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Neue Solidarität
Nr. 17, 27. April 2017

Cheminades Beiträge zur nationalen Debatte in Frankreich

Von Christine Bierre

Anders als bei früheren Präsidentschaftswahlkämpfen erhalten Jacques Cheminade und seine Positionen diesmal die gebührende Aufmerksamkeit in den Medien.

Sehr zum Ärger der herrschenden Eliten, die unter der Präsidentschaft von François Hollande ihr bestes taten, um den „kleinen“ Kandidaten die Qualifizierung für eine Teilnahme am Wahlkampf zu erschweren, kandidiert Jacques Cheminade derzeit zum dritten Mal für das Amt des französischen Staatspräsidenten.

Diesmal profitierte Cheminade – zweifellos aufgrund der Krisen in der EU und in Frankreich – von einer sehr viel ausgewogeneren Behandlung durch die Massenmedien, von denen viele ihm ohne Verleumdungen oder Unterstellungen erlauben, sein Programm zu präsentieren. In den ersten drei Wochen seit der offiziellen Zulassung der elf Kandidaten erhielt Cheminade aufgrund der „Proportionalitätsregel“, die eine Berichterstattung nach der verhältnismäßigen Bedeutung der Kandidaten vorschreibt, bereits mehr Wahlkampfberichterstattung als bei der gesamten letzten Präsidentschaftswahl. Und in den letzten beiden Wochen des Wahlkampfs vor der ersten Runde der Präsidentschaftswahl am 23. April gilt die „Gleichheitsregel“ für die Berichterstattung der Medien, d.h. alle Kandidaten müssen unter gleichen Umständen gleiche Zeit und Umfang an Berichterstattung erhalten.

In diesem Kontext gab es über seine wichtigsten Wahlkampfthemen – nämlich „Frankreich von der finanziellen Besetzung befreien“ durch eine Bankentrennungsreform und den Austritt aus Euro, EU und NATO – sehr umfangreiche Berichterstattung. Das Thema „finanzielle Besetzung Frankreichs“ und „Kollaboration“ der Eliten mit diesem System wird als ein scharfer, schockierender Angriff empfunden, weil er damit natürlich bewußt an die Geschichte der Besetzung des Landes durch die Nazis erinnert.

Viele Interviewer stellen die Frage: „Wer sind die – die Besatzer?“ Cheminade erläutert es anhand von Beispielen: 1979 hatte Frankreich umgerechnet 239 Mrd. Euro Schulden, im wesentlichen bei französischen Banken; heute sind es 2170 Mrd. Euro, die von 19 internationalen „systemrelevanten“ Banken gehalten werden, darunter die größten französischen Banken, aber auch HSBC, Royal Bank of Scotland, Deutsche Bank, Santander, UBS, etc. Wenn man von Besatzung spreche, dann spreche man automatisch auch von den „Kollaborateuren“ dieses Systems: den großen französischen Banken, den 30.000 Lobbyisten in Brüssel und Mario Draghis EZB, die jeden Monat 80 Mrd. Euro (derzeit 60 Mrd. Euro) in die Banken pumpt.

In den zahlreichen Interviews, die Cheminade jeden Tag in den nationalen und lokalen Medien gibt, wird auch über Cheminades langfristige Vorschläge für den Kampf für die gemeinsamen Ziele der Menschheit als Gemeinschaftsprojekte mit anderen Nationen berichtet: über die Weltraumforschung, die Erforschung und sinnvolle Nutzung der Ozeane, über deren Tiefen wir weniger wissen als über die Oberfläche des Mondes, die aber reich sind an seltenen Metallen, sowie die Entwicklung Afrikas.

Cheminades Programm fordert, daß Frankreich dringend seine wirtschaftliche und finanzielle Souveränität von der EU zurückgewinnen und seine eigene Nationalbank gründen muß. Cheminade würde jedes Jahr 100 Mrd. Euro an öffentlichem Kredit schöpfen, was 4,5% des französischen BIP entspricht, um mit Rooseveltschen Methoden jedes Jahr eine Million Arbeitsplätze zu schaffen: Kindergärten für die Kleinen, Dienstleistungen für die Senioren, Wiederaufbau und Ausbau der nationalen Infrastruktur, und Großprojekte für die Zukunft, wie die Raumfahrt, die 4. Generation der Kernkraft, Kernfusion, Robotik und 3D-Produktion etc.

Auch dies wird – anders als in früheren Wahlkämpfen – nicht sofort ins Lächerliche gezogen, aber einige seiner Gesprächspartner fragen schockiert, ob er die Gelddruckerpresse einsetzen will, um Arbeitsplätze zu schaffen. Zur Antwort verweist Cheminade darauf, daß der „Falschmünzer“ und frühere Goldman-Sachs-Banker Draghi genau das schon längst tue! Wenn man wie Draghi ein Jahr lang jeden Monat 80 Mrd. Euro in die europäischen Banken pumpt und diesen Betrag durch 12,5 teilt – Frankreichs Anteil am europäischen BIP –, dann entfallen von dem „neugedruckten“ Geld 125 Mrd. Euro auf Frankreich – also weniger als die 100 Mrd. Euro, die Cheminade verlangt. Aber unter Cheminade würde man mit diesem Geld nicht die Banken stützen, sondern es flösse in den Aufbau der Wirtschaft.

Außerdem präsentiert Cheminade innovative Ideen für Kultur und Bildung, für die Wiederherstellung eines hohen Bildungsniveaus in den französischen Gymnasien, für die Modernisierung der multimodalen Verkehrsinfrastruktur und für eine ausreichende französische militärische Abschreckung, die verloren zu gehen droht.

Nationale Fernsehdebatte

Am 4. April nahm Cheminade an einer nationalen Fernsehdebatte der elf Kandidaten teil, die der private Sender BFM-TV veranstaltete. Erstmals überhaupt erklärten sich die „großen“ Kandidaten Marine Le Pen, Emmanuel Macron, François Fillon, Jean-Luc Mélenchon und Benoit Hamon bereit, sich in einer Debatte auch den „kleinen“ Kandidaten zu stellen – Nicolas Dupont Aignan, Jacques Cheminade, Nathalie Arthaud, Philippe Poutou, François Asselineau und Jean Lassale. Zuvor hatte der nationale private Sender TFI bereits eine ähnliche Debatte zwischen den fünf „Großen“ veranstaltet, was jedoch zu Protesten geführt hatte, sodaß sich die Sender gezwungen sahen, auch die „Kleinen“ zuzulassen, um die Fassade der Demokratie zu wahren.

Es geschah, was zu erwarten war: Die „kleinen“ Kandidaten haben die „großen“ kräftig gebissen, was diese in den Umfragen deutlich zu spüren bekamen. Nach der Debatte fielen die beiden führenden Kandidaten Le Pen und Macron, die als Favoriten besonders angegriffen wurden, auf 23% bzw. 22% zurück. Fillon liegt bei 20%, Mélenchon stieg auf 19%, Hamon fiel auf 7% zurück. Die Anteile der übrigen Kandidaten sind nicht bekannt, weil sie in der Berichterstattung unter „Sonstige“ zusammengefaßt werden.

Cheminade konnte vor allem in der ersten Hälfte der insgesamt vier Stunden langen Debatte den Ton angeben. Aber viele der anderen Kandidaten haben sich in den letzten Jahren bei Cheminades Vorschlägen bedient und sie übernommen – allerdings lediglich als einzelne Punkte in ihren ansonsten völlig unkohärenten Programmen. So wollen sieben der elf Kandidaten die Sanktionen gegen Rußland aufheben und sechs sind sog. „Euroskeptiker“.

Aber keiner der anderen Kandidaten hat den Mut, die „Märkte“ und die Finanzoligarchie anzugreifen, und genau das war der Vorwurf, den Cheminade gegen die beiden führenden Kandidaten Le Pen und Macron erhob. Zunächst wendete er sich an Le Pen und konfrontierte sie damit, daß ihr enger Berater Bernard Monot nach einem Treffen mit Vertretern der Londoner City, die herauszufinden wollten, was Le Pen im Fall ihrer Wahl zur Präsidentin tun würde, in einem Interview erklärte, er sei „ein Mann der Märkte – unser Wunsch ist es, die Finanzmärkte zu beschwichtigen“. Cheminade fragte Le Pen: „Wie wollen Sie die Arbeitsplätze schaffen, von denen Sie sagen, daß Sie sie schaffen werden, wenn Sie die Regeln der Märkte akzeptieren, die sie zerstören?“ Dann wandte er sich Macron zu und sagte: „Als Sie (als Berater des Präsidenten für Wirtschafts- und Finanzpolitik) im Elysée waren, haben Sie die Bankentrennung, die Hollande versprochen hatte, nicht durchgeführt, und Sie wollen die Märkte nicht angreifen.“ Er schloß: „Der gemeinsame Nenner von Ihnen beiden ist: Sie wollen die Märkte nicht angreifen. Und das müssen Sie zugeben.“

Dann kam Cheminade auf das Thema Europa zu sprechen:

Weitere wichtige Punkte, die Cheminade ansprechen konnte, sind der Kampf gegen den Terrorismus, die notwendige Beendigung von Frankreichs Vorherrschaft über die afrikanischen Währungen durch den CFA-Franc, und statt dessen der Aufbau großer Entwicklungsprojekte dort.

Schließlich hatte Cheminade noch Gelegenheit zu einem schönen Schlußwort. Er sagte, wir müssen die „glücklichen Tage“ der Befreiung von den Nazis zurückgewinnen, aber dies sei mit den gegenwärtigen Institutionen unmöglich. Wir müssen uns „von der heutigen finanziellen und kulturellen Besetzung befreien“. Dazu müsse man das finanzielle Joch abwerfen, das uns unterdrückt, und auf „öffentlichen Kredit für die Zukunft“ setzen, auf die Bankentrennung, um das Finanzsystem von den Spekulationen zu säubern, die Beseitigung der faulen Schulden, eine Politik der Schaffung realer Werte und realen Wachstums.

Dann, schloß er mit einem Zitat aus der Torah, „werden wir in der Lage sein, jedermann mit einem schönen Gesicht zu empfangen“.

Weitere Höhepunkte

Zu den wichtigen Auftritten Cheminades im nationalen Fernsehen in den letzten beiden Wahlkampfwochen gehörte auch ein 20 Minuten langes Interview in FT1 zur besten Sendezeit in den Abendnachrichten, womit er mehr als fünf Millionen Menschen erreichte. Als die Journalisten boshafte Fragen stellte, gab ihnen Cheminade resolute Antworten.

Außerdem reiste Cheminade durch das Land und veranstaltete Treffen auf den Straßen in Lyon und größeren Orten der Umgebung wie Villefontaine, aber auch in Montpellier und in Toulouse, der Heimat der wichtigsten Industrien und Forschungszentren für die Luft- und Raumfahrt. In diesen Orten versammelten sich jeweils etwa 20 bis 40 Menschen um den Kandidaten und stellten gute Fragen. In der Region Toulouse besuchte Cheminade, begleitet von einem Schwarm von Journalisten, ein landwirtschaftliches Labor.

Ein weiterer Höhepunkt des Wahlkampfs war ein einstündiges Interview in BFMTV/RMC mit dem bekannten Radiomoderator Jean-Jacques Bourdin, das in jeder Hinsicht exzellent verlief. In vielen Fernsehberichten wird die Tatsache angesprochen, daß Cheminade die Ideen von Lyndon LaRouche vertritt – manchmal sachlich, manchmal auch mit einer bösartigen Färbung. Viele bezeichnen LaRouche als einen „Verschwörungstheoretiker“, aber etliche verzichten auch auf solche Unterstellungen. Bourdin zeigte in dem Interview Ausschnitte aus einem Interview, das LaRouche 1995 dem nationalen französischen Fernsehsender France2 gegeben hatte, das aber nie ausgestrahlt worden war; LaRouche legt darin dar, daß Cheminade in seinem Wahlkampf die Pariser Eliten, die jeden Realitätssinn verloren hätten, angreift und sich statt dessen an die Menschen in der Provinz wendet. Als zwei bekannte Journalisten (Zemmour und Naulleau) versuchten, Cheminade in die Enge zu treiben und zu nötigen, sich von LaRouche zu distanzieren, indem sie fragten: „Geben Sie zu, daß...“, antwortete er:

„Ich akzeptiere voll und ganz die Tatsache, daß LaRouche zusammen mit dem Außenminister von Guyana bei der Colombo-Konferenz der Blockfreien Bewegung intervenierte, um eine neue Weltwirtschaftsordnung zu fordern... Ich akzeptiere voll und ganz, daß sich LaRouche mehrfach mit [der damaligen indischen Premierministerin] Indira Gandhi getroffen hat, und einmal mit [dem mexikanischen Präsidenten] José López Portillo, dem er riet, die ,Schuldenbombe’ einzusetzen; ich akzeptiere, daß LaRouche sich mit [dem damaligen Präsidenten des Jüdischen Weltkongresses] Nahum Goldman und mit [dem damaligen führenden israelischen Politiker] Abba Eban getroffen hat, und ich akzeptiere sogar, daß er bei einer Gelegenheit [den damaligen israelischen Premierminister] Ariel Scharon unterstützt hat, der zwar nicht gerade eine ,Taube’ ist, aber weit vernünftiger war als seine Nachfolger...“ An diesem Punkt konnten die beiden Journalisten nur noch aufgeben und „Halt!“ rufen...

Der politische Kampf wird weitergehen

Mit diesem kurzen Überblick soll ein Einblick vermittelt werden, daß sich in Frankreich (und nicht nur dort) „etwas tut“. Die Bedingungen für eine generelle Debatte, wie sie für Krisenzeiten notwendig und typisch ist, wurden diesmal spürbar besser als bei früheren Wahlkämpfen erfüllt. Offenbar sind führende Kreise an einem bestimmten Punkt zu dem Schluß gelangt, daß man Cheminades Ideen anhören muß, und haben dafür gesorgt, daß viele dieser Ideen in die Interviews einflossen – etwa in Form passender Zitate und Bezüge zu den unzähligen „Vergleichsstudien“ über die Positionen der Kandidaten, die im Internet zu finden sind. Die verschiedenen Interessengruppen, die ihre Fragebögen an die Kandidaten schickten, haben seine Antworten zusammen mit denen aller anderen Kandidaten auf ihren Internetseiten veröffentlicht. Wenn die Franzosen also wissen wollen, wer Cheminade ist und wofür er steht, dann haben sie also sehr viele Möglichkeiten dazu.

Bei Redaktionsschluß – knapp eine Woche vor dem ersten Wahlgang – ist der Ausgang immer noch nicht abzusehen. Die führenden Kandidaten liegen in den Umfragen sehr eng beieinander: Le Pen bei 23%, Macron, der Mann der Banken, bei 22%, Fillon bei 20% und Mélenchon als Galionsfigur der Linken bei 19%. Dieser alte Mitstreiter Mitterrands, der sich inzwischen zum Volkstribunen gemausert hat und als ein französischer Tsipras oder Hugo Chavez präsentiert, hat zwar etliche Ideen Cheminades aufgegriffen, wie die Weltraumforschung oder die Bankentrennung, verbindet dies jedoch mit der kontraproduktiven Forderung, de Gaulles Fünfte Republik abzuschaffen und zu einer Neuauflage der parlamentarisch geprägten Dritten Republik zurückzukehren, die er als die Sechste Republik bezeichnet. Wenn Le Pen wie zu erwarten in den zweiten Wahlgang gelangt, würde sie mit Sicherheit verlieren, es sei denn, ihr Gegenkandidat heißt Mélenchon. Aber wer auch immer die Wahl gewinnt, schon jetzt ist klar, wie Cheminade in seinen Medienauftritten immer wieder betont hat, daß der Gewinner keine Mehrheit hinter sich haben wird und das Ringen um die Politik weitergehen wird.