Aus Ibykus Nr. 64 (3/1998):


Zum 750. Jahrestag der Grundsteinlegung des Kölner Doms

Interview mit Dombaumeister Prof. Dr. Arnold Wolff

[Kölner Dom]

Die diesjährigen Feierlichkeiten zur 750. Wiederkehr der Grundsteinlegung des Kölner Doms krönen auch das Lebenswerk eines Mannes, der seit 40 Jahren eng mit dem Dom verbunden ist, Dombaumeister Prof. Dr. Arnold Wolff. Seitdem er als Architekturstudent 1958 für die Dombauhütte eine maßstabgetreue Zeichnung des Dreikönigenschreins zeichnete, hat ihn die Begeisterung für das monumentale Bauwerk nicht mehr losgelassen. Der offizielle Titel Dombaumeister umschreibt nur sehr unvollständig die vielseitigen Anforderungen an den Leiter der Dombauhütte, eines Unternehmens von ca. 90 Mitarbeitern mit einem Jahresetat von 17 Millionen DM, das nicht nur für die Erhaltungsarbeiten am Dom zuständig ist, sondern auch als Institut kunsthistorische und archäologische Forschungen am und unter dem Dom betreibt. Eher setzt der Beruf des Dombaumeisters das mittelalterliche Bildungsideal eines "Doctor universalis" voraus, in dem sich noch Praxis und Gelehrsamkeit verbanden. Heute muß er naturwissenschaftliche, technische und auch betriebswirtschaftliche Kenntnisse vorweisen, sich sowohl mit den traditionellen Techniken der mittelalterlichen Bauhütte als auch mit modernen Konservierungsverfahren auseinandersetzen, mit jährlichen Etatvorschlägen die weiteren Restaurierungskosten kalkulieren für ein Bauwerk, das niemals fertiggestellt werden wird. Das Interview führten Maria Schmitz und Ulrike Lillge.

Wolff: Die modernen Kunsthistoriker vertreten gerne die These, daß das theologische Denken des 13. Jahrhunderts mit der Kathedrale in Stein umgesetzt wird. Es gibt jedoch keine mittelalterliche Quelle, die in irgendeiner Weise belegt, daß man den Kathedralbau an der Theologie orientiert hat. Es ist eher umgekehrt, daß die Theologen das, was in den Kathedralen in Erscheinung tritt, im theologischen Sinne deuten. Ich lehne daher die Interpretationen von Panovsky, Sedlmayr und Otto von Simson ab. Als zum Beispiel Thomas von Aquin seine Schriften veröffentlichte, war der Kölner Dom, die letzte Kathedrale, bereits im Bau. Deshalb kann man nicht sagen, daß die Scholastik durch die Architektur interpretiert würde, sondern beide kommen aus der gleichen Quelle, dem veränderten Menschenbild, dem gegenüber der Antike und dem Frühmittelalter sich wandelnden Weltbild und Menschenbild. Das führt dann zu Ergebnissen, die in der Fernsicht vergleichbar sind. Theologie und Kathedrale sind aus dem selben Geist heraus, aus dem selben Weltverständnis heraus entstanden, aber sie direkt miteinander in Beziehung zu setzen, halte ich für bedenklich.

Wolff: Aber er hat seinen Text erst geschrieben, als die Kirche fertig war. Wir wissen heute genau, wann er seine Schrift verfaßt hat. Er hat nicht zuerst geschrieben: "Christus ist das Licht der Welt, deshalb will ich große Fenster haben.", sondern er rechtfertigt im nachhinein die teure, kostbare Ausstattung seiner Kirche mit theologischen Argumenten. Dieser Rechtfertigungszwang ist in der Kirche absolut nichts Neues. Bereits Eusebius von Cäsarea interpretierte im 4. Jahrhundert den Kirchenbau als eine Vorschau auf die jenseitige Welt, auf das himmlische Jerusalem, und rechtfertigte sich damit gegenüber den Vertretern der reinen Lehre, die ein kostbares Kirchengebäude als überflüssig ablehnten. Im Gegensatz zum Alten Testament, das sogar Maße und Holzarten des Tempelbaus vorschreibt, wird im Neuen Testament niemals etwas über den Kirchenbau gesagt. Einziger Bezugspunkt ist die Apokalypse, in der von der heiligen Stadt Jerusalem gesprochen wird. Jede Kirche wird seit Eusebius als Sinnbild des himmlischen Jerusalems verstanden, was auch im Weiheritus des Kirchenbaus immer wieder zitiert wird. Sulpiz Boisserée hat bereits 1823 in Paris in einem Vortrag diese Zusammenhänge dargestellt. 150 Jahre später verkünden nun Kunsthistoriker wie Sedlmayr, die gotische Kathedrale sei als Sinnbild des himmlischen Jerusalems konzipiert worden, als sei dies eine vollkommen neue Erkenntnis, obwohl jeder Kirchenbau vorher bereits als Sinnbild des Himmels betrachtet wurde. Liturgie und Gebäude wurden als eine Einheit gesehen, die zusammen das symbolisiert, was jenseits des Himmelsgewölbes ist. Auch in den romanischen Kirchen benutzte man bereits Zahlensymbolik, in den Maßen, in den Baugliedern. Hatte man z.B. 12 Säulen, so sollte das an Christus und die 12 Apostel erinnern, 12 Säulen bedeuteten die 12 Apostel, 11 Säulen die Apostel ohne Judas. Diese Interpretationsmöglichkeiten haben wir auch bei der gotischen Kathedrale. Wir haben z.B. hier im Chor des Kölner Doms an 14 Pfeilern 12 Apostelfiguren sowie Maria und Christus. Die Fenster gliedern sich in 50 Fensterbahnen, in der Mitte mit der Darstellung der Anbetung der Könige, auf den anderen Fenstern 24 alte und 24 junge Könige, das sind die 24 Ältesten der Apokalypse und die 24 Könige von Judäa. Die sieben Chorkapellen beziehen sich auf die heilige Zahl sieben. Auf den sieben Chorkapellen stehen außen zwölf Engel. Die Kathedrale hat drei Fassaden, aber in der Apokalypse steht, die heilige Stadt habe 12 Tore. Daher befinden sich an jeder Fassadenseite 4 Türen, dann hat man die 12 Tore. Die Kathedrale hat Maße, 50 Fuß ist das Mittelschiff breit, 150 Fuß Höhe, Gesamtlänge 500 Fuß. Das haben wir alles auch schon in der romanischen Kirche. Was in der gotischen Kirche hinzukommt, ist eine vollkommene Einheit der Architektur. Der Mensch als Betrachter steht im Mittelpunkt, ihm wird die Kathedrale interpretiert als ein in sich geschlossenes Werk, in dem alles, was an Architektur sichtbar ist, sinnvoll ist, Unvollkommenheiten kommen nicht mehr vor. Dieses Ziel wird seit dem 11. Jahrhundert angestrebt, zunächst in den großen Kirchen der Normandie. Die Gotik ist eine genuine Entwicklung aus der Architektur der Normandie, die dann ausstrahlt und sich allmählich mit der Architektur von Cluny trifft, dann kommt der große Sprung in Chartres. Da wird die Kathedrale sozusagen normiert, fixiert mit ihren Pfeilertypen, mit ihren Fenstertypen, mit ihrem dreigeschossigen Aufbau. Aber auch in Chartres gibt es noch jede Menge ungelöste Probleme, obwohl das die modernen Kunsthistoriker nicht gerne hören. Sie erkennen vor lauter Ehrfurcht nicht, was dort nicht in Ordnung ist, während die mittelalterlichen Zeitgenossen das weitaus nüchterner sahen. Sie erkannten sofort die technischen Mängel, die sie in Reims verbesserten. Der Meister von Amiens, der 10 Jahre später baut, weiß es wieder besser. Als letzte kommt 1248 Köln, das ist wirklich der Endpunkt. Köln hat alle gestalterischen Probleme des Kathedralbaus gelöst. Hier haben wir eine vollkommene Einheit. Die gesamte innere Raumschale ist absolut fehlerfrei. Das kann man von keiner anderen Kathedrale sagen. Alles, was nach Köln gebaut wird, schraubt zurück, hat niemals mehr diesen Anspruch, erstens die Größe der Kathedrale beizubehalten, wenn nicht noch zu steigern, zweitens auch noch das architektonische Konzept zu verbessern. Hier ist nichts mehr zu verbessern.

Wolff: Die nächste Kathedrale, die noch gebaut wurde, ist zum Beispiel der Prager Dom. Aber wenn man Prag mit Köln vergleicht, sieht man gleich, das ist zwei Stufen kleiner. Später kommt noch der Mailänder Dom, eine prachtvolle Kathedrale, die jedoch bereits in einer völlig anderen Welt entstanden ist. In Italien haben wir ein anderes Kulturverständnis, ein neues Menschenbild entsteht, wir kommen schon langsam in die Renaissance hinein. Dieses Bauwerk hat nichts mehr zu tun mit dem Aufbruch, der aus der Normandie kommend über die Kathedralen von Noyon und Laon den ersten Höhepunkt in Chartres erreicht und dann zu dieser Aufgipfelung in Köln führt. Glücklicherweise ist man beim Weiterbau im 19. Jahrhundert nicht auf die Idee gekommen, das Ganze jetzt im modernen Zeitstil zu verändern, sondern man hat die Kathedrale so zu Ende gebaut, wie sie gedacht war.

Wolff: Nein, aber von der Westfassade gab es noch den Plan, und dieser Plan ist derart wichtig und bedeutend, das ist die großartigste Architekturzeichnung, die jemals auf der Welt gemacht worden ist, vollkommen in Konzept und Ausführung. Diese einzigartige Zeichnung hat sozusagen die weitere Ausführung provoziert.

Wolff: Zu rekonstruieren oder neu zu entwickeln brauchte man nur die Querhausfassade. Das muß natürlich ein Fachmann machen, ein echter Baukünstler. Boisserée hat zwar auch die Querhausfassade aus den Elementen der Westfassade rekonstruiert, doch er war kein Architekt. Zwirner aber war ein Baukünstler und machte ein Kunstwerk daraus.

Wolff: Da weiß man nur sehr wenig. Aus den mittelalterlichen Quellen ist nur bekannt, daß er wegen seiner großen Verdienste um den Dom 1257 vom Domkapitel ein größeres Grundstück in Erbpacht erhielt. Über seine Herkunft wurde lange spekuliert, bedeutet der urkundlich erwähnte Name "Gerardus" nun Gerhard oder Gérard und deutet auf eine französische Herkunft hin? Doch seine Bauweise verrät ihn eindeutig als Deutschen, der noch in der traditionellen Form der romanischen Kirchen von Köln baut, das heißt, er muß hier sein Handwerk erlernt haben. Die großen Kathedralbauer in Frankreich benutzten bereits riesige Quader für ihre Bauwerke, während der Chor des Kölner Doms nicht massiv gebaut ist, sondern die Pfeiler nur aus einer dünnen Schale von Werksteinen bestehen, die mit Abfallmaterial wie Bruchstücken des Alten Doms aufgefüllt wurden. Gerhard ist zwar in Frankreich gewesen, aber er hat die gotischen Kathedralen dort nur unter künstlerischen Gesichtspunkten betrachtet, die Bautechnik der Kathedrale hat ihn anscheinend gar nicht interessiert. Vieles, was in Frankreich längst üblich war, rationelles Arbeiten, vorgefertigte Teile, ist im Kölner Domchor noch gar nicht vorhanden. Gerhard hat die Kathedrale nur unter dem Gesichtspunkt der künstlerischen Vollkommenheit betrachtet.

Wolff: Gerhard hatte in Amiens die letzten ästhetischen Mängel erkannt, die er in Köln erfolgreich vermied. Das war vor allem die gesamte innere Raumschale. Die Kräfte, die aus den Gewölben kommen, werden von den Gewölberippen über die Pfeilerdienste überall sichtbar nach unten abgeleitet. Wir haben eine optisch richtige Darstellung des Kräfteverlaufs, die einen Eindruck von Harmonie und Eleganz erzeugt. In Amiens dagegen finden wir drei verschiedene Pfeilertypen. Die Gewölberippen bleiben teilweise auf dem Kapitell hängen, der Zweck der Dienste, die den Pfeilerkern umstehen, wird nicht recht klar. Man erkannte diese Lösung als unbefriedigend und begann im Chor Bündelpfeiler mit acht Diensten zu bauen, die alle Kräfte nach unten ableiten. Doch erst in Köln ist die gesamte Raumschale auf das System Gewölbe - Stütze abgestimmt, alles ist gleichmäßig abgestützt und ideal vereinheitlicht.

Wolff: Ich halte es für einen der bedeutenden Irrtümer, daß man immer davon spricht, daß man im Mittelalter mit Proportionen gearbeitet habe. Das Mittelalter kennt den Begriff der Proportion nicht. Was man kennt, sind Maße. Das Mittelschiff im Kölner Dom ist zum Beispiel 50 Fuß breit, die vier Seitenschiffe sind halb so breit. Aber Sie sehen ohne Maßstab, daß jeweils ein Seitenschiff schmaler ist als das andere, d.h. die Maßvorgaben werden zwar akzeptiert, aber nicht stur eingehalten. In dem Augenblick, wo der künstlerischen Verwirklichung des Konzepts eine Abweichung von den Maßeinheiten zugute kommt, wird das bedenkenlos gemacht. Der Vierungspfeiler ist zum Beispiel um einiges dicker als die anderen Pfeiler. Wenn beide Seitenschiffe gleich wären, würde man eine kleine und eine größere Arkade erhalten. Um den optisch richtigen perspektivischen Eindruck zu erzeugen, läßt man die Arkaden nach hinten immer etwas kleiner werden. Diese optische Rektifizierung wird ohne Rücksicht darauf gemacht, daß wir eigentlich ein Raster haben. Es wird so gearbeitet, daß künstlerisch gesehen das Bauwerk fließt, d.h. die Maße werden dem optischen Eindruck untergeordnet. Hier liegt der wirkliche Unterschied zwischen einer romanischen Kirche und einer gotischen Kathedrale, daß nämlich der Adressat, der betrachtende Mensch ernst genommen wird. Wenn durch die Einhaltung der Maße ein ästhetisches Ungleichgewicht entsteht, ist das dem romanischen Baumeister gleichgültig, er hält die Maße ein. Der gotische Baumeister achtet darauf, daß die Erwartung des Betrachters erfüllt wird, die Kathedrale als ein Sinnbild der Vollkommenheit des Himmels erfaßt wird. Diesem Ideal werden die verbindlichen Maßeinheiten bedenkenlos untergeordnet. Was die gotische Kathedrale auszeichnet, ist nicht, daß sie ein bestimmtes Sinnbild verkörpert, sondern daß dieses Sinnbild sinnfällig gemacht wird, daß es erkennbar ist. Indem sie diesen Auftrag erfüllt, vermittelt sie auch ein ikonologisches Konzept.

Wolff: Es sind dicke Bücher geschrieben worden über Quadratur, Triangulatur, Proportionslehre. Ich lehne das strikt ab. Die gotische Kathedrale folgt ganz anderen Prinzipien. Natürlich ist es verlockend zu sagen: Aha, diese Einheit kommt hier vor, so oft hier etc., aber darauf kommt es gar nicht an. Der mittelalterliche Mensch kannte noch keine irrationalen Zahlen, die bei der Quadratur und Triangulatur eine Rolle spielen. Natürlich hat er gemerkt, daß die Diagonale eines Quadrats in kein rationales Zahlenverhältnis zu bringen ist mit seiner Seitenlänge. Er hat auch verstanden, daß die Diagonale in einer bestimmten Beziehung zum Quadrat steht und war in der Lage, mit dem Zirkel Maße herauszugreifen, in bestimmten Schritten etwas zu verkleinern und zu vergrößern. Meiner Meinung nach hat man Erkenntnisse aus der Renaissance im nachhinein in die gotische Bauweise hineininterpretiert.

Wolff: Häufig wird angegeben, wieviel Quadratmeter Glas auf wieviel Quadratmeter Fußbodenfläche entfallen. Diese Angaben sind unkorrekt, weil dann eine fünfschiffige Kirche mit größerer Grundfläche schlechter wegkäme als eine dreischiffige Kirche. Korrekter ist zu untersuchen, wieviel Quadratmeter Glas haben wir pro laufenden Meter Kirche. Der Dom zu Speyer hat schon viele Fenster, wir haben dort pro laufenden Meter Kirche 6,78 m2 Glas. In Chartres haben wir bereits 16,42 m2 Glas pro laufenden Meter Kirche, in Reims wird das gesteigert auf 24 m2 Glas, in Amiens auf 32 m2 Glas und in Köln auf 43,86 m2.

Wolff: Natürlich, obwohl wir genausoviel Glas haben wie Fußbodenfläche. Aber das farbige Glas wirkt wie ein Filter, der nur 5 bis 10% des Lichts von außen durchläßt. Die Fenster dienen nicht als geöffnete Wandflächen zum Einlassen von Licht, sondern stellen durchleuchtete Wände dar.

Wolff: Es sind tatsächlich drei Motive, das künstlerische, das politische und das religiöse Motiv, die zum Weiterbau anregen. Ohne das religiöse Motiv wäre der Dombauverein niemals in diese Dimension gewachsen. Das war gleichzeitig ein Bekenntnis zum Katholizismus, zur Wiederbelebung der Kirche, die durch die Revolutionszeit ziemlich geschädigt war. Man darf nicht vergessen, daß die Revolution dem kirchlichen Selbstverständnis und auch der Kirchenorganisation ganz erhebliche Schäden zugefügt hat, durch Säkularisation und Aufklärung. Die Aufklärung darf man nicht als etwas betrachten, was nur von außen an die Kirche herangetragen wurde, sondern sie hat auch innerkirchlich die größten Schäden verursacht, denn die meisten Bischöfe gehörten dieser Richtung an. Das mußte im 19. Jahrhundert erst wieder einmal überwunden werden. Die Kirche hatte nach den Verwüstungen der Revolutionszeit von zwei Seiten her Rekonstruktionsbedarf, einmal organisatorisch beim Wiederaufbau der Bistümer, zum anderen geistig, wieder Besinnung auf die Glaubensinhalte. Diese religiöse Bewegung kam nicht nur von oben, sondern wurde sehr stark vom gläubigen Volk getragen. In den 30er Jahren kam es durch die Verhaftung des Erzbischofs zum ersten Mal zu einem echten Konflikt zwischen der Katholischen Kirche und dem Preußischen Staat. Kaum war das richtig geheilt, kam es in den 60er und 70er Jahren zum zweiten Konflikt, zum Kulturkampf. Beide Male zeigte die Kirche ihr Rückgrat gegenüber einem Staat, der sich anschickte, zu einem totalitären Staat zu werden, der die Bürger vereinnahmen wollte, absolut unter seine Kontrolle bringen wollte. Daher flüchteten sich die Menschen in die Kirche, weil sie glaubten, dort einigermaßen gegenüber staatlicher Willkür und staatlicher Macht gesichert zu sein.

Wolff: Wenn alle drei Elemente, das künstlerische, das religiöse und das politische, nicht zusammengekommen wären, wäre nichts möglich gewesen. Die Künstler und Politiker hätten niemals den Dom zuende gebaut, wenn nicht das gläubige Volk dahintergestanden hätte. Die Christen und Vaterlandesvertreter hätten alleine nichts ausrichten können ohne den künstlerischen Impuls, denn ohne den enormen künstlerischen Anspruch dieses Bauwerks wäre nichts geschehen. Aber auch ohne den politischen Impuls, der von Görres zwar fälschlicherweise, aber faktisch hineingebracht wurde, wäre der Ausbau des Kölner Doms zumindest nicht zu diesem Zeitpunkt 1842 in Gang gesetzt worden.

Wolff: Ja, es gab immer wieder große Probleme, Höhen und Tiefen. Die meisten Menschen denken immer: "Ach, da hat der Preußische Staat ganz einfach aus der Staatskasse den Dom finanziert." Die Wirklichkeit sah ganz anders aus. Der preußische Staat lieferte sozusagen den Grundsockel, 50000 Taler pro Jahr, ein Drittel der Gesamtkosten. Der größte Teil wurde durch die Bürgerinitiative des Dombauvereins getragen.

Wolff: Natürlich haben wir darüber auch schon spekuliert. Wir kennen die Kosten aus dem 19. Jahrhundert, das waren ca. 8 Millionen Taler. Ich müßte heute für einen Taler ca. 350 DM aufwenden. Dann wären die Kosten im 19. Jahrhundert 2,8 Milliarden DM gewesen. Der gesamte Dom würde also 5,6 Milliarden DM kosten.