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Aus der Neuen Solidarität Nr. 17/1995:

Terror-Massaker soll Reform des Finanzsystems sabotieren

Vier Wochen nach dem terroristischen Giftgasanschlag in der Tokioter U-Bahn ist in Oklahoma City ein noch verheerenderer Terroranschlag verübt worden. Niemals zuvor hatte es in den Vereinigten Staaten einen derartig massiven und verlustreichen Terroranschlag gegeben. Ebenfalls am 19. April wurde im Bahnhof der japanischen Stadt Yokohama eine bislang nicht identifizierte giftige Substanz freigesetzt, die hunderte Personen verletzte.

Der Terrorismus des Jahres 1995 ist "blind" und unterschiedslos in dem Sinne, daß die Opfer zufällige Passanten, Frauen und Kinder sind. Die Terroristen des Jahres 1995 bleiben anonym, es gibt keine Selbstbezichtigungen und keine Versuche ideologischer "Rechtfertigung". Aus alledem darf aber nicht geschlossen werden, daß dieser neue Terrorismus nur die "blinde" Ausgeburt von "Wahnsinnigen", "Endzeit-Sekten" oder "islamischen Fundamentalisten" ist. In Europa kam es im Jahre 1980 durch den Bombenanschlag auf den Hauptbahnhof von Bologna zu einem ähnlich verheerenden Blutbad wie in Oklahoma. Heute ist bekannt, daß hinter den neo-faschistischen Terroristen von Bologna Elemente des "Gladio-Netzwerks" standen, die ihrerseits durch Geheimdienstkreise Großbritanniens und solche aus dem Umfeld der Scharon-Ultras in Israel gesteuert wurden. Das Ziel war, Italien mit einer Strategie der Spannung zu überziehen, wozu auch die Ermordung Aldo Moros und der Mordversuch an Papst Johannes Paul II. gehörten.

Der Terrorismus - egal in welcher Form - ist immer Mittel zum Zweck. Mit Terrorismus - auch und gerade dem des Jahres 1995 - werden politische Absichten verfolgt. Die ausführenden Terroristen sind immer nur Werkzeuge, die von ihren Kontrolleuren und Manipulatoren benutzt werden. Die erste Frage, die es im Zusammenhang mit terroristischen Anschlägen zu stellen gilt, heißt Cui Bono? Welcher politische "Nutzen" könnte sich aus terroristischen Anschlägen ziehen lassen?

Am 19. April, dem Tag des Bombenanschlags von Oklahoma City, erreichte die internationale Finanz- und Währungskrise einen vorläufigen Höhepunkt. Der US-Dollar, das britische Pfund und der französische Franc erreichten neue absolute - bis dahin unvorstellbare - Tiefststände. Mehr noch, am 18. April, 24 Stunden vor dem Massaker in Oklahoma, antwortete Präsident Clinton auf die Frage des EIR-Korrespondenten Bill Jones, daß das Weltfinanzsystem Anzeichen für "eine mögliche Desintegration, ein rapides Auseinanderfallen" aufweise und daß nun "auf eine durchdachte Weise" dieses Problem "angegangen" werden müsse. Wenige Tage zuvor hatte der japanische Finanzminister Masayoshi Takemura vor dem japanischen Parlament erklärt: "Wir müssen darüber nachdenken, ob wir das gegenwärtige [,floating'] Wechselkurssystem so belassen können wie es ist." Auf Takemura folgte - wiederum am 19. April - der stellvertretende Vorsitzende des japanischen Unternehmerverbandes und Chef des Elektronikgiganten NEC Dr. Tadahiro Sekimoto, der sagte, die G-7-Industriestaaten "müssen unverzüglich Maßnahmen ergreifen, das System der schwankenden Wechselkurse zu verändern". Geschähe nichts, "werden wir wahrscheinlich im Weltmaßstab eine Finanzkrise erleben". Ein Währungssystem mit starken Wechselkursschwankungen diene alleine der Gewinnmaximierung von "Spekulanten".

Diese Äußerungen des amerikanischen Präsidenten und führender Regierungs- und Industrievertreter Japans sind von allerhöchster Bedeutung. Zum erstenmal überhaupt wird das Ausmaß der globalen Finanzkrise öffentlich und regierungsamtlich zur Kenntnis genommen und erwogen, daß das internationale Finanz- und Währungssystem umgestaltet werden muß. Diese Äußerungen bedeuten noch keine Absicht, das objektiv bankrotte Weltfinanzsystem zu reorganisieren, aber sie deuten erstmals in diese Richtung. Mit den Terroranschlägen von Oklahoma City und Yokohama wurde die Weltwährungskrise aus der veröffentlichten Meinung weitgehend weggedrängt. Die politischen Energien der Regierungen in Tokio und Washington wurden von den Terroranschlägen absorbiert. Hier liegt offensichtlich die beabsichtigte Wirkung der Terroranschläge. Die japanische Regierung und die Clinton-Administration sollen dazu gebracht werden, von den "unantastbaren" spekulativen Strukturen des Weltfinanzsystems "die Finger zu lassen".

Vor dem eben skizzierten strategischen Hintergrund muß davon ausgegangen werden, daß es auch in Europa zu terroristischen Anschlägen neuer Qualität kommen wird. Denn neben den USA und Japan sind Deutschland und Frankreich die Staaten, die die Zukunft des Weltfinanzsystems bestimmen.

Wir wissen zwar nicht, wer die "ausführenden Organe" der terroristischen Anschläge von Tokio, Yokohama und Oklahoma City waren. Aber wir können feststellen, daß sich die Strategie der Spannung, die mit den jüngsten terroristischen Anschlägen verfolgt wird, gegen die Regierungen der USA und Japans richtet. Sie sollen destabilisiert, und ihr politisches Handlungsvermögen soll paralysiert werden. Ob die mit den Terroranschlägen beabsichtigte Destabilisierung und Paralysierung erreicht wird, ist eine andere Frage. Es ist bemerkenswert, daß der Sprecher des Weißen Hauses erklärte, Präsident Clinton habe angeordnet, sein "weltpolitisches Arbeitspensum" dürfe nicht durch den Terroranschlag von Oklahoma City über den Haufen geworfen werden. Clinton selbst sagte am 20. April: "Weder die Führer noch die Bürger dieses Landes werden zulassen, daß sie durch diese Vorgänge paralysiert werden."

Wir haben in dieser Zeitung wiederholt auf die "Prognosen" von Lord Rees-Mogg, einem führenden Sprecher der britischen Oligarchie, aufmerksam gemacht. Rees-Mogg "prophezeite" Anfang des Jahres, daß es 1995 in den USA zu "neuen Wacos" kommen werde (Dies bezieht sich auf den Massentod der "Davidianer-Sekte" im texanischen Waco 1993). Es werde in amerikanischen Großstädten zu "gewaltsamen, blutigen Rassenunruhen" kommen und die US-Regierung werde möglicherweise den "Ausnahmezustand" über das Land verhängen. Wir haben auch wiederholt dokumentiert, daß Elemente aus dem britischen Geheimdienstmilieu eine gezielte Kampagne gegen Präsident Clinton persönlich inszeniert haben, und daß sich daraus eine unmittelbare Sicherheitsgefährdung des Präsidenten ergeben hat. Die britische Oligarchie mit ihren enormen geheimdienstlichen Möglichkeiten ist das internationale Zentrum der Finanzkreise, die mit der Reorganisation des Finanzsystems alles zu verlieren haben. Diese Kreise dürften vor nichts zurückschrecken, um die Reorganisation des Finanzsystems zu verhindern. Der Terrorismus und politische Attentate sind "traditionelle" Mittel der verdeckten, irregulären Kampfführung zur Durchsetzung politischer - gerade auch finanz- und wirtschaftspolitischer - Absichten.

Präsident Clinton persönlich hat nachdrücklich die Versuche zurückgewiesen, die Verantwortung für das Terror-Massaker von Oklahoma City auf "islamische Fundamentalisten" abzuwälzen und damit die Nachforschungen über die tatsächlichen Hintergründe des Terrorismus abzublocken. Clinton sagte: "Erstens, ich bitte das amerikanische Volk, keine vorschnellen Schlüsse zu ziehen... Hier geht es nicht um das Herkunftsland von Menschen oder ihre Religion. Das war Mord, das war böse, das war Falschheit. Überall auf der Welt werden Menschen aus ihren religiösen Überzeugungen diese Tat verurteilen. Wir sollten niemandem mit Stereotypen kommen. Was jetzt ansteht ist herauszufinden, wer das getan hat, und diese Leute hart zu bestrafen."

hml/mjb

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