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Die nächsten 50 Jahre der Erde

2. Kapitel: Wernadskij und die Realwirtschaft

Von Lyndon H. LaRouche


Auf dem Weg zur Globalisierung
Potentielle relative Bevölkerungsdichte

Die moderne Geldwirtschaft

Der Weg zu Regulierung, Kredit und Kapital

Ich habe nie vorgeschlagen, das Geld an sich abzuschaffen, und habe das auch nicht vor; aber, wie ich schon oft gesagt habe: Das Geld ist ein Idiot, der mit sich selbst nichts anzufangen weiß, es hat einen unheimlichen Hang dazu, sich den falschen Ort zu suchen und das Falsche zu tun, wenn man es sich selbst überläßt. Was ich vorschlage, ist das, was die Verfassung der Vereinigten Staaten eigentlich vorschreibt: allen Quellen außer der Regierung selbst die Befugnis, Geld zu schaffen ("auszugeben"), zu entziehen und statt dessen die Regierung dafür verantwortlich zu machen, wie sie Geldausgabe und Geldumlauf in der Gesellschaft regelt. Das bedeutet eine Rückkehr zu dem, was früher als "Amerikanisches System der politischen Ökonomie" bekannt war, im Sinne des ersten Finanzministers der Vereinigten Staaten und damals engsten Mitarbeiters von Präsident George Washington, Alexander Hamilton - der Hamilton, der auch ein Verbündeter und Gesinnungsbruder von Präsident Franklin Roosevelts Urahn Isaac Roosevelt war.46

Es ist nun die Zeit gekommen, da das vorhandene Weltwährungs- und Finanzsystem nicht nur bankrott ist, sondern hoffnungslos bankrott. Für den, der wirklich versteht, wie die moderne Welt auch unter diesen Bedingungen des allgemeinen Bankrotts läuft oder wenigstens laufen könnte, ist das an und für sich noch kein Grund zu allzu großer Sorge. Wirklich Grund zur Sorge hat der Regierungschef, der im wesentlichen weiß, was zu tun ist, der denkt: "Wenn man nicht so handelt, wie ich es vorschlage, werden die Folgen dieser Unterlassung für die ganze Erde katastrophal sein", aber gleich darauf diesen Gedanken, kaum gedacht, wieder leugnet - so wie es Hamlet in seinem Monolog im 3. Akt tut.

Ein Konzert verantwortlicher Regierungen wird - wenn sie handeln, solange mein Vorschlag noch durchführbar ist - , einfach das ganze Währungs- und Finanzsystem der Welt, das man auch als IWF-System kennt, einem Konkursverfahren unter Regierungsaufsicht unterziehen und ein neues Weltwährungs- und Finanzsystem bereitstellen, das zunächst im wesentlichen dem Vorbild des ursprünglichen Bretton-Woods-Systems aus dem Jahr 1944 folgt. Wenn sie klug sind, würden diese Regierungen die bankrotten Zentralbanken und verwandten Einrichtungen geschickt dahin lotsen, daß sie eine Art Mündel der jeweiligen Regierung werden. Der Plan wäre die Schaffung eines staatlich gelenkten Kredit- und Geldsystems, das dazu angelegt ist, zu verhindern, daß irgendeine Währungs- oder Finanzkrise einen allgemeinen Zusammenbruch der Realwirtschaft der Nationen oder einen Zusammenbruch der wesentlichen Mechanismen des Welthandels mit realen Gütern verursachen kann.

Es gibt vielfältige besondere Gründe - mit anderen Worten, näher zu bezeichnende Einflüsse - , warum die akute weltweite Währungs- und Finanzkrise gerade in dieser Weise und in dieser Zeit über uns gekommen ist. Aber Ursachen und Lösungen sind oft asymmetrisch, so auch jetzt. Der eigentliche Grund für die Krise ist das falsche Wertesystem, unter dem das Währungs- und Finanzsystem der Welt seit etwa vier Jahrzehnten arbeitet. Dieses Wertesystem verleitete Regierungen und andere betreffende Einrichtungen dazu, bei der Verwaltung der Wirtschaft die falschen Maßstäbe, die falschen Entscheidungsregeln anzulegen. Die Regierungen reagierten meistens auf Statistiken - oft sogar aufgrund von Wunschdenken geschönte - , deren Angaben für die wirklich benötigten realen Entwicklungen und Zustände entweder unerheblich waren oder diesen sogar unmittelbar widersprachen.

Ein Beispiel ist, wie es jetzt in den USA der Fall ist, daß man eine "Besserung" für die amerikanische Wirtschaft meldet, während in Wirklichkeit der allgemeine physische Zusammenbruch der Realwirtschaft wieder einen Schritt weiter ging - wenn etwa Finanzdaten, die tatsächlich eine Zunahme der unbezahlbaren Verschuldung widerspiegeln, in törichter Schönfärberei als Anstieg der für Ausgaben verfügbaren Gelder ausgelegt werden. Oder die Volkswirtschaft schrumpft, weil man das Wenige an Industrieproduktion, wovon eine stabile Leistungsbilanz in einer schon nicht mehr kostendeckend arbeitenden Volkswirtschaft abhängt, auch noch stillegt. Man feiert das dann vielleicht noch als vermeintliche "Sparmaßnahme" zum Nutzen der künftigen Zahlungsbilanz des Landes - aber eben nicht seiner Realwirtschaft.

Deshalb wäre es töricht zu versuchen, der Volkswirtschaft mit den falschen Methoden eine Rückkehr zu einem reibungslosen Ablauf zu ermöglichen, während in Wirklichkeit gerade diese Methoden schuld daran waren, daß diese Volkswirtschaft über lange Zeit, über die letzten Jahrzehnte, nicht erfolgreich war. Oft ist es gerade diese vermeintlich "traditionelle" Politik, die fehlgeleitete Regierungen und andere nach eigener Aussage verbessern wollen, deren Fortsetzung als wirtschaftspolitisches System in jeder Form mit Sicherheit und schon bald zum allgemeinen Zusammenbruch führen würde. In dieser Lage wäre die einzige machbare Lösung, daß wir dieses Modell aufgeben und uns für ein neues Wertesystem entscheiden, das die Arbeit der Volkswirtschaft lenkt. Das System, das wir heute brauchen, hätte keinen der Präzedenzfälle der letzten Jahrzehnte zum Vorbild, sondern wäre weitgehend eine Rückkehr zu der noch früheren, ziemlich erfolgreichen Politik in Westkontinentaleuropa, Japan und den Vereinigten Staaten unter dem ursprünglichen Bretton-Woods-System vor 40 Jahren oder davor.

Da die Wirtschaft der USA und der Welt unter dem 1944 unter Präsident Franklin Roosevelt eingeführten Bretton-Woods-System ziemlich erfolgreich war, aber niederging, seit dieses System zwischen 1964 und 1982 untergraben und dann abgeschafft wurde, würde jede halbwegs vernünftige amerikanische oder andere Regierung praktisch alle protektionistischen und verwandten Regulierungen, die in den letzten knapp vier Jahrzehnten abgeschafft wurden, umgehend wieder einführen. Dieses plötzliche Umdenken hinsichtlich der Politik, die seit 1971 bei Gesetzesbeschlüssen und anderen Vereinbarungen vorherrschte, wäre dadurch motiviert, daß man den entsprechenden Gesetzgebern und anderen immer noch nicht Überzeugten klar vor Augen führt, welche Schrecknisse ihre Sturheit über das Land brächte, falls sie sich solchen dringend notwendigen Reformen erfolgreich widersetzten. Diese Maßnahmen sind das mindeste, was erforderlich ist. Diese Wende hin zu einer Ausrichtung im Sinne Franklin Roosevelts wäre ein guter Anfang; aber das allein reichte nicht aus. Der physische Zustand der Welt ist in den letzten vier Jahrzehnten nicht unverändert geblieben. Unsere Welt hat im letzten halben Jahrhundert entscheidende Veränderungen durchgemacht - weitgehend zum schlechteren. Das Modell der Zeit vor über 40 Jahren war gut, aber es würde nicht ausreichen, um die jetzt unmittelbar vor uns liegenden Herausforderungen der veränderten Welt von heute zu meistern. Aus diesem Grund müssen wir in eine Richtung gehen, für die wir unsere Auffassung von Weltwirtschaft und Volkswirtschaft neu überdenken müssen - weiter fortgeschritten, als es in früheren Zeiten notwendig war; wir müssen jetzt so denken, wie es der Bedeutung von Wernadskijs Vorstellung von der Noosphäre entspricht. Einige mögen nun einwenden, wir sollten besser gleich von Anfang an das vielleicht richtige System einführen, anstatt auf erfolgreiche Vorbilder aus der Vergangenheit zurückzugreifen. Hierzu ist zu sagen: Wir sollten zurückkehren zu den erprobten, erfolgreichen, alternativen Methoden der Vergangenheit, wie dem alten Bretton-Woods-System, das wir nie hätten aufgeben sollen - aber dann, wenn wir mehr Muße haben, sollten wir ein gründlich durchdachtes zukünftiges regulierendes System zur späteren Einführung entwickeln, wobei wir sehr sorgfältig die langfristige Zukunft bedenken.

Aus praktischen politischen und anderen Gründen sollte der Grundsatz sein: Anfänglich handelt man auf der Grundlage der besten Vorbilder für Regelungen aus einem entsprechenden früheren Zeitraum, in dem erfolgreich ein Wirtschaftsaufschwung zustande gebracht wurde, aber dann erarbeitet man sorgfältig und in aller Ruhe ein umfassendes System zusammenhängender Grundsätze, das die langfristige Fortentwicklung der Regelungen über zwei oder mehr künftige Generationen prägt.

Daß es jetzt sehr wichtig ist, Wernadskijs Begriff der Noosphäre auf die weltweite Verwaltung der notwendigen Rohstoffe anzuwenden, veranschaulicht einen bestimmten Punkt: Wenn wir das dauerhaftere System wirtschaftlicher Regelungen für die Zukunft entwerfen, müssen wir bedenken, daß wir hier die Zukunft, also ein ziemlich schlecht erkundetes Gelände langfristigen Wirtschaftens betreten. Die Entscheidungen, die zu fällen sind - und bei einigen davon geht es um gewaltige Werte, aufgewendet über Jahrzehnte - , werden das ganze System der Bildung von Realkapital über Generationen betreffen. Für den Augenblick sollte das Ziel sein, überhaupt einmal "in die Gänge zu kommen", wobei man im Auge hat, daß man die längerfristigen Kapitalaufwendungen so sorgfältig vorausplant, wie das angesichts der schwerwiegenden Folgen eines bedeutenden Fehlers notwendig ist. Die Aussicht sollte also sein, daß wir umgehend vorläufige Schritte zum Wiederaufbau unternehmen und dazu auf Übergangsreformen zurückgreifen, die sich in der Vergangenheit bewährt haben - aber in der Absicht, diese Übergangsreformen irgendwann in absehbarer Zukunft in ein dauerhafteres, langfristigeres System einzugliedern.

Vorausgesetzt, wir folgen dieser angedeuteten Sichtweise, so bilden bestimmte kurzfristige Maßnahmen, die mit Präsident Franklin Roosevelts Vorstellungen vom Hamiltonischen Amerikanischen System der politischen Ökonomie übereinstimmen, ein durchaus angemessenes kurz- bis mittelfristiges Maßnahmenpaket für einen geordneten Übergang von dem höllischen Chaos der gegenwärtigen Weltordnung zu einer höheren Ebene, von der aus man grundlegende, langfristige Reformen beginnen muß. Das sollte die wirtschaftliche Perspektive eines Dialogs der Kulturen sein.

Wir dürfen nicht weiter zulassen, daß feindselige Propagandisten diese notwendigen kurz- bis mittelfristigen Maßnahmen einer Rückkehr zur politischen Matrix von Bretton Woods als diktatorische "Polizeistaatsmaßnahmen" oder ähnliches schlechtmachen, so wie rechte Fanatiker in Vergangenheit und Gegenwart die Regierungen Franklin Roosevelts oder zuvor Abraham Lincolns verleumden. Eine Regierung, die für das Allgemeinwohl handelt, die sich also verpflichtet, in einer Zeit wahrer Krise die Mehrheit ihrer Bevölkerung zu schützen, ist eine Regierung des Volkes, wie die Wahl Franklin Roosevelts 1932 und das erbärmliche Scheitern von Präsident Herbert Hoover beweisen.47 Roosevelt rettete die Demokratie in den Vereinigten Staaten, wohingegen alle Regierungen Kontinentaleuropas, die Roosevelts Vorbild nicht auf ihre eigene Weise folgen wollten, früher oder später verloren waren.

Dies hat wichtige kulturellen Folgen für die nähere Zukunft, die wir jetzt berücksichtigen müssen. Einige davon werden die Anhänger einer gewissen weitgehend irregeleiteten Meinung in Asien erschrecken.

Wer den entsprechenden Vergleichspunkten in der gegenwärtigen und vergangenen Geschichte genug Aufmerksamkeit gewidmet hat, der weiß, daß unter ähnlichen Krisenbedingungen nichts schneller eine Mischung aus abwechselnden tyrannischen Regierungen und Anarchie und Terror ausbrütet als eine verängstigte oder dumme Bevölkerung, die man mit populären Formen der Ignoranz und engstirnigen, provinziellen Weltanschauungen füttert - man denke an Haufen verrückter religiöser Fanatiker in den Vereinigten Staaten heute.

Wenn man Regierungen daran hindert, unter Bedingungen einer Überlebenskrise von Nationen notwendige Reformen durchzuführen, ist die Folge wahrscheinlich Tyrannei in der einen oder anderen Form, eingeschlossen die Tyrannei des Chaos wie kürzlich in Albanien. Eine Regierung, wie die von Präsident George W. Bush jun., die nur mit Lügen, massiver Korruption und Betrug - wie dem Plündern der staatlichen Rentenkasse - auf Stimmenfang geht, aber auch jeder führende Politiker, der drastisch handelt, selbst für eine gute Sache, ohne sich um einen entsprechenden ausführlichen vernünftigen Austausch mit seiner Bevölkerung zu bemühen, wie ich es seit Jahrzehnten tue, verhält sich nicht klug. Eine gute Staatsführung regiert - bzw. bemüht sich zu regieren - über einen wirklichen Dialog mit dem Volk, selbst wenn dieses sich stur widersetzt, anstatt nur oberflächliche Beliebtheit bei "demokratischen" Meinungsumfragen anzustreben. Letztere Sorte Politiker spielen mit billiger Demagogie die Rolle des Tyrannen - wie jene berüchtigte Demokratische Partei (die Sophisten), die den Justizmord an Sokrates verübte.

Wir brauchen eine Regierung, die mit den Methoden des konstruktiven sokratischen Dialogs, mit denen damals Unterstützung für die Annahme der amerikanischen Verfassung gewonnen wurde, in der Bevölkerung breite Zustimmung auch für ganz umfassende und plötzliche Reformen gewinnt. Eine solche Regierungsweise wird insbesondere in Zeiten, die als große Krise wahrgenommen werden, die Grundlage für eine volkstümliche Regierung bilden.48 Sonst, ohne diesen sokratischen Dialog als politische Regierungsmethode auf breiter Grundlage, wird aus der Regierung unter Krisenbedingungen anstelle eines vernünftigen Beratungsprozesses ein gefährlicher Zusammenprall verschiedener Willen, von dem gewöhnlich das denkbar schlechteste Ergebnis zu erwarten ist.

So war, als man in Deutschland an der rücksichtslosen Politik der Regierung Brüning festhielt, das Hitler-Regime fast schon unausweichlich. Der Dialog mit der Bevölkerung darf auch nicht bloß rein formal sein; vielmehr muß die Regierung durch einen ehrlichen Austausch die richtige Politik entwickeln und beschließen. Man muß diesen Dialog darüber führen, was im langfristigen Interesse des Allgemeinwohls der ganzen Nation ist, statt nur über eine Politik, die eine sophistische vorübergehende "demokratische" Unterstützung der vorhandenen Parteien und Fraktionen genießt.

Wenn man nicht rechtzeitig solche Reformen wie die gerade beschriebenen unternimmt, wird jeder Versuch, das gegenwärtige IWF-System zu bewahren oder die unabhängigen Zentralbanken zu verteidigen, eine Implosion der Realwirtschaft der Welt und wahrscheinlich ein rasches Absinken der Welt in ein langes finsteres Zeitalter nach sich ziehen. Dabei würden auch Nationen wie China und Indien zusammenbrechen - aus Gründen, die deren Regierungen jetzt vielleicht politisch noch nicht begreifen wollen. Daher brauchen wir einen entsprechenden vorbereitenden Dialog in dieser Frage, ohne den der Dialog der Kulturen als solcher keinen Erfolg haben kann.

Wenn also die Welt diese jetzt heranstürmende allgemeine Zusammenbruchskrise von Währung und Finanzen überleben wird, wird sie das tun, weil die angegebenen Reformen tatsächlich und rechtzeitig durchgeführt werden. Geschieht das nicht, dann werden wir die Idee eines politisch erfolgreichen Dialogs der Kulturen für vielleicht zwei oder mehr Generationen von der Tagesordnung streichen müssen. Wenn wir diesen Dialog nicht damit beginnen, daß wir alles, was für das Ergebnis von Bedeutung ist, "auf den Tisch legen" - auch die geheiligten Vorurteile dieser oder jener Interessengruppe - , dann wird die gegenwärtige Zivilisation nicht heil aus dieser Krise herauskommen.

Treffen wir die glücklichere Wahl, die ich gerade beschrieben habe, so wird es hinterher zu einigen äußerst interessanten Reformen im Denken der Welt über Wirtschaft kommen müssen, und das recht bald. In dem Fall nähme nämlich eine vernünftige Welt Wladimir I. Wernadskijs Definition der Noosphäre zur Grundlage der Definition der realwirtschaftlichen Lehre der Verwaltung und Entwicklung aller modernen Volkswirtschaften. Meine eigenen Beiträge zur Begründung einer zeitgenössischen physikalischen Wirtschaftswissenschaft wären dabei unverzichtbar, um die notwendige Verbindung zwischen Wernadskijs Beiträgen und den Strukturen der modernen Volkswirtschaft herzustellen.

Das Ergebnis wäre für viele ein Schock, der sich darin äußern würde, wie der Stapel von Bilanzen und anderen Finanzberichten, das sie vor sich her trugen, ihren zitternden Händen entgleitet und zu Boden fällt, als würde es für immer liegenbleiben. Kinnladen fallen herunter. Augen scheinen überzugehen. Das ist in der Tat eine Revolution! Ja, aber eine sehr gute und längst überfällige.

Beginnen wir also diesen Abschnitt der Abhandlung mit den entsprechenden Grundlagen als Ausgangspunkt, von dem aus wir die Verdienste von Franklin Roosevelts Herangehensweise erkennen, aber auch darüber hinaus den notwendigen Übergang zu einer - wie man es nennen könnte - "Wernadskij-Reform" unserer langfristigen Sicht der zukünftigen Wirtschaft dieses Planeten erkennen können. Dieses Zurückgreifen auf Wernadskijs Werk wird sich als unverzichtbar erweisen, um den nunmehr dringend notwendigen Übergang von der Trennung zwischen europäischen und asiatischen Kulturen zu der notwendigen wahrhaft eurasischen Kultur ins Leben zu rufen. Der Dialog der Kulturen, der solche Überlegungen auf die Tagesordnung setzt, muß als Forum dienen, auf die alle Bezug nehmen können, die auf einen solchen Prozeß des Fortschreitens auf dem Weg einer sich herausbildenden eurasischen Kultur hinarbeiten; alle, die an diesem Dialog zur Formulierung der Politik und Abkommen unter souveränen Nationen, werden an diesem Fortschritt teilhaben.

Nachdem das gesagt ist, schreiten wir nun, indem wir Wernadskijs Werk als Bezugspunkt zu Hilfe nehmen, voran zu der grundlegendsten Frage überhaupt: der Bedeutung der besonderen, selten richtig verstandenen Natur unserer menschlichen Gattung - ihre Bedeutung für die Bestimmung einer angemessenen Sicht der Weltwirtschaft und der Volkswirtschaften heute.

Auf dem Weg zur Globalisierung

Wenn wir das sog. ökologische Potential verschiedener Menschenaffenarten vergleichen, und vergleichen dann das Ergebnis mit einer Untersuchung der Lebensbedingungen für eine affenartige Gattung auf diesem Planeten während der Epoche der bekannten "Eiszeiten", dann betrüge das Potential für eine Menschenaffenart, die der Menschheit am nächsten kommt, einige Millionen Individuen. Heute wird eine Weltbevölkerung von mehr als sechs Milliarden Menschen gemeldet, das sind etwa drei Größenordnungen mehr als eine theoretische Menschenart mit ähnlichen Begrenzungen wie Menschenaffen. Wo liegt der Unterschied?

Daneben gibt es Untersuchungen der menschlichen Bevölkerung auf der Erde seit vorgeschichtlichen Zeiten, die seit der aus der Asche des finsteren Zeitalters Europas im 14. Jh. auferstandenen Renaissance des 15. Jhs. einen deutlichen Aufschwung des Bevölkerungspotentials verzeichnen.

Beginnend mit dieser Renaissance, insbesondere seit dem Westfälischen Frieden 1648, bis zu Entwicklungen der letzten vier Jahrzehnte, beschleunigte sich das sonst unregelmäßige demographische Muster langfristigen Bevölkerungswachstums, und zuerst in Europa, Nord- und Südamerika und dann z.B. auch in Asien ging dieses Bevölkerungswachstum mit einer Verbesserung des realen Lebensstandards und der Lebenserwartung einher.

Die Zahlen sind in mehrerer Hinsicht unregelmäßig, was für unser Thema, die physikalische Wirtschaftswissenschaft, von Bedeutung ist. Dennoch belegen schon diese Zahlen an sich einen großen Anstieg der potentiellen relativen Bevölkerungsdichte der menschlichen Gattung seit den politischen Veränderungen im Zusammenhang mit der Geburt des neuzeitlichen souveränen Nationalstaats im 15. Jh. und seit den vom Fortschritt der Wissenschaft angetriebenen raschen Veränderungen der Produktivkraft, die im Zuge der sog. dirigistischen oder colbertistischen Politik in Frankreich Mitte des 17. Jhs. entfesselt wurden.

Erst in den letzten 40 Jahren weist die langfristige Richtung abwärts: ein wenig verstandener Trend, der schon sehr bald das schlecht gestützte, bedrohte Wachstum einiger Teile der Weltbevölkerung ziemlich brutal ablösen wird.

Woher kam bis dahin die lange Welle des Anstiegs?

Betrachtet man die guten Schätzungen und andere statistische Auffassungen der Zusammensetzung der Weltbevölkerung so weit zurück, wie es sich mit annehmbarer Genauigkeit verfolgen läßt, so fallen bestimmte Tatsachen hinsichtlich der charakteristischen historischen Unterschiede der Demographie europäischer und asiatischer Kulturen auf (siehe Abbildung 2). Die ganze Zeit über war die europäische Zivilisation deutlich weniger bevölkerungsreich als die asiatische. Dennoch war die Kraft, die sich in der europäischen Zivilisation ausdrückte, größer, insbesondere seit dem Aufstieg der klassischen griechischen Kultur, spätestens ab etwa dem 7. Jh. v.Chr. Eine zweite Gruppe von Tatsachen betrifft den revolutionären Anstieg der Kraft der europäischen Zivilisation pro Kopf, den die Renaissance im 15. Jh. entfesselte und der noch offenkundiger zum Ausdruck kam, seit die von der ultramontanen Venezianischen Partei gegen die Reformen der Renaissance angezettelten Religionskriege der Jahre 1492-1648 mit dem Westfälischen Frieden endeten.49

In den letzten 40 Jahren hat sich der allgemeine langfristige Aufwärtstrend der europäischen und insbesondere der neuzeitlichen europäischen Kultur umgekehrt, verhältnismäßig gesehen zum Nachteil der europäischen Kultur und zum - tatsächlich aber nur scheinbaren - Vorteil der aufstrebenden Mächte Asiens.50 Woher kamen die Perioden der Überlegenheit der europäischen Zivilisation hinsichtlich ihres Erfolges pro Kopf der Bevölkerung, und woher kam, aus der gleichen Sicht betrachtet, ihr Niedergang in den letzten 40 Jahren?

Wir wissen, daß Menschen aus jeder lokalen Kultur der Erde das gleiche Potential für Errungenschaften aufweisen. Oft sind Einwanderer in die europäische Kultur auffällig besser motiviert, sich in schöpferischer und anderer Hinsicht auszuzeichnen, als die verhältnismäßig selbstgefälligeren Mitglieder der Gesellschaft, in die sie sich eingliedern. In dieser Hinsicht besitzen alle Menschen die gleichen Möglichkeiten - die entscheidenden Unterschiede der potentiellen Erfolge sind kulturell. Die gleichen Untersuchungen ergeben, daß das moralische Niveau und die Kapazitäten für zusätzliche Errungenschaften einer ganzen Kultur herabgezogen werden, sobald man irgendeinen Teil ihrer Bevölkerung herabzieht.

Die Wurzel des langfristigen geschichtlichen Vorteils, den die europäische Kultur vergleichsweise genießt, liegt in der Ausstrahlung der griechischen klassischen Kultur - in dem, was der Historiker Friedrich Schiller als moralische und andere Überlegenheit der beispielhaften klassischen Figur des Solon von Athen gegenüber der moralisch bemitleidenswerten, ausgearteten Kultur Spartas unter Lykurg ausmacht.

Der Kern der Sache zeigt sich an der Haltung gegenüber den ärmeren Teilen der Gesellschaft, die mehr oder weniger ausnahmslos wie menschliches Vieh behandelt wurden. Selbst eine Kultur, welche die Masse der Bevölkerung wie Menschenvieh hütet, deren Menschenbild aber dem Gedanken einer dauernden Klasse von Menschenvieh widerspricht - wie die Vereinigten Staaten seit Lincoln bis in jüngste Zeit - , hat einen moralischen Vorteil, der sich über die Ausstrahlung kultureller Einflüsse in einen ziemlich großen potentiellen realen Vorteil umsetzt. Das belegt die Renaissance des 15. Jhs. mit Italien im Mittelpunkt durch die Explosion wissenschaftlichen und kulturellen Fortschritts - insbesondere in Colberts Frankreich, aber auch in entscheidenden Teilen der Geschichte der Vereinigten Staaten.

Nehmen wir den Vorteil, den die Vereinigten Staaten früher, besonders in der beispielhaften Zeit von der Präsidentschaft Abraham Lincolns bis zu der Franklin Roosevelts, gegenüber Europa allgemein hatten. Die Armen, die auf der Suche nach wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Verbesserung aus Europa nach Amerika flohen, verwandelten sich im Laufe von einer oder zwei Generationen in eine geistig fruchtbarere und produktivere Bevölkerung, als sie es gewesen wären, wenn diese Familien in Europa geblieben wären.

Das hat im wesentlichen mit der Natur des Menschen zu tun, und insbesondere mit dem Selbstverständnis, das im typischen einzelnen Mitglied der Gesellschaft geprägt wird. Deshalb kündigt sich in Asien eine mögliche Katastrophe an - selbst in den Ländern, die zu verhältnismäßig großen Weltmächten werden - , wenn man nicht das Menschenbild, das sich im Zustand der großen Masse der Armen widerspiegelt, vom Status der billigen Arbeitskraft zu einer geistig aufgeklärten und schöpferischen breiten Bevölkerung erhebt. Das wird offensichtlich im Rahmen jeder weltweiten Diskussion über Fragen des Dialogs der Kulturen eine ganz wesentliche Aufgabe sein.

Deshalb ist es wichtig, zu betonen, daß das abstoßende Bild, welches die europäische Zivilisation insbesondere in den letzten 40 Jahren bietet, nicht für die asiatische Kultur spricht, sondern nur beweist, wie die europäische Zivilisation sich selbst erniedrigt und Schande gemacht hat, indem sie die wiedererstandene weltweite Tyrannei der Venezianischen Partei in ihrer modernen Form hinnimmt. Offen gesagt ist der schlagendste Beweis, den man für den kulturellen und moralischen Niedergang der Vereinigten Staaten anführen kann, die Tatsache, daß dieses Land im ganzen so schamlos sein konnte, wie es aussieht, einen George W. Bush als Präsident wiederzuwählen und, noch schlimmer, das Wahlergebnis hinzunehmen. Es wurde schon oft gesagt: Wen (Menschen oder Länder) die Götter zerstören wollen, den treiben sie erst in den Wahnsinn. Die Globalisierung ist Wahnsinn, und Präsident Bush ist tatsächlich verrückt.

Die Überlegungen, die ich gerade zusammengefaßt habe, drücken zwei große Fragen aus, die vor jedem angemessenen Dialog der Kulturen gestellt werden müssen: Was ist die menschliche Natur? Wie können wir die Gesellschaft in die Lage versetzen, sich von dem kulturellen Ballast, der die Erniedrigung der breiten Masse der Bevölkerung zu einer Art Menschenvieh hinnimmt, selbst zu befreien? Wie es vielleicht auch Quäker gerne ausdrücken würden: Diese Frage ist auch der Schlüssel zur der Erkenntnis, wo die Wurzel der moralischen Verkommenheit der USA liegt, die sich darin ausdrückt, daß George W. Bush und seine Mannschaft das Präsidentenamt belegen.

Potentielle relative Bevölkerungsdichte

Wie sollen wir diesen kulturellen Faktor allgemein definieren, damit er auf alle Teile unseres Planeten zutrifft?

Unausgesprochen beantwortet Wernadskij diese Fragen in wesentlichen, wenn auch allgemeinen Begriffen. Meine eigenen, auf Leibniz' Werk bezogenen Entdeckungen im Bereich der physikalischen Wirtschaftswissenschaft aus den späten 50er und frühen 60er Jahren sind auch ein Schlüssel zur Auflösung der verbliebenen Fragen, die sich mit Wernadskijs Beiträgen in dieser Hinsicht stellen. Ich beginne mit gewissen wesentlichen Überlegungen zu meiner eigenen Arbeit. Ich beschränke meinen Bericht über dieses Thema hier auf eine zusammenfassende Beschreibung des Allerwesentlichsten und konzentriere mich auf das, was technisch am wenigsten beschwerlich ist. Dies erleichtert die Einsicht, wie Wernadskijs Werk uns verstehen hilft, wie man die Weltwirtschaft im gegenwärtigen Stadium der Evolution unseres Planeten ordnen und verwalten muß.

Bei dem grundlegenden Maßstab, der in meiner Methode der realwirtschaftlichen Buchhaltung die funktionale Grundlage liefert, spielt der Begriff des Geldes als Wert keine Rolle bei der Definition der Wirtschaft als physikalischem Vorgang. Nur wesentliche physikalische Werte werden als grundlegende Werte in den realwirtschaftlichen Aspekten des Wirtschaftszyklus als solchem berücksichtigt. Geld, das von der souveränen Regierung geschaffen, ausgegeben und überwacht werden sollte, definiere und behandle ich hauptsächlich in seiner gewöhnlichen Rolle in einer gesunden modernen Gesellschaft: als Endergebnis realwirtschaftlicher Entscheidungen und verwandter Handlungen einer Volks- und Weltwirtschaft, die führende Ökonomen wie Hamilton, Friedrich List und Henry C. Carey unter der Bezeichnung Amerikanisches System der politischen Ökonomie von Präsidenten wie Washington, Lincoln, Franklin Roosevelt und einigen anderen kannten.

Warum Kraft damit vergeuden, Vorschlägen für eine Verewigung der todgeweihten anglo-holländischen liberalen Weltordnung, einem im wesentlichen veralteten, pro-feudalen Geldsystem, entgegenzukommen, zu einem Zeitpunkt, an dem man ein ganz anderes Geldsystem schaffen muß, eines, das auf der entgegengesetzten, der realwirtschaftlichen Grundlage ruht? Warum versuchen, einen Ozeanriesen zu überreden, auf eine Erdumlaufbahn zu fliegen?

Ich beginne diesen knappen Umriß der Hauptbestandteile der realwirtschaftlichen Auffassung des Amerikanischen Systems mit der Bevölkerungsdichte, definiert in Begriffen von Familienhaushalten, und zähle diese gemessen je Quadratkilometer der gesamten verfügbaren Landfläche sowie des von den entsprechenden Wohnungen und physischen Aktivitäten der Mitglieder dieser Haushalte belegten Landes. Ich vergleiche den Verbrauch, der notwendig ist, um diese Haushalte zu erhalten, mit dem realen, wirksamen Ausstoß der Arbeit, welche die Mitglieder dieser Haushalte verrichten. Die grundlegenden, dabei anzustellenden Messungen sind: ein Vergleich des Ausstoßes der Arbeit dieser Haushalte mit dem Niveau des Verbrauchs der ganzen Gesellschaft an der Klasse von Gütern, die zum Erhalt der Haushalte und der Gesellschaft, in der sie leben, notwendig sind - in einer Qualität, daß diese Produktionsmethoden weiterbestehen können - , sowie der Ausdruck hiervon in dem hergestelltem Ausstoß, letzterer gemessen pro Kopf und Quadratkilometer der Landfläche, die diese Haushalte und die mit ihren Aufgaben in der Gesellschaft verbundenen Beschäftigungen belegen, sowie ganz besonders die Bestimmung der Merkmale des Wirtschaftszyklus.

Die Aufgabe des Produktionszyklus (die Absicht, die in ihm Ausdruck kommt) muß darin bestehen, die physikalisch definierte Nettoproduktivkraft je Arbeitskraft und je Quadratkilometer zu steigern und gleichzeitig die durchschnittliche Lebenserwartung der betreffenden Bevölkerung zu erhöhen. Diese Vorstellung bereitet darauf vor, sich einen Begriff von der potentiellen relativen Bevölkerungsdichte pro Kopf und Quadratkilometer zu machen. Die zentrale Vorstellung sollte sein, daß die Lebensqualität der Haushalte, die das Verhältnis zwischen Produktion und notwendigem Anstieg des Verbrauchs verbessert, nicht sinken, sondern sich anti-entropisch erhöhen soll.51

Als pädagogische erste Annäherung bildet der Primärzyklus, der gemessen wird, eine Spanne vom Verbrauch des Haushalts, bis das hergestellte Endprodukt endgültig aufgebraucht ist - letzteres ist der Punkt, an dem das hergestellte Material aus dem Produktionszyklus der Wirtschaft herausgenommen wird.52

Andere Produktion, etwa im Zusammenhang mit der Herstellung von Zwischenprodukten, wird als Produktion und Verbrauch innerhalb des Produktionszyklus des Netto-"Endprodukts" aufgefaßt. Mit anderen Worten, wenn man bei der Berechnung des nationalen Güterausstoßes Zwischenprodukte zu den Endprodukten hinzuzählt, ist das oft zumindest teilweise eine Doppelzählung, insbesondere seit die sog. "68er-Generation" zu Einfluß gelangt ist.53 Die Kosten für Zwischenprodukte gehen in den gesamten aufgelaufenen Kosten innerhalb des Zyklus auf. Die Verwendung des Begriffs des "Mehrwerts" hilft uns, die möglichen Abweichungen statistisch zu berichtigen, hebt sie aber nicht wirklich auf, weil die Kosten der Herstellung der Zwischenprodukte - besonders in einem System mit in Geld ausgedrückten Preisen - beträchtlich zu hoch oder zu niedrig sein können, gemessen an dem, was nötig wäre, um das notwendige Gleichgewicht an dem durch technischen Fortschritt angetriebenen Nettowachstum des Ausstoßes an Endprodukten pro Kopf aufrechtzuerhalten.

Die Herstellung veralteter, unnötiger Teile, wie z.B. Kutschböcke für Automobile, ist nur ein Beispiel für die verschiedenen Möglichkeiten, wie sich der entsprechende Denkfehler ausdrücken kann. Man sollte statt in Geldbegriffen lieber in physikalischen Begriffen denken - ein reales Kapitalverhältnis von Zwischenprodukt zu Endprodukt - und ansonsten das Zwischenprodukt als Kostenfaktor im Gesamtsystem des Zyklus auffassen. Entscheidend ist, daß man Kosten bezogen auf die Rate des technischen Fortschritts und verwandte Produktivitätsverbesserungen messen sollte, statt mit Methoden der Finanzbuchhaltung, die von derartigen Folgen mehr oder weniger unberührt bleiben. Buchhaltermethoden, die leider gern als Ersatz für die Arbeit an ernsthafter wirtschaftspolitischer Planung dienen, sollten wir vermeiden.

Zwischen diesen beiden Endpunkten liegt die Herstellung der Zwischenwerte. Dazu gehören die grundlegende wirtschaftliche Infrastruktur, die man annähernd in Begriffen von Quadratkilometern und pro Kopf mißt, sowie das Kapital des eigentlichen Produktionszyklus. Diese beiden Klassen von Zwischenprodukten stuft man als Kapitalbildung ein und mißt sie in Jahren nützlicher realer Lebensdauer. Die richtigen Messungen der Kapitalbildung sind, in erster Annäherung, im wesentlichen folgende.

Wir beginnen mit dem Zeitraum von der Geburt bis zur Erwachsenenreife oder entsprechenden funktionalen Reife des neugeborenen Mitglieds der Gesellschaft. Das ist die sinnvollste Maßeinheit für die Bestimmung von Kapitalzyklen und ist selbst ein Kapitalzyklus. Es geht uns darum, die nützliche Lebensdauer einer Kapitalverbesserung für Infrastruktur oder Produktion mit der Zeitdauer der Investition, welche die Entwicklung eines Kindes vom Säuglingsalter bis zum Beginn des wirtschaftlich aktiven Erwachsenenleben darstellt, zu vergleichen. Dabei ist die funktionelle Grundannahme: Die Rate des Nettoanstiegs der produktiven Arbeitskraft sollte sowohl einer Verbesserung des Lebensstandards der Haushalte entsprechen als auch der Annäherung des Endes des Ausbildungsalters an ein bestimmtes Optimum - für die USA etwa wäre die angemessene Zukunftsperspektive, das man Schule und Berufausbildung mit 25 Lebensjahren abgeschlossen hat.54

Insgesamt gibt es vor dem hier gerade zusammengefaßten Hintergrund zwei Gesichtspunkte dieses grob umrissenen Vorgangs, die für das, was ich jetzt zu dem von Wernadskij entwickelten Begriff der Noosphäre betonen möchte, von Bedeutung sind.

Das eine sind diejenigen Verbesserungen der Biosphäre als solcher, die das produktive Potential eines Gebietes erhöhen - Potential gemessen in Begriffen pro Kopf (Person) und Quadratkilometer, nicht an anderen Maßstäben.

Das zweite ist die qualitative und quantitative Entwicklung desjenigen Teils der Noosphäre als solcher, der - in erster Annäherung gesprochen - kein Ergebnis biologischer Funktionen/Komponenten angehäufter Fossilbildung auf dem Planeten, sondern ein Ergebnis menschlicher Erkenntniskraft ist.

Die unausgesprochene allgemeine Regel in Wernadskijs eigener Darstellung des Themas ist, daß die Zuwachsrate nützlicher Fossilien der Noosphäre größer sein soll als die der Biosphäre, während die Entwicklung der Biosphäre pro Quadratkilometer voranschreiten soll.

Den Antrieb zur Erhöhung dieses Verhältnisses bildet die dem einzelnen Menschen innewohnende (noetische, kognitive) Erkenntniskraft. Beide Zuwachsraten lassen sich als eine einzige ausdrücken, wenn wir berücksichtigen, daß die willentliche Verbesserung der Biosphäre, ausgedrückt je Quadratkilometer, ein Ergebnis von Produktionssteigerungen ist, welche die menschliche Schöpferkraft hervorgerufen hat.

Die vorangegangenen Punkte zur Wirtschaft aus physikalischer statt monetär-finanzieller Sicht laufen in einer Vorstellung zusammen, die ich vor mehr als einem halben Jahrhundert entwickelt und potentielle relative Bevölkerungsdichte genannt habe. Dieser Begriff schien mir damals für Industrieingenieure oder vergleichbare Techniker im Produktionsprozeß handhabbar, während er gleichzeitig auch auf den höheren Bezugsrahmen verwies - nämlich die spezifisch Riemannsche Sicht des Vorgangs, der in einer produktiven modernen Volkswirtschaft zum Ausdruck kommt.

Wesentlich ist dabei: Wenn eine entsprechende Landfläche gegeben ist, spiegelt die potentielle Produktivität der damit verbundenen Gesamtbevölkerung auf der einen Seite die Entwicklung des produktiven Prozesses einschließlich der Bevölkerung selbst und ihrer Arbeitskraft wider; andererseits hängt aber der wirtschaftliche Erfolg von der Entwicklung der Landfläche ab, einschließlich der Produktionsstätten und verfügbaren Dienstleistungen, auf der diese Aktivitäten stattfinden.

In letzter Analyse umfaßt dies die Steuerung aller mit unserem Planeten verbundenen, vom Menschen ausgehenden physikalischen Vorgänge, die für die menschliche Existenz und die Verbesserung der potentiellen relativen Bevölkerungsdichte der Menschheit auf der Erde von Bedeutung sind. Aus diesem Grunde steigt Wernadskijs Werk zur Noosphäre, von dieser höheren Warte aus betrachtet, aus dem begrenzteren Bereich ausgewählter Anwendungen der wissenschaftlichen Forschung zu einem unverzichtbaren bestimmenden Bestandteil jeder wirtschaftlichen Praxis auf, den Regierungen und vergleichbare Stellen heute ernstnehmen müssen.

Das Maß der Veränderungen, die zu dem angedeuteten Ergebnis führen, ist die Anti-Entropie der entsprechenden laufenden politischen Praxis.

Alle diese genannten Faktoren drehen sich um eine einzige entscheidende Frage: die Natur des Menschen als Erkenntniswesen, im Unterschied zu den Tieren und über diese hinaus. Der Schlüssel ist die Fähigkeit, Hypothesen zu bilden, wie Platon dies in seiner Sammlung sokratischer Dialoge definiert. In dem Maße, wie die Gesellschaft um das Wirken dieser nur dem Menschen eigenen Schöpferkraft herum geordnet ist, und zu dem Grade, wie das einzelne Mitglied der Gesellschaft dazu angeleitet und ihm geholfen wird, dieses besondere schöpferische Potential in sich zu pflegen und anzuwenden, werden Gesellschaften gedeihen, und man kann die kulturelle Entwicklung und das wachsende physische Wohlergehen der Menschen in diesen Gesellschaften fördern.

Wird daher die kognitive Entwicklung in einem großen Teil der Bevölkerung etwa mit den gängigen Methoden unterdrückt, so führt das dazu, daß die Entfaltungsmöglichkeit in der ganzen Bevölkerung, auch in ihrem "privilegierteren" Teil, geringer ist. Die Armen verlieren unter solchen unterdrückten Verhältnissen vielleicht nicht ihre Menschlichkeit, aber sie verlieren viel von ihrer möglichen Entwicklung als Mensch. Solche Bedingungen um "traditioneller Werte" willen hinzunehmen, ist die tödlichste Quelle der Schwäche in jeder Kultur.

Das Ziel von Veränderungen im Ablauf des Produktionsprozesses muß also natürlich die Wirkung des Verbrauchs des Endprodukts sein. Das als selbstverständlich vorausgesetzt, muß man auf dem Weg zur Erreichung dieses Zieles auch großes Gewicht darauf legen, die menschliche Qualität der Rolle des Menschen im Produktionsprozeß zu entwickeln. Menschen beispielsweise, die auf körperliche Arbeit abfällig herabblicken, unterschätzen häufig, wie wichtig es ist, ob der Arbeitsablauf die Erkenntnisfähigkeit im Leben und Beruf des Arbeiters fördert oder einschläfert.55

Wir werden diesen Diskussionsfaden über die Bedeutung der menschlichen Menschen in einer Volkswirtschaft aus der Sicht von Wernadskijs Noosphärenbegriff später wieder aufgreifen, nachdem wir nun eine andere Frage der Wirtschaftswissenschaft, die jetzt aus dem Weg geräumt werden muß, geklärt haben. Es handelt sich um den funktionalen Unterschied zwischen einem Währungssystem mittelalterlicher Art - das heute die vorherrschende Form von Weltwährungs- und Finanzsystem darstellt - und einem neuzeitlichen Währungssystem der Art, wie es nur die beiden ursprünglichen Verfassungsdokumente der Vereinigten Staaten von Amerika aus dem 18. Jh. vorgeben.56

Die moderne Geldwirtschaft

Der Produktivitätszuwachs innerhalb einer Realwirtschaft, wie ich sie eben vereinfacht geschildert habe, veranschaulicht, was die Grundlage wirklichen Gewinns ist: kein finanzieller Gewinn, sondern ein realer, physischer Gewinn - man könnte auch sagen, die Marge an gesellschaftlichem Gewinn, erzeugt in den Begriffen einer physischen Wirtschaft, deren Anfangsgründe ich gerade grob umrissen habe. Dieser gesellschaftliche Gewinn ist zu unterscheiden vom eingebildeten finanziellen Gewinn, den die gängige Buchhaltungspraxis aus den falschen, praktisch feudalen Vorstellungen des Währungs- und Finanzsystems, auf das sich diese zeitgenössische Buchhaltung stützt, ableitet.

An einer guten Buchhaltung ist nichts auszusetzen, besonders wenn sie auch ehrlich ist. Buchhaltung ist in einer modernen Wirtschaft unverzichtbar, ganz besonders in einer Wirtschaft, in der Ganoven wie die Enron-Bande im Zuge der dynastischen Machenschaften der Familie Bush Amok laufen. Innerhalb der legitimen Buchhaltungspraxis tauchen die Schwierigkeiten gewöhnlich im Gewande angenommener Einbildungen auf, deren Vorhandensein und Auswirkungen der leichtgläubige oder auch nur unaufmerksame Leser leicht übersieht. Ernsthaftere Fehler entstehen, wenn gewisse Buchhalter - wie Professor Milton Friedman von der offen gestanden pro-satanischen Mont-Pèlerin-Sekte des verstorbenen Friedrich von Hayek - sich als Wirtschaftswissenschaftler ausgeben, obwohl sie doch bestenfalls Buchhalter sind, und zwar von einer Art, deren Lehren und vermeintliche Schlußfolgerungen weitgehend darauf beruhen, daß sie über eine reale Wirtschaft weniger als nichts wissen.57

Jedenfalls dürfen wir nicht zulassen, daß die Buchhalter, ob fähig und ehrlich oder nicht, sich das System, das sie für ihre Arbeit verwenden, selbst ausdenken. Vielmehr muß die Buchhaltung ihre Arbeit an die Aufgabe anpassen, die Verfassung und Regierungsstellen als Ziele und Maßstäbe für die Entwicklung und Arbeit mit Buchhaltungssystemen vorgeben. Deshalb besteht heute eine unserer großer Schwierigkeiten darin - ganz besonders unter der geistig verwirrten Leitung der jetzigen Regierung Bush in den USA - , daß es nur sehr wenige Wirtschaftswissenschaftler gibt, die fähig sind, den Buchhaltern die richtigen aufgabenorientierten Maßstäbe für ihre Arbeit zu liefern. Und selbst diejenigen, die dazu fähig sind, können unter den verrückten Vorgaben aus dem Präsidentenamt und ähnlichen einflußreichen Meinungsquellen nicht wirksam arbeiten. Aber selbst ohne die zusätzliche Last dieser kopflosen Regierung läßt sich dieses Problem - zu versuchen, vernünftige Maßstäbe für die heute Buchhaltungspraxis zu erstellen - nicht lösen, ohne das heutige Währungs- und Finanzsystem umzustürzen. Zu den Ursprüngen der heute gängigen Geldtheorie ist in der gegenwärtigen Krisenzeit die folgende Klärung dringend notwendig.

Nachdem ich meine Entdeckungen zur physikalischen Wirtschaftswissenschaft gemacht hatte, befaßte ich mich in den 50er Jahren einige Zeit mit entsprechenden weiteren Untersuchungen. Ich beschäftigte mich mit der Geschichte des Geldes und der Buchhaltung, angefangen mit dem Aufkommen des Wuchers im Söldner- und Pachtwesen des antiken südlichen Mesopotamien und weiter über den Handel zwischen Mesopotamien und den Hethitern, für den vorsorglich (im Sinne der modernen Forscher) Keilschrifttafeln (anstelle des leicht verderblichen Pergaments) verwendet wurden; darauf schrieb man die Rechnungen für den Handel, die man hinsichtlich Zweck und Verwendung als ziemlich modern betrachten könnte. Ich verfolgte die Ursprünge der europäischen Geldsysteme über Kanäle wie Tyrus und das große Zentrum des Wuchers beim Kult von Delphi, wo diese Praktiken entwickelt wurden, hin zu den Entwicklungen im alten römischen System, auf denen seither die meisten europäischen Geldsysteme beruhen. Ich interessierte mich auch für neuzeitliche Formen seit dem Beginn der doppelten Buchführung, angefangen mit den inzwischen inhärent anachronistischen Ursprüngen in der feudalen Praxis der venezianischen Finanzoligarchie - eine Entwicklung, die offenbar spät in den mittelalterlichen, feudalen Jahrhunderten der ultramontanen Herrschaft vor der Renaissance stattfand.58

Die Notwendigkeit einer annehmbaren Geldwirtschaft als Anhang einer modernen Wirtschaft entsteht als Nebenprodukt der einzigartigen Natur des Menschen als schöpferisches Wesen, wo die Schöpferkraft - in dem Sinne, wie Wernadskij das noetische Prinzip definiert - als souveräne Eigenschaft menschlicher Individuen gilt.59 Um die laufende Wertschöpfung über die Gesellschaft zu vermitteln, braucht man ein Werkzeug, mit dem man bestimmten Funktionen innerhalb dieses Vorgangs in der besonderen Art und Weise, die mit einem staatlich geschaffenen Geldsystem verbunden ist, unterstützen kann. Die Aufgabe der allgemeinen Verwaltung des Geldes in einer modernen Gesellschaft besteht darin, den Fluß von produktiven Aktivitäten und Verbrauch so zu steuern, daß diejenige Art von Wachstum, die nur durch die Anwendung und Entfaltung der souveränen Schöpferkraft jedes einzelnen entstehen kann, so weit wie möglich gesteigert wird. Dazu müssen die Ausgabe und der Fluß des Geldes geregelt werden - hauptsächlich von der Regierung - , damit dieser Idiot, das Geld, nicht aus eigenem, von Natur aus unmenschlichem Antrieb in völlig falsche Richtungen davonläuft. Man kennt ja die Habgier des Wucherers.

Das axiomatisch Böse an den heute verbreiteten Varianten der feudalen oder sogar noch älteren Lehren über die Natur des Geldes ist die Annahme, Geld an sich besitze irgendeine reale oder zumindest moralische Kraft - ein natürliches Recht auf Wucher, das als physikalisches Prinzip der realen Wirtschaft wirken sollte. Diese Vorstellung vom Geld als "schnödem Mammon" ist etwas, das sogar als teuflisch zu betrachten ist. Der schlechte Ruf des Geldes ist insofern gerechtfertigt, als Mandeville - obgleich ein schillernder bösartiger Kerl von offensichtlich übler persönlicher Moral - nicht daneben lag, als er darauf beharrte, daß Geld - im Sinne des anglo-holländischen Auswuchses der venezianischen Tradition - auf etwas Bösartiges außerhalb des wirklichen Universums angewiesen ist, auf eine Art "Maxwellschen Dämon", vermutlich aus der Hölle, der Mandeville, von Hayek, Friedman etc. zufolge eine Nation, die das Laster fördert, mit öffentlichem Nutzen belohnt.

Die Aufgabe des Geldes in modernen Volkswirtschaften und in den Beziehungen zwischen solchen muß sich von der Aufgabe des Geldes in der antiken und mittelalterlichen Gesellschaft oder in neuzeitlichen Geldsystemen venezianischer Prägung so unterscheiden, wie sich Menschen von Affen unterscheiden. Es gibt kein an sich berechtigtes Gesetz, das einen bestimmten Zinssatz als wucherischen, rechtmäßigen Besitz des Geldes an sich vorschreibt.

Heute gibt es auf der Welt im wesentlichen eine Fortsetzung eines mittelalterlichen Wuchersystems; beispielhaft dafür ist das IWF-System der Zeit seit 1971, das der mittelalterlichen ultramontanen Tradition nachgebildet ist, diese weitgehend fortsetzt und heute das vorherrschende, inhärent feudalistische Finanz- und Währungssystem auf unserem Planeten darstellt.60 Infolge der Wiederbelebung der Macht der venezianischen Finanzoligarchie Ende des 15. Jhs. und der Verlagerung der wichtigsten Machenschaften dieses oligarchischen Systems auf das System der Venezianischen Partei des anglo-holländischen Liberalismus im 18. Jh. ergibt sich in der heutigen Weltwirtschaft eine mörderische Ironie.

Verbunden mit dem Einfluß des Renaissance des 15. Jhs., des Westfälischen Friedens und der Geburt des amerikanischen Volkswirtschaftssystems als größtem Widersacher des anglo-holländischen liberalen Systems ist das heute vorherrschende Weltsystem in seiner paradoxen Form entstanden. Das Problem hat eine Vorgeschichte, zu der die nun folgenden Höhepunkte gehören.

Seit den gegenrevolutionären Veränderungen in der amerikanischen Volkswirtschaft und im IWF unter dem Einfluß von Mittelsmännern wie George Shultz in der Regierung Nixon 1971-72 ist das heutige, schwerkranke anglo-holländisch-liberale System - das nach der ursprünglichen Absicht der Bundesverfassung der USA gar nicht existieren dürfte - derzeit das Währungs- und Finanzsystem der Welt. Aber die Vereinigten Staaten können sich jederzeit auf die in ihrer Verfassung verankerten Grundsätze des Amerikanischen Systems berufen, so wie ich das vorschlage. Und dann gäbe es einen Machtkampf zwischen zwei Weltordnungen: ein erneuertes amerikanisches System auf der einen, das entgegengesetzte anglo-holländische liberale System auf der anderen Seite. Die grundlegenden geschichtlichen Ironien dieser verschiedenen tatsächlichen und möglichen Konstellationen sind folgende.

Das Entscheidende an der klassischen Renaissance im 15. Jh. mit Italien im Mittelpunkt war die Entstehung des neuzeitlichen souveränen Nationalstaats, als man das Erbe des imperialen Rom und seines mittelalterlichen venezianisch-normannischen Nachfolgers abschüttelte und sich statt dessen auf das Erbe des klassischen Griechenlands Platons zurückbesann.61

Mit der Erneuerung der Macht Venedigs in den letzten Jahrzehnten des 15. Jhs und danach kam es zu einer Lage, in der einerseits eine Gesellschaftsform entstanden war, der neuzeitliche souveräne Nationalstaat (das Gemeinwesen), der auf dem Gemeinwohl beruhte, während gleichzeitig der wissenschaftliche und technische Fortschritt dank des bleibenden Einflusses der Renaissance auch trotz der Rückschläge des späten 15. Jhs. unter dem Westfälischen Frieden einen gewaltigen Aufschwung nahm. Aber andererseits wurde die neu entstehende politische Weltordnung souveräner Nationalstaaten durch die erneuerte Macht der venezianischen Finanzoligarchie herausgefordert und oft von ihr beherrscht.

Das Ergebnis ist eine doppelte Weltordnung mit inhärent imperialistischen (d.h. ultramontanen) Währungs- und Finanzsystemen, die aus antiken und mittelalterlichen politischen und kulturellen Gesellschaftsformen herrühren, und auf der Gegenseite der Institutionen des neuzeitlichen souveränen Nationalstaats, der auf der Verpflichtung zum wissenschaftlichen und kulturellen Fortschritt im Dienste des Gemeinwohls beruht.

Heute, seit 1776, besteht die größte Bedrohung des finanzoligarchischen Teils der Weltmacht (d.h. der Venezianischen Partei) darin, daß das Amerikanische System der Volkswirtschaft den wichtigsten Verfassungswert der neuzeitlichen souveränen nationalstaatlichen Republik bildet. Insbesondere von der Zeit Präsident Abraham Lincolns bis zu der Präsident Franklin Roosevelts standen wir mehrmals kurz davor, nach dem Vorbild der amerikanischen Verfassung als Paradebeispiel für moderne Nationalstaaten einen Aufstand von Nationen zu führen, die zusammen an weltweiter Macht und Einfluß die Übermacht über die instinktiv ultramontane Macht der Venezianischen Partei um das anglo-holländisch-liberale System gewonnen hätten.

Besonders zu erwähnen sind die wirtschaftspolitischen Reformen im Sinne des Amerikanischen Systems in Deutschland, Rußland, Japan und anderen Ländern in Reaktion auf die in der Jahrhundertausstellung in Philadelphia 1876 vorgestellten Erfolge sowie die "Gefahr" aus der Sicht der finanzoligarchischen Fraktion in Europa und den USA, daß sich unter Franklin Roosevelts Führung der Jahre 1939-45 und seinem Entwurf des Bretton-Woods-Systems 1944 durch politische Unterstützung der Vereinigten Staaten für die Befreiung der Kolonien der Welt und ihre Unabhängigkeit als souveräne Nationalstaaten das Amerikanische System weltweit ausbreiten und festigen könnte.

Was letzteres betrifft, nutzte man mit Hilfe eines mitschuldigen Präsidenten Harry Truman Roosevelts Tod aus, um die bösen Geister des Atomkriegs und prokolonialen Kriegs zu entfesseln und damit die Grundlage dafür zu schaffen, später Roosevelts wirtschaftspolitisches Erbe abzuwerfen - so wie es dann von 1981-72, also unter der Ägide der amerikanischen Nationalen Sicherheitsberater Henry Kissinger und Zbigniew Brzezinski, in den wesentlichen Punkten auch geschah. Untrennbar mit diesem Vorstoß zur Ausmerzung von Franklin Roosevelts Erbe verbunden war, daß wichtige Teile des Nazi-Systems mit Hilfe amerikanischer Kreise um den berüchtigten Allen Dulles in das spätere NATO-System der Nachkriegszeit und verwandte Bereiche eingebunden wurden. Das heutige Regime von Präsident George W. Bush ist jetzt die Würze dieser abstoßenden jahrzehntelangen Bemühungen.

Inzwischen hat die antiamerikanische Politik der Venezianischen Partei der Zeit seit 1945 einen Krisenpunkt erreicht, an dem ein sog. "nachwestfälisches" System der Weltregierung ("Globalisierung") nicht nur die letzten Überreste des Amerikanischen Systems vertilgen soll, sondern auch eine imperiale Weltregierung - praktisch eine Herrschaft der Venezianischen Partei - errichten und festigen soll, die durch Maßnahmen wie z.B. denen der Europäischen Kommission heute alle auf die große Renaissance des 15. Jhs. zurückreichenden Reformen rückgängig macht. Für einen amerikanischen Patrioten ist deshalb die Existenz eines solchen Systems innerhalb der Grenzen unseres Landes gleichbedeutend mit Verrat. Sollte ein solches Unterfangen Erfolg haben, so würde der ganze Planet mit Sicherheit sehr bald in ein langes finsteres Zeitalter der ganzen Menschheit stürzen, und nur sehr wenige der heute vorhandenen Nationen und Völker würden daraus noch in wiedererkennbarer Form hervorgehen.

Auf diese Weise ist also das gegenwärtige Währungs- und Finanzsystem sowohl grundsätzlich ein nachfeudaler Anachronismus als auch, falls es weiterbesteht, eine nicht hinnehmbare Gefahr für die ganze Zivilisation. Leider ist aber diese häßliche Ungereimtheit, dieser bösartige Anachronismus, dieser legendäre blutsaugende Dracula aus einer schwarzen, häßlichen Ruine der Vergangenheit, diese Ordnung der Venezianischen Partei im Währungs- und Finanzsystem die fleischgewordene vorherrschende Weltanschauung der meisten heutigen Regierungen und entsprechenden internationalen Institutionen. Es ist die Krankheit, der Parasit, der unsere Volkswirtschaften beherrscht und der unsere Kultur und unser Leben als Nation von innen heraus regiert.

Trotzdem huldigen unsere Wirtschaftswissenschaftler und Buchhalter regelmäßig am Altar dem heidnischen Monster, das heute die Nationen und Völker auffrißt. Diese Ministranten der Tradition der Venezianischen Partei wollen im ergebenen Dienste dieses Molochs des zeitgenössischen Monetarismus die Wirtschaft erklären und die Politik unserer Republik gestalten.

Was man außerdem nochmals betonen muß, ist, daß allein schon das Vorhandensein dieses Währungs- und Finanzsystems an sich mehr ist als ein Menschenblut saugender Anachronismus aus der Geschichte. Es ist inzwischen ein untrennbarer Bestandteil unserer Regierungs- und Wirtschaftssysteme, in einem Maße, daß das Opfer nicht mehr weiterleben kann, wenn es sich nicht von diesem Parasiten befreit.

Trotzdem behaupten unsere törichten Ökonomen und Buchhalter weiterhin, die amerikanische Wirtschaft und die Weltwirtschaft folgten den Sonderinteressen eines alten Relikts des Feudalismus, das in einer erfolgreichen modernen Volkswirtschaft nichts zu suchen hat, oder sollten ihnen folgen.

Das bedeutet, daß wir diese Irrlehre, die in den meisten Hochschulen und anderen entsprechen Stellen als sogenannte "Volkswirtschaft" gelehrt wird, aufgeben müssen. Wir müssen unsere politische Führung von diesem fremden monetaristischen Eindringling, der ihnen das Gehirn wegfrißt, befreien. Noch wichtiger, wir müssen uns selbst davon freimachen. Denn wir werden nur dann zu einer vernünftigen Wirtschaft und Wirtschaftspolitik finden, wenn wir uns für immer von einer Denkweise emanzipieren, die Wirtschaft in Begriffen der freien Geldzirkulation durch sog. "unabhängige Zentralbanken" oder ähnliches zu erklären sucht.

Der Weg zu Regulierung, Kredit und Kapital

Ich lenke nun Ihre Aufmerksamkeit unmittelbar auf die Grundsätze der Gestaltung der Wirtschaftspolitik für Regulierung, Kredit und Kapital in und zwischen Nationen. Diese Dinge sind für den Dialog der Kulturen keineswegs nur am Rande von Bedeutung. Es sind für den größten Teil der Weltbevölkerung heute Überlebensfragen.

Halten wir den Gedankengang so einfach wie möglich; die Grundsätze wirtschaftlicher Regulierung durch Regierungen sind die folgenden.

Beginnen wir mit der Regulierung der Preise. In dieser vorläufigen Aussage zu dem Thema beziehe ich mich auf relative Geldpreise; grundsätzlich aber beruht der Gedankengang nicht auf dem laufenden Geldpreis, sondern betrachtet diese Fragen aus der Sicht eines realen, physischen Preises.

Nachdem wir eine sinnvolle Bandbreite für vorübergehend notwendige kurz- bis mittelfristige Anpassungen zugelassen haben, darf am Ende der Preis des Realkapitals, das man braucht, um Güter in einer bestimmten Menge und Güte herzustellen, nicht unter ein bestimmtes Niveau fallen. Es ist das Niveau, wo der Preis der Güter dem entspricht, was physisch notwendig ist, um die fortlaufende Güterproduktion zu erhalten und um das notwendige Realkapital für den Erhalt und die Verbesserung dieser Menge und Qualität an Gütern über langfristige Kapitalzyklen hinweg zu erhalten, auszutauschen und zunehmend zu verbessern.

Dazu gehören auch die Kosten dafür, die Haushalte der aktiven und potentiellen Arbeiter auf einem kulturellen Standard des Realeinkommens zu halten, der nicht nur der Arbeit entspricht, die sie verrichten sollen, sondern auch dem ständig steigenden allgemeinen kulturellen Niveau, das man für die Gesamtbevölkerung braucht. Neben den Kosten für den Erhalt der Haushalte der Arbeiter und notwendigen Verwaltungsmitarbeiter muß der Preis der Güter auch einen angemessenen Anteil für die Regierung und die grundlegende wirtschaftliche Infrastruktur, worauf die Fabrikationsstätten des Unternehmens angewiesen sind, mit einschließen.

Diese und verwandte Erwägungen ergeben die Basislinie zur Berechnung eines, wie man sagen kann, fairen Preises. Hieraus folgt offenbar, zumindest im Grundsatz: Wenn der Preis nicht fair ist, dann ist er falsch. Einen fairen Preis zu erreichen, muß langfristig die Absicht sein.

Es ist jedoch nicht so einfach, die Produktion in Menge und Qualität kurz- bis mittelfristig dahin zu bringen, daß dieses längerfristige Ziel erreicht wird. In diesem Zusammenhang gibt es Dinge, welche die Welt und ihre einzelnen Nationen jetzt berücksichtigen müssen - Erwägungen, die andere vielleicht vorher schon am Rande berührt haben, die jetzt aber von entscheidender Bedeutung sind und die man, wie ich es hier tue, auf ganz neue Art und Weise betrachten muß, nämlich aus der Sicht der praktischen Bedeutung von Wernadskijs Begriff der Noosphäre für die heutige Politik.

Auf lange Sicht ist jede erzwungene Senkung der Preise der Güter einer Nation unter das Maß des fairen Preises ebenso irrsinnig wie unmoralisch. Aber - und das ist ein ziemlich großes aber - es gibt einige streng definierte zulässige kurz- bis mittelfristige Ausnahmen von dieser Regel, die jetzt zum Teil sogar kurzfristig notwendig sind. Als Hilfe zur Erklärung dieses Punktes beginne ich mit einigen teilweise sonderbaren Streiflichtern aus der Geschichte, die dieses Problem in der Politik veranschaulichen. Nachdem wir auf diese pädagogisch nützliche Weise etwaige Vorurteile des Lesers geneckt haben, um das Gespräch zu diesem Thema aufzulockern, werde ich Ihre Aufmerksamkeit auf den Kern der Sache lenken, wie ich ihn gerade allgemein beschrieben habe. Wie ich nun zusammenfassend darstellen werde, sind die Dinge nicht ganz so einfach, wie man es selbst den meisten sogenannten Fachleuten beigebracht hat - keineswegs!

Manchmal waren Länder praktisch aus ihrer eigenen freien politischen Entscheidung heraus gezwungen, die Preise ihrer Güter und Dienstleistungen unter den fairen Preis zu senken, wie China das seit etwa einem Vierteljahrhundert systematisch tut.

Diese Politik in China und einigen anderen Entwicklungsländern ist das, was ein früher berühmter sowjetischer Wirtschaftswissenschaftler der 20er und frühen 30er Jahre sozialistische primitive Akkumulation nannte. In seinen Schriften bezog er sich damit darauf, daß die sowjetische Industrie in den 20er Jahren und vielleicht noch etwas später aufgebaut wurde, indem man einen Teil des Realkapitals, das zum aktuellen Weltpreis in der Landwirtschaft geschaffen werden konnte, auf den Industriesektor übertrug. Eine mögliche Methode war dabei die, die Preise, die im Inland für landwirtschaftliche Erzeugnisse bezahlt wurden, unter der Ebene anzusetzen, die man zu der Zeit als annähernd fairen Preis für Nettozahlungen an die Landwirtschaft hätte ausrechnen können. Heute ist es China, das seine billigen Arbeitskräfte benutzt, um Waren für den Verkauf auf dem Weltmarkt herzustellen, um fortschrittliche Technik als Investition in Realkapital für das China der nächsten Generation zu akkumulieren.

Den Begriff primitive Akkumulation, den Preobraschenskij benutzte, verwendete in ähnlichem Sinne auch die vernünftigste und begabteste sozialistische Wirtschaftswissenschaftlerin des frühen 20. Jahrhunderts, Rosa Luxemburg.62 Preobraschenskij sprach von sozialistischer primitiver Akkumulation, um die Motivation für eine solche sowjetische Politik von der primitiven Akkumulation der Praxis der imperialen Finanziers, von der Luxemburg berichtete, zu unterscheiden. Ansonsten war das von ihm behandelte Problem kein spezifisch sowjetisches, auch nicht ausschließlich eines von Volkswirtschaften in Ländern mit sozialistischen Verfassungen vor 1989. Es war und ist eine weitverbreitete Herausforderung, oft sogar eine Gefahr für die Volkswirtschaften von Entwicklungsländern - auch schon vor den radikalen Veränderungen im Weltwährungssystem 1971-72.63

Preobraschenskij hielt es für notwendig, daß die junge Sowjetrepublik über ihre Im- und Exporte, aber auch im Inland eine Politik primitiver Akkumulation betrieb, wobei das Niveau des fairen Preises verloren geht. Er sah darin einen vorübergehenden Verlust, den man im Interesse des Aufbaus der sowjetischen Wirtschaft auf eine annähernd gleich hohe Ebene realer Produktivität mit anderen europäischen Nationen hinnehmen mußte. Die damaligen fraktionellen Angriffe dieses Gründers der linken sowjetischen Opposition, Preobraschenskij, auf die Politik des Sowjetfunktionärs Bucharin64 trafen den Kern der Definition der primitiven Akkumulation in einer Weise, die heute die strategische Bedeutung von Chinas Währungspolitik und seinem Verhalten zu ausländischen Investoren erklären hilft. Die törichte Regierung G.W. Bushs dagegen ist offenbar unfähig, die Bedeutung dieser Politik Chinas zu begreifen - wenn nicht noch etwas Schlimmeres dahintersteckt.

Preobraschenskijs Vorschläge und Handlungen in dieser Hinsicht waren, wie gesagt, ein Nachhall der Einsichten Rosa Luxemburgs, die wahrscheinlich unter den führenden Sozialisten der ersten Jahrzehnte des 20. Jhs. die einzige war, die als Wirtschaftswissenschaftlerin etwas taugte. Insbesondere lehnte sie im Gegensatz zu allen anderen wichtigen Sozialisten - W.I. Lenin ausdrücklich eingeschlossen - die verbreitete (eigentlich) kindische Behauptung ab, die Entstehung des "Imperialismus" sei die zwangsmäßige Folge der Entwicklung des Industriekapitals, die man als natürlichen Auswuchs der Karl Marx zugeschriebenen "Gesetze des Kapitalismus" hätte vorhersehen müssen. Luxemburg dagegen, die nicht unter ideologisch bedingten geistigen Hemmungen gegenüber Marx' entsprechenden Lehren litt, untersuchte die politische Geschichte der Angelegenheit und erkannte im Imperialismus jener Zeit einen Ausdruck der (tatsächlich venezianischen) Rolle internationaler Kredite.

Der Experte des amerikanischen Außenministeriums Herbert Feis gelangte später in seinen Arbeiten zum gleichen Schluß wie Luxemburg. Zum gleichen Schluß käme man heute auch bei einer Untersuchung der außenpolitischen Rolle des Amerikaners George Shultz seit der bewußten Zerstörung des Bretton-Woods-Systems 1971-72 sowie der traditionellen, noch andauernden Rolle des Vereinigten Königreichs als heute noch größte imperialistische Macht der Welt - wofür die Verbindungen der Bank von Schottland beispielhaft sind.65

Man kann nichts Wichtiges über das Verhältnis Europas zur früheren (und praktisch auch heutigen) Kolonialwelt in wirtschaftlicher Hinsicht begreifen, ohne auf Auseinandersetzungen und sogar Kriege zu stoßen, bei denen eben diese Frage der primitiven Akkumulation im Mittelpunkt steht.

Man betrachte diese Angelegenheit der primitiven Akkumulation aus der Sicht meines eigenen Werkes, und zwar so, wie meine seit langem entwickelten Einsichten in letzter Zeit durch die verstärkte Hervorhebung von Wernadskijs Definition der Noosphäre beträchtlich erweitert und verbessert wurden.66 Dies führt uns, wie mein Bezug zu China nahelegt, ziemlich direkt zur Frage der Gestaltung der Politik der Nationen hinsichtlich Finanzen und Regulierung - ein entscheidender Teil jedes sinnvollen Dialogs der Kulturen. Befaßte man sich näher mit den Bereichen, die durch Darlegungen wie die Luxemburgs und Preobraschenskijs zur primitiven Akkumulation ins Blickfeld geraten, so lenkte das unsere Aufmerksamkeit auch heute noch in ziemlich nützlicher Weise auf einen größeren Komplex allgemeiner Prinzipien, die für die Gestaltung der nationalen Politik außerordentlich wichtig waren und sind, und ebenso wichtig, um die Herausforderungen zu meistern, die sich durch die bereits laufenden neuen Trends einer Hand in Hand arbeitenden Gemeinschaft souveräner Nationalstaaten stellen.67

Gehen wir nun entsprechend vor, indem wir das Thema sozusagen von oben nach unten angehen.

Es gibt keine angemessene Beschäftigung mit Wirtschaftswissenschaft, die nicht als erstes das Hauptaugenmerk auf den Wesensunterschied zwischen Mensch und Tier lenkt. Das veranschaulicht der Anstieg der menschlichen Bevölkerung unseres Planeten von wenigen Millionen - der Stufe, die eine Menschenaffenart erreichen kann - bis zu mehreren Milliarden heute. Dieser Unterschied ist die Folge eines Faktors, der bei keiner dem Menschen unterlegenen Gattung vorhanden ist: der Fähigkeit zur Hypothesenbildung, wie sie seit Thales, Solon von Athen und den Pythagoräern die Grundlage der Entwicklung der europäischen Zivilisation darstellt und in der Sammlung der Platonischen Dialoge näher studiert werden kann.

In der physischen Welt entspricht dem in der Existenz der menschlichen Gattung der Anstieg der Arbeitsproduktivkraft pro Kopf und Quadratkilometer; dieser Anstieg war und ist nur möglich durch die Früchte der Hypothesenbildung, so wie sie in Platons sokratischen Dialogen zusammenfassend definiert ist.

Wenn von Wirtschaft die Rede ist, dient als eine nützliche Annäherung an die wissenschaftliche Erklärung gewöhnlich die Gewinnspanne, die sich auf verbesserte Technik zurückführen läßt. Das ist als "Daumenregel" oft annähernd wahr. Aber erst wenn wir bestimmte technische Verbesserungen auf den Entwurf eines "einzigartigen Experiments" zum Nachweis eines wissenschaftlichen Prinzips zurückführen - in dem Sinne, wie Riemann solche einzigartigen Experimente definiert - , erst dann können wir die Herkunft einer technischen Verbesserung so festmachen, daß sich daraus die entsprechende Theorie ableiten läßt.

Diese Entwicklung vollzieht sich in einem Universum, das sich bereits selbst entwickelt. Aus der Sicht von Wernadskijs Schriften zur Noosphäre erscheint diese Entwicklung als Selbstentfaltung von und zwischen den drei streng unterschiedenen, aber in bedeutender Wechselwirkung zueinander stehenden Formen physischer Existenz, die wir aus der Sicht der Methode der entscheidenden Experimente den abiotischen (nichtlebenden), den biotischen (lebenden) und den noetischen (Erkenntnis) Bereich nennen. Alle drei sind sich selbst entwickelnde Bereiche, worauf Heraklits berühmter Ausspruch hinweist, während ihre Entwicklung zugleich wechselseitig bedingt ist.

Der Mensch ist keine fest vorherbestimmte Gattung (wie alle niederen Gattungen es jeweils als Gattungen sind), sondern eine sich selbst entwickelnde. Er lebt in Wechselwirkung zu allen diesen drei Bereichen. Das neuere Wissen beweist, daß - wie Heraklit betont und wie Leibniz die "beste aller möglichen Welten" definiert - in diesem Universum nichts besteht außer einer Eigenschaft der Veränderung, die anti-entropisch ist.68

Zur Veranschaulichung dieses allgemeinen Prinzips der Entwicklung nehme man die folgenden Beispiele.

Nach unserem besten bisher überlieferten Wissen ist das allgemeine Bild dies: Unsere Sonne begann ihre Existenz als sich schnell drehendes einzelnes Gebilde, das im Sinne von Keplers Darstellung einen Teil seines Stoffes auf eine Scheibe um sich herum abwarf. Diese Scheibe bildete wahrscheinlich ein polarisiertes Plasma, in dem durch die Einwirkung der Sonnenstrahlung die höheren Bestandteile des Grundstocks des Sonnensystems aus dem Mendelejewschen Periodensystem erzeugt wurden. Das Material aus diesem Teil der Scheibe wurde dann "fraktionell destilliert" und belegte die vorbestimmten, in wohlgeordneten Verhältnissen zueinander stehenden Umlaufbahnen, die Kepler berechnet hat. Wie Gauß darlegte, bestimmten die Eigenschaften der Umlaufbahnen, wie sich das Material auf der Bahn zu den Planeten und ihren Monden, zumindest den meisten, verdichtete. Darüber hinaus ist das ganze Universum also ein sich selbst entwickelnder Bereich. Daher ist in diesem Universum Wissenschaft nicht in erster Linie eine Angelegenheit unveränderlicher Objekte, sondern gesetzmäßiger Abläufe von Veränderungen, nach denen grundsätzlich höhere Eigenschaften erzeugt werden, die sich manchmal sogar in "revolutionär" neuen physischen Zuständen im ganzen Universum ausdrücken.

Wie alt ist dieses Universum? Im Grunde ist die Frage albern. Wie mißt man das Alter eines Kepler-Riemannschen Vorgangs, außerhalb dessen nichts ist - einen Vorgang, den Einstein treffend als endlich, aber unbegrenzt beschrieb? Mit welchem nur denkbaren Recht könnten wir eine völlig grundsätzliche Reaktionsgeschwindigkeit oder einen konstanten Zeitablauf mit einem Maßstab messen, etwa einem a priori-Maßstab, der sich außerhalb des sich selbst begrenzenden Entwicklungsvorgangs in diesem Universum befindet? Anders als die Gnosis behauptet, lebt der Schöpfer in einer ewigen Gleichzeitigkeit dessen, was ich hier als ein durch die Funktion lebender Worte ausgedrücktes System von Verhältnissen definiert habe. Das ist das einzige Universum, das wir experimentell kennen können, wie Philos Beweisführung gegen Aristoteles - und unausgesprochen auch gegen Claudius Ptolemäus - nahelegt. Daher sollte die Wissenschaft sich selbst darauf beschränken, sich nur mit den Zustandsveränderungen innerhalb eines sich qualitativ selbst entwickelnden Universums zu befassen, damit der Dialog auf die wirkliche Welt beschränkt bleibt. Wichtig zu betonen ist, daß selbst das scheinbar nichtlebende Universum, das der lebendige Schöpfer selbst bewohnt, bereits ein sich selbst entwickelndes Universum ist, das grundsätzlich geordnete qualitative Veränderungen des ontologischen Zustands durchläuft.

Wir sehen also mit dem weiter entstehenden Bild, daß unser Planet innerhalb eines entstehenden Sonnensystems innere Phasenwechsel seines Zustands durchlaufen hat. Dieser Vorgang hat etwas hinterlassen, worin man bei Wernadskijs Methode Überreste (Fossilien) des in früheren Phasen Geschaffenen sieht. Zu diesen Überresten oder Hinterlassenschaften gehört u.a. all das, was wir als die für die Menschheit verfügbaren Rohstoffe betrachten, auf die eine moderne Wirtschaft sehr stark angewiesen ist.

Wendet man die Methoden, die Riemann mit dem einzigartigen Experiment verbindet, beispielsweise auf das Werk von Louis Pasteur und dessen Nachfolgern einschließlich Wernadskijs an, so definiert sich die Existenz eines physikalisch-experimentellen Bereichs der lebenden Vorgänge sowie der Überreste, die deren aktive Existenz hinterläßt: die Biosphäre, ohne die menschliches Leben auf diesem Planeten unmöglich gewesen wäre.

Nach denselben Methoden des einzigartigen Experiments definiert sich eine Klasse von Hinterlassenschaften, die allein durch die synthetische Kraft zur Hypothesenbildung im einzelnen souveränen Menschengeist entstehen. Diese Anhäufungen sind, in erster Annäherung, die Fußspuren des Fortschritts der Noosphäre.

Diese drei so definierten Bereiche sind im Riemannschen Sinne vielfach miteinander verknüpft, aber auf eine Art und Weise, daß die Menschheit neben dem lebendigen Schöpfer dieses einzigen Universums steht. Kein klar denkender Mensch in diesem einzigen bekannten existierenden Universum kann an den abschließenden Worten über die Natur von Mann und Frau im ersten Kapitel der Schöpfungsgeschichte zweifeln. Was ich gerade über Mann und Frau gesagt habt, ist die Grundlage allen wahren menschlichen Wissens. Dieser Begriff vom Menschen und von der Menschheit erlaubt die einzig vernünftige Auffassung des Begriffs experimentell nachgewiesener universeller Naturprinzipien. Er ist die Grundlage von allem, was den Namen Wissenschaft und Vernunft verdient.

Mit den jüngsten Entwicklungen auf unserem Planeten sind wir an einem Punkt angelangt, an dem wir uns nicht mehr auf die, wie man früher oft sagte, "Schätze der Natur" verlassen können. Wir können nicht länger davon ausgehen, daß die lebenden und nichtlebenden Vorgänge der Erde, wie es sie vielleicht ohne Beitun des Menschen gäbe, noch ausreichen, um eine wachsende und sich weiterentwickelnde menschliche Bevölkerung zu erhalten. Wir haben schon den Punkt erreicht, an dem das bloße Eindämmen der Zunahme der menschlichen Bevölkerungszahl schon eine schlechtere Antwort auf diese heranrückende scheinbare Begrenzung wäre, als wenn alle Personen im geschlechtsreifen Alter Tag und Nacht alle wachen Stunden mit Kopulieren zubrächten, um mehr Menschen zu zeugen. Nur die Weiterentwicklung der Lebensumstände und Fähigkeiten des einzelnen kann uns dafür rüsten, diese Herausforderung durch die Grenzen, die in unserem Verhältnis zum abiotischen Bereich und zur Biosphäre scheinbar näher rücken, zu meistern. Wir müssen uns jetzt verpflichten, das Angebot an abiotischen und Biosphärenrohstoffen zu entwickeln, auf das ein vergrößertes und verbessertes menschliches Leben angewiesen ist.

Diese gerade beschriebene Notwendigkeit spiegelt sich im volkswirtschaftlichen Bereich als ein zusätzlicher realer Kostenfaktor wider, der unausgesprochen als wachsender Anteil an den sprichwörtlichen "Kosten des verkauften Produkts" in allen Teilen der Erde, also auf dem ganzen Planeten, beglichen werden muß.

Weil keine ausgeglichene Entwicklung der Gesamtbevölkerung beispielsweise der verschiedenen asiatischen Länder zustandegebracht wurde und gleichzeitig der "kulturelle Wertewandel" der nachindustriellen "Öko-Gegenkultur" in den letzten 40 Jahren so verheerend gewirkt hat, ist die Welt heute immer schneller und gründlicher ruiniert. Es ist mehr als eine Wirtschaftskrise der gegenwärtigen Weltordnung, es ist eine unmittelbar drohende Zusammenbruchskrise der menschlichen Bevölkerung der Erde im Sinne eines physikalischen Systems. Wenn der Dialog der Kulturen nicht von dieser Tatsache geprägt ist, wird uns der Versuch eines solchen Dialoges keine Vorteile bringen, sondern nur eine apokalyptische Katastrophe der ganzen Menschheit, die mehrere Generationen in die Zukunft währt.

Dies ist die erste Grundregel, wenn man sich mit der dringend notwendigen Regulierung von Geld, Kredit, Preisen, Einkommen und Kapitalbildung beschäftigt.


Anmerkungen

46. Der hier beschriebene Gesichtspunkt des Verhältnisses zwischen dem Präsidenten und Hamilton fällt in den Dezember 1791, gleichzeitig mit Hamiltons Bericht an den Kongreß Über das Manufakturwesen. Wie ich in früheren Veröffentlichungen betont habe, waren mit Benjamin Franklins Tod und der aus London inszenierten Französischen Revolution viele unserer Freunde in Europa, wie etwa der Marquis de Lafayette, aus ihren früheren einflußreichen Stellen entfernt worden, und Europa geriet weitgehend unter den beherrschenden Einfluß der Todfeinde unserer Republik - im wesentlichen Lafayettes Feinde bei den Habsburgern, in London und im Frankreich des Jakobinerterrors und Napoleons. Dies blieb, mit einigen bemerkenswerten Ausnahmen, der allgemeine Zustand des Verhältnisses der Vereinigten Staaten zu Europa bis zum Sieg der Regierung Lincoln über die von London gesteuerte Südstaatenkonföderation und das Marionettenregime unter Maximilian in Mexiko. In den 90er Jahren des 18. Jhs. geriet das unter Franklins Führung mühsam geschaffene feste Bündnis führender US-Amerikaner in Verwirrung, als zunehmend Fraktionen an Einfluß gewannen, die auf der Suche nach nützlichen Einflüssen für die Vereinigten Staaten in Europa entweder zu Frankreich oder London neigten. So kam es mit der verwirrten Regierung von Präsident John Adams, die von feindlichen Agenten wie Sir John Robison vom britischen Außenamt genasführt wurde, zur Auflösung der Föderalistischen Partei, und Jefferson und Madison machten es nicht besser als Adams, als sie wenig später ihre eigene Demokratisch-Republikanische Partei zugrunderichteten. Als sich diese Zustände anbahnten, war Hamiltons enge Zusammenarbeit mit Präsident Washington entscheidend dafür, daß damals die jungen Vereinigten Staaten von Amerika überleben konnten. Entgegengesetzte Auffassungen der Geschichte der USA - wie etwa das verantwortungslose Wunschdenken, Präsident Andrew Jackson, ein Mann der New Yorker Banken, sei der Retter des Volkes gewesen - sind im wesentlichen Märchen, die zur weltanschaulichen Beschwichtigung dieser oder jener politischen Partei oder Fraktion erfunden wurden.

47. Zugegeben, Präsident Herbert Hoover hat den Aktienkrach 1929 nicht selbst verursacht, sondern sozusagen von Andrew Mellons und Calvin Coolidges Politik geerbt, aber er hat es zustandegebracht, daß das Nationaleinkommen der USA sich zwischen Oktober 1929 und März 1933 halbierte. Für diese Leistung wurde Hoover freundlicherweise damit belohnt, daß ihn das Volk aus dem Amt abwählte. Es ist wahr, daß einige Regierungen sich rechtlich verpflichtet haben, sich der Herrschaft sogenannter unabhängiger Zentralbanken zu unterwerfen. Aber wenn die Vereinigten Staaten vorangehen und aus dem System ausbrechen, so wie es der amerikanischen Verfassung entspricht, hätten andere Nationen keine Wahl, als umgehend mit den USA zusammenzuarbeiten, um den eigenen Hals zu retten.

48. Beispielsweise die Federalist Papers.

49. Meine Auswahl der Wendepunkte und Trends entscheide ich nicht anhand der heute leider üblichen, im wesentlichen linearen statistischen Methode, die grundsätzlich irreführend sind, sondern anhand der Methode des Leibnizschen Kalkulus, die auch Gauß bei der Entdeckung des Asteroidengürtels verwendete. Diese will zeigen, was man in Zukunft beobachten wird, wohingegen die erstere betont, was schon beobachtet wurde: Friedmans Methode des post hoc ergo propter hoc, wie Joan Robinson sagt. Nur die eine Methode mißt die Zukunft; die Ableitungen aus der anderen sind gewöhnlich völlig unzuverlässig, wenn es gilt, eine Krise zu beurteilen.

50. Der Wechsel hin zum Ultramontanismus venezianischer Art, seit George Shultz und andere 1971-72 das Währungssystem von Bretton Woods zerschlugen, bereitete den Boden dafür, daß die vom wissenschaftlich-technischen Fortschritt angetriebenen agro-industriellen Volkswirtschaften in Europa, Nord- und Südamerika sowie Japan durch einen Vorgang, den man heute gewöhnlich "Globalisierung" nennt, zerstört wurden. Im Endeffekt wurden die Binnenwirtschaften in Europa und den Amerikas ausgeraubt und ruiniert - mit den venezianischen Methoden, die man von der Vorgeschichte von Europas Absturz in ein neues finsteres Zeitalter im 14. Jh. kennt. Die ging damit einher, daß die Beschäftigung zunehmend aus Europa und Nordamerika in die Teile Asiens und Mittel- und Südamerikas mit den billigsten Löhnen verlagert wurde. Den Präzedenzfall für dieses eigentlich völkermörderische Weltmodell in der europäischen Geschichte findet man in der von Venedig gesteuerten Heiligen Liga und den damit verbundenen Kreuzzügen des 13. Jhs.; dies führte in das völkermörderische große neue finstere Zeitalter ab Mitte des Jahrhunderts - beispielhaft ist der Fall der pikaresken Biche und Mouche des Hauses Bardi. Die Anwendung dieses mittelalterlichen ultramontanen Modells auf die heutige Welt hat u.a. die irreführende Folge, daß es einigen Teilen der Bevölkerung Asiens bedeutend besser geht, aber nur, weil die breite Masse der Armen in Asien und Amerika ausgebeutet und auf andere Weise kaputtgemacht wird. Man nennt das "Globalisierung", und einige irregeführte Seelen in Eurasien glauben, das sei für Asien ein Vorteil, einfach weil sie bisher noch nicht genug über ihre wahre langfristige Lage nachdenken wollen.

51. Wie schon in einer vorangegangenen Anmerkung erklärt, beziehen sich die Begriffe Entropie und negative Entropie, so wie man sie heute gewöhnlich verwendet, nicht auf naturwissenschaftliche Gesetze, sondern nur auf Wirkungen. Anti-Entropie dagegen bezieht sich auf ein aus sich selbst heraus existierendes universelles Naturprinzip, das die entsprechende Wirkung hervorruft - so wie z.B. bei Keplers Entdeckung der Gravitation. Leben und schöpferische Erkenntnis sind immer Ausdruck der Wirkung eines Prinzips ständiger Veränderung - von Anti-Entropie.

52. Man muß vorsichtshalber diese Bedingung betonen, damit sich niemand von pseudowirtschaftlichen Lehren einnehmen läßt - beispielsweise dem Gedanken, ein wirtschaftlicher Vorgang sei "die Herstellung von Gütern durch Güter".

53. Bei der heute üblichen Praxis der "Babyboomer" oder "Alt-68er" in Wirtschaft und Unternehmensführung wird meist nur kurzfristig gedacht, so wie es der "Jetzt-Generation" entspricht, wo man wirtschaftliche Werte mit den schnellen sexuellen und ähnlichen Genüssen der Spaßgesellschaft verwechselt - eine moderne Form der "Brot-und-Spiele"-Kultur des Römischen Reiches. Tatsächlich ist aber nicht nur die Kapitalbildung langfristig, in vielen Bereichen ist schon der Produktionszyklus selbst ein mittelfristiger Zyklus vom Entwurf einer Produktlinie bis das Endergebnis zum ersten Mal verkauft wird. Deshalb halten solche Leute Zwischenprodukte oft für eine Konkurrenz zum Endprodukt und neigen zu so verrückten Vorstellungen wie der, Zwischenprodukte zu verkaufen, auch wenn dadurch weniger Endprodukte geliefert werden können, obwohl doch von diesen der "ganze Laden" abhängt.

54. Sollten einige Leser schockiert darüber sein, daß ich eine Obergrenze der normalen Lebenszeit für Schule und Berufsausbildung setze, so lenke ich deren Aufmerksamkeit auf den Unterschied zwischen "wissen" und "lernen", wofür meine Darlegungen weiter oben über Vorstellungen (Ideen) von Prinzipien, wie etwa bei Archimedes, Gauß u.a., beispielhaft sind. Wenn er die Erfahrung der Entdeckung von Prinzipien durch entscheidende Experimente nachvollzieht, statt sie nur auswendig zu lernen, gewinnt der Geist des Schülers unmittelbar an Stärke; man braucht nicht mehr bloß zu hoffen, daß diese Geistesstärke sozusagen wie osmotisch auftaucht, wenn man ihn einer ewigen Litanei bloßen "Lernens" aussetzt. Letzteres ist nicht nur schrecklich ineffektiv, am Ende müssen dabei sogar naturgemäß mehr Fehlschläge als Erfolge herauskommen. Zur Veranschaulichung dieses grundsätzlichen Unterschiedes verweise ich oft auf das Buch Neurotische Störungen des schöpferischen Prozesses des verstorbenen Prof. Lawrence Kubie und ähnliche Schriften.

55. Etwa so: "Mecker nicht, du trübe Tasse, du solltest dankbar sein, daß du überhaupt Arbeit hast."

56. Das erste Verfassungsdokument war die Unabhängigkeitserklärung worin 1776, worin das wichtigste verfassungsmäßige Bürgerrecht das "Streben nach Glückseligkeit" ist, das Benjamin Franklins Kreis aus Gottfried Wilhelm Leibniz' Neuer Abhandlung über den menschlichen Verstand übernahm. Dies stand bewußt im Gegensatz zur Lockeschen Lehre vom "Recht auf Eigentum", das Richter Antonin Scalia vom heutigen Obersten Gerichtshof der USA und andere Verfassungsunterwanderer unter dem Markennamen Shareholder Value eingeführt haben - eine Vorstellung, die der eindeutigen Absicht der "Gemeinwohl"-Klausel der Präambel der Bundesverfassung der USA unmittelbar widerspricht. Zur Beförderung seiner eigenen Auffassung von "Eigentum" und anderem Betrug hat sich der parteiliche Eiferer Scalia auf die verrückte, an venezianische Gebräuche erinnernde Vertragsrechtslehre verlegt, die sich stets auf den "Text" beruft.

57. Der Götze der von Hayekschen Mont-Pèlerin-Gesellschaft war der berüchtigte Bernard Mandeville, der einer äußerst gnostischen religiösen Überzeugung "private Laster bedeuten öffentliches Wohl" anhing. Von Hayeks Komplize Milton Friedman zeigte seine Anbetung derselben niederländischen Gottheit bei einem Fernsehinterview mit Phil Donahue im April 1980, als er die Freigabe des Rauschgifthandels als "gut für die Wirtschaft" befürwortete. Friedmans Aufstieg als seltsame Art von Wirtschaftswissenschaftler begann, als er Buchhaltung studierte und Arthur Burns ihn sozusagen über Nacht in einen sogenannten Wirtschaftswissenschaftler verwandelte. Joan Robinson von der Universität Cambridge schilderte Friedman zutreffend als den Ökonomen des post hoc, ergo propter hoc. Betrachtet man Friedmans Wirken als Wirtschaftsberater von wirtschaftspolitischen Versagern wie Präsident Richard Nixon und Gouverneur Arnold Schwarzenegger, so würden aufmerksame Beobachter vielleicht sagen, Friedmans Ratschlag in wirtschaftlicher Hinsicht lautete: "Zurück in die Steinzeit".

58. So erklären viele Forscher, die doppelte Buchführung, die man bei den Medici findet, sei früher vom Haus Bardi entwickelt und daraus abgeleitet worden.

59. Dies betrifft die entscheidende Schwäche des Denkens im sowjetischen System, auf die ich mich schon weiter oben bezogen habe. Die materialistische Lehre - beispielhaft und besonders anrüchig ist Engels' Variante des "Materialismus" - leugnet die Existenz der Erkenntnis, die den Menschen vom Affen unterscheidet, und schürt daher allgemein Mißtrauen gegenüber der "Intelligenzia". Aus diesem Grunde wurden die militärtechnischen Errungenschaften des Sowjetsystems, wo die Schöpferkraft des einzelnen - beispielhaft sind Wernadskij oder mein verstorbener Freund Pobisk Kusnezow - nicht verachtet werden durfte, als gesellschaftlicher Faktor zur wichtigsten Quelle der strategischen Stärke des Sowjetsystems und einem wesentlichen Erbe in Rußland bis zum heutigen Tage.

60. Tatsächlich waren die internationalen Kredite im IWF-System von Bechtels George Shultz u.a. nach 1971 für den Schuldner ungefähr so nützlich wie eine malaysische Affenfalle für den Affen: Der Bankier verschlingt das Schuldnerland zum Mittagessen.

61. Die Vorgeschichte des Konzepts des Nationalstaats der Neuzeit in Europa beginnt eigentlich bei Karl dem Großen, so wie dieses Ringen um seine Entwicklung über Kaiser Friedrich II. (von Hohenstaufen) weiterlief. Dante Alighieri lieferte mit seinen Vorschlägen zur italienischen Landessprache und in De Monarchia die bedeutendsten Gedanken zum Konzept des Nationalstaates, bis dann Nikolaus von Kues mit seiner Concordantia catholica und anderen Schriften, welche die moderne Experimentalwissenschaft begründeten (wie etwa die Schrift De docta ignorantia), noch weiter ging. Die ersten beiden neuzeitlichen Nationalstaaten waren Frankreich unter Ludwig XI. und England unter Heinrich VII.

62. Rosa Luxemburgs Ansichten zur wirtschaftlichen Natur des Imperialismus sind immer noch für historische Studien heutiger politischer Entscheidungsträger von Bedeutung. Sie war die einzige führende Persönlichkeit der sozialistischen Bewegung, die die Schwächen der Erklärungen Lenins und der Sozialdemokraten für das Phänomen des "Imperialismus" verstand. Letztere gingen von der falschen Annahme aus, daß Imperialismus sich aus der Ausweitung des Industriekapitals entwickelt habe, während Luxemburg (wie später auch der Experte des amerikanischen Außenministeriums Herbert Feis) aufzeigte, daß die Wurzeln des modernen Imperialismus im Bereich der internationalen Kreditvergabe zu suchen seien, wie dies durch die Machenschaften des IWF und der Weltbank seit 1971 erneut unter Beweis gestellt wurde. Diese Probleme des Imperialismus und der internationalen Finanzoligarchie, so wie sie die entscheidenden Fragen behandelte, auf die ich gerade Bezug genommen habe, bilden entscheidende Aspekte einer historischen Diskussion zur Bestimmung eines Prinzips der Gleichheit für eine heutige eurasische Politik.

 

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