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Von Hans von Sponeck
Hans von Sponeck, ehemaliger Beigeordneter des UN-Generalsekretärs (UN Assistant-Secretary-General, ret.), übermittelte der Konferenz den folgenden Beitrag per Video.
Wir leben in einer Zeit der vielleicht größten geopolitischen Kluft, wenn es darum geht, eine menschliche und menschenwürdige Weltordnung zu schaffen. Der Traum von Jalta von 1945, Kriege hinter uns zu bringen und bilaterale Aggression durch multilaterale Zusammenarbeit zu ersetzen, war ein kurzer. Er wurde ersetzt durch einen bis heute wirkenden Alptraum der Furcht, der Ungewißheit und der Konfrontation. Vom Traum geblieben ist lediglich die Charta der Vereinten Nationen mit ihrer zeitlosen Ethik und ihrer profunden Vision für alle 8 Milliarden Bürger unserer Welt.
Die vielen internationalen Kriege und nationalen Konflikte, die es weltweit seit Schaffung der UNO gegeben hat, bezeugen, daß die politische UNO als Legislative, besonders der Sicherheitsrat, weitgehend unfähig geblieben ist, ihr Friedensmandat zu erfüllen.
Eine Hauptursache hierfür ist, daß die USA bei der Verfolgung ihrer weltweiten geopolitischen Interessen mittels einer unilateralistischen Außenpolitik ihre militärische und wirtschaftliche Macht, sowohl in den Vereinten Nationen als auch anderswo, nach nationalem Ermessen und nicht nach rechtsstaatlichen und multilateralen Grundsätzen eingesetzt haben. Dieses Verhaltensmuster ist die einzige einleuchtende Erklärung, sowohl für die Turbulenzen in den internationalen Beziehungen als auch für die oft enttäuschende Leistung der Vereinten Nationen.
Möge dies als ernstzunehmendes Faktum und nicht als ideologische Aussage akzeptiert werden.
Die multilaterale Baustelle für eine neue, friedliche und gerechte Weltordnung ist wahrlich riesig. Es geht um die geographische Anpassung eines unrepräsentativ gewordenen Sicherheitsrats. Es geht um eine reformierte Anwendung des Vetos. Es geht um die Zusammenarbeit zwischen der Generalversammlung, als Staatenmehrheit, und dem Sicherheitsrat, als Staatenminderheit. Es geht um die bestehende ungenügende Autorität der Generalversammlung als Auftragsgeber für den Sicherheitsrat. Es geht um die Unabhängigkeit der Arbeit des Generalsekretärs und der Sonderorganisationen und deren Schutz gegen bilaterale Einmischung. Es geht um die Finanzierung der UNO. Auch hier geht es um Schutz gegen bilaterale Kontrollen und gegen Beiträge, die nur dann zur Verfügung stehen, wenn sie Geberinteressen berücksichtigen.
Ich möchte hinzufügen: Die UNO ist „billig“. Das Jahresbudget des UNO-Generalsekretärs für 2025 beläuft sich auf 3,7 Milliarden Dollar oder 46 Cent pro Weltbürger.
Was den Internationalen Gerichtshof in Den Haag angeht, braucht es eine Entscheidungsautorität, die dieser zurzeit nicht besitzt.
Kurzum, es geht um die Demokratisierung des gesamten UNO-Systems und die Verpflichtung der Mitgliedsstaaten, internationales Recht einzuhalten, und daß Nichteinhaltung Konsequenzen hat.
Nicht zu vergessen: Es geht auch um eine neue und gerechtere internationale Wirtschaftsordnung, die seit langem von der nicht-westlichen Welt gefordert wird, aber von den OECD-Staaten abgelehnt bleibt.
Ein solcher Katalog von Herausforderungen hätte, laut der UNO Charta, bereits 1955 von der Generalversammlung diskutiert werden sollen. Mit 70jähriger Verspätung ist nun im September letzten Jahres auf einem Sondergipfel der Generalversammlung der sogenannte „Pakt für die Zukunft“ verabschiedet worden.
Die gegenwärtige geopolitische Weltlage mag als Hinweis gelten, daß der Weg zu einer neuen Weltordnung und der Schaffung einer entsprechend reformierten UNO, die den Bedürfnissen der Menschheit – aller Menschen, wo immer sie leben – gerecht wird, ein langer sein wird. Es wird auch ein gefährlicher Weg sein, mit vielen Hindernissen, Schlaglöchern und Landminen.
Es ermutigt, daß die UNO-Generalversammlung trotzdem entschlossen zu sein scheint, diesen Weg zu gehen. Eine Mehrheit der Staaten und nichtstaatlicher Einrichtungen sind einfach nicht länger bereit, eine west-zentrisch beherrschte Welt weiterhin zu akzeptieren.
Bereit steht ein wertvoller internationaler Handwerkskasten, der fast alles enthält, was für einen umfassenden Umbruch gebraucht wird. Da ist langjährige Erfahrung auf allen Gebieten menschlichen Wissens in der UNO und ihren Sonderorganisationen und in anderen multilateralen und nationalen Einrichtungen, die sich mit dem Ausbau von Institutionen für erneuerbare, friedliche, inklusive und gerechte Entwicklung befaßt haben (UNO-Pakt Reform Punkt 13) oder an Reformen der internationalen Finanzstrukturen gearbeitet haben (Punkt 47 & 48). Ebenso sind da Klimawandel-Wissenschaftler (Punkt 9) und Fachleute für Tradition und Lokalwissen.
Die UNO-Charta, die beiden Pakte für politische, bürgerliche, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte und anderes internationales Recht sind wertvolle Wegweiser für die Zukunft.
Einen Mangel an Fachwissen und Facherfahrung und einschlägigen Institutionen gibt es nicht.
Da ist aber etwas Entscheidendes, ohne das weder eine neue Weltordnung noch eine reformierte UNO entstehen kann: der politischer Wille der Großmächte, sich einstimmig für einen zukünftigen Multilateralismus zu bekennen.
Niemand kann erwarten, daß kurzfristig ein dramatischer Wandel von bilateralem Egoismus zu multilateralem Gemeinsinn sich vollziehen kann. Die gegenwärtig so zerstrittene Welt macht es selbst schwer, an die Utopie des Friedens zu glauben.
Dennoch: Der Reform-Schlüssel ist durch den UNO-Pakt geschmiedet. Die apokalyptischen Gefahren, die der Welt auflauern – wie Klimawandel, Nuklearwaffen, Pandemien, Künstliche Intelligenz und Krisen, Verfolgung und armutsbedingte Menschenwanderungen - sind weltweite Herausforderungen, die ausnahmslos alle 193 UNO-Mitgliedsstaaten betreffen.
China, die USA, Rußland, Indien, Brasilien, auch Südafrika, Australien, Iran, Israel und Europa sollten diese Herausforderungen akzeptieren, nicht nur aus pragmatischen geopolitischen Gründen, besonders auch aus Gründen der Humanitas. Hier besteht eine einmalige Gelegenheit, um eine Überlebensgemeinschaft zu schaffen, mit dem hehren Ziel, dem Frieden auf der Welt näher zu kommen. Durch Zusammenarbeit würde es möglich, den multilateralen Teamgeist zu entwickeln, der eine Versammlung von Nationen zu einer Allianz von vereinten Nationen, den United Nations, aufbaut.
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