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Aus der Neuen Solidarität Nr. 40/2007 |
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Von Helga Zepp-LaRouche
Die Bundesvorsitzende der Bürgerrechtsbewegung Solidarität, Helga Zepp-LaRouche, verfaßte am 28. September den folgenden Aufruf an Bundesregierung, Bundestag und alle Bürger, in der gegenwärtigen Finanzkrise das Gemeinwohl zu verteidigen. Er wird als Massenflugblatt verbreitet.
Während sich der vom Kollaps des amerikanischen Hypothekenmarks ausgehende Tsunami durch das gesamte globale Finanzsystem fortsetzt, greifen die Zentralbanken zu einer Medizin, die dem siechen Patienten noch ein letztes Mal für eine kurze Zeit rote Bäckchen verleiht, sein nahes Ende aber nur um so gewalttätiger gestalten wird. Schon bald wird jeder erkennen: Die roten Bäckchen waren kein Zeichen von Gesundheit, sondern das Glühen eines todbringenden Fieberwahns.
Genau diesen Charakter hat die Medizin der Zentralbanken, wenn sie auf die als Folge des Krachs des Hypothekenmarkts entstandene Kreditklemme und nun nicht mehr erfüllbare Zahlungsversprechungen mit Zinssenkungen und Liquiditätsspritzen von dreistelligen Milliardensummen reagieren. Weimar 1923 läßt grüßen - nur diesmal im Weltmaßstab.
Der Chef der Federal Reserve, Bernanke - auch „Helikopter-Ben” genannt, weil er versprach, im Notfall einfach Geldscheine über den Städten aus Hubschraubern abzuwerfen, falls Zusammenbrüche von Banken drohten -, macht seinem Namen alle Ehre. In einem vergeblichen Versuch, den Kollaps der amerikanischen Hypothekenmärkte und seine Auswirkungen auf Banken, Hedgefonds und Beteiligungsgesellschaften abzumildern, senkte er die Zinsrate der Federal Reserve um ein halbes Prozent auf 4,75% und begann gleichzeitig, ebenso wie die EZB und die Bank von England, Milliardenbeträge zur Rettung von Banken und Hedgefonds zur Verfügung zu stellen. Neben den hyperinflationären Konsequenzen dieses Pumpens von Liquidität ging der Dollar daraufhin als Folge der Zinssenkung in freien Fall über und erreichte als Zwischenergebnis einen historischen Tiefstand.
Während die Zentralbanken in der Vergangenheit jegliche Kreditschöpfung zur Ankurbelung der Realwirtschaft durch die Schaffung produktiver Arbeitsplätze mit dem Argument ablehnten, ihre vordringlichste Aufgabe sei das Hüten der Stabilität der Währungen, haben sie jetzt offensichtlich keine Skrupel, zur Rettung der Banken und Hedgefonds eine Hyperinflation in Gang zu setzen. Dabei weiß jeder, daß die durch Inflation bewirkte Aushöhlung der Kaufkraft das Krebsübel der modernen Geldwirtschaft ist. Wie die meisten in Deutschland aus Erzählungen von Großeltern und Urgroßeltern wissen, die 1923 erlebt haben, bedeutet Hyperinflation, daß die Ersparnisse der sogenannten kleinen Leute aufgefressen werden. Man geht offensichtlich von der Parole aus: „Profite sind privat, Verluste aus hohen Risikogeschäften kann der Steuerzahler tragen!”
Die Tatsache, daß man sich zumindest temporär in den Finanzministerien, Zentralbanken und Finanzinstitutionen der G7-Staaten darauf geeinigt hat, noch einen weiteren Versuch zu machen, die Casino-Wirtschaft zu retten, zeigt nur, wie hoffnungslos inkompetent und verantwortungslos die Vertreter dieser Institutionen sind. Denn die Welt hat es vorwiegend „Mr. Bubble“, Bernankes Vorgänger Alan Greenspan, und seinen „kreativen Finanzinstrumenten” zu verdanken, daß heute die Dimension der einzulösenden Zahlungsversprechungen das Bruttosozialprodukt der gesamten Welt um mehrere Größenordnungen übersteigt. Die Gesamtverschuldung des Systems hat durch die absurde Praxis, unbezahlbare akkumulierte Schulden als Kapitalanlagen und damit als Basis für neue Kredite zu bewerten, ein Volumen erreicht, das die Budgets aller Staaten zusammengenommen wie die Portokasse einer Großfirma erscheinen lassen.
Der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Lyndon LaRouche hat es auf den Begriff gebracht: Es ist nicht möglich, die Banken und die Hedgefonds zu retten. Da die Realwirtschaft aber ohne ein funktionierendes Bankensystem ebenfalls zusammenbrechen würde, muß der Staat eingreifen, um die Banken und essentielle Bereiche des Gemeinwohls zu beschützen.
Auch auf die Gefahr hin, daß es die Regeln des „politisch Korrekten” in Deutschland verletzt: Ohne die Verwirklichung der im folgenden vorgeschlagenen Maßnahmen für die Errichtung eines Schutzwalls für Bereiche des öffentlichen Wohls ist die Existenz Deutschlands in Gefahr.
Insbesondere in Zeiten außergewöhnlicher Krisen ist der souveräne Nationalstaat die einzige Institution, die das Gemeinwohl der Bevölkerung schützen kann. Auch wenn die Regierungen der G7-Staaten dieser Verantwortung bisher höchst unzureichend nachgekommen sind, so gilt doch als Ausgangsbasis der im Grundgesetz festgelegte Amtseid nach Artikel 56, den Bundespräsident, Bundeskanzler und Bundesminister bei ihrem Amtsantritt geschworen haben:
„Ich schwöre, daß ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen, und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.”
Der Staat und damit die durch den Amtseid gebundene Regierung ist der Garant, daß das Grundgesetz eingehalten wird. Wird diese Funktion des Staates eingeschränkt, wird der Staat „verschlankt“, wie dies seit geraumer Zeit von den Neoliberalen gefordert wird, droht unter Krisenbedingungen zusammen mit den Finanzmärkten auch die Gesellschaft zusammenzubrechen. Da wir es heute zweifellos mit einer den Sozialstaatcharakter Deutschlands bedrohenden Krise und einer „Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts” zu tun haben, kann und muß sich daher die Regierung auf den Artikel 20 des Grundgesetzes und das nach wie vor gültige „Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft” in Verbindung mit Artikel 104a, Abs. 4, Satz 1 und Artikel 115 des Grundgesetzes beziehen.
In Artikel 20 des Grundgesetzes heißt es:
„1: Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
2: Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtssprechung ausgeübt.
3: Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtssprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
4: Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht auf Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.”
In den genannten Artikeln 20, 56 und 115 des Grundgesetzes liegt die notwendige Rechtsgrundlage, die die Regierung braucht, um einen Schutzwall für die Realwirtschaft, die Banken und das Gemeinwohl zu errichten. Damit ist auch in einer existentiellen Notlage, wie sie der drohende Zusammenbruch des globalen Finanzsystems darstellt, die Grundlage gegeben, die Übertragung der staatlichen Kompetenzen an eine supranationale Bürokratie wie die EU-Kommission auszusetzen.
Der Maastrichter Vertrag und der Stabilitätspakt müssen gleichfalls eingefroren werden, und die Bundesregierung muß die Finanzhoheit des Staates, die an die EZB übertragen wurde, wieder unter ihre souveräne Kontrolle bringen.
Die Regierung muß sicherstellen, daß vor allem die volkswirtschaftlich wertvollsten Bankhäuser, die öffentlich-rechtlichen Banken, die Sparkassen, die genossenschaftlichen Raiffeisenkassen, die Landesbanken und die Kreditanstalt für Wiederaufbau geschützt werden. Der Auftrag der Sparkassen ist es, als Hausbanken für Städte, Gemeinden und die mittelständischen Unternehmen zu dienen und gemäß der Bankenenquete von 1968 die Geschäfte „nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten, aber ohne Gewinnstreben zu führen”. Sie haben für das Gleichgewicht der Regionen, die Interessen des Mittelstandes und den Schutz der Sparer zu sorgen. Sparer und Anleger brauchen sichere Banken mit soliden Geschäften. Die Privatbanken müssen einer sorgfältigen Prüfung durch das BaFin unterzogen werden.
Die Regierung muß weiterhin sicherstellen, daß Arbeitsplätze vor allem im produktiven Bereich erhalten werden, Löhne und Renten weiter gezahlt werden. Es muß dafür gesorgt werden, daß die Menschen in ihren Häusern und Wohnungen bleiben können und vor Zwangsversteigerungen geschützt werden.
Neue Kreditlinien durch die Bundesbank oder die Kreditanstalt für Wiederaufbau über die öffentlich-rechtlichen Banken vor Ort müssen für Investitionen in Bereiche des Gemeinwohls und die Bereiche zur Verfügung gestellt werden, in die man auch investieren würde, wenn es der Wirtschaft gut ginge, und die die Produktivität der Wirtschaft erhöhen.
Dazu gehören Wartung und Erneuerung der Infrastruktur, wie die Reparatur von Straßen und Brücken, der Ausbau des städtischen Nahverkehrs, die Erneuerung von Abwasserkanalsystem und Trinkwasseraufbereitung, Neubau und Wartung von Schulen, Krankenhäusern und anderen öffentlichen Gebäuden. Dabei muß der Aufbau Ost darauf zielen, soziale Gerechtigkeit und strukturelle Verbesserungen zu erreichen.
Mit anderen Worten: wir müssen wieder zu den Prinzipien der physischen Realwirtschaft zurückkehren und das Gemeinwohl über den Privatnutzen von wenigen stellen. Wer sagt, daß dies nicht möglich sei, sagt auch, daß Deutschland als Nation nicht überleben wird.
Wir appellieren an Sie, Deutschland gemäß Artikel 20 des Grundgesetzes zu verteidigen.
Lesen Sie hierzu bitte auch: Finanz-Gau in Sachsen ist Teil der globalen Kernschmelze - Neue Solidarität Nr. 36/2007 Die Torheit des Geldpumpens - Neue Solidarität Nr. 36/2007 LaRouche: Rettet die Menschen, nicht die Spekulanten! - Neue Solidarität Nr. 35/2007 LaRouche fordert Gesetz zum Schutz von Eigenheimbesitzern und Banken - Neue Solidarität Nr. 35/2007 Erst kommen die Menschen! - Neue Solidarität Nr. 34/2007 Aufruf des Ad-Hoc-Komitees für ein Neues Bretton Woods - Neue Solidarität Nr. 34/2007 Eine Organisationsstruktur für den Wiederaufbau der Wirtschaft - Neue Solidarität Nr. 34/2007 Stellungnahmen und Reden der BüSo-Vorsitzenden - Internetseite der Bürgerrechtsbewegung Solidarität (BüSo) |
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