eine nationale Wirtschaftspolitik verfolgen.
An dieser Stelle meldete sich auch Lyndon LaRouche zu Wort. Er verglich die Deindustrialisierung Ostdeutschlands nach der Wiedervereinigung mit der Lage im südlichen Italien. Man müsse nicht die statistischen Zahlen über die Wirtschaft betrachten, sondern das Potential einer Volkswirtschaft, also das, was man tun könne, wenn die produktiven Kapazitäten dieser Volkswirtschaft, das kreative Potential der Bevölkerung wirklich produktiv genutzt werde.
General Eric de La Maisonneuve, Präsident der französischen „Gesellschaft für Strategie“, sprach über den „Epochenwandel: Die Notwendigkeit einer neuen Politik“. Der heutige Epochenwandel sei durch die Politik der letzten Jahrzehnte herbeigeführt worden, die die politischen Strukturen des Staates zerstört hätten. Zunächst habe der Aufstieg des Totalitarismus die europäische Kultur zerstört, die sich mit der Renaissance entwickelt hatte, dann sei die Führungsrolle in der Gesellschaft in der Zeit des Wiederaufbaus zwischen 1945 und 1975 von der Politik auf die Ökonomen und Händler und von diesen auf die Finanziers übergegangen. Nun arbeite die Politik nicht mehr durch den Staat, und sie übernehme auch keine Verantwortung mehr dafür, nationale Projekte zu realisieren.
Daher habe man die heutige Krise erwarten müssen. Um sie zu beheben, müßten die notwendigen politischen und sozialen Strukturen wiederaufgebaut werden, um nationale Projekte durchzuführen und die Technologien und qualifizierten Arbeitskräfte zu entwickeln, um die Programme umzusetzen, die notwendig seien, um das Überleben zu sichern.
Dazu müsse die Demokratie erweitert werden. Man müsse die Rolle Chinas und Indiens anerkennen, und man müsse auch neue nationale Strukturen schaffen. In Frankreich könne man das Konzept der „Generalstände“ wiederbeleben, um die Bevölkerung wieder an dem politischen Prozeß zu beteiligen, der die wirtschaftliche und politische Krise überwinden müsse.
Prof. Devendra Kaushik aus Indien sprach über die strategischen Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten, Rußland, China und Indien. Er begann, indem er den langen Lernprozeß in seiner Zusammenarbeit mit LaRouche beschrieb.
Ursprünglich habe er LaRouche in der Zeit des Zusammenbruchs der Sowjetunion kennen gelernt. Zunächst habe er LaRouche einfach nur für einen antibritisch eingestellten Amerikaner gehalten, aber im Lauf der Zeit habe er begriffen, was LaRouche unter dem „Britischen Empire“ verstehe - nämlich nicht das britische Volk, sondern die Institutionen der anglo-holländisch-saudischen Finanzoligarchen. Nun gebe es Hoffnung, daß die Vereinigten Staaten unter der neuen Regierung Barack Obama ihren Kurs ändern werden.
Kaushik betonte, er habe inzwischen die besondere Bedeutung der Vereinigten Staaten verstanden. Er beschrieb die vielen „Dreiecke“ der jüngeren Geschichte, wobei die von dem russischen Grafen Sergej Witte vorgeschlagene Zusammenarbeit zwischen Rußland, Deutschland und Frankreich bei der Entwicklung des Fernen Ostens zu den interessantesten gehöre, auch wenn sie leider nie realisiert worden sei. In diesem Zusammenhange verwies er auch auf LaRouches Vorschlag des „produktiven Dreiecks“ Paris-Berlin-Wien als Kernregion eines eurasischen Aufbauprogramms.
Er selbst habe Mitte der neunziger Jahre eine Zusammenarbeit des „strategischen Dreiecks“ Rußland-China-Indien vorgeschlagen, die sich inzwischen zu einer Institution entwickelt habe. Dieses müsse nun um die Vereinigten Staaten zu einem Viereck erweitert werden. Die USA seien die einzige Nation, deren Verfassung ein Kreditsystem statt eines monetären Systems vorsehe. Rußland habe einen immensen Reichtum an Rohstoffen, China und Indien hätten zusammen mehr als ein Drittel der Weltbevölkerung.
Es sei falsch, von einem „asiatisches Jahrhundert“ oder einem „amerikanischen“ Jahrhundert zu sprechen, man brauche ein universelles Jahrhundert. Man brauche nicht nur souveräne Nationalstaaten, sondern auch souveräne Kulturen, dann könne man auch international zusammenarbeiten.
Die letzte Rednerin des ersten Konferenztages war Helga Zepp-LaRouche, die sich mit „Europas Rolle in der kommenden Renaissance“ befaßte. Man müsse wirklich Optimist sein, erklärte sie, um einen solchen Titel für seine Rede zu wählen. Aber da es keine Alternative zu einer solchen Renaissance gebe, müsse man sie eben möglich machen.
Sie sei nur dann möglich, wenn sich die Art, wie die Menschen denken, dramatisch ändere. Das höre sich an wie eine gewaltige Aufgabe, aber die Krise und die Änderungen, die uns bevorstehen, seien so enorm, daß die meisten gar keine Vorstellung davon hätten. Friedrich Schiller habe seine „Geschichte des Aufstands der Niederlande gegen Spanien“ vor allem deshalb verfaßt, um den Menschen die Zuversicht zu geben, daß sie, wenn sie mit einem guten Plan mutig zusammenarbeiten, selbst die schlimmste Tyrannei zu Fall bringen können. Diesen Geist brauche man heute wieder.
Es herrsche Massenarbeitslosigkeit, Regierungen, wie z.B. die von Lettland, stürzen über die Krise, und das sei um so empörender, als all das völlig vermeidbar gewesen wäre; denn ihr Ehemann, Lyndon LaRouche, habe schon im Sommer 2007 aufgezeigt, was gegen die Krise zu tun sei. Aber seither sei die Krise weiter eskaliert, und nun breite sich plötzlich Panik aus. GM habe die Entlassung von 47.000 Beschäftigten angekündigt. Wenn Opel mit 26.000 Beschäftigten untergehe, gingen noch sechsmal so viele Arbeitsplätze bei den Zulieferern verloren.
Die Regierungen hätten hierauf in der denkbar schlimmsten Weise reagiert. Die Dimension der jetzt beschlossenen Rettungspakete und Konjunkturprogramme sei bis vor kurzem völlig undenkbar gewesen. In den letzten sechs Monaten habe man allein in den Vereinigten Staaten offiziell fünf Billionen Dollar ins System gepumpt. Nun spreche man in den britischen Medien von der „Simbabwisierung“ des Finanzsystems, weil in Simbabwe die Inflationsrate auf 11,2 Millionen Prozent angestiegen sei. Fahre man so fort, werde der Kollaps der Wirtschaft immer weiter eskalieren. Wenn dann die produzierende Industrie und die Wirtschaft am Boden liegen, werde die Menge des hineingepumpten Geldes sehr schnell zu einer Hyperinflation führen.
Auch die Europäische Währungsunion stehe kurz vor dem Zusammenbruch, und man spekuliere bereits darauf, denn Griechenland, Irland, Portugal, Italien und Österreich müßten bereits 2-3% höhere Zinsen zahlen auf die Kredite, die sie aufnehmen, als beispielsweise Deutschland.
Der Grund für diese Krise sei der Paradigmenwandel in den letzten 40 Jahren, der Übergang weg von den Produzenten, hin zu den Spekulanten und der Übernahme des Systems durch kriminelle Aktivitäten. Als Beispiel hierfür führte sie den früheren Chef der NASDAQ in New York an, der seine Kunden um 50 Milliarden Dollar betrog. Aber es gehe nicht um einzelne Fälle, denn tatsächlich seien alle die „kreativen Finanzinstrumente“, die von Alan Greenspan erfunden wurden, reine Schneeballsysteme.
Das Problem sei nun, daß die gleichen Leute, die all dies verursacht hätten, auch für die Reform des Systems zuständig seien. Es gebe keinerlei Grund, darauf zu vertrauen, daß diese Leute das nötige Wissen oder die Motivation für grundsätzliche Änderungen haben.
Die einzige Ausnahme in Europa sei derzeit der italienische Finanzminister Giulio Tremonti, der das Neue Bretton Woods auf die Tagesordnung setzen wolle, sobald Italien den Vorsitz der G-8 übernimmt. Am 24. Februar werde eine Debatte im italienischen Senat über drei Anträge zu einem Neuen Bretton Woods stattfinden, von denen sich einer direkt auf Lyndon LaRouche bezieht. (Lesen Sie hierzu unseren Bericht auf S. 1.)
Solange LaRouches Lösungsvorschläge nicht umgesetzt würden, werde die Lage immer schlimmer werden. Um dies zu illustrieren, zeigte sie zwei Bilder vom Brandenburger Tor und vom Kölner Dom - beide vom Urwald überwuchert, wie die Ruinen von Ankor Wat in Kambodscha. „Mit dieser Photomontage möchte ich Ihnen demonstrieren, was mit Deutschland geschehen könnte, wenn wir uns nicht zusammenreißen.“
Offensichtlich wolle man dies nicht, aber dann müsse Europa eine völlig andere Rolle spielen als bisher. Man müsse die Werte der Globalisierung und all das, was in den letzten 40 Jahren geschehen ist, zurückweisen und zu einem Europa der Vaterländer zurückkehren, und vor allem brauche man ein ganz anderes Menschenbild. Der Mensch sei nicht dadurch bestimmt, daß er Schmerz meide und Lust suche, immer mehr Geld und Profit anstrebe und sich auf Kosten anderer vergnüge. Im Zentrum der Politik müsse vielmehr ein Menschenbild stehen, in dem der Mensch der Idee, daß er Abbild des Schöpfers ist, gerecht wird.
Schon Gottfried Wilhelm Leibniz habe am Ende des 17. Jahrhunderts prognostiziert, daß, wenn es irgendwann einmal dazu kommen sollte, daß die ganze Welt vom Utilitarismus kontrolliert wird und alle Regierungen dadurch korrumpiert werden, es dann zu einer Weltrevolution kommen werde. Es habe auch in der Vergangenheit schon Krisen gegeben, in denen Kulturen untergingen. Aber diesmal habe man es mit der Krise einer weltweiten Kultur zu tun, man lebe wirklich in einer globalisierten Welt.
Deshalb müßten die Werte und Paradigmen, die die Ursache der Krise seien, zurückgewiesen werden. Und man müsse in allen Kulturen an dem Besten anknüpfen, was diese Kulturen hervorgebracht haben. Man müsse zu der Idee des Nikolaus von Kues zurückkehren, daß Konkordanz im Makrokosmos nur dann möglich ist, wenn alle Mikrokosmen sich so weit wie möglich entwickeln. Diese Idee sei dann in den Westfälischen Frieden eingeflossen.
Was bedeute dies für die Rolle Europas? Vor allem müsse man den britischen Imperialismus zurückweisen. Man brauche ein Europa, in dem es nationale Kulturen gibt und in dem die Staaten die kreativen Fähigkeiten aller ihrer Bürger entwickeln, weil diese die eigentliche Quelle des Wohlstands seien. „Und Sie müssen uns dabei helfen. Wir alle müssen darauf hinarbeiten, wie noch nie zuvor, denn unsere Aufgabe ist es, in der nächsten Zeit in Europa jene Formen von Bündnissen zu katalysieren, die bereit sind, mit den Vereinigten Staaten, Rußland, China und Indien zusammenzuarbeiten. Und dann gibt es meiner Meinung nach Hoffnung.“ (Den vollen Wortlaut ihrer Rede werden wir in einer der kommenden Ausgaben abdrucken.)
In der anschließenden Diskussionsrunde der Redner mit dem Publikum wurde gegen ein Vier-Mächte-Bündnis mit Rußland und China eingewandt, diese Länder hätten „die Absicht zu territorialer Expansion“ erkennen lassen. Prof. Kaushik erwiderte, das Vier-Mächte-Abkommen sei nur als ein erster Schritt gedacht, um die Nationen zusammenzubringen. Lyndon LaRouche kommentierte, es gehe „nicht um einen Schönheitswettbewerb, denn letztendlich sind alle häßlich“. Man brauche alle dieser vier beteiligten Nationen, sonst werde man die Reform nicht durchsetzen können. Allerdings müsse man Großbritannien aus allen Verhandlungen heraushalten, weil es eben darum gehe, die weltweite Reform gegen das Britische Empire durchzusetzen.
Auch Gordon Browns Forderung nach einer „kreativen Zerstörung“ wurde angesprochen. In seiner Antwort betonte LaRouche, man brauche aufgrund der Natur des Menschen „eine Sprachkultur, um den Ideen einen Kontext zu geben. Dort liegt die ganze Macht der Kreativität.“
Auch der Vorschlag von General de La Maisonneuve, der in seinem Vortrag die Wiederbelebung der „Generalstände“ zur Beteiligung der Bevölkerung an der Politik angesprochen hatte, wurde aufgegriffen. Natürlich sei es nur in kleinen Staaten möglich, alles vom Volk entscheiden zu lassen. Aber man brauche eine Institution, über die das Volk an der Diskussion beteiligt werden könne, ohne bloß zu demonstrieren. Maisonneuve verwies auf den Diskussionsprozeß, den Segolène Royal im Präsidentschaftswahlkampf eingeleitet hatte, was Obama mit Erfolg aufgegriffen habe. Helga Zepp-LaRouche bemerkte hierzu, in Deutschland hätten die Menschen keine Stimme. Die Kandidaten würden von den Parteien bestimmt. Es sei „unsere Aufgabe“, dem Volk eine Stimme zu verschaffen.
Auf eine Frage nach seiner Einschätzung der israelischen Politik verwies LaRouche darauf, daß das Thema am nächsten Tag auf der Tagesordnung stehe, nutzte die Frage dann jedoch als Anlaß, über das Erbe Moses Mendelssohns zu sprechen, über die Renaissance der Kultur in Deutschland nach der Emanzipation der Juden und ihrer Anerkennung als deutsche Bürger. „Deutschland sollte lernen, daß seine Wurzeln in Mendelssohns Leistungen Ende des 18. Jahrhunderts liegen.“
Die letzte Frage des Tages war ebenfalls an LaRouche gerichtet. Ob er glaube, daß es heute möglich sei, einen ökumenischen Rat zu gründen. LaRouche beschrieb in seiner Antwort, wie das Römische Reich die Religionen dazu benutzte, die Menschen gegeneinander auszuspielen, so wie Saudi-Arabien heute verschiedene Strömungen des Islam gegeneinander aufhetze. „Haltet die Religion aus der Politik heraus. Es gibt schon genug Leute, die in der Lage sind, Religionskriege anzustacheln. Haltet die Gesellschaft säkular. Dann werden die Menschen wichtig. Dann müssen sie von Mann zu Mann miteinander umgehen.“
Diese Frage stand am nächsten Tag auf der Tagesordnung, nachdem zunächst der Wiesbadener Chor des Schiller-Instituts ein Kyrie von Mozart und dann von Mitgliedern der LYM aus Dänemark und Jamaica der 2. Satz (Andante con moto) aus Schuberts Klaviertrio Op. 100 vorgetragen worden war.
Als erster sprach Jacques Cheminade, der Vorsitzende der französischen Partei Solidarité et Progrès, über das Thema „Warum eine neue ,Pecora-Kommission’ dringend nochwendig ist.“ Er ging zunächst auf die Rolle der Wall-Street-Finanziers wie J.P. Morgan während der Großen Depression ein und beschrieb dann das Vorgehen Ferdinand Pecoras, der die Wall-Street-Größen durch sein öffentliches Verhör im Untersuchungsausschuß des Senats demontierte und so den Weg frei machte für die Durchsetzung der strengen Vorschriften für die Finanzwelt, die unter Franklin Roosevelt in Kraft gesetzt wurden.
Dann kam er auf die heutige Lage zu sprechen. Man brauche eine neue Pecora-Kommission. Wenn er in einer solchen Kommission säße, würde er z.B. Josef Ackermann die Frage stellen: „Warum haben Sie schon 2003 eine ,Bad Bank’ gefordert, wenn an den Finanzmärkten alles in Ordnung war?“ Oder seinen französischen Kollegen die Frage: „Warum haben Sie Ihre Anteile an Madoffs Fonds verkauft, aber ihren Kunden nicht dazu geraten, dasselbe zu tun?“ (Wir werden Cheminades Rede in einer der kommenden Ausgaben dokumentieren.)
Pater Bonifacio Honings, Professor für Moraltheologie und früherer Dekan der Lateran-Universität in Rom, sprach dann über „Die Soziallehre der Kirche als ethische Grundlage für LaRouches Plan A und B“. Er beschrieb die Entwicklung dieser Soziallehre anhand der Sozialenzykliken der Päpste Papst Leo XIII. (Rerum Novarum, 1891), Pius XI. (Quadragesimus Annus, 1931), Johannes XXIII. (Mater et Magistra, 1961), Paul VI. (Populorum Progressio, 1967) und Johannes Paul II. (Sollicitudo Rei Socialis, 1987, Centesimus Annus, 1991, und Fides et Ratio, 1998) sowie der Schlußerklärung des Vaticanum II (1965), und beurteilte dann LaRouches Vorschläge jeweils nach den darin aufgestellten Kriterien.
Die Kirche müsse die Zeichen der Zeit erkennen und sie im Lichte des Gotteswortes interpretieren. In Rerum Novarum habe sie die Forderung nach dem Respekt für die natürlichen Rechte aller Menschen erhoben. Vierzig Jahre später hätten aufgrund des Aufkommens des Kapitalismus ganz andere Bedingungen geherrscht. Hier habe die Kirche Normen für die Verteilungsgerechtigkeit und die Forderung des Gemeinwohls aufgestellt. Weitere 30 Jahre später habe sie sich vor allem mit dem wirtschaftlichen und sozialen Gleichgewicht zwischen Industrie und Landwirtschaft auseinandersetzen müssen. Papst Paul VI. habe in Populorum Progressio vor allem die Solidarität zwischen den entwickelten Nationen und den Entwicklungsländern eingefordert. In allen diesen Punkten entsprächen LaRouches Forderungen voll und ganz den Forderungen der Soziallehre der Kirche.
Prof. Norton Mezvinsky von der Connecticut State University, der sich seit vier Jahrzehnten für einen arabisch-israelischen Frieden einsetzt, sprach dann über „Die Perspektive der Regierung Obama für einen Frieden in Südwestasien“, ein besonders krasses Beispiel von Ungerechtigkeit in der heutigen Welt, der Lage der Palästinenser, insbesondere im Gaza-Streifen. Seit dem Osloer Abkommen hätte sich die Zahl der jüdischen Siedler in den besetzten Gebieten mehr als verdoppelt, und um diesen Siedlern den freien Zugang zu ihren Siedlungen zu sichern, habe man die besetzten Gebiete durch Schutzmauern und Kontrollpunkte in zahlreiche kleine Gebiete aufgeteilt. Selbst wenn die israelische Regierung daran etwas ändern wollte, müßte sie mit dem bewaffneten Widerstand der Siedler rechnen: „Ich habe selbst einige Verwandte in diesen Siedlungen, die geschworen haben, sie würden bis zum letzten Blutstropfen gegen das israelische Militär kämpfen, wenn es komme, um die Siedlungen zu räumen.“
Palästinensische Kinder stürben schon bei der Geburt, weil ihre Mütter einen Passierschein bräuchten, um ein Krankenhaus im Nachbardorf aufzusuchen. Die Zahl der Kriegsopfer unter den Palästinensern habe sich in letzter Zeit massiv erhöht, 15 gefallenen Israelis stünden rund 1500 getötete palästinensische Zivilisten, davon ein Drittel Kinder, gegenüber. Die Entwicklung der letzten Jahre habe sehr fraglich gemacht, ob eine Zwei-Staaten-Lösung überhaupt noch möglich ist. Statt dessen schlug Mezvinsky einen binationalen Staat nach dem Modell Albert Einsteins vor, in dem zwei Völker in sympathischer Zusammenarbeit miteinander leben. Einige Israelis fürchteten zwar, dies wäre das Ende des zionistischen Staates, aber es sei wohl die gerechteste Lösung, wenn beide Völker das Land gemeinsam bewohnen und zusammenarbeiten.
Ob die Regierung Obama ihre Macht nutzen werde, um Palästinenser und Israelis zu einer Einigung zu zwingen? „Bauen Sie nicht darauf.“ Aus den bisherigen Äußerungen Obamas sei nicht erkennbar, daß er die bisherige Politik der US-Regierung ändern werde.
In der anschließenden Diskussion war dann auch Prof. Stanislaw Menschikow von der russischen Akademie der Wissenschaften per Telefon zugeschaltet. Er warf die Frage auf, wie man denn die unmittelbar dringenden Aufgaben mit LaRouches langfristiger Perspektive für die kommenden 50 Jahre verbinden könne.
Prof. Giancarlo Pallavicini, ein italienischer Ökonom, der auch Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften ist, gab einen „Überblick über die gegenwärtige wirtschaftliche und finanzielle Doktrin und Praxis“. Wenn ein Ökonom sich den Themen der heutigen Gesellschaft befasse, sei er mit einem Widerspruch konfrontiert, frei nach Shakespeare: „Sein, oder können.“ Mit „Sein“ meine er die faktische Wirtschaftslage, die sich in den letzten Jahrzehnten entwickelte und in die gegenwärtige Krise hineingeführt habe. Mit „können“ meine er den Weg, auf dem eine bessere Lage herbeigeführt werden könne, in der die Menschen und ihre natürliche und kulturelle Umgebung stärker respektiert werden.
Er beschrieb dann die Finanzkrise. Durch die Übertragung privater Schulden auf den Staat würde die Schuldenlast nicht reduziert. Man müsse den „Giftmüll“ vielmehr neutralisieren. Um zu einem geordneten Finanzsystem zurückzukehren, brauche man wieder Regeln, die vor allem auf eine kulturelle Änderung abzielen. Pallavicini stellte dann einen Katalog von 15 Forderungen an dieses Regelwerk vor.
Anschließend meldete sich nochmals Lyndon LaRouche zu Wort und betonte, man müsse statt auf die monetären Aspekte vor allem auf die realwirtschaftliche Dynamik achten.
Den letzten Teil der Konferenz dominierte die LaRouche-Jugendbewegung (LYM). Unter dem Motto, „Change? Yes, we can!“ („Ändern? Ja, das können wir!“) behandelte ein Team der LYM die Rolle der Jugend in der Frage, „Wie die Erde in 50 Jahren aussehen muß“. Portia Tarumbwa-Strid beschrieb zunächst die notwendige Veränderung am Beispiel Afrikas. Schwarzafrika sterbe an Unterernährung und Krankheiten. Etwa 20% der Bevölkerung leiden an Krankheiten, die eine direkte Folge der Unterernährung in der frühen Kindheit seien. Man müsse die Nahrungsmittelproduktion ausweiten, und dazu brauche man Energie. Afrika wolle Entwicklung. Damit alle Menschen auf der Welt 1,5 KWh Strom pro Tag zur Verfügung haben, brauche man rund 6000 Kernkraftwerke weltweit. Aber in Afrika gebe es heute nur ein einziges. Man brauche Programme zur Meerwasserentsalzung und Bewässerungssysteme. Anhand mehrerer Karten zeigte sie dann die Pläne, die von der LaRouche-Bewegung schon in den siebziger Jahren entwickelt wurden. „Ich glaube, daß wir das tun können, Herr Obama.“
Julien Lemaitre sprach dann über die Änderung des Denkens, die erforderlich sei, um die notwendigen politischen Änderung zu ermöglichen, und demonstrierte dies am Beispiel Johannes Keplers, der anstelle der Weltbilder von Ptolemäus, Kopernikus und Brahe, die zwar von unterschiedlichen Annahmen über das Sonnensystem ausgehen, aber letztendlich auf den gleichen Fehler hinausliefen. Kepler hingegen habe nicht nur versucht, die Bewegung zu beschreiben, sondern zu verstehen, was die Bewegung des Mars verursacht.
Das Denken von Ptolemäus, Kopernikus und Brahe entspreche dem Denken der heutigen Ökonomen. Kepler habe erkannt, daß das bewegende Prinzip der Planeten von der Sonne ausgeht, und daß der Kreis keine Bewegung erklären kann, die sich in jedem Moment verändert. Die Frage sei aber, warum sich die Planeten gerade auf diesen Ellipsen bewegen, und nicht auf irgendwelchen anderen.
Diese Frage wurde von Alise Franck aufgegriffen, die anhand eines Monochordes zeigte, daß die Harmonie der Töne auf geometrischen Verhältnissen beruht, und sie zitierte Kepler, daß die menschliche Seele nur diese Harmonien als konsonant erkenne, weil sie mit ihren eigenen geometrischen Harmonien und Proportionen übereinstimmen.
Kasia Kruczkowski und Petra Carlsson kamen dann auf die Frage zurück, wie man all die schönen politischen Pläne umsetzen könne. Man müsse erkennen, daß Politik und Kultur miteinander einhergehen. Die heutige Kultur sei häßlich, aber sie komme nicht von der heutigen Jugend. Die Frankfurter Schule habe vielmehr die Wirkung der Medien auf die Menschen genau studiert, um die Häßlichkeit zu propagieren. Als Beispiel für dieses Menschenbild zeigte sie einen Kurzfilm über die Bonobos, eine Affenart, für die nach Ansicht der Produzenten dieses Filmes „Sex das wichtigste Kommunikationsmittel“ sei.
Aber man könne zwar, wie Lincoln sagte, „alle Menschen eine gewisse Zeit lang zum Narren halten, und einige Leute für alle Zeit, aber nicht alle Menschen für alle Zeit“. Man müsse das Denken der Menschen ändern, und dazu habe Friedrich Schiller in seinen „Ästhetischen Briefen“ den Schlüssel geliefert. Schiller beschreibt dann den inneren Kampf zwischen dem sinnlichen Trieb und dem Formtrieb und stellt die Frage, wie diese beiden Triebe in Übereinstimmung miteinander gebracht werden können. Kants Forderung, die Emotionen zu unterdrücken, sei falsch, denn solange man entweder nur „denkt“ oder nur „fühlt“, könne man seine wahre menschliche Natur nicht erreichen.
Das Mittel, die beiden Triebe in Übereinstimmung zu bringen, sei die Schönheit. Sie erzeuge im Menschen einen Zustand, indem er frei wird von der Vorherrschaft seiner Triebe, damit er „wird, was er will“. So werde die Schönheit zum „zweiten Schöpfer“ des Menschen. Deshalb sei die Arbeit an der klassischen Kunst der Vergangenheit so wichtig, denn sie führe zum Wachsen der individuellen Seele und damit zu einem Wachsen des Universums. Alles, was vor uns, mit uns und nach uns lebt, werde dadurch, wie Schiller sagt, „unser“; LaRouche bezeichne dies als die „Gleichzeitigkeit der Ewigkeit“. Indem wir an unserer Mission festhalten, werde alles - auch wenn man es vielleicht nicht erlebe, daß alle Pläne realisiert werden - „unser“, und darin könne Schiller uns ein Vorbild sein.
Zum Abschluß kam Elodie Viennot auf Johann Sebastian Bach zurück, dessen Motette „Jesu, meine Freude“ schon zu Beginn der Konferenz erklungen war, um daran das Prinzip der klassischen Komposition zu demonstrieren. Zunächst appellierte sie an die Vorstellungskraft ihrer Hörer: „Stellen Sie sich den Reichtum eines nigerianischen Farmers oder eines chinesischen Kindes vor, die in der Zukunft völlig in eine prosperierende Weltwirtschaft integriert sein werden, die bestimmt ist von einem gemeinsamen Prinzip der Kreativität.“
Dieses Prinzip äußere sich in Bachs Kompositionen wie in einem kleinen Universum, eine Reflektion des Universums, wie es Kepler sah. Die große klassische Musik zeige uns, wie in einem Spiegel, das ganze Universum, und sie ändere die Art, wie wir denken. Sie ist wie eine moralische Infrastruktur der Gesellschaft, und deshalb sollten alle dieses Stück studieren, dann kämen die Menschen aus ihrem abgestorbenen Geisteszustand heraus.
Sie berichtete über die Vorgeschichte dieser Motette: Der Text entstand am Ende des Dreißigjährigen Krieges, zur Feier des Westfälischen Friedens, um daran zu erinnern, daß man sich nicht der Versuchung hingeben dürfe, Rache zu üben; dann werde ein besseres Leben möglich. 100 Jahre später habe Bach die schlichte Melodie aufgegriffen.
Der Chor unter der Leitung von Stefan Tolksdorf demonstrierte dann anhand der Passage „Trotz dem alten Drachen“ den Unterschied zwischen der alten Version und der Komposition von Bach. Insbesondere in den Zeilen „Tobe, Welt, und springe, ich steh hier und singe“, die im Zentrum der Motette stehen, bilden die einzelnen Stimmen, gegeneinander gestellt, scheinbar „häßliche“ Dissonanzen, die sich jedoch auflösen, wenn die fünf Stimmen alle gemeinsam erklingen. „Wir werden hier sozusagen aus unserem schönen und bequemen Sofa herausgeworfen - und das kann ja nicht schaden.“ Es sei aber nicht möglich, Bach zu verstehen, solange man Haschisch rauche oder Videospiele spiele. Bach komponierte diese Motette für eine Trauerfeier, und erinnert uns durch sie daran, was es eigentlich bedeutet, zu leben.
Wenn die Chance, den Kampf um das Überleben der Zivilisation zu gewinnen, gering erscheinen möge, so habe dies auch für die Chancen einer taub-blinden Helen Keller, eines Johannes Kepler oder eines Johann Sebastian Bach gegolten, das zu erreichen, was sie sich vorgenommen hatten. Aber es sei ihnen gelungen, weil sie in der Lage waren, die wahre Natur des Universums zu erkennen und auszudrücken. Dann kündigte sie den „letzten Redner“ dieses Themenkreises an: Johann Sebastian Bach, dessen Motette zum Abschluß nochmals vom Chor der LYM unter der Leitung von Stefan Tolksdorf vorgetragen wurde.
In seinem anschließenden Schlußwort kam Lyndon LaRouche noch einmal auf die besondere Rolle der Vereinigten Staaten in dieser gegenwärtigen Krise zurück. Aufgrund ihrer Geschichte seien die Amerikaner optimistischer, während die Europäer eher zum Pessimismus neigten. Deshalb müsse die Initiative zur Überwindung der Krise von den USA ausgehen. Er jedenfalls sei entschlossen und werde alles tun, die neue US-Regierung in diese Richtung zu bewegen.
Alexander Hartmann
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