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Aus der Neuen Solidarität Nr. 24/2007

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„Frag den, dem einer gehört“

Von Lyndon LaRouche
- Dritter Teil -

Lyndon LaRouche, selbst mehrfach Präsidentschaftsbewerber innerhalb der Demokratischen Partei, veröffentlichte am 20. April 2007 die folgende Schrift über die Probleme der derzeit erklärten amerikanischen Präsidentschaftskandidaten seiner Partei.

Wahrnehmung und Erkenntnis

Zum einen ist da unsere Sinneswahrnehmung. Zum anderen ist da, jenseits der Grenzen der Sinneswahrnehmung als solcher, unsichtbar, doch für unseren Geist wahrnehmbar, das reale Objekt im Universum, welches in einem tatsächlichen Ereignis zum Ausdruck kommt. Wie können wir dieses Objekt, zu dem der Geist keinen einfachen und unmittelbaren Zugang hat, erkennen, wenn wir uns dabei auf die Hilfe der Schatten verlassen müssen, die dieses Objekt - wenn es denn wirklich existiert - auf unsere Sinne geworfen haben mag?

Wie können wir beispielsweise Vorgänge kennen, die unter dem Mikroskop nicht sichtbar sind, deren Wirkung sich aber nachweisen läßt und deren ableitbare Wirkung wir manchmal sogar steuern können, ohne sie jemals wirklich „gesehen“ zu haben? Dies ist unsere epistemologische Herausforderung.

Auf dem Gebiet der subatomaren Physik zum Beispiel sind wir aus experimentellen Gründen manchmal gezwungen, hin und her zu schwanken zwischen dem Schluß, etwas habe Teilcheneigenschaften, und manchmal wiederum Welleneigenschaften. Diese Erfahrung zeigt sich nicht nur im submikroskopischen Bereich, es war schon die ontologische Herausforderung, vor der Kepler bei seiner Entdeckung der harmonischen Ordnung des Planetensystems stand. In beiden Fällen ist das Mendelejewsche Periodensystem, wie es heutzutage in Darstellungen von Kernchemikern im allgemeinen aufgefaßt wird, in harmonischen Systemen organisiert, die man eher mit dem Begriff „Well-chen“ [„wave-icles“] als bloß Teilchen in einem reduktionistischen, cartesianischen, mechanistisch-statistischen System bezeichnen könnte.

Die zentrale Frage, die daraus erwächst, löste schon Leibniz in den 90er Jahren des 18. Jh. und etwas später, als er aufdeckte, daß das mechanistische System von Descartes und dessen englischen und anderen Nachahmern ein Betrug war. Trotzdem ist die allgemein akzeptierte Methode der Wirtschaftsprognose, die in den USA und Europa heutzutage fast durchweg angewandt wird, immer noch die von Descartes abgeleitete mechanistisch-statistische Methode, deren Untauglichkeit Leibniz bewies.20

Diese Überlegungen nötigen uns erneut, uns mit den ontologischen Paradoxen menschlicher Sinneswahrnehmung zu beschäftigen. Um die Diskussion so weit wie möglich zu vereinfachen, jedoch in der notwendigen strengen Form zu belassen, müssen wir uns auf ein ebenso offensichtliches wie vernichtendes intellektuelles Problem der weltweit ausgedehnten europäischen Kultur der Neuzeit konzentrieren; nennen wir es das Paradox der Sinnesfunktion unserer Augen und Ohren.

Der Brite C.P. Snow bezeichnete das epistemologische Problem, von dem ich hier spreche, einmal als das Paradox der „zwei Kulturen“: den Konflikt zwischen dem intellektuellen Standpunkt der Mathematik und Naturwissenschaften und dem Standpunkt (beispielsweise) der Aufführung und Komposition klassischer Kunst in diversen maßgeblichen Medien.21 Ich wiederhole hier den entsprechenden Gedankengang, den ich schon bei mehreren früheren Gelegenheiten geliefert habe, stelle ihn aber in den Zusammenhang und Zweck des vorliegenden Berichts.22

Ich gehe in zwei unterschiedlichen, aber systematisch miteinander verbundenen Phasen an diese Aufgabe heran. Zuerst konzentriere ich mich auf das epistemologische Problem, das durch die primäre Beziehung der beiden Hauptsinnesorgane definiert wird. Dies wird den Rest des vorliegenden Kapitels einnehmen und bildet dessen wichtigsten Gehalt. Als zweites konzentriere ich mich dann im folgenden Kapitel auf die breitere Frage von Volkswirtschaften im besonderen sowie auf die Frage der menschlichen Gattung als ein Riemannsches dynamisches System, das in der funktionalen kognitiven Beziehung zwischen den Sinnen des Sehens und Hörens einbegriffen ist.

Die Augen und Ohren der Wahrheit

Wie ich schon weiter oben angesprochen habe, war der epistemologisch richtige Ansatz zur Entwicklung der europäischen Naturwissenschaft in der Rückschau nur während einiger kurzer bekannter Zeitabschnitte in signifikantem Maß in Kraft - so erstmals im antiken Griechenland in der Zeit von Thales bis zu den Pythagoräern und Platon sowie in gewissem Umfang weiter bis zur Zeit des Todes von Eratosthenes und Archimedes.

Zweitens wurden die Aufzeichnungen und einige wichtige Auswirkungen dieser Periode über mehrere Hauptwege in die Schaffung der „Goldenen Renaissance“ mit dem Zentrum Florenz im 15. Jahrhundert eingebracht. Nach dem Fall Konstantinopels war die Lage unklar; nach der Vertreibung der Juden aus Spanien durch die Inquisition hielten sich einige Errungenschaften der Renaissance des 15. Jahrhunderts hartnäckig, trotz der Folgen der Religionskriege, die oligarchische Interessen Venedigs einfädelten und in Gang setzten, um die europäische Zivilisation in mittelalterliche Finsternis zurückzustoßen.

Drittens beendete der Westfälische Frieden von 1648 fast wie ein Wunder den Holocaust der Religionskriege in Europa und ermöglichte vorübergehend eine Art neue Renaissance, besonders in Frankreich unter Kardinal Mazarin und seinem Verbündeten Jean-Baptiste Colbert. Sie leitete eine verhältnismäßige kurzlebige Blüte wissenschaftlichen und realwirtschaftlichen Fortschritts über einige Jahrzehnte ein und strahlte im wesentlichen von Frankreich auf praktisch ganz Europa aus.

Allerdings warfen die Torheiten Ludwigs XIV. und die Verbrechen der neovenezianischen Finanzinteressen in Form des anglo-holländischen Liberalismus die Menschheit wieder zurück - bis, viertens, zu der Inspiration von Kreisen um Abraham Kästner, seinen Schüler Gotthold Lessing, den großartigen Moses Mendelssohn und die Verbündeten Friedrich Schillers. Der hohe geistige Einfluß dieser Kreise verband sich mit dem Erfolg des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges zu einer mehrere Jahrzehnte anhaltenden transatlantischen klassischen Renaissance. Diese erhielt ab Juli 1789 einen Rückschlag durch die britisch gesteuerte Französische Revolution, und weil London Napoleon Bonaparte als Marionette benutzte, um Kontinentaleuropa durch verzehrende Kriege zu ruinieren - dies in einem Ausmaß, daß die Absicht der amerikanischen Verfassung in der Praxis erst weiter verfolgt werden konnte, nachdem Lord Palmerstons Südstaatenoperation während Abraham Lincolns Präsidentschaft endgültig besiegt wurde.

Lincolns Sieg über Palmerstons Verschwörung der Konföderierten Staaten brachte die transatlantische Zivilisation wirtschaftlich und in anderer Hinsicht deutlich voran, bis sich in den 90er Jahren des 19. Jh. die Dinge zum Schlechteren wendeten, u.a. mit der Entlassung Bismarcks in Deutschland, der Ermordung des französischen Präsidenten Sadi Carnot, der Dreyfus-Affäre und dem von London gesteuerten ersten japanischen Krieg gegen China. Der Krieg gegen China, der sich mit Lord Kitcheners Raubzügen in Afrika und anderswo überlappte, brachte eine Welle imperialer geopolitischer Kriege des britischen Empire ins Rollen. Diese Welle hielt praktisch bis zum Sommer 1945 an und setzte sich dann in den Kolonialkriegen Großbritanniens, der Niederlande, Frankreichs und anderer in den unmittelbaren Nachkriegsjahren und später fort.

Eine Art fünfte Renaissance entstand zwischen 1933 und 1945 durch die Führung von US-Präsident Franklin D. Roosevelt. Das Potential, das sich durch Roosevelts Überwindung der Weltwirtschaftsdepression der späten 20er und 30er Jahre entfaltete, führte trotz der britischen und anderen Anstrengungen, die Tradition Roosevelts zu tilgen, zu gewissen Verbesserungen in den wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen auf der Welt, bis zum Mordanschlag auf US-Präsident John F. Kennedy. Seit etwa 1967-68 ging der Trend in Europa und dem gesamten amerikanischen Kontinent mit zunehmendem Tempo abwärts, mit einem spektakulären, immer schnelleren realwirtschaftlichen Zerfall der USA seit der regelrechten Konterrevolution gegen die amerikanische Verfassung unter den entsprechenden US-Regierungen.

Doch nachdem man diesen Aspekt der europäischen Geschichte in Betracht gezogen hat, dürften viele, wenn man die Geschichte Europas bis etwa 700 v.Chr. zurückverfolgt, erstaunt sein feststellen, wie durchgängig der reale Fortschritt der europäischen Zivilisation über diesen Zeitraum war - bis zur gegenwärtigen Abwärtsentwicklung der US-Wirtschaft und des wissenschaftlichen und technischen Fortschritts bei der Steigerung der produktiven Arbeitskräfte, ungefähr seit der Zeit der ersten Ausschreitungen der 68er in den USA und Westeuropa. Im ganzen betrachtet, läßt diese erfolgreiche Geschichte, die sich heute in den Anstrengungen bestimmter Nationen und anderer maßgeblicher Kräfte um die Erneuerung von Franklin Roosevelts Erbe widerspiegelt, einen Faktor wahrer Unsterblichkeit erkennen, der lange finstere Perioden überbrückt - die Macht von Ideen im Zusammenhang mit Naturwissenschaft und klassischer Kultur. Dies ist in allen Zeiten großer Not erkennbar, vom Aufstieg des antiken Griechenlands um etwa 700 v.Chr. bis zu den jüngsten wirtschaftlichen und kulturellen Zerstörungen in der transatlantischen Zivilisation seit Mitte bis Ende der 60er Jahre.

Eine unsterbliche Kraft des Fortschritts dauert somit fort, sie überbrückt Generationen, ja selbst lange Intervalle finsterer Zeitalter. Dieses beharrliche Fortdauern verrät das Unsterbliche, das die gesamte Existenz der Menschheit durchdringt.

Die Fakten, die dies belegen, sind überwältigend und sollten als schlüssig betrachtet werden, auch wenn immer wieder ein Faktor absichtlich induzierten kulturellen Verfalls eingreift, wie beispielsweise die Dekadenz, die eine mächtige internationale Finanzoligarchie venezianischer finanzoligarchischer Herkunft anstrebt und fördert. Letztere spiegelt eine lange oligarchische Tradition wider, die spätestens seit dem Apollokult von Delphi in der Entwicklung von Republiken mit freien Bürgern ihren Todfeind sieht.

Die wichtigste Einrichtung, die derartige Rückschläge für die Zivilisation bewirkt, kennt man seit alten Zeiten als das antike oder „babylonische“ Modell oligarchischer Herrschaft. Dies ist, ich wiederhole es, das sogenannte „oligarchische Modell“, in der innereuropäischen Erfahrung verkörpert durch das antike Römische und Byzantinische Reich, durch das mittelalterliche „ultramontane“ System, in dem sich die venezianische Finanzoligarchie und das normannischem Raubrittertum die Herrschaft teilten, sowie durch die anglo-holländische liberal-imperiale Variante, die etwa um die Zeit entstand, als der mörderische Tyrann Wilhelm von Oranien in London herrschte.

Im Rückblick bleibt es eine unbestreitbare Tatsache, daß oft der einzelne Mensch ein mächtiger Katalysator bei der Steuerung der Entwicklung politischer und anderer Institutionen ist. Allerdings muß man diese manchmal von einzelnen ausgeübte Macht sorgfältig im Rahmen des geschichtlichen Prozesses untersuchen, in dem diese sozusagen für einen Augenblick als machtvoll Handelnde hervortreten. Diese Untersuchung drängt uns zu der Einsicht, daß es weder das Individuum noch die Masse ist, welche die Geschichte über längere Perioden gestaltet, sondern vielmehr die manchmal bemerkenswerte Rolle des persönlichen individuellen Handelns in einem langen historischen Prozeß mehrerer Generationen. Nichts zeigt diese Tatsache einfacher und klarer als das Studium der Wissenschaftsgeschichte - der Geschichte der Wissenschaft als solcher und wie die Kultur der Gesellschaft mit prägt.

Heute wäre unsere Diskussion reine Zeitverschwendung, wenn wir dabei nicht das vom russischen Wissenschaftler W.I. Wernadskij eingeführte Konzept der Noosphäre ansprechen, das wir im nächsten Kapitel aufgreifen.

Die sinnvollste Beschäftigung mit solchen historischen Prozessen findet ihre Grundlage darin, daß Ideen naturwissenschaftlicher und verwandter Prinzipien einzig und allein in den autonomen Denkprozessen einzelner schöpferischer Persönlichkeiten erzeugt werden. Durch diese Entdeckungen erreicht die menschliche Gattung, was keine Tierart auch nur annähernd erreichen kann, ein Unterschied, der sich an den großen Entwicklungssprüngen in der relativen potentiellen Bevölkerungsdichte pro Kopf und pro Quadratkilometer ablesen läßt. Nur die menschliche Gattung war dazu in der Lage. Am leichtesten erkennt man das an den Auswirkungen der Entdeckung wissenschaftlicher Prinzipien durch das Individuum.

Kurz, die Existenz der menschlichen Gattung ist anders als die jeder Tierart, weil sie ein willentlicher Akt jener Macht des Menschen ist, die sich in willentlichen Handlungen wie der Entdeckung eines universellen naturwissenschaftlichen Prinzips im Geist eines einzelnen ausdrückt. Diese soziale Tatsache definiert die Bedeutung von Ideen. Der willentliche Prozeß, der mit der Entdeckung und Verbreitung derartiger Ideen zusammenhängt, unterscheidet die menschliche Gattung von allen anderen. Die Vermittlung solcherart erzeugter Ideen über Generationen und kulturelle Grenzen hinweg macht den wesentlichen Unterschied zwischen dem Menschen als Gattung und als Individuum zu allen niederen Lebensformen aus. Das ist der entscheidende Ausdruck der ontologischen Aktualität der persönlichen Unsterblichkeit des einzelnen sterblichen Menschen. Diese charakteristische Entwicklung der Rolle des einzelnen bei der Entdeckung, Verbreitung und Anwendung universeller wissenschaftlicher Prinzipien, wie z.B. jenen Keplers, definiert die menschliche Gattung.

Die Beziehung zwischen dem einzelnen, besonders dem wissenschaftlichen Entdecker und klassischen Künstler, und der Gesellschaft definiert und prägt die Menschheit als grundsätzlich höhere Existenzform als jede andere Lebensform.

Man nennt es „Erkenntnis“

Die Eigenschaft, die das menschliche Individuum grundlegend von den Affenarten unterscheidet, heißt „Erkenntnis“ (Kognition).

Deshalb sollte man, um den eben vollzogenen Gedankengang weiterzuführen, die „Tierpsychologie“ beiseite lassen. Wenn man die Frage des menschlichen Fortschritts behandelt, wie ich es hier tue, muß unsere Aufmerksamkeit sich auf ein Wirkprinzip konzentrieren, welches nur der menschlichen Individualität eigen ist. Die Funktionen unserer Sinnesorgane replizieren zwar wichtige Aspekte dessen, was man als „Tierpsychologie“ bezeichnen könnte, doch kein Tier ist in der Lage, ein universelles naturwissenschaftliches Prinzip zu entdecken oder die charakteristische potentielle relative Bevölkerungsdichte der Gesellschaft durch die Anwendung eines solchen Prinzips zu verändern. In der Sprache Wernadskijs: Wir befinden uns hier an der Grenze, welche die Definition der Noosphäre von der Definition der Biosphäre trennt.

Wie beweist der menschliche Verstand ein universelles naturwissenschaftliches Prinzip, indem er seinen geistigen Wahrnehmungsapparat anwendet, der scheinbar der Funktion eines ähnlichen Apparates innerhalb der Tierwelt ähnelt? Der Vollständigkeit halber muß ich hier den Inhalt der folgenden zusammenfassenden Punkte zumindest in Form von Verweisen auf Beispiele vorstellen.

Wenden wir uns nun den elementaren Sinnen Sehen und Hören zu. Keiner von beiden bietet dem Menschen die Mittel, ein gültiges universelles Naturprinzip zu entdecken. Um unser Bemühen abzukürzen, konzentrieren wir uns direkt darauf, wie Kepler das allgemeine Prinzip der Gravitation innerhalb des Sonnensystems, ­beispielsweise in seiner Weltharmonik, entwickelt hat. Als Hilfe hierzu verwende man den etwa vierstündigen Bericht eines Teams der LaRouche-Jugendbewegung (LYM) über ihr Nachvollziehen von Keplers Entdeckung.

Was ist der Schlüssel zu Keplers erfolgreicher zweiter großer Entdeckung in der Astrophysik? Harmonien! Das Prinzip dieser zweiten großen Entdeckung war nicht ganz neu; es findet sich schon in den Aufzeichnungen der Pythagoräer, wo es als zentraler Bestandteil der großen Entdeckungen der Pythagoräer und der Kreise um Plato erscheint. Man studiere, wie Kepler in der Weltharmonik die vollkommenere zweite qualitative Phase seiner Einführung des astrophysikalischen Prinzips universeller Schöpfung entdeckte, seine allgemeine Theorie der Schwerkraft im Sonnensystem als Ganzem. Den ersten Eingang in die europäische Zivilisation fand dieser Gedanke nach unserem gegenwärtig besten Wissen entweder über die Pythagoräer oder aus einer ägyptischen Quelle, in Form des entscheidenden, aber nur wenig verstandenen Prinzips des Kommas im Werk der Pythagoräer.

Unsere Antwort auf diese Frage hat zwei Aspekte. Zum einen untersuchen wir die Frage in Hinsicht auf die funktionelle Beziehung der individuellen Erkenntnis zu spezifisch menschlichen Eigenschaften der Kategorie von Ideen, die mit experimentell begründbaren Vorstellungen universeller Naturprinzipen zusammenhängen. Im folgenden Kapitel betrachten wir die Funktionen der menschlichen Erkenntnis etwas anders, in Hinsicht auf die Rolle dieser kognitiven Funktion in bezug auf den Unterschied der höheren Noosphäre zur untergeordneten Erfahrungsebene der Biosphäre.

Den Aufstieg der Menschheit, von einer armseligen, zahlenmäßig winzigen Urbevölkerung vor langer, langer Zeit bis zu einer Bevölkerung von ungefähr sechseinhalb Milliarden Menschen heute, verdanken wir der Entwicklung dieses schöpferischen Potentials des individuellen menschlichen Geistes, das wir hauptsächlich mit der Entdeckung wissenschaftlicher Grundprinzipien und deren willentlicher Umsetzung verbinden.

Dieser Fortschritt hat, wenn er zugelassen und gefördert wird, zwei außergewöhnliche, sich ergänzende prinzipielle Merkmale. Eines davon ist die Entdeckung universeller Naturprinzipien und deren Anwendung zur Erhöhung der potentiellen Arbeitsproduktivkraft. Das zweite ist, die physischen Bedingungen der Gesellschaft, in der Produktion stattfindet, auf verwandte Art und Weise zu transformieren. In einer erfolgreichen Volkswirtschaft sind Investitionen in die Verbesserung der Bodenfläche, pro Kopf und Quadratkilometer, für die Gesamtbevölkerung eine wesentliche Vorbedingung, um die technologiegetriebenen Produktivkräfte des produktiv beschäftigten Teils der Bevölkerung zu steigern.

So hängt z.B. die Möglichkeit der Fortsetzung eines menschenwürdigen Lebens für die Menschheit auf diesem Planeten jetzt davon ab, qualitative Verbesserungen im Verkehrswesen vorzunehmen und die Nutzung von Kernspaltung und Kernfusion massiv auszubauen, da ohne diese nicht einmal die gegenwärtige Weltbevölkerung in diesem Jahrhundert weiter ausreichend versorgt werden könnte.

Alle universellen Naturprinzipien haben bestimmte gemeinsame Grundeigenschaften eines universellen Naturprinzips, wie es beispielsweise Albert Einstein mit Keplers einzigartiger Entdeckung der universellen Gravitation verband, aber auch mit der Erweiterung von Keplers Studien als charakteristisches Prinzip von Bernhard Riemanns einzigartiger Entdeckung des Prinzips physikalischer Hypergeometrien. Um als ein solches Prinzip zu gelten, muß eine entsprechende Entdeckung als selbstbestimmte Grenzbedingung in einem Universum ohne äußere Grenzen dienen. Die Anwesenheit des Prinzips muß sich somit im sehr Kleinen wirksam als ontologisch infinitesimal ausdrücken.

Der Begriff des ontologisch Infinitesimalen wurde durch Keplers Entdeckung der Schwerkraft in die moderne Naturwissenschaft eingeführt. So stellte Kepler „zukünftigen Mathematikern“ die Aufgabe, eine mathematische Methode zu entwickeln, die mit den praktischen Wirkungen dieses Infinitesimals fertig wird. Diese Methode wurde von Gottfried Leibniz und keinem anderen entwickelt.23

Zwei Aspekte von Leibniz’ Werk sind hier von außerordentlicher Bedeutung. Der eine ist das Ergebnis seiner Arbeiten über den Kalkulus, daß die Kettenlinie bei der Abbildung eines universellen Prinzips der physikalischen kleinsten Wirkung eine vorrangige Rolle hat, und [der andere] die bedeutungsschwangere, aber beinahe fragmentarische Behandlung der Analysis Situs: Alles das leitet zu den Entdeckungen der Riemannschen Physik über.

Die praktische Bedeutung der vorangegangenen Abschnitte für die politische Gestaltung wirtschaftlicher Entwicklung geht aus den Begriffen einer Riemannschen Mannigfaltigkeit, auf die ich hier allgemein verwiesen habe, implizit hervor. Dies betrifft die Erhöhung der produktiven Arbeitskraft im Bereich der Produktion wie auch die wirksame Erhöhung des Produktivitätspotentials durch langfristige, großangelegte Realinvestitionen in die grundlegende wirtschaftliche Infrastruktur. Beide Aspekte sind voneinander abhängig, denn Infrastrukturinvestitionen lassen sich nur bei technischem Fortschritt und verhältnismäßig kapitalintensiver Arbeitsweise in Landwirtschaft und Industrie aufrechterhalten, und echter Fortschritt in Form einer Zunahme des produktiven Ausstoßes der Gesellschaft in Quantität und Qualität ist abhängig von steigender Kapitalintensität von Realinvestitionen in die grundlegende wirtschaftliche Infrastruktur.

Der entscheidende Punkt

Jeder erfahrene und sachkundige Werkzeugmaschinenbauer könnte hierfür einschlägige Beispiele nennen. Ich will aber vor allem aufzeigen, wie ein qualifizierter Wissenschaftler denken muß, um zu verdeutlichen, was ich in dem Zusammenhang unter „entdecken“ verstehe. Mein Ansatz bei der Darstellung eines entsprechenden praktischen Beispiels mag dabei etwas ungewöhnlich erscheinen.

Seit dem Präsidentschaftswahlkampf des Jahres 2000 beschäftige ich mich mit der immer dringenderen Aufgabe, eine Bewegung junger Menschen aufzubauen, die als Katalysator das zunehmend sterile und seichte politische Leben unserer Nation wieder mit Leben erfüllt. Was ich an Bemühungen der Demokratischen und Republikanischen Partei gesehen habe, Jugendorganisationen als Anhängsel ihrer Parteien aufzubauen, ist fast bloß Mechanik, keine echte intellektuelle Herausforderung. Was man braucht, ist die Entwicklung der formal-intellektuellen und emotionalen Potentiale, die man bei der Ausbildung zukünftiger Wissenschaftler und vergleichbar kreativer Fachleute anstreben sollte. Über die Jahre verzeichneten wir Erfolge, die vom Umfang zwar bescheiden, aber qualitativ der vermeintlichen Konkurrenz weit überlegen waren.

Daß wir fähig waren, ein solches Programm in Angriff zu nehmen, hatte sich daran gezeigt, daß wir in den 80er Jahren eine achtbare öffentliche Aufführung von Mozarts Requiem auf die Beine stellen konnten, die der Gipfelpunkt intensiver Übungen im strengen florentinischen Belcanto war, bei denen uns einige bedeutende Sänger und andere Berufsmusiker aus Europa und den Amerikas berieten und unterstützen. Die früheren Erfahrungen mit diesem recht erfolgreichen Unternehmen ermutigten uns zu dem Entschluß, diese Arbeit im Rahmen der Entwicklung besagter Jugendbewegung in den letzten Jahren wiederzubeleben.

Die politische Seite dieser Entwicklung findet ihren angemessenen Rahmen durch eine intensive Beschäftigung mit wesentlichen Elementen in der Geschichte der Naturwissenschaft und Entwicklung der klassischen Musik. In dem Programm wird die Entwicklung der europäischen Wissenschaften auf ihre Wurzeln bei den Pythagoräern und Platons Kreis zurückverfolgt, und Chöre arbeiten an Stimmübungen im Florentiner Belcanto und Chorwerken, wobei Bach, Mozart und Beethoven im Mittelpunkt stehen. Vor einigen Jahren konnten wir die Qualität der Chorarbeit deutlich steigern, und tun dies auch weiterhin, um bei jeder neuen Übungsrunde das Niveau soweit wie möglich anzuheben. Hinzu kam ein Erziehungsprogramm, bei dem Arbeitsgruppen die Aufgabe erhalten, über einige Monate hinweg wichtige ausgewählte grundlegende Entdeckungen von Kepler, Gauß und Riemann durchzuarbeiten. Die wissenschaftliche Arbeit wird mit den Chorübungen und -aufführungen abgestimmt.

Das Zusammenwirken intensiver Arbeit an naturwissenschaftlicher und musikalischer Entwicklung in den gleichen Gruppen zeigte bemerkenswert Wirkung, so wie von mir in der Theorie beabsichtigt und erhofft. Der Erfolg, und daß er sich scheinbar spontan einstellte, zeigte, daß wir uns dem von mir erhofften Durchbruch in wissenschaftlicher Produktivität näherten.

Ich sollte betonen, daß ich vom Unterricht in großen Gruppen als Hauptbestandteil der Erziehung nicht viel halte. Größere Hörerkreise leisten einen nützlichen Beitrag, indem sie Studenten eine allgemeine Aufgabenorientierung für gemeinschaftliche Anstrengungen vermitteln, aber um die intensive Erfahrung einer historisch bedeutsamen Entdeckung eines Prinzips nachzuvollziehen, müssen sich die Studenten in kleinen Arbeitsgruppen über mehrere Wochen oder besser noch Monate auf eine anspruchsvolle Herausforderung konzentrieren,. Die jungen Erwachsenen müssen den Entdeckungsprozeß selbst leiten und erfahren, und ihrem „Lehrer“ den Großteil der Lehrtätigkeit abnehmen. Es muß „ihr Ding“ sein, sie müssen es von selbst schaffen. Aufgabenorientierte Gruppen junger Erwachsener, vorzugsweise im Alter zwischen 18 und 25, werden am wahrscheinlichsten Erfolg haben. Jugendliche Begeisterung und ein erwachsener Sinn für die Bedeutung aufgabenorientierter Verantwortung sind als Bestandteile am wünschenswertesten.

In diesem Zusammenhang ist es dann „passiert“. Die musikalische Arbeitsgruppe, in der auch einige der anspruchvollsten Arbeitsgruppen über Entdeckungen wissenschaftlicher Prinzipien vertreten waren, demonstrierte spontan die natürliche Beziehung zwischen klassischer Chorarbeit und der Fähigkeit, Erkenntnisbarrieren zu durchbrechen, um Einblicke in die Entdeckung eines universellen Naturprinzips zu erhalten. Dies geschah im Zusammenhang mit Keplers Werk, ganz besonders der Weltharmonik.

Wenn man bei der Ausbildung und Übung von Chören strikt die florentinische Belcanto-Methode verwendet, decken sich die Ziele, die sich mit Bachs Chorwerken stellen, genau mit der sich urplötzlich einstellenden Gewißheit, ein universelles Naturprinzip selbständig erkannt zu haben. Das Empfinden von Wahrheit erhält man nicht, indem man im Unterricht eine bestimmte Note erreicht; das Empfinden von Wahrheit ist ein Gefühl der Gewißheit, das man erfährt, wenn die Lösung eines Interpretationsproblems bei der Arbeit an einem Bachschen Chorwerk oder einem Werk wie Mozarts Ave Verum Corpus mit dem sicheren Gefühl einhergeht, daß sie richtig ist.

Große Musiker, wie beispielsweise die Mitglieder eines wunderbaren Ensembles, dessen ersten Geiger ich gut kannte, brauchen nur zu sagen: „Versuchen wir es noch einmal“, um wahrscheinlich ohne jede Erklärung diesem Empfinden von „Richtigkeit“, das durch den Probenprozeß angestrebt wird, immer näher zu kommen.

Das Prinzip, das hier eine Rolle spielt, ist in Keplers Arbeit heimisch, denn die Entdeckung der Arbeitsgruppe über die Funktion der Schwerkraft innerhalb des gesamten Planetensystems konzentriert sich damit ganz auf die Rolle des Dialoges bei der Bestimmung der Planetenumlaufbahnen und ihrer wechselseitigen Beziehungen und somit auf die fast annähernd vollständige Entdeckung, wie die Gravitation das ganze Sonnensystem zusammenhält.

Dann kommt etwas Entscheidendes:

Diese Wechselbeziehung zwischen klassischer Belcanto-Choraufführung und der Entdeckung von Prinzipien in der Naturwissenschaft veranschaulicht die Beziehung zwischen Leidenschaft in Verbindung mit Hören (und Singen) und dem Zugang zu einem inneren Wahrheitsgefühl in bezug auf Erfahrungen im visuellen Bereich. Es ist keine einfache Übereinstimmung von Erfahrungen, die man gleichzeitig im visuellen und auditiven Bereich macht; entscheidend ist die Spannung, die durch die ironische Gegenüberstellung von zwei sich gegenseitig ausschließenden Erfahrungswerten erzeugt wird. Erst wenn beide eins werden, entsteht der wirkliche „Zauber“. Ein neues Sinnesorgan entsteht, ein ganz besonderes „Organ“, das weder Sehen noch Hören ist, durch das grundlegende Ideen empfunden werden können - Ideen auf der anderen Seite der Kluft zwischen der zu begreifenden wirksamen Realität und, jenseits der unüberbrückbaren Schlucht, dem Objekt des Geistes, dem verstandenen Prinzip des Universums. Das ist das Wesen wahrer wissenschaftlicher oder kreativ-künstlerischer Erkenntnis.

Auf diese Weise gewonnene Einsicht bildet den qualitativen Unterschied zwischen Wissenschaft und fadem „Geplapper“.

Wir müssen praktisch, ohne den Punkt an dieser Stelle weiter auszuführen, stillschweigend die Existenz eines anderen Sinnesorgans erkennen, das weder Seh- noch Hörvermögen ist, sondern der Effekt eines dritten eigenen Organs, das nur in menschlichen Denkprozessen existiert, die sich nicht mit einfachen sensorischen Bildern, sondern mit Ideen befassen.

Die gleiche Einsicht hat viel damit zu tun, daß selbst führende Wissenschaftler die Bedeutung von Keplers Werk in der Astronomie nicht verstehen. Für sie war die Vorstellung, daß musikalische Tonalitäten entscheidend sind, und dann auch noch in Oktaven weit jenseits des gewöhnlichen Gebrauchs unserer Sinnesorgane, etwas Entsetzliches, Wuterregendes. Kenn man jedoch Keplers Platz im Mittelpunkt der Entwicklungsgeschichte aller Aspekte der neuzeitlichen europäischen Naturwissenschaft, worin die Frage der Harmonie eine unverzichtbare, zentrale Rolle spielt, so erscheint ihre abwehrende Reaktion ziemlich unerklärlich.

Das erklärt indirekt auch ein Phänomen im Zusammenhang mit der von Professor W.I. Wernadskij erkannten Unterscheidung zwischen nichtlebenden, lebenden und kognitiven Prozessen, die scheinbar alle den gleichen Bereich teilen, trotzdem aber ganz verschiedene Prozesse darstellen. Auf eben diese Weise ist der menschliche Geist offensichtlich darauf angelegt, die entsprechenden Unterscheidungen als Prinzip statt bloß als Zufall zu erkennen.

Ich überlasse die Lösung für das gerade dargelegte Paradox dem folgenden Kapitel.


Anmerkungen

20. Siehe u.a. Gottfried Leibniz, „Kritische Gedanken über den allgemeinen Teil der Prinzipien Descartes’“ (1692) und „Specimen Dynamicum“ (1695) in: Sämtliche Schriften und Briefe (Akademie-Ausgabe), www.leibniz-edition.de/Baende 

21. C.P. Snow, The Two Cultures and The Scientific Revolution, Cambridge: Cambridge University Press, 1959. Siehe auch The Two Cultures, and a Second Look, Cambridge: Cambridge University Press, 1963. Der Physiker und Chemiker Snow, Mitarbeiter u.a. von Leuten wie P.M.S. Blackett vom berühmten „Wissenschaftszirkus“ Operations Research während des Krieges, produzierte diese wegweisende Studie 1959 als Rede bzw. Vorlesung, die im gleichen Jahr in Buchform herauskam. Offenbar stand er auf der Abschußliste moderner Anhänger der Matthew-Arnold-Tradition, was nicht zuletzt für ihn spricht. Mit seiner These von den „zwei Kulturen” rüttelte er die internationale Szene ernsthafter Denker weltweit auf.

22. Die wichtigste Zusammenfassung dieses Arguments ist in meinem Aufsatz „Vernadsky & Dirichlet’s Principle“, EIR, 3. Juni 2005, erschienen. Auf deutsch „Wernadskij und das Dirichlet-Prinzip“, FUSION, 2/2005.

23. Einen wirklich Newtonschen Kalkulus hat es nie gegeben. Tatsächlich nahm diese Behauptung über Newton bei allen ihren maßgeblichen Vertretern, wie Moivre, D’Alembert, Euler und Lagrange und später Augustin Cauchy, immer die Form an, daß sie die Existenz der Infinitesimalrechnung bestritten - das wird überdeutlich, wenn man die Schriften dieser Autoren zum Thema liest. C.F. Gauß entlarvte diesen Betrug in seiner 1799 erschienenen Dissertation über den Fundamentalsatz der Algebra, worin, wie Gauß später selbst ausführte, das gleiche Prinzip des komplexen Bereichs wie beim Leibniz-Bernouillischen Konzept des komplexen Bereichs zum Ausdruck kommt. Riemanns Behandlung der ontologisch physikalischen Hypergeometrien muß im Grunde als das Resultat von Leibniz’ Darstellung eines dynamischen statt cartesianischen, mechanistisch-statistischen Systems für die mathematische Physik (und somit implizit für soziale Vorgänge wie Wirtschaftsprozesse) gesehen werden.

Lesen Sie hierzu bitte auch:
„Frag den, dem einer gehört“ - Erster Teil
- Neue Solidarität Nr. 22/2007
„Frag den, dem einer gehört“ - Zweiter Teil
- Neue Solidarität Nr. 23/2007
Schriften von Lyndon H. LaRouche 1981-2006
- Internetseite des Schiller-Instituts
Was Lyndon LaRouche wirklich sagt
- Internetseite der Bürgerrechtsbewegung Solidarität (BüSo)
Internetseite des LaRouche-Aktionskomitees
- in englischer Sprache

 

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