|
|
Zum erstenmal in der Geschichte der Fünften Republik in Frankreich werden keine Kandidaten der traditionellen rechten und linken Parteien in der Stichwahl der Präsidentschaftswahl am 7. Mai vertreten sein. Die Sieger der ersten Wahlrunde sind der polymorphe Schein-„Zentrist“ Emmanuel Macron (23,7%) und Marine Le Pen (21,5%) von der rechtsextremen Nationalen Front.
Der Kandidat der Sozialistischen Partei hatte mit nur 6,5% ein niederschmetterndes Ergebnis, nachdem viele Spitzenpolitiker der Partei (indirekt auch Präsident Hollande) statt Benoît Hamon, den die Parteibasis in einer Vorwahl ausgewählt hatte, Macron unterstützten.
Offensichtlich wollte die große Mehrheit der Franzosen ihre Stimme nicht vermeintlich „verschenken“, sie wählten keine Ideen, keiner der „kleinen“ Kandidaten erhielt mehr als 1,2%.
Jacques Cheminade war, obwohl er nur 65.000 Stimmen (0,2%) erhielt, mit dem Erfolg seiner Kampagne sehr zufrieden, weil seine Botschaft, daß Frankreich sich von der „finanziellen Besatzung“ befreien und sich ein großes Zukunftsprojekt vornehmen muß, weite Verbreitung fand. Er hat erklärt, daß er im zweiten Wahlgang weder für Le Pen noch für Macron stimmen wird.
Am Abend des 23. April dankte er in Paris allen Aktivisten, die unermüdlich für seine Kampagne arbeiteten, und allen Wählern, die den Mut hatten, auf Prinzipien zu setzen. „Mit sehr wenig konnten wir mehr tun als andere mit viel. Denn wir haben die Herausforderungen unserer Zeit aufgegriffen. Wir öffneten eine Tür im Frankreich von heute, wo die Franzosen von der ,geschlossenen Gesellschaft’ der Insider genug haben“, aber noch nicht überzeugt sind, daß etwas anderes möglich ist.
Er fuhr fort: „Wir müssen das, was in diesem Wahlkampf erreicht wurde, ausnutzen. Wir haben angefangen, die Tür zu öffnen, was es uns erlauben wird, weiterzugehen, indem wir andere inspirieren. In diesem Wahlkampf hatte ich oft den Eindruck, daß die Wirklichkeit geleugnet wurde, weil die grundlegenden Herausforderungen kaum angesprochen wurden.“
Das erste dieser großen Themen sei „die finanzielle Besatzung“, die Cheminade als einziger attackierte. Die Franzosen hätten noch nicht erkannt, „was auf sie zukommt“, besonders in Form sozialer Austerität, die von Finanzmächten im Ausland und ihren Kollaborateuren im Inland betrieben werde. Das zweite seien die humanitären Krisen des 21. Jahrhunderts, besonders die Knappheit an Wasser und Nahrung für die Weltbevölkerung. Die dritte Herausforderung sei die Kriegsgefahr. „Es war viel von nationaler Souveränität die Rede, aber das war nur heiße Luft.“
Frankreich müsse seine nationale Unabhängigkeit wiedergewinnen, ob gegenüber Trump, Putin oder allen anderen. Dann könne man außenpolitische Beziehungen auf der Grundlage von Entspannung, Bündnissen und Zusammenarbeit aufbauen.
Nachdem nun die Tür halb offen sei, „können wir der Katalysator wirklicher Veränderung und Inspiration werden. Aber unter einer Bedingung: daß wir weiter dafür kämpfen.“ Dieser Wahlkampf habe seiner Bewegung viele Vorteile verschafft. Alle, die von seinen Ideen angezogen und fasziniert waren, aber das Gefühl hatten, einen Kandidaten mit besseren Siegeschancen wählen zu müssen, seien nun offener dafür, mitzukämpfen.
Es gebe keine Lösung, die in die Vergangenheit zurückführt, schloß Cheminade. „Wir müssen die heutige Lage aus der Sicht der Zukunft betrachten. Das Beispiel, das ich gerne verwende, ist General de Gaulle, der aus Frankreich nach London geht [um ab 1940 vom Exil aus den Widerstand anzuführen], um Frankreich zu verkörpern, trotz allem, was damals aus den Franzosen geworden war.“
eir