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Aus der Neuen Solidarität Nr. 52/2008

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Das Ende des neoliberalen Paradigmas

Von Helga Zepp-LaRouche

Bei der gleichen Veranstaltung des indischen Forum für Strategie- und Sicherheitsstudien, das am 3. Dezember in Neu-Delhi stattfand, hielt die Vorsitzende des Schiller-Instituts, Helga Zepp-LaRouche, den folgenden Vortrag.

Wenn man in der Geschichte zurückschaut, sieht man, daß es immer Leute gegeben hat, die in ihrem Geschichtsverständnis ihrer Zeit voraus gewesen sind, Leute, die in ihrer Zeit leben, und Leute, die hinter der Zeit zurückhinken. Heute, so meine ich, verstehen nur wenige, daß das gegenwärtige Paradigma an sein Ende gekommen ist. Mit absoluter Sicherheit läßt sich jedoch sagen, daß das neoliberale Paradigma am Ende ist, und man kann auch feststellen, daß die Europäische Union, wie sich die jetzige EU-Führung sie vorstellt, ausgedient hat.

Nicht jeder wird das bereits erkennen, aber ich möchte Sie daran erinnern, was 1989 geschah, als die Sowjetunion auseinanderzubrechen begann. Herr LaRouche hatte schon lange zuvor, 1983, den Kollaps der Sowjetunion vorausgesagt, wenn diese bei ihrer damaligen Politik bleiben sollte. Als 1989 die Mauer in Deutschland fiel, erkannten die Leute die Zeichen der Zeit und begannen sich auf die neue Situation einzustellen. Diese Leute nannte man „Wendehälse“. Und dann gab es noch Leute wie Erich Honecker und andere, die nicht einsehen wollten, daß das System tatsächlich zusammengebrochen war. Die nannte man „Betonköpfe“.

Heute haben wir eine ähnliche Situation. Es gibt Leute, die verstehen, daß das neoliberale Paradigma vorbei ist, und sie passen sich an die neue Lage an. Auch das sind „Wendehälse“, von denen sich einige so häufig nach dem Winde gedreht haben, daß ihr Hals schon wie ein Korkenzieher aussieht. Aber auch „Betonköpfe“ gibt es heute noch, zum Beispiel Gordon Brown, der zwar ein „neues Bretton Woods“ fordert, aber in Wirklichkeit das alte System beibehalten will, nur mit einigen neuen Regeln. Viele andere Leute verstehen aber inzwischen, daß wir auf der Welt ein völlig neues Paradigma brauchen, d.h. die „Globalisierung“ der letzten 20-40 Jahre muß durch ein neues System ersetzt werden.

1989, als die Mauer in Deutschland fiel und anschließend die Sowjetunion und der Comecon auseinanderbrachen, habe ich viele Vorträge gehalten, in denen ich sagte, man dürfe nicht den Fehler machen, über das bankrotte kommunistische System jetzt das ebenso bankrotte Freimarktsystem drüberzustülpen, denn damit würde man den Kollaps durch primitive Akkumulation gegenüber den Staaten der ehemaligen Sowjetunion nur um ein paar Jahre hinausschieben. Letztlich wäre der Kollaps aber unvermeidbar und würde noch viel schlimmer als der Zusammenbruch des kommunistischen Systems. Ich meine, wir sind jetzt genau an diesem Punkt angelangt. Denn der sich jetzt vollziehende Kollaps der Globalisierung ist weitaus schwerwiegender als der Zerfall des Comecon, mit viel gefährlicheren Implikationen.

Die Eurasische Landbrücke

Wir hatten damals einen Plan, was zu tun sei, einen „Plan A“, nämlich den Osten mit Hilfe westlicher Technologien zu entwickeln. Zuerst nannten wir dies das Programm des Produktiven Dreiecks, d.h. das Gebiet in dem Dreieck Paris-Berlin-Wien sollte durch moderne Infrastruktur (Magnetbahntechnik, Hochtemperaturreaktor und andere fortschrittliche Technologien) ausgebaut werden, um diese Entwicklung dann in „Korridoren“ nach Osten weiterzuleiten: nach Warschau und Kiew, auf den Balkan. Als dann 1991 die Sowjetunion kollabierte, wollten wir diese Idee sofort auf ganz Eurasien übertragen, d.h. über die sog. Eurasische Landbrücke würde man die Industriezentren Europas mit den Bevölkerungszentren Asiens verbinden.

Lange Zeit sagten die Leute, das sei eine Illusion, eine Utopie, das werde nie geschehen. Doch wenn man heute auf die Landkarte schaut, stellt man fest, daß viele Projekte, die wir ursprünglich vorgeschlagen hatten, inzwischen verwirklicht wurden. So die Bahnverbindung zwischen Süd- und Nordkorea, dann steht der russische Plan, den Beringstraßen-Tunnel zwischen Sibirien und Alaska zu bauen, inzwischen akut auf der Tagesordnung, und vieles andere.

Doch leider wurde unser Gesamtplan nicht aufgegriffen, und mit dem Beginn der sogenannten „IWF-Reformpolitik“ nahm das Übel seinen Lauf. Aus geopolitischen Gründen nötigten die Briten unter Margaret Thatcher und die USA unter Bush sen. Europa den Maastricht-Vertrag auf, wodurch den Ländern im wesentlichen die nationale Souveränität über ihre Währungen entzogen wurde. So entstand die Europäische Währungsunion, obwohl klar war, daß eine Europäische Währungsunion ohne eine politische Union nicht funktionieren könnte.

Der Maastricht-Vertrag ist ein Korsett, das die europäische Wirtschaft stranguliert, und bis heute verhindert dieser Mechanismus, daß die europäische Politik und Wirtschaft funktionieren. Der ganze Prozeß verschärfte sich noch durch den sog. Stabilitätspakt, den Vertrag von Nizza und den Vertrag von Amsterdam zuvor. Doch dann scheiterte 2005 das Referendum über die neue europäische Verfassung am „Nein“ Frankreichs und Hollands, woraufhin man zu dem Trick griff, den gleichlautenden Lissabon-Vertrag wie in einem Staatsstreich durchzusetzen: Ohne Wissen der Bevölkerung, ohne Volksabstimmung, selbst ohne Diskussion in den Medien.

Dank des Einsatzes vieler Leute, nicht zuletzt aber auch dank unserer Mobilisierung, wurde dieser Versuch zurückgeschlagen. Allerdings würde ich Ihnen raten, sich einmal den EU-Vertrag von Lissabon anzuschauen, denn hiermit sollte wie in einem Staatsstreich Europa in einen Bundesstaat, in eine oligarchische Diktatur verwandelt werden, ein europäisches Imperium träte an die Stelle der Nato, und mit einem militarisierten Europa könnte die EU-Struktur dann für internationale „humanitäre“ Interventionen benutzt werden.

Sie sind sich wahrscheinlich des Umstands bewußt, daß sich kürzlich die UNO und die Nato, ohne Rußland zu informieren, insgeheim darauf verständigt haben, unter dem Vorwand humanitärer Hilfe bei Unglücken oder Naturkatastrophen vermehrt zum Beispiel globale „humanitäre“ Interventionen durchzuführen, was Teil eines Plans ist, unter dem Vorwand von „Demokratie“, „Menschenrechten“, „Katastrophenhilfe“ usw. imperiale Ziele zu verfolgen. Sollte die EU tatsächlich den Weg des Lissabon-Vertrags weitergehen, würde die Europäische Gemeinschaft ein oligarchisches Imperium werden. Nach Auffassung von Robert Cooper, dem früheren Berater von Javier Solana [dem Hohen Repräsentanten für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU], ist die EU ohnehin das größte Imperium der Geschichte, obwohl sich inzwischen gezeigt hat, wie schwierig es ist, so viele Staaten mit unterschiedlichen Entwicklungsstufen, Kultur und Sprache in eine Struktur zu bringen.

Ein nationaler Reflex

Zum Glück zeigt sich die Realität in dieser Krise, in der wichtige nationale souveräne Reflexe zutage getreten sind; seit Beginn der jüngsten Phase des Kollapses im September sind aus Brüssel praktisch kaum Initiativen gekommen. Nur die nationalen Regierungen ergriffen Schutzmaßnahmen für ihre Banken - die als solche zwar nicht besonders empfehlenswert sind, da sie Teil der weltweiten inflationären Rettungspakete waren. Aber im Grunde ist die Europäische Union am Ende, was das neoliberale Paradigma angeht.

Das mag noch nicht unmittelbar sichtbar sein, aber Sie werden in der nächsten Zeit daran denken, denn inmitten der Zusammenbruchskrise kommt der einzige Schutz für ein Land von seinen nationalen Institutionen - nicht von supranationalen Strukturen, die den Interessen der Mitgliedsstaaten völlig entgegenstehen. Und genau das ist Brüssel in der letzten Zeit geworden.

Ich sage zwar nicht, daß damit schon alles entschieden ist, aber man kann zum Beispiel beim französischen Präsidenten Sarkozy durchaus einen gaullistischen Reflex erkennen. Auch beim italienischen Finanzminister Tremonti sieht man einen nationalen Impuls. Und genau das muß in gewisser Weise auch geschehen. Nur wenn wir uns in Europa der EU-Bürokratie entledigen, die ein imperiales Ziel verfolgt, und zu einem „Europa der Vaterländer“ zurückkehren, in dem die souveränen Nationen die Kontrolle über ihre nationalen Währungen zurückgewinnen, hat Europa eine Chance.

Der Grund, warum Europa so impotent ist und mit der jetzigen Krise nicht umgehen kann, liegt darin, daß wir in einer Struktur gefangen sind, die uns die Hände bindet und sämtliche Macht an eine europäische Bürokratie delegiert, die für nichts verantwortlich ist: Sie wurde nicht gewählt, sondern eingesetzt, und erläßt inzwischen 85% aller Gesetze in Europa. Die nationalen Parlamente sind in dieser Struktur eigentlich schon jetzt weitgehend nutzlos.

Die Vier-Mächte-Lösung

Der einzige Weg für die Zukunft, um aus dieser Krise herauszukommen, liegt in LaRouches Vorschlag einer Vier-Mächte-Kombination, der sich souveräne Länder wie Deutschland, Japan, Italien und andere anschließen können. So kann eine neue Allianz aus vollkommen gleichberechtigten, souveränen Partnern entstehen, die über die nächsten 50 Jahre dieses Planeten beraten können. Und wenn ich sage, das neoliberale Paradigma ist am Ende, heißt das ja auch, daß wir ein neues Paradigma brauchen, das der menschlichen Zivilisation angemessen ist.

Es wurde bereits die Frage angesprochen, wie man der Gefahr von Arbeitslosigkeit begegnen könne. Dieses Problem stellt sich jedem Land! In Deutschland zum Beispiel, dessen Wirtschaft extrem exportabhängig ist, brechen jetzt die Exporte weg, nachdem die Binnenwirtschaft durch den Euro bereits stark geschwächt war. Wenn Deutschland unter diesen Bedingungen eine Chance haben will, dann muß es Teil der Eurasischen Landbrücke werden!

Unsere Vorstellung ist ja nicht nur, Europa über Infrastrukturkorridore mit Asien zu verbinden, und auch der Entwicklungskorridor, der hier in Indien von Delhi bis Mumbai gebaut werden soll, ist nur ein kleines Teilstück in dem Gesamtplan. Wir verfolgen darüber hinaus die Perspektive, auch Lateinamerika über die Beringstraße anzuschließen: Alaska, Kanada, Vereinigte Staaten, Mittelamerika bis hinunter nach Chile. Auch Afrika muß gerettet werden, denn die menschliche Gesellschaft kann es sich nicht leisten, einen Kontinent zu verlieren, der so offensichtlich zu sterben droht - an einer Kombination aus HIV/AIDS, Hunger und Chaos, wie es bereits in Somalia und am Horn von Afrika herrscht, wo Regierungen die Kontrolle verlieren und gesetzlose Gebiete entstehen, in denen die Piraterie Überhand nimmt. Das gibt uns einen Einblick in die Zukunft, wohin sich die Zivilisation entwickeln könnte, wenn wir keine Lösung finden.

Afrika muß also in die Eurasische Landbrücke eingebunden werden, indem u.a. Entwicklungskorridore über Ägypten nach Afrika gebaut werden, eine Brücke oder ein Tunnel von Sizilien nach Tunesien und ein weiterer unter der Straße von Gibraltar nach Marokko. Ausgehend von diesen und anderen Infrastrukturprojekten braucht Afrika ein kontinentales Wiederaufbauprogramm.

Sie könnten das für utopisch halten, aber all das ist Teil von Plan A. Im Rahmen eines Kreditsystems, in dem souveräne Regierungen Kredite auf Grundlage eines Nationalbankwesens vergeben würden, könnte jedes Land seinen Teil dieser Infrastrukturprogramme finanzieren, und wir würden uns aus der Krise herausarbeiten. Wir werben hierfür schon seit 20 Jahren, und lange Zeit schauten sich die Leute das nur an und sagten: „Oh, das ist ein utopischer Plan!“ Jetzt aber, so scheint mir, ist dies der einzig realistische Weg, wie wir den Absturz in ein dunkles Zeitalter verhindern können.

Eine neue Renaissance

Neben einer wirtschaftlichen Wende brauchen wir auch einen Wandel in der Kultur, ein neues kulturelles Paradigma. Das Paradigma, das mit der Globalisierung zusammenhängt, muß weg, denn es basierte auf Gier, der Vorstellung des „jeder frißt jeden“, von maximalem Profit im Hier und Jetzt, und auch dieses Paradigma ist gescheitert. An seine Stelle muß die Idee einer neuen Renaissance treten. Meines Erachtens läßt sich eine solche neue Renaissance nur erreichen, wenn sich jede Zivilisation, jede Kultur auf ihre eigenen Höhepunkte besinnt. Aus unserer Sicht waren die letzten 40 Jahre ein Tiefpunkt in allen Ländern - zumindest für die westlichen Länder kann ich das mit Sicherheit sagen.

In einer neuen Renaissance müssen die besten Traditionen jeder Kultur in den Vordergrund gestellt werden. Hier in Indien steht mit der Sanskrit-Kultur, der vedischen Philosophie, die schönste Wiege der Zivilisation. Wenn man das vedische Schöpfungslied hört, hat man es direkt mit den grundlegendsten Konzeptionen zu tun, obwohl es mehr als 10.000 Jahre alt sein mag. Wir müssen auf die Ideen Tilaks zurückgehen. Und warum konnte Indien 5000 Jahre vor Mesopotamien eine Zivilisation von Großstädten hervorbringen, wie sie erst kürzlich hier im Meer entdeckt wurden? All diese Dinge müssen wieder untersucht werden. Warum meinte Wilhelm von Humboldt, das Sanskrit sei die entwickeltste Sprache auf der ganzen Welt gewesen? Hier liegen Perlen verborgen, die neu entdeckt werden müssen. Auch wurde einmal darüber diskutiert, ob Sanskrit in Indien nicht eine viel bessere nationale Sprache als Englisch wäre, um die indische Kultur fortzuführen.

Es gäbe viele weitere Beispiele, aber um mich kurz zu fassen: jedes Land sollte seinen eigenen Stolz wiederfinden. Auch in Deutschland wollen wir nicht ständig nur über die zwölf Schreckensjahre unter Hitler sprechen, sondern wir wollen wieder zurück zu den Ideen von Nikolaus von Kues, Kepler, Leibniz, der klassischen deutschen Musik und zu Schiller. Deswegen nennt sich mein Institut auch das Schiller-Institut, denn Schiller war der Dichter der Freiheit.

Entsprechendes muß in jedem Land passieren. Die Menschheit wird aus diesem Loch, dieser absolut schrecklichen Phase nicht herauskommen, wenn wir so weitermachen wie bisher. Darüber sollten wir in größerem Rahmen weiterdiskutieren.

Lesen Sie hierzu bitte auch:
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