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Aus der Neuen Solidarität Nr. 39/2002

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Ein Kandidat wie kein anderer

Von Lyndon LaRouche,
- 1. Teil -

Für Bürger, die gerne denken


Das Problem war das System
Geschichte als systemisches Drama im wirklichen Leben

Wirtschaftswissenschaft als erhabene Wissenschaft

Früher gab es die Redewendung "ein übler Wind, der keinem Gutes bringt". Das Ende verbreiteter Illusionen der 90er Jahre wie etwa dem "New Economy"-Schwindel war ein Schock, der bei unseren Studenten und Bürgern, die überwiegend die Gewohnheit hatten, lieber impulsiv und fast reflexartig zu reagieren, als selbst zu denken, zu einem weitverbreiteten Erwachen führte.

Für diese Menschen stellt sich nun das typische Problem, daß echtes Nachdenken über die heutige Wirtschaftslage für sie so ist, als erwachten sie aus einem albernen Traum und stellten fest, daß die reale Welt um sie herum ein Alptraum ist. Für viele entspricht das Ende ihres tagträumerischen Leugnens der Realität der Finanzkatastrophe der Lage des Mannes, der sich in einem Erdloch versteckte, in das gerade jemand eine Handgranate hineingeworfen hat. Einige haben ihre Erfahrung ungefähr mit den folgenden Worten beschrieben: "Ich weiß, Sie haben mir immer gesagt, ich sollte die Finger von der Börse lassen, aber ich brauchte die Gewinne. Jetzt habe ich alles verloren." Ich habe sie frühzeitig und oft gewarnt. Sind sie jetzt bereit, zu tun, was jetzt getan werden muß? Immer mehr beginnen jetzt ernsthaft nachzudenken, und das ist gut.

Immer mehr Menschen aus der ganzen Welt, gewöhnliche Bürger ebenso wie Vertreter von Institutionen, suchen jetzt bei mir Anleitung für Probleme, für die sie keine klare Lösung wissen. Glücklicherweise kenne ich die Antwort gut genug, daß ich zeigen kann, wie wir den gegenwärtigen Finanz- und Währungskollaps überleben können. Ich weiß genug, um uns durch den Notstand hindurchzubringen und uns Zeit und Freiraum zu verschaffen, anschließend die restlichen dringenden Fragen anzupacken.

Wenn jetzt immer mehr Kreise zunehmend in meine Richtung blicken, hat das seinen guten Grund. Das Wichtigste in der heutigen Zeit sind Lösungen. So sollte man sich beispielsweise fragen: Wäre ein Wert zwischen 800 und 1000 Dollar oder mehr jetzt der richtige Preis für Gold, wenn man das selbstverschuldet zum Untergang verurteilte System freier Wechselkurse durch das notwendige goldgestützte System fester Wechselkurse ersetzt? Um Lösungen zu definieren, müssen wir allerdings erst definieren, um welche Krankheit es sich handelt, wogegen die Medizin angewendet werden soll.

In den letzten gut 35 Jahren bin ich der Öffentlichkeit durch weitverbreitete langfristige Wirtschaftsprognosen bekannt geworden. Das Resultat dieser Prognosen wäre für jeden führenden Vertreter irgendeiner wissenschaftlichen Profession ein verblüffender Erfolg. Die Ereignisse haben wiederholt und beständig bewiesen, daß meine Vorhersagen niemals falsch waren. Obwohl ich weithin bekannt bin und über meine Arbeit viel und oftmals heiß diskutiert wird, hat kein Kritiker irgendeine dieser Vorhersagen - von denen sich die meisten inzwischen erfüllt haben - kompetent widerlegt.

Mein Erfolg geht im wesentlichen darauf zurück, daß ich niemals eine Entwicklung vorhergesagt habe, die nicht schon im Gange war. Wie ich im folgenden darlegen werde, veranschaulicht mein Erfolg das elementarste Prinzip wissenschaftlicher Methode: Eine grundlegend falsche Politik einer Nation bildet ein System, das, wenn es in die Praxis umgesetzt wird, einen Weg definiert, der nach einem oder mehreren Jahrzehnten (oder länger) in die unausweichliche systemische Katastrophe führt, die am Ende des Weges schicksalhaft wartet wie der Tod. Wenn die Nation diesen Weg nicht verläßt - wenn diese falsche, aber populäre Politik nicht aufgegeben wird - , dann wird die Katastrophe ebenso unausweichlich sein wie die Wiederkehr des Halleyschen Kometen. Es ist eine der Funktionen langfristiger Prognosen, die Gesellschaft zu warnen und ermahnen, ihre populären, aber fehlerhaften Meinungen rechtzeitig aufzugeben, um die schon lauernde Systemkatastrophe zu vermeiden.

Derzeit stecken wir inmitten einer schrecklichen weltweiten Finanz- und Währungskatastrophe. Bald wird fast allen Menschen auf der Welt klar sein, daß das mit IWF und Weltbank in der heutigen Form verbundene Währungs- und Finanzsystem tot ist und so oder so bald begraben sein wird. Niemand kann dieses System noch retten, und nur ein Mensch, den Verzweiflung in den Wahnsinn treibt, würde es versuchen. Die Welt ist am Ende dieses Weges angelangt. Jetzt kann die Welt nichts anderes mehr tun, als sich auf ein neues System zu verlegen, so wie ich es beschrieben habe. Wenn wir uns nicht sehr bald dazu entscheiden, wird der Planet in ein neues finsteres Zeitalter von unabsehbarer Dimension und Dauer stürzen.

Jeder kompetente Ökonom hätte alles von mir Vorhergesagte bestätigen können. Aber mit sehr wenigen Ausnahmen haben sich praktisch alle führenden Ökonomen und Regierungen in den letzten 35 Jahren in diesen Fragen wiederholt furchtbar geirrt. Sie klammerten sich treu und hartnäckig an den Anker des untergehenden Schiffs - manchmal in gläubiger Anbetung des Narrenkapitäns Alan Greenspan und seiner Mannschaft. Hauptsächlich aus diesem Grund war die Wirtschafts- und Sozialpolitik der großen amerikanischen Parteien und ihrer Präsidenten in den letzten 35 Jahren intellektuell und programmatisch bankrott. Vor und nach dem 15.August 1971 [Abkopplung des Dollars vom Gold, Ende des alten Bretton-Woods-System] zeigte sich die überwältigende Mehrheit der akademischen Spezialisten an Universitäten und Denkfabriken mitsamt ihren Lehrbüchern ihrer angeblichen Profession als systemisch inkompetent. Das gilt ganz besonders für die große Mehrheit derer, die Mitte der 60er Jahre oder später studierten.

Es stimmt, diese Präsidenten wurden mehr oder weniger demokratisch gewählt - im Laufe der Zeit eher weniger als mehr. Das war ein närrisches Verhalten, besonders da mindestens einer der zur Auswahl stehenden Präsidentschaftskandidaten qualifiziert war, mit der andauernden Weltkrise fertigzuwerden. Aber so wie das alte Römische Reich stützen schlechte Systeme ihre Existenz stets auf die Unterstützung oder zumindest Tolerierung durch die öffentliche Meinung.

Dies Versagen von Ökonomen, Bankiers, Parteien und Regierungen war nur möglich, weil es eine weitverbreitete populäre Gewohnheit war, über systembedeutsame Politik und Praxis nicht ernsthaft nachzudenken. Die Menschen bevorzugten allgemein "kurze" Antworten, so wie sie in den Fernsehtalkshows gefordert werden - Antworten, die die Möglichkeit echten Nachdenkens ausschlossen. Eine typische solche Antwort ist z.B. das alberne "Ich bin für den freien Handel". Selbst als ab 1997 der Höhepunkt des "Crashs" der 90er Jahre einsetzte, klammerten sich die Experten im allgemeinen hysterisch an Annahmen und Formeln, die faktisch jeder wissenschaftlichen Grundlage entbehrten.

Das könnte sich jetzt rasch ändern. Und das ist nur zu begrüßen.

Das Problem war das System

Als ich kurz vor der Inauguration Präsident George W. Bushs das Scheitern seiner Präsidentschaft vorhersagte, war das Weltwährungs- und Finanzsystem schon von der Krise in die Auflösung übergegangen. Es war die Phase erreicht, in der es nichts mehr gab, was das System in seiner gegenwärtigen Form - wie man es mit den intellektuell bankrotten Institutionen IWF und Weltbank verbindet - noch retten konnte. Für das existierende Währungs- und Finanzsystem herrscht jetzt die Endzeit - eine Zeit, in der das Überleben ein tiefgehendes Umdenken von Bürgern und Führungspolitikern erfordert.

Um das gegenwärtig auseinanderfallende Währungs- und Finanzsystem als System zu definieren, müssen wir uns darauf konzentrieren, wie sich der Charakter der amerikanischen und anderer relevanter Volkswirtschaften verändert hat: von dem System, das sich 1933-1945 unter der Führung von US-Präsident Franklin Roosevelt entwickelte, zu der abgewandelten Form von Roosevelts Plänen in der Nachkriegszeit 1945-1964, und dann den Gegensatz zwischen diesen beiden und dem gegenwärtigen, gescheiterten System, das sich während der Zeit des amerikanischen Indochinakriegs 1964-72 durchsetzte.

Das Nachkriegssystem von 1945-64 hatte Ungerechtigkeiten und Mängel, aber es war, gemessen an den physikalischen Ergebnissen für die Volkswirtschaften und für die Gesamtbevölkerung, alles in allem ein Erfolg. Das gegenwärtige todgeweihte Weltwährungs- und Finanzsystem von IWF und Weltbank dagegen war weltweit eine Katastrophe. Der Roosevelt-Aufschwung und das Bretton-Woods-System von 1945-64 waren durch einen umfangreichen Aufbau der wirtschaftlichen Basisinfrastruktur (einschließlich des Gesundheitswesens) sowie durch einen Anstieg der physischen Netto-Arbeitsproduktivkraft pro Kopf in Landwirtschaft und Industrie gekennzeichnet. Das Kennzeichen der Entwicklung des gegenwärtigen Systems ist dagegen seit den 60er Jahren die Wandlung einer produktiven Gesellschaft in eine "nachindustrielle" oder "Konsumgesellschaft". Diese Veränderung muß jetzt wieder rückgängig gemacht werden. Das Resultat darf keine bloße Kopie des Bretton-Woods-Systems von 1945-64 sein, doch die grundlegenden Merkmale werden ähnlich sein.

Das kranke Weltwährungs- und Finanzsystem - das formell am 15. August 1971 von US-Präsident Richard Nixon eingesetzt wurde, unter den Nationalen Sicherheitsberatern Kissinger und Brzezinski entworfen und seit Oktober 1979 von den Federal-Reserve-Vorsitzenden Paul Volcker und Alan Greenspan geleitet wurde - ist also die Hauptursache des immer schnelleren Zusammenbruchs der Realwirtschaft auf dem amerikanischen, europäischen und afrikanischen Kontinent. Die US-Wirtschaft ist ebenso wie die europäische auf einer Talfahrt ins Bodenlose, die viel schlimmer ausfallen wird als die Weltwirtschaftskrise 1929-33. Wenn wir nicht das gegenwärtige Währungs- und Finanzsystem einem strikten Konkursverfahren unterziehen und so plötzlich mehrere hundert Billionen Dollar an fiktiven Werten aus den Büchern streichen oder einfrieren, dann wird es unter den gegenwärtigen Bedingungen für keinen Teil Nord- und Südamerikas, Europas oder Japans eine Zukunft geben.

Obwohl die meisten Amerikaner die ganze Realität der gegenwärtigen Lage noch nicht voll erfaßt haben, öffnen sich jetzt Augen und Köpfe in einem Maß, wie man es in den USA seit etwa zwei Jahrzehnten nicht mehr gesehen hat. So wie der fiktive Rip Van Winkle [der die ganze Revolution verschlief] haben die Rip Van Winkles unserer öffentlichen Meinung nicht weniger als eine Generation lang geschlafen. Nun hat der nicht nachlassende Donner der heraufziehenden wirtschaftlichen Stürme endlich ihren ideologischen Schlummer gestört. "Ein übler Wind, der keinem Gutes bringt." Leibniz betont ausdrücklich, daß unsere Welt die beste aller möglichen Welten ist - daß sich in ihr am Ende das Gute durchsetzen wird. Warum also warten? Warum ergreifen wir nicht die uns bietende Gelegenheit jetzt?

Hiermit betreten Sie und ich eine jener turbulenten Zeiten, in denen "nichts bleibt außer der Veränderung", wie Heraklit schrieb. Es ist an der Zeit, daß wir verstehen, wie und warum sich die Dinge in den USA seit 1929-33 verschlechtert, gebessert und dann wieder verschlechtert haben. Immer mehr Bürger müssen jetzt diese Idee der Veränderung verstehen.

Man darf nicht nur auf das reagieren, was man von einem Augenblick zum nächsten sieht, hört oder fühlt. Wie der Entdecker der allgemeinen Gravitation Johannes Kepler bewiesen hat, läßt sich die zukünftige Position eines Planeten nicht aus dessen früheren und gegenwärtigen Positionen vorhersagen. Man muß zuerst die Umlaufbahn entdecken, an der sich die Bewegung des Planeten ausrichtet. Man betrachte Wirtschaftsprozesse als Systeme in dem Sinne, wie Keplers Entdeckung für uns ein System definiert. Stellen Sie sich vor, Sie betrachteten vom Himmel aus die letzten 2500 Jahre der Geschichte der europäischen Zivilisation. Stellen Sie sich vor, Sie betrachten von dort oben sich selbst. Fragen Sie: Was lehrt uns die Erfahrung der Geschichte über den Weg, über die "Umlaufbahn" Amerikas und der Welt in ihr Schicksal der nahen Zukunft?

Ich lade Sie ein, zu denken. Vergessen Sie die populären Vorstellungen und Meinungen, die Sie in diese Falle gelockt haben. Denken Sie! Ich gebe Ihnen im folgenden einige entscheidende Hinweise, warum ich als Ökonom konkurrenzlos bin und warum ich dementsprechend einzigartige Qualifikationen als Kandidat für die Präsidentschaft der USA unter Bedingungen der eben beschriebenen systemischen Weltwirtschaftskrise besitze.

Geschichte als systemisches Drama im wirklichen Leben

Eine vergleichende Untersuchung der klassischen Tragödie vor dem Hintergrund der realen Geschichte zeigt uns: Wenn im wirklichen Leben Tragödien über ein Volk hereinbrechen, liegt das immer an einer vorherrschenden systemischen Tradition, der sich die relevante öffentliche Meinung und die Führung der entscheidenden gesellschaftlichen Institutionen unterwerfen.

Wenn die Gesellschaft die "Umlaufbahn" ihrer eigenen Entwicklung in eine Richtung lenkt, die den Naturgesetzen widerspricht - wie in den USA in den letzten 35 Jahren zunehmend geschehen - , dann verurteilt sich diese Gesellschaft zur Selbstzerstörung. Es ist das große Verdienst der klassischen Bühne - ausgehend von Größen wie Sophokles, Äschylos und Platons Dialogen bis zu Shakespeare, Lessing und Schiller - , daß sie auf prophetische Weise enthüllt, wie einstmals mächtige Nationen und Kulturen, wie z.B. das Spanien der Habsburger, aus eigener Schuld untergingen, weil sie an falschen herrschenden Vorstellungen festhielten, die heute kein vernünftiger Mensch mehr wiederholen würde. Die großen Werke der klassischen Bühne sind, wenn sie gut aufgeführt werden, das wirksamste Instrument, um zu erreichen, daß das Publikum - wie Schiller sagt - das Theater als weisere und bessere Menschen verläßt, als es dieses betreten hat.

Ein Volk zerstört sich also selbst durch die falschen Götter, die es annimmt - so wie die griechische Kultur der Ilias, die Kultur des Hauses Atreus. Diejenigen, die gerne die Rolle solcher falschen Götter spielen möchten, sind daher selbstverschuldet dem Untergang geweiht, wie uns Äschylos in Der gefesselte Prometheus warnt.

Genau das ist in den letzten 35 Jahren seit dem Beginn des Indochinakriegs mit den USA geschehen. Infolge der Veränderungen, die etwa zeitgleich mit Beginn und Fortsetzung dieses unnötigen Krieges einsetzten, stehen die USA heute kurz vor der Selbstzerstörung - nicht anders, als es in den großen klassischen Tragödien beschrieben ist.

Bei der Tragödie ist das Ende nicht unausweichlich. Es steht dem menschlichen Willen frei, seinem Handeln andere Richtungen zu geben. Unsere Fähigkeit, die wahrscheinliche Zukunft einer Nation vorherzusagen, wird begrenzt durch unsere Kenntnis der "Umlaufbahn", die implizit gewählt wurde. Wahre Propheten sagen nicht die Zukunft voraus. Sie warnen, so wie die Bibel Jonas beschreibt, vor dem Verderben, das folgen muß, wenn die gerade herrschende Meinung weiterhin vorherrscht. Geben Sie die Schuld an der Katastrophe nicht dem Propheten, sondern dem Volk, das den Beweis seiner eigenen Narrheit nicht beherzigt.

Es gibt in diesem Universum keine hundertprozentig vorherbestimmten Ereignisse. Der Wille Gottes, wenn nicht unser eigener, könnte immer eingreifen, um das Schicksal zu verändern. Sicherlich, das Universum steckt voller Gesetzmäßigkeiten, aber der freie Wille des Menschen ist fähig, neue Gesetze - z.B. physikalische Gesetze - zu entdecken und diese anzuwenden, um das menschliche Schicksal zu verändern. Der Mensch kann auch die Irrtümer seiner Überzeugungen entdecken und so dem Verderben, das diese Irrtümer verursachen, aus eigener Kraft entgehen. Es gibt immer die Möglichkeit, daß eine Kultur einem solchen selbstverschuldeten Untergang entgeht - die Möglichkeit, die Kultur dazu zu bewegen, sich so zu verändern, daß sie überleben kann. Aber es steht ihr nicht frei, sich völlig willkürlich zu entscheiden; sie muß die Realität der Bedingungen akzeptieren.

Zugegeben, alle bekannten Kulturen der vorneuzeitlichen Ära haben sich ganz oder teilweise selbst zerstört. In jüngerer Zeit, im Laufe des 20.Jahrhunderts, hat Europa sich auf einen viel niedrigeren Status in der Welt reduziert, indem es sich närrisch in zwei Weltkriege stürzte. Schuld an diesen Kriegen war nur die Torheit der europäischen Völker, die ihre - wie man metaphorisch sagen könnte - "kulturellen Kinderkrankheiten" nicht aufgeben wollten: beispielsweise das romantische Erbe der imperialen, monarchistischen und napoleonischen Traditionen. Es war völlig unnötig, daß sich Deutschland, Österreich-Ungarn, Rußland, Frankreich und das Vereinigte Königreich in diese sog. "geopolitischen" Kriege stürzten. Im ersten Fall waren es zwei alberne Kaiser, ein alberner Zar und ein wahnsinniger Clemenceau, die ihre Nationen in den gegenseitigen Untergang stürzten, indem sie sich vom englischen imperialen Edward VII., dem größten Narren von allen, in die Falle locken ließen.

So wie die Leute, die Wallenstein aus Loyalität zu einem verblendeten Monarchen ermordeten, Europa zur Fortsetzung des 30jährigen Krieges verurteilten, so stürzte Europa sich selbst in die beiden sogenannten Weltkriege des letzten Jahrhunderts.

Die europäischen Staatsoberhäupter, die ihre Nationen in den Ersten Weltkrieg führten, trugen zwar die unmittelbare, persönliche Verantwortung für den Krieg. Aber wie Shakespeare in der Schlußszene seiner Tragödie betont: Es war nicht Hamlet, der das alte Dänemark zum Untergang verurteilte, sondern die Kultur des damaligen Volkes von Dänemark - es war das System. Die Gewohnheiten der Marionetten Venedigs, etwa der Habsburger und des Hauses Habsburg, tragen die Hauptschuld an diesem Holocaust. Genauso schufen sich die Griechen des Hauses Atreus mit ihren Gewohnheiten ihr eigenes Ende. Sie klammern sich an ihre gescheiterten Gewohnheiten wie Passagiere, die sich weigern, ein sinkendes Schiff zu verlassen.

Die Ursache dafür, daß das ruinierte Europa heute im Verhältnis zu den USA - die sich nun selbst in einem panischen Selbstzerstörungsprozeß befinden - relativ machtlos ist, liegt immer noch in diesen fortdauernden kulturellen Zügen Europas, die schon in die beiden großen Kriege des letzten Jahrhunderts führten. Nationen, die auf ihre wahren Propheten nicht hören, bringen ihr eigenes Verderben über sich. Eine Kultur, die einen wirklichen Propheten ablehnt, ist todgeweiht, weil sie moralisch nicht mehr überlebensfähig ist. Eine solche Kultur muß deshalb zu sich selbst sagen: "Schuld sind nicht unsere Sterne, schuld sind wir selbst." Das Volk, die Mächtigen wie die anderen, hatte kleine Köpfe, die so von Traditionen voll waren, daß für ernsthaftes Denken kein Raum mehr blieb.

So haben sich einst alle antiken Reiche Mesopotamiens selbst zerstört, weil diesen Imperien die wesentlichen kulturellen Fähigkeiten zum Überleben fehlten. Athen zerstörte sich, weil es so töricht war, den Peloponnesischen Krieg zu beginnen. Rom ging unter, weil es moralisch nicht überlebensfähig war, und die "römische" romantische Tradition brachte den Untergang des Byzantinischen Reiches, des falschen ultramontanen Systems des theologischen Imperialismus im feudalen Europa und der imperialen Seemacht Venedigs.

Doch obwohl alle bekannten Kulturen sich auf solche Weise zeitweise oder endgültig selbst vernichteten, zeigt uns die Realität der Geschichte paradoxerweise, daß die Menschheit im ganzen voranschritt. Während keine Menschenaffenart zu irgendeinem Zeitpunkt eine Population von einigen Millionen auf der Erde überschreiten könnte, zählt die Menschheit heute mehrere Milliarden, wobei der größte Teil der Steigerung durch den langfristigen Einfluß der europäischen Renaissance des 15. Jahrhunderts möglich wurde. Mit dieser Renaissance wurde das klassische griechische Erbe wiederbelebt; daraus wurden die Prinzipien entwickelt, nach denen die ersten nationalstaatlichen Republiken unter Ludwig XI. in Frankreich und Heinrich VII. in England entstanden, und die moderne experimentelle Physik wurde begründet.

Wie alle wahren ontologischen Paradoxa führt auch dieses Paradox zur Erkenntnis eines wirksamen universellen Prinzips.

Während die armen Tiere allesamt Traditionalisten sind, liegt das Gute im Menschen in den Eigenschaften, die uns als inhärent revolutionäre Spezies definieren. Der "freie Wille" ist keine willkürliche Freiheit, keine bloße Meinung. Wirklicher freier Wille ist etwas, wofür Keplers einzigartige Entdeckung der allgemeinen Schwerkraft typisch ist: die Entdeckung eines nutzbaren universellen physikalischen Prinzips, das experimentell als wahr nachgewiesen wird. In der Praxis der klassischen künstlerischen Tradition - im Gegensatz zur axiomatisch irrationalen Praxis von Romantik und Moderne - wird dieses Prinzip, das die menschlichen Individuen und Gesellschaften von den Affen abhebt, oft im Prinzip des "Erhabenen" ausgemacht.

Wirtschaftswissenschaft als erhabene Wissenschaft

Denken Sie jetzt noch einmal nach. Es macht wirklich Vergnügen!

Die Wirtschaftswissenschaft als eine wissenschaftlich-rationale Form des Wissens gab es vor der antiromantischen klassischen Renaissance im 15.Jahrhundert noch nicht. So definiert, weist die Wirtschaftswissenschaft zwei Aspekte auf. Die kombinierte Wechselwirkung dieser beiden Aspekte definiert die einzige kompetente Methode zur Definition der "systemtypischen" Eigenschaften der ganzen weltweit ausgedehnten neuzeitlichen europäischen Zivilisation.

Die Kombination dieser beiden eben zusammengefaßten Besonderheiten ist, wie ich hier zeigen werde, die Vorbedingung für jedes kompetente Verständnis von Wirtschaftswissenschaft.

Wenn eine Gesellschaft ein experimentell gültiges universelles physikalisches Prinzip entdeckt und nutzt, steigt die Macht der Menschheit im Universum und über das Universum - und zwar nicht nur quantitativ, sondern qualitativ. Während bei den Tieren die potentielle relative Bevölkerungsdichte der Gattung genetisch begrenzt ist, bewirkt die menschliche Fähigkeit zur Entdeckung und Nutzung solcher Prinzipien einen Anstieg der potentiellen relativen Bevölkerungsdichte der Menschheit - eine physikalische Wirkung, die unter niederen Lebensformen nur durch eine aufwärtsgerichtete biologische Evolution möglich ist.

Viele Kulturen - beispielhaft sind die besten Perioden der antiken ägyptischen und griechischen Kultur - machten große wissenschaftliche Fortschritte, sowohl in der Naturwissenschaft als auch in den klassischen Formen künstlerischer Komposition, wie sie in der Renaissance von Brunelleschi, Leonardo da Vinci und Raphael Sanzio erkannt wurden. Bevor die Renaissance das Konzept der souveränen Republik auf Grundlage des Gemeinwohlprinzips entwickelte, war die soziale Seite der wissenschaftlichen Praxis verkrüppelt, moralisch mangelhaft.

Das Kennzeichen der revolutionären Veränderung in der europäischen Kultur, die Dante Alighieri anstrebte und die von Nikolaus von Kues und Jeanne d'Arc konzeptualisiert wurde, war folgendes: Keine Regierung hat eine moralische Berechtigung zu herrschen, wenn sie nicht entschlossen ist, das Gemeinwohl aller Lebenden, aber auch der Nachwelt zu fördern. Eine legitime Interpretation der Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika muß immer grundsätzlich auf diesen drei grundlegenden universellen Prinzipien (Souveränität, Gemeinwohl und Nachwelt) beruhen.

Vor der Renaissance waren die Menschen politisch geteilt in die Herrscher und ihr Gefolge auf der einen Seite und auf der anderen Seite die anderen Klassen, die wie Menschenvieh behandelt wurden. Beim Menschenvieh unterschied man zwischen gezähmtem und wildem Vieh. Selbst in den heutigen USA gibt es moralisch verkommene Bürger, die wie Utilitaristen in der Tradition Jeremy Benthams darauf bestehen, Kinder und Jugendliche sollten nicht "über ihren vorhersehbaren sozialen Status im Leben hinaus" ausgebildet werden. Diese unmoralischen Utilitaristen gehören damit zu jenen, die Menschen für "menschliches Vieh", praktisch eine Form von Eigentum, halten. Solche Meinungen über Bildung und Erziehung führen dazu, daß sogar einige Eltern in Amerika heute in ihren Kindern praktisch Eigentum sehen, ebenso wie in den Nachkommen der Nachbarn.

Die inhärent erhabene Natur der Menschheit versteht man richtig als Zusammensetzung souveräner individueller Persönlichkeiten, ausgestattet mit dem intellektuellen Potential zur Erzeugung gültiger Hypothesen, die als universelle Prinzipien dienen. Dazu ist es notwendig, die sozialen Beziehungen so zu gestalten, daß diese erhabene Qualität zum Ausdruck kommt.

Wir müssen die Jugend dahin erziehen, die schönsten Früchte des wissenschaftlichen und künstlerischen Fortschritts der Menschheit in sich aufzunehmen. Wir müssen sie wie Menschen erziehen statt wie abgerichtete Tiere aus Feld und Stall. Diese Weitervermittlung einer sich nach oben entwickelnden Kultur von einer Generation zur anderen bestimmt vernünftige menschliche Beziehungen und eine gesunde Gesellschaft. Wenn dieses schöpferische Potential aller Menschen - das Potential zum Nachvollzug der Entdeckungen von Hypothesen, die sich als universelle Prinzipien erweisen - nicht gefördert wird, kann eine dauerhaft systemisch erfolgreiche Wirtschaft nicht gesichert werden.

Für alle bekannten Fälle untergegangener Kulturen ist kennzeichnend, daß sie entweder einfach nur Räuberkulturen waren, deren Mitglieder von der Ausbeutung anderer Kulturen lebten, oder daß in ihnen eine Minderheit willkürlich über ihre Knechte, das eingepferchte Menschenvieh herrschte. Ein typisches Beispiel dafür war das System von Physiokraten wie Quesnay. Die britische Monarchie hat unter den von Jeremy Bentham übernommenen utilitaristischen Lehren die beiden unheilvollen Elemente miteinander verbunden: quasi-tierische Brutalität zuhause und "unsichtbare Einnahmen" aus Übersee. John Lockes Doktrin, die Menschen als "Eigentum" definierte, Richter Antonin Scalias nominalistisches Dogma vom "Shareholder Value" und die räuberischen Lehren des Harvard-Professors William Yandell Elliott, die sich im Sicherheitsmemorandum NSSM-200 des Sicherheitsberaters Henry Kissinger widerspiegeln, sind alle Beispiele für praktische Philosophien, die gescheiterte Kulturen einer im wesentlichen räuberischen Art definieren.

Die notwendige systemische Auffassung von der Menschheit als Gesamtheit existierte in der Praxis nicht vor den revolutionären Werken des Nikolaus von Kues. Typisch sind seine Concordantia catholica, die den Weg für eine Prinzipiengemeinschaft souveräner nationalstaatlicher Republiken freimachte, und seine Belehrte Unwissenheit (De docta ignorantia), das Buch, das alle sinnvollen Strömungen der modernen Naturwissenschaft begründete. Man versteht diese Auffassung von der Menschheit am schnellsten, wenn man vom Standpunkt meiner eigenen Beiträge zur Wissenschaft der physischen Wirtschaft ausgeht.

Wirtschaftswissenschaft ist das, was Leibniz zwischen 1671-1716 als erster als Wissenschaft der politischen Ökonomie definierte. Meine eigenen Entdeckungen in der physischen Ökonomie 1948-53 wurzelten im Kern in meinem als Heranwachsender übernommenen, im wesentlichen platonischen Standpunkt von Gottfried Wilhelm Leibniz gegen Vertreter der britischen, französischen und deutschen "Aufklärung" und ihre empiristischen Vorläufer wie Francis Bacon, Thomas Hobbes, Locke, Descartes, Hume und Immanuel Kant. Die Bedeutung dieser Bildung der Jugendjahre und ihre spätere Rolle bei meinen Entdeckungen als physischer Ökonom werden pädagogisch am schnellsten deutlich, wenn man Ursprung und Entwicklung meiner eigenen Entdeckungen mit Wladimir Wernadskijs Definition der Noosphäre vergleicht.

wird fortgesetzt

 

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