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Neue Solidarität
Nr. 18, 4. Mai 2017

Krisensignale bei Unternehmensanleihen:
Experten warnen vor neuer Bankenpanik

Während die westlichen Regierungen noch von einer Erholung der Wirtschaft reden und den Anschein zu erwecken versuchen, als sei die Finanzkrise überstanden, zeigen die jüngsten Meldungen über den Zustand des Finanzsystems, daß die Realität eine ganz andere ist. So sind die ausstehenden Schulden der amerikanischen Unternehmen außerhalb der Finanzbranche inzwischen auf knapp 14 Billionen Dollar angewachsen, gegenüber nur 8 Billionen vor zehn Jahren – und in dieser Blase zeigen sich nun die ersten Risse als Vorboten eines gewaltigen Finanzkrachs am Horizont des laufenden Jahres, der die Wirtschaft erneut schwer treffen würde. Wenn die Blase der Unternehmensschulden platzt, wird der dadurch ausgelöste Krach schlimmer sein als der nach dem Platzen der 11 Billionen Dollar umfassenden Hypothekenblase 2007-08, unter der die Menschen bis heute leiden.

Tatsächlich zeigen sich die Vorboten der Krise bereits in den Meldungen von drei der größten Banken. So ist das äußerst schwache Ergebnis von Goldman Sachs im ersten Quartal 2017 vor allem auf Verluste mit notleidenden Unternehmensanleihen zurückzuführen, die festverzinslichen Einkünfte waren auf 1,6 Mrd.$ gesunken, das schlechteste Ergebnis seit  zehn Jahren. Die Bank betreibt ihr Geschäft mit Unternehmens- und „Industrieanleihen“ über ihre Filiale in Salt Lake City. Die Salt Lake Tribune berichtete am 24. April: „Goldman Sachs’ festverzinsliche Einkünfte waren im ersten Quartal so unerwartet schwach, daß die Umsatzmeldung der vergangenen Woche die Aktien ins Trudeln brachten und an der Wall Street gefragt wurde, was da wohl geschehen sei. Die Händler machten Verluste durch eine Konstellation wachsender Schulden... Die Banken haben zig Millionen Dollars an Verlusten mit Unternehmen gemacht, mit Unternehmen wie Peabody Energy und Energy Futures Holdings Corp. Auch Anleihen von Einzelhändlern wie Rue 21 Inc., Gymboree und Claire’s Stores seien ,sauer geworden’, sagt man.“

Eine Bloomberg-Überschrift am 27. April lautete: „Wells Fargo, JP Morgan Chase vorsichtig bei Auto-Anleihen, bündeln sie in Bonds“. Die Geschichte klingt wie aus dem Film The Big Short, auch wenn die Details kompliziert sind: Die beiden Banken hätten ihre zweitklassigen Auto-Anleihen „dramatisch“ zurückgefahren, um 35-50%, und sie tilgen die bereits vergebenen Auto-Anleihen aus ihren Büchern, indem sie diese mit anderen Wertpapieren bündeln und dann als besicherte Wertpapiere mit Derivaten an „Geldmarkt-Manager“ weiterverkaufen. Morgan leiht diesen Managern sogar Geld, damit sie noch mehr von diesen Papieren kaufen können. „Indem sie den Geldmanagern die Chance geben, in Schulden zu investieren, die die Banken selbst immer zögerlicher in die Hand nehmen, können sie wenigstens den Anschein erwecken, als gäben sie diesen Schrott an Kunden weiter“, wird ein Investmentberater zitiert.

In der gleichen Weise hatte die Wall Street 2007-08 toxische Hypotheken-Bonds, Kreditausfall-Swaps (CDS) und Pfandbesicherte Obligationen (CLO) an andere, noch größere Narren in aller Welt weitergereicht, als der Krach dieser toxischen Werte bevorstand.

Bloomberg meldete noch ein weiteres böses Omen: „Die Kreditvergabe der 15 größten regionalen Banken der USA ging im ersten Quartal um 10 Mrd. auf 1,73 Billionen zurück. Dies ist nach den von Bloomberg erhobenen Daten der erste solche Rückgang im Vergleich zum Vorquartal in fünf Jahren... Ein Einbruch bei den Unternehmens- und Industriekrediten hat das Wachstum geschwächt.“

American Banker berichtete am 25. April über ein Beispiel der Fifth Third Bank, einer großen Regionalbank in Cincinnati: „Der Rückzug aus den Autoanleihen ist dem Vernehmen nach eine bewußte Entscheidung, die Vergabe von Autokrediten mit geringen Erträgen zu reduzieren, um die Kapitalerträge zu steigern, während der Rückgang der C&I- [Unternehmens- und Industrie-] Kreditvergabe als ein bewußter Ausstieg beschrieben wurde...“

Die Kreditvergabe an Unternehmen und Industrien ist seit sechs Monaten nicht mehr gewachsen und das Wachstum der Bankkredite insgesamt plötzlich stark zurückgegangen. All das sind Anzeichen dafür, daß die durch Aktienrückkäufe, Firmenfusionen und -übernahmen, finanzielle Tricks und Gelddrucken aufgeblähte Blase der Unternehmensschulden nun ihren Höhepunkt überschritten hat und sich auf dem Weg in große Schwierigkeiten befindet.

Die verheerenden Folgen des Gelddruckens

Schon im März hatte die bekannte Finanzanalystin und Buchautorin Nomi Prins in einem Interview mit dem EIR-Wirtschaftsredakteur Paul Gallagher vor einer „kommenden Bankpanik“ gewarnt und erklärt, warum es ihrer Meinung nach zu seiner solchen Panik kommen wird. „Ich bin davon überzeugt, weil die Krise oder Bankpanik von 2008 niemals wirklich gelöst wurde; man hat sie nur vor sich hergeschoben... Als wir 2008 die Krise hatten und es alle diese gegenseitigen Abhängigkeiten zwischen den größten Banken gab – nicht nur in den Vereinigten Staaten, wenn auch vor allem dort, aber in der ganzen Welt –, da war die Lösung, daß die Federal Reserve die Zinsen auf Null gesenkt und das Programm der Quantitativen Erleichterung begonnen hat. Und sie hat dieses Programm weiter ausgeweitet, um die Liquidität und die Kreditflüsse zu unterstützen, nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern auf der ganzen Welt.“

Zehn Jahre lang wurden die Märkte koordiniert weiter in die Höhe getrieben und den Banken geholfen, ihre Liquidität zu erhalten. „An irgendeinem Punkt wird man bei dieser Strategie nachgeben müssen. Die Federal Reserve hat die Zinsen inzwischen schon um 75 Basispunkte angehoben, zwischen Dezember 2015 und März 2017, also um 25 Basispunkte pro Jahr. Das ist keine große Zahl. Aber während die anderen Zentralbanken die Zinsen entweder negativ oder bei Null halten – sodaß das Gleichgewicht des kostenlosen Geldes weltweit aufrecht erhalten bleibt –, wird dadurch die Möglichkeit weiterer Zahlungsausfälle in das System eingeführt.“

Das Geld der Zentralbanken sei in die Finanzmärkte geflossen: „Einerseits ist die Reaktion der Märkte auf das viele billige Geld, daß sie weiter steigen – das Geld kann sonst nirgendwo hin. Anleihen bringen keine nennenswerten Zinsen, hochwertige Anleihen jedenfalls nicht, und so wird das Geld auf die Aktienmärkte gelenkt, was den Charakter einer sich selbst erfüllenden Finanzblase hat. Aber wenn die Zinsen wieder zu steigen beginnen, müssen alle diese Schulden, die in dieser Periode geschaffen wurden, mit potentiell höheren Kosten zurückbezahlt werden, als man erwartet hatte. Und deshalb muß man in Betracht ziehen, daß all diese Unternehmenskredite, die man vergeben hat, all das Geld, mit dem die Welt geflutet wurde, plötzlich zurückgezogen werden.

Wir sehen bereits die Anfänge davon, seit der Zinsanhebung der Fed 2015, nämlich daß die Ausfälle bei den Unternehmensanleihen, auch bei den in Dollar ausgewiesenen Unternehmensanleihen weltweit, größer wurden als irgendwann seit Beginn der Krise. Dann hatten wir eine zweite Welle davon 2016. Die Kreditausfälle in der Welt der Unternehmen wachsen also fast im Gleichschritt mit den Zinsanhebungen.“

An einem gewissen Punkt werde dies eine Lage herbeiführen, „in der diese Unternehmen Schwierigkeiten bei der Rückzahlung haben, insbesondere auf den aufstrebenden Märkten außerhalb der Vereinigten Staaten – das wird ihre Märkte treffen. Es fängt an, den US-Markt zu treffen, denn das Vertrauen und die Kredite fangen weltweit an, zu zerbrechen. Das wird für die Vereinigten Staaten vielleicht an der Peripherie beginnen, aber dann wird es in die Vereinigten Staaten zurückschlagen.“

Das gleiche gelte für Europa. „Es herrscht große Volatilität auf den europäischen Märkten – auch wenn es ihren Aktienmärkten sehr gut gegangen ist, weil es die Politik der Europäischen Zentralbank war, die Zinsraten negativ zu halten und weiter Wertpapiere aufzukaufen; im Grunde, das System mit Geld zu fluten. Wenn das anfängt, teurer zu werden, dann werden auch die Ausfälle bei den Unternehmenskrediten in Europa weiter zunehmen.“

Prins betonte: „Wir sind also wirklich an einem viel gefährlicheren Punkt als vor der Finanzkrise 2008, weil die Welt jetzt auf einem viel größeren Schuldenberg sitzt. Derzeit liegt das Verhältnis der Schulden zum BIP weltweit bei etwa 3:1 – rund 325 Billionen ($) an Schulden stehen vielleicht 100 Billionen an BIP gegenüber.“ Vor der Finanzkrise habe es noch knapp weniger Schulden als BIP gegeben, „das ist also weltweit stark angewachsen“.

Das eigentliche Problem: Die Derivatmärkte

Aber wie schon in der Hypothekenblase 2007-08 liegt das eigentliche Problem nicht so sehr in der Schuldenblase an sich, sondern noch viel mehr in dem gewaltigen Berg an Finanzderivaten, der sich auf diese „Werte“ stützt. Wie wir berichteten, versuchen die Bankaufsichtsbehörden, dieses Problem zu vertuschen, beispielsweise indem sie bei ihren „Streßtests“ darauf verzichten, den wahren Wert dieser Bestände in den Büchern der Banken zu überprüfen. So berichtete die italienische Finanzzeitung Il Sole 24 Ore am 17. März, daß die Europäische Zentralbank (EZB) und ihr Einheitlicher Bankenaufsichtsmechanismus (SSM) 2014 und erneut 2016 die Level-3-Derivatgeschäfte der Deutschen Bank bewußt nicht geprüft hat, weil dies angeblich 1. zu lange dauern würde und 2. der SSM fachlich dazu nicht kompetent sei. Level 3-Papiere haben keinen Preis, weil es für sie keinen Markt gibt. Sie sind so toxisch, daß Geschäfte mit ihnen „nur auf gutem Glauben basieren“, wie ein Bankexperte EIR sagte. Faktisch ist ihr Wert null, dennoch dürfen die Banken sie nach eigenen Rechenmodellen bewerten. So gab die Deutsche Bank Ende 2015 den Wert ihres Level-3-Giftmülls mit 31 Mrd. € an!

Das Platzen der Blase der Unternehmensschulden wäre wie das Platzen der Hypothekenblase 2007 der Detonator, der auch das noch viel gewaltigere Kartenhaus der Finanzderivate zum Einsturz brächte.

Die Regierungen und die Öffentlichkeit hätten diese Krise abwenden können, als sich vor zehn Jahren die verheerenden Folgen der Fehlentscheidung, die mit dem Glass-Steagall-Gesetz vorhandene Bankentrennung abzuschaffen, gezeigt hatten. Aber anstatt zum Trennbankensystem zurückzukehren, akzeptierte der US-Kongreß Präsident Obamas Pseudo-Bankenreform Dodd-Frank, die den Großbanken die Fortsetzung ihrer Zockergeschäfte erlaubte.

Heute gibt es noch einmal die Chance, die Fehler der Vergangenheit zu korrigieren. Aber dazu muß nicht nur Glass-Steagall wieder in Kraft gesetzt werden, sondern auch die übrigen der von Lyndon LaRouche vorgelegten „Vier Gesetze“ (s. Neue Solidarität 24/2014) müssen umgesetzt werden. Und dies muß bald geschehen, bevor der zu erwartende Finanzkrach losbricht.

pbg/alh