|
|
Von Alexander Hartmann
Verfassungsrechtler betrachten die vom Bundestag beschlossenen Grundgesetzänderungen als einen „kalten Staatsstreich“.
Nach langem Gezerre hat die Ad-hoc-Allianz aus CDU, SPD und Grünen alle Hindernisse überwunden, um ein riesiges Aufrüstungspaket durch den alten Bundestag zu bringen, in dem sie noch über die erforderliche Zweidrittelmehrheit zur nötigen Verfassungsänderung bei der „Schuldenbremse“ verfügen. Helga Zepp-LaRouche sowie prominente Verfassungsrechtler haben die Abstimmung als einen regelrechten „Staatsstreich“ (coup d'état) bezeichnet.
Tatsächlich ist die Abstimmung im Bundestag formal zwar legal, aber ihre Legitimität ist fragwürdig. Da eine Zweidrittelmehrheit im neuen Parlament, das am 23. Februar gewählt wurde, nicht zu erwarten war, weil darin AfD und Linke zusammen mehr als ein Drittel der Sitze innehaben, beschlossen Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) und seine voraussichtlichen Koalitionspartner von der SPD, den neuen Bundestag erst zum spätesten möglichen Zeitpunkt (30 Tage nach der Wahl) zu konstituieren. Statt dessen riefen sie nochmals das alte Parlament zusammen, um die für die Aufhebung der Schuldenbremse notwendigen Grundgesetzänderungen zu beschließen.
Um sein Ziel zu erreichen, machte Merz einen krummen Deal mit den Grünen, der die erforderliche Zweidrittelmehrheit sicherstellte: Er erkaufte ihre Zustimmung mit 100 Milliarden Euro für Klimaschutz und der Aufnahme der Klimaziele ins Grundgesetz. Um maximalen Druck auf die Abgeordneten auszuüben, wurde die Abstimmung öffentlich und namentlich durchgeführt. 512 Abgeordnete stimmten für die Änderungen, 206 dagegen, es gab keine Enthaltungen. Für die Annahme war eine Zweidrittelmehrheit von 489 Stimmen erforderlich.
Das Paket wurde am 21. März auch von der Länderkammer, dem Bundesrat, mit Zweidrittelmehrheit gebilligt. Unabhängig davon riecht die ganze Angelegenheit aber nach einem kalten Putsch in Deutschland durch eine Gruppe, die man als den „Grün-Militärischen-Komplex“ bezeichnen könnte.
Merz brach damit wesentliche Wahlkampfversprechen, nämlich die Schuldenbremse beizubehalten und sich nicht mit den Grünen zu verbünden. Auch wenn Wahlversprechen immer wieder gebrochen werden, ist dieser Verrat beispiellos, denn nun hat Industrieproduktion in Zukunft nur noch Anspruch auf staatliche Unterstützung, wenn sie der Aufrüstung und/oder dem Klimaschutz dient, während gleichzeitig die Schuldenlast durch die Auslagerung vieler Ausgaben in „Sondervermögen“ gewaltig ansteigt.
Sie könnte sogar noch viel stärker zunehmen, als zuvor öffentlich diskutiert wurde. Durch eine von den Grünen durchgesetzte Änderung des im Bundestag verabschiedeten Entwurfs könnte der Schuldenberg auf bis zu 1,7 Billionen Euro anwachsen, sagten Experten gegenüber dem Handelsblatt. Einige Kritiker der Absprachen sprechen sogar von 1,8 Billionen Euro.
Ursprünglich wollten CDU/CSU und SPD Verteidigungsausgaben von der Schuldenbremse ausnehmen, wenn sie 1% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) übersteigen. Die Grünen hätten jedoch durchgesetzt, den Sicherheitsbegriff weiter zu fassen, so das Handelsblatt. Nun dürfen auch „die Ausgaben des Bundes für den Zivil- und Bevölkerungsschutz sowie für die Nachrichtendienste, für den Schutz der informationstechnischen Systeme und für die Hilfe für völkerrechtswidrig angegriffene Staaten“ ausgenommen werden. Diese Formulierung beinhalte die Ukrainehilfen, betont das Handelsblatt.
Die Zeitung zitiert Tobias Hentze vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW): „Eine noch weitere Fassung des Verteidigungsbegriffs beziehungsweise die Einberechnung weiterer Haushaltsposten könnte den Spielraum noch mal vergrößern.“ Nach Hentzes Berechnungen könne der Spielraum „durch die neue Definition allein im laufenden Jahr nun von neun auf 22 Milliarden Euro steigen“. Union und SPD könnten durch den Kompromiß mit den Grünen also zusätzliche Kredite in Höhe von 13 Milliarden Euro aufnehmen – unabhängig von der Schuldenbremse. „Wofür eine neue Bundesregierung den Spielraum nutzt, ist offen und ihr überlassen: Zwischen Mütterrente und Steuersenkungen ist alles drin“, sagt Hentze.
Denkbar wäre beispielsweise, „daß der erweiterte Sicherheitsbegriff noch stärker genutzt wird“. So werde bereits diskutiert, ob nicht auch die Milliarden für Bürgergeldzahlungen an Geflüchtete aus der Ukraine darunterfallen. Ohne Krieg gäbe es keine Geflüchteten aus der Ukraine, zitiert das Handelsblatt den Ökonomen Jens Südekum. Von daher sei es „nachvollziehbar, dies mit einzubeziehen“.
Hinzu kommt ein weiterer, noch ominöserer Aspekt, auf den der Staats- und Verfassungsrechtler Dietrich Murswiek aufmerksam gemacht hat: Wer sich gegen Aufrüstung oder Klimaschutz wendet, könnte künftig zum Verfassungsfeind und Staatsfeind erklärt werden und müßte dann mit Strafverfolgung, Prozessen, Geldstrafen oder Arbeitsplatzverlust rechnen.
Murswiek verweist auf das unheilvolle Beispiel Rumäniens, wo bei der Präsidentschaftswahl die Kandidatur von Calin Georgescu ohne ordentliches Gerichtsverfahren einfach verboten wurde, weil seine euroskeptischen, prorussischen Ansichten als Gefahr angesehen werden.
Mit solchen Manövern wird die Meinungs- und Redefreiheit über Bord geworfen, und an die Stelle der Demokratie, wie wir sie kennen, tritt eine Verschwörung militärischer und/oder grüner Interessen, die die Bürger skrupellos ausplündern und ihre demokratische Mitsprache unterdrücken. Was und wer auch immer den herrschenden Eliten mißfällt, könne als „Gefahr für den Staat“ gebrandmarkt und entsprechend bekämpft werden.
Wie andere Zeitungen auch leidet die Neue Solidarität unter steigenden Kosten und sinkenden Abonnentenzahlen. Angesichts dieser Entwicklung ist das Weiterbestehen unserer Zeitung – jedenfalls in der bisherigen Form – gefährdet. Damit ginge dem deutschsprachigen Raum eine wichtige Stimme der Vernunft verloren.
Ein Aufruf zur Unterstützung unserer Zeitung im vorigen Jahr half uns, das Defizit für das vergangene Jahr auszugleichen, wofür wir uns bei allen Unterstützern herzlich bedanken. Aber um dieses strukturelle Defizit wirklich zu überwinden, brauchen wir vor allem eines:
mehr Abonnenten für unsere Zeitung, was auch das beste Mittel ist, das geistige Defizit im politischen Diskurs der deutschsprachigen Welt zu bekämpfen.
Nutzen Sie unsere Zeitung als ein Instrument, dies zu erreichen! Helfen Sie
uns, neue Leser zu finden, und empfehlen Sie unsere Zeitung weiter. Man kann
Abonnements auch verschenken. Manche unserer Leser haben Mehrfach-Abonnements,
damit Sie die Zeitung an Interessierte weitergeben können. Und natürlich kön-
nen Sie uns auch weiterhin mit Förderbeiträgen helfen.
Vielen Dank!
Alexander Hartmann, Chefredakteur
Bankverbindungen – Empfänger: E.I.R. GmbH, Wiesbaden
Nassauische Sparkasse Wiesbaden
IBAN: DE79 5105 0015 0114 0044 99 – BIC: NASSDE55
Postbank Frankfurt
IBAN: DE93 5001 0060 0330 0216 07 – BIC: PBNKDEFF
Stichwort: Weiter so, Neue Solidarität!