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Von Helga Zepp-LaRouche
Die kollektive Hysterie, die das neoliberale transatlantische Establishment angesichts der tiefgreifenden strategischen Veränderungen, die sich u.a. in der Präsidentschaft Trumps und der Dynamik der Neuen Seidenstrasse manifestieren, erfaßt hat, stellt ein massenpsychologisches Phänomen der neuen Art dar. Mit einer symbiotischen Verschmelzung von Gruppendenken und Gruppennarzißmus ergehen sich die Vertreter der ach so demokratischen „westlichen Wertegemeinschaft“ in Ausfällen der niedrigsten Art gegen Andersdenkende, ohne daß es ihnen auch nur im geringsten auffiele, wie diktatorisch sie sich aufführen.
Die sicherlich dramatischste Demonstration dieses klinischen Realitätsverlusts ist die pathologische Ereiferung, mit der jede Äußerung von Präsident Trump kommentiert wird. Eines der jüngsten Beispiele ist die Rede Trumps vor der Conservative Political Action Conference (CPAC) in National Harbor im US-Bundesstaat Maryland. Er wies auf das Offensichtliche hin, nämlich, daß die USA in den letzten 15 Jahren sechs Billionen Dollar oder mehr für Kriege im Nahen und Mittleren Osten ausgegeben haben, der sich als Resultat heute in einem dramatisch viel schlechteren Zustand befinde. Falls die bisherigen Präsidenten diese Zeit statt dessen am Strand verbracht hätten, wären heute alle wesentlich besser dran, und mit dem Geld hätte man das eigene Land dreimal wieder aufbauen können. Aber die Medien fanden diese Ansichten keines Kommentars würdig und hyperventilierten statt dessen, daß einige von ihnen, die sich zuvor in besonders bösartiger Berichterstattung gegen Trump hervorgetan hatten, nicht in den Medienpool des Weißen Hauses eingeladen worden waren.
Und wo waren diese Medien und die ihnen gleichgesinnten Politiker, als die Regierungen Bush und Obama, unterstützt von der gesamten „westlichen Wertegemeinschaft“, jahrelang Staaten des Nahen und Mittleren Ostens bombardiert und Terrorgruppen bewaffnet haben, was über einer Million Menschen das Leben gekostet und unsägliches Leid über viele Millionen Familien gebracht hat, ohne das es die Flüchtlingskrise in dieser Form überhaupt nicht gäbe?
Anstatt sich der Aufforderung Trumps, Europa müsse mehr Gelder in die militärische Aufrüstung stecken, einfach zu widersetzen, weil es kein Bedrohungsszenario gibt, weil es den Warschauer Pakt nicht mehr gibt, weil Rußland keine Eroberungsabsichten hat - weder gegenüber den baltischen Staaten, noch gegenüber Polen oder sonst irgendwen -, während sich die NATO und die EU bis an die Grenzen Rußlands ausgebreitet haben, reagieren diese Medien nicht minder hysterisch mit Forderungen nach der atomaren Aufrüstung Deutschlands und der EU. „Braucht die EU die Bombe?“, schrieben kürzlich die Mitarbeiter Peter Dausend und Michael Thumann der ach so liberalen Zeit und verrieten so, wo die eigentlichen Kriegstreiber sitzen - nämlich in den Redaktionstuben dieses Blattes.
Das neoliberale, neokonservative Establishment schafft es einfach nicht, das Scheitern seines Paradigmas zu analysieren und entsprechend zu korrigieren.
Ein weiteres Beispiel für die Absurdität dieses Verhaltens ist das jüngste Vorgehen der EU gegenüber der von China finanzierten Schnellbahnstrecke zwischen Belgrad und Budapest. Diese 350 km lange Strecke, die zum ersten Mal 2013 von Präsident Xi Jinping vorgeschlagen wurde und die die Fahrzeit zwischen diesen beiden Hauptstädten von acht auf drei Stunden verkürzen wird, wird offensichtlich für die betroffenen Länder, Serbien, Ungarn aber auch den gesamten übrigen Balkan von großem Nutzen sein. Aber die EU hat jetzt eine Untersuchung eingeleitet, ob das Projekt sich finanziell trägt (!) und ob es mit den EU- Richtlinien übereinstimmt. Dabei ist Serbien nicht einmal Mitglied der EU!
Den Einwohnern aller Balkan-Staaten ist schmerzlich bewußt, daß die EU keinen einzigen der Transportkorridore verwirklicht hat, die ursprünglich auf der Konferenz der EU-Transportminister 1994 in Kreta beschlossen worden waren, die aber danach allesamt der Austeritätspolitik der EU- Kommission und der EZB zum Opfer gefallen sind. Es sollte also niemanden wundern, daß die zentral- und osteuropäischen Staaten sowie die Balkanländer ihre Zukunft in der Ausweitung der Neuen Seidenstraße, der „Gürtel- und Straßen-Initiative“ Chinas sehen, die ihnen die Perspektive eröffnet, an dem dynamischsten und größten Infrastrukturprojekt teilzunehmen, das die Welt je gesehen hat. Aber anstatt positiv auf die vielen Kooperationsangebote Chinas einzugehen und die enormen wirtschaftlichen Chancen wahrzunehmen, die in der Kooperation aller Staaten Eurasiens in einer Win-Win- Zusammenarbeit liegt, versucht die neoliberale EU- Bürokratie, aus einer Position der Schwäche eine Kontrolle auszuüben, die sie angesichts des desolaten Zustands der EU längst verloren hat.
Die Global Times schrieb dazu: „Die EU geht offensichtlich durch schwere Zeiten und versucht offensichtlich, ihre Autorität zu beweisen, indem sie Untersuchungen und Neubewertungen anordnet, aber die EU befindet sich in einer Sackgasse. Es ist unklar, wessen Interessen die EU-Untersuchung dienen soll.“ China werde versuchen, die EU von den Vorteilen der Kooperation zu überzeugen.
Weniger begriffsstutzig ist die in London ansässige zweitgrößte Beraterfirma der Welt, PricewaterhouseCoopers, die in 152 Staaten mit 756 Niederlassungen und 223.000 Angestellten operiert. Sie veröffentlichte soeben eine umfangreiche Studie mit dem Titel: PwC B&R Watch: China and Belt and Road Infrastructure; 2016 Review and Outlook, in der mit Hilfe vieler Karten und Illustrationen dargestellt wird, welch enormes Potential Chinas Seidenstraßen-Initiative hat. Sie betreffe schon jetzt drei Kontinente und 66 Staaten und erstrecke sich von Litauen bis Indonesien, die alle von einem explosiven Wachstum profitierten, und sie bringe enorme Vorteile für Verkehr, Energiegewinnung, Kommunikation, Gesundheitssektor und viele weitere Bereiche.
Das merkwürdige Verhalten der EU ist längst Gegenstand von Diskussionen in Asien. So fragte schon vor fast einem Jahr die S. Rajaratnam School of International Studies in einem Papier, ob die EU den Zug der Neuen Seidenstraße schon verpaßt habe. Die europäischen Medien fokussierten ausschließlich auf chinesische Übernahmen und versäumten vollständig, das enorme Potential zu beleuchten, das sich aus der Kooperation mit China für alle Seiten ergäbe. Infolgedessen seien die Bürger Europas extrem schlecht informiert.
Auch wenn die Karnevalssitzung „Mainz wie es singt und lacht“ keinesfalls so wichtig ist, wie es dem einen oder anderen Schwellkopp vielleicht erscheinen mag, eignet sich die diesjährige Version doch sehr gut, um exemplarisch den bösartigen Charakter des Gruppennarzißmus des Establishments zu beobachten, das zumindest selektiv im Publikum versammelt war. Einige der Beiträge, wie z. B. die von Hanz-Peter Betz und Lars Reichow, hatten mit Humor so gut wie nichts mehr zu tun und waren lediglich giftige Beleidigungen auf dem allerniedrigsten Niveau gegenüber Trump, auf die - wenn man der Kameraführung glauben will - das Publikum mit Zustimmung reagierte.
Diese Beiträge verrieten nicht nur einfach schlechten Geschmack, sie reflektieren eine Aggression, die deutlich macht, wie brüchig die politische Lage ist, und wie dünn die Fassade der „westlichen Wertegemeinschaft“ bereits geworden ist. Hinter dieser Fassade befindet sich genau der Alleingeltungsanspruch, der mit der unipolaren Weltordnung verbunden ist, der die Kriege im Nahen und Mittleren Osten, die auf Lügen aufgebaut waren, keine einzige Demonstration wert waren. Genau aus dem Grund weinen die neoliberalen Neokons dem „netten“ Obama hinterher. Und es dürfte weniger Trump sein, der Schwierigkeiten hat, Deutschland auf der Weltkarte zu finden, wie einer dieser sogenannten Komiker meinte, als sie selbst, wenn es darum geht, zu wissen, wo der Jemen auf der Karte zu finden ist.
Die Welt wird sich in den nächsten Monaten weiterhin so dramatisch verändern, wie wir das im vergangenen Jahr gesehen haben. Wenn wir Glück haben, wird es so kommen, wie es schon das letzte Mal war, als ein System zu Ende ging: Es wird viele Wendehälse geben, und einige werden Betonköpfe bleiben. Der Unterschied ist, daß es diesmal eine große Anzahl von Staaten gibt, die bereits dabei sind, eine völlig neue Art der Kooperation zwischen den Staaten zu etablieren. Die europäischen Nationen haben die Wahl, entweder bei der Schicksalsgemeinschaft für die Zukunft der Menschheit zu kooperieren, oder bald zu denen zu gehören, die „unter ferner liefen“.