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Die gleichen Leute, die 2007 behaupteten, es gebe keine Systemkrise, behaupten heute, es gebe keine Kernschmelze der Finanzmärkte, und die hohen Börsenverluste 2018 hätten alle ihre besonderen Gründe – wie 10% Verlust des Dow Jones wegen Donald Trumps „Handelskrieg” gegen China, 12,4% in London wegen des Brexit, 18,3% in Frankfurt wegen der Skandale um die Autoindustrie und die Deutsche Bank, 16,5% in Mailand wegen der „populistischen” Regierung in Rom. Weniger leicht erklärbar ist der größte Absturz, nämlich 24,7% in Athen, aber wo sich kein anderer Grund findet, kann man es immer auf „Ansteckung” schieben.
Aber solche Finanzexperten können die Realität nicht wegerklären: Die Blasen der Unternehmensschulden in den transatlantischen Ländern platzen und die riesigen Derivatmärkte stehen vor dem Einsturz. Die Schulden von Unternehmen außerhalb der Finanzbranche sind doppelt so hoch wie 2007: 9,1 Bio.$ verglichen mit damals 4,9 Bio.$. Der Ausverkauf dieser Papiere hat begonnen.
Ein Beleg dafür ist, daß der Wert hochverzinster Unternehmensanleihen im Besitz von Investmentfonds, börsennotierten Fonds (ETFs) usw. seit Mitte November von durchschnittlich 98,5 Cent auf kaum mehr als 90 Cent je Dollar Nennwert gefallen ist. Die Störungen auf den Kreditmärkten sagen viel mehr über die Crashgefahr aus als das Geschehen an den Aktienbörsen.
Die Unternehmensschulden werden zu sog. Collateral Loan Obligations (CLOs) verbrieft, ähnlich wie vor 2007 die minderwertigen Hypotheken. Die Ökonomin Carmen Reinhart weist in einem Artikel für Project Syndicate vom 20.12. darauf hin, daß die großen Wall-Street-Banken zunehmend toxische Schulden über diese CLOs abstoßen und allen möglichen Investoren andrehen, weil ein Crash näherrückt. Diese Praxis der Großbanken, riesige Verluste auf nichtsahnende Anleger abzuschieben, macht es um so dringender, durch ein neues Währungsabkommen international die Bankentrennung wieder einzuführen. Das würde verhindern, daß diese Riesen für Hunderte Milliarden Dollar wertlose „Wertpapiere“ schaffen, um ihre Verluste loszuwerden, und in der Kernschmelze der Bevölkerung ihr Besitz geraubt wird. Zudem warnte die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Form eines Kommentars des Leiters ihrer Währungs- und Wirtschaftsabteilung Claudio Borio vom 10.12. vor einem weiteren Problem: Die Derivat-Clearingstellen, sog. CCPs (Central Counterparties), die nach der Krise 2008 von den großen Banken eingerichtet wurden, um die Derivatrisiken zu minimieren, haben statt dessen selbst enorme Risiken angehäuft und könnten zum Auslöser einer Katastrophe auf diesen Märkten werden.Der Rückzug aus dem Markt der Unternehmensanleihen hat Sorgen über Liquiditätsprobleme der Großbanken ausgelöst. Deshalb forderte US-Finanzminister Steve Mnuchin in einem ungewöhnlichen Schritt einen Tag vor Weihnachten die Chefs der sechs größten US-Banken in Telefonaten auf, deren Liquiditätsstatus zu prüfen, und er gab dies auch öffentlich bekannt. Die letzte vergleichbare „Liquiditätserklärung“ hatte es von Federal-Reserve-Chef Alan Greenspan unmittelbar nach der Lehman-Krise gegeben.
In einer unserer letzten Ausgaben erläuterten wir, warum die Bankenstreßtests in der Eurozone ein Schwindel waren (siehe Neue Solidarität 46/2018). Wie sich herausstellt, lagen wir falsch – weil wir noch stark untertrieben haben! Die Tests waren praktisch ein krimineller Betrug, wie der Skandal um die Verwicklung des Vermögensfonds BlackRock darin zeigt.
Der Skandal hat zwei Ebenen: erstens einen klaren Interessenskonflikt, sprich Korruption, und zweitens die politischen Umstände, unter denen er aufkam.
Zur ersten Ebene: Wie bekannt wurde, hat BlackRock Solutions die Tests 2016 zusammen mit der Unternehmensberatung McKinsey und 2018 alleine durchgeführt. Die Tests 2014 hatte die Beratungsfirma Oliver Wyman organisiert. BlackRock ist der größte Anleger in Bankanteilen auf der Welt und Aktionär mehrerer Großbanken wie Deutsche Bank, Parisbas, Unicredit, ING u.a. Das Wort „Interessenskonflikt“ ist damit also noch untertrieben. Für die „Unterstützung“ 2016 erhielt BlackRock 8,2 Mio.$ von der europäischen Bankenaufsicht EBA. (Das war allerdings noch billig, verglichen mit den 28 Mio.$ für Oliver Wyman 2014.)
Die zweite Ebene führt uns zu einem Briefwechsel zwischen dem Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble und der EBA-Chefin Danièle Nouy, über den die italienische Finanzzeitung Il Sole 24 Ore am 19.12. berichtete. Schäuble übermittelte Nouy eine Anfrage des finanzpolitischen Sprechers der FDP, Frank Schäffler, war aber offenbar mit der Antwort, es bestehe „kein Grund zur Sorge“ über einen Interessenskonflikt, nicht zufrieden. Schäuble forderte dann Il Sole 24 Ore zufolge eine Erklärung über die Prozedur der Auftragsvergabe an externe Unternehmen. Nouy antwortete, BlackRock habe den Auftrag in einem transparenten Ausschreibungsverfahren erhalten, aber bei Oliver Wyman habe es keine solche Prozedur gegeben, „weil uns die Zeit drängte, mit den Tests zu beginnen“. Doch gerade dieser Streßtest 2014 war das Todesurteil für die Bank Monte dei Paschi, die vom Staat gerettet werden mußte.
Seltsamerweise haben alle großen Medien in Italien diese Geschichte aufgegriffen, aber kein einziges in Deutschland – trotz der Verbindung zum Deutschen Bundestag. Das könnte damit zusammenhängen, daß die italienische Regierung Zweifel an der Transparenz der EU-Institutionen anmeldet - aber auch damit, daß einer der Kandidaten für die Nachfolge von Kanzlerin Merkel, Friedrich Merz, Manager von BlackRock in Deutschland war.
Il Sole berichtete weiter am 22.12., es habe schon lange eine Kontroverse um die Vergabe von EU-Aufträgen an BlackRock gegeben. So hätten griechische Bankaufseher dem Investmentfonds 2015 Einblick in die Bücher griechischer Banken verwehrt, und es gab wiederholt Anfragen zu den Aktivitäten des Fonds in Deutschland, im Europaparlament (zweimal), in Spanien, Zypern und Irland.