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Wer den lang erwarteten EU-Gipfel vom 19.-20. Februar beobachtete, konnte nur feststellen, daß der Zerfall der EU und Eurozone als entropischer Prozeß sich ständig weiter beschleunigt. Da ist es kein Wunder, wenn die Londoner City, die Hauptstadt des heutigen Britischen Empire, sich finanziell und politisch gegen den Euro positioniert.
Finanziell setzte Premierminister Cameron durch, daß die City von neuen Regulierungen ausgenommen wird. Sie wird kein Teil der Bankenunion, und nichts wird sie daran hindern, mehr Derivate, Wertpapiere und finanziellen Giftmüll aller Art zu produzieren und die Welt damit zu überschwemmen. Außerdem wurde auf britisches Ersuchen die Formulierung „immer engere Union“ abgeschafft, und London erhält ein Vetorecht bei allen weiteren Integrationsschritten.
Gleichzeitig setzt die Empire-Fraktion auf Regimewechselszenarien in Deutschland und Italien. Bei allen ihren Mängeln bemühen sich die Regierungen in Rom und Berlin aktiv um einen Dialog mit Moskau und lehnen die von London und Washington diktierte Agenda ab.
Das Flüchtlingsthema wird benutzt, um Kanzlerin Merkel in der EU und im Inland zu isolieren und auszubooten. Das Schengen-Abkommen wird täglich mehr abgebaut, und die Strategie der Kanzlerin, die Türkei-Karte zu spielen, ist in Wirklichkeit eine Falle, sie kann nur scheitern.
Innenpolitisch werden britische Netzwerke mobilisiert, um Merkels CDU von innen und außen zu zerstören. Angstkampagnen der Medien zur Flüchtlingsfrage stärken die Wahlchancen der rechten Alternative für Deutschland (AfD), bei der bevorstehenden Landtagswahl in Rheinland-Pfalz am 13. März werden ihr zweistellige Resultate prognostiziert.
In der CDU führt der Staatssekretär im Finanzministerium Jens Spahn eine Revolte an, er kritisiert Merkel offen, sie habe mit ihrer Immigrationspolitik ein Staatsversagen verursacht. Spahn gilt als vielversprechender junger Kopf der „ausländerfeindlichen“ Fraktion in der Partei. Am 22. Februar organisierte er ein Treffen seiner Gruppe „CDU 2017“, bei dem die Flüchtlinge das Hauptthema waren.
In Italien zitieren die Medien Diplomaten, es werde Ministerpräsident Matteo Renzi bald so ergehen wie Berlusconi, d.h. er werde durch ein Komplott der EU gestürzt werden. Renzi steht in verschiedenen Fragen, nicht zuletzt dem „Bail-in“, im offenen Konflikt mit Brüssel. Am 16. Februar stimmte das Abgeordnetenhaus in Rom für einen Antrag, der die Regierung auffordert, so bald wie möglich die Bail-in-Regeln der EU zu überprüfen (wir berichteten). Am nächsten Tag wurde Renzi in einer Senatsdebatte von Mario Monti - dem Technokraten, der Berlusconi ablöste - massiv angegriffen. Er warf Renzi vor, er gefährde „die konkrete Existenzweise der EU, indem er alles, was die EU bisher bedeutet hat, mit allen Mitteln systematisch zerstört“.
Eine Nachrichtenkolumne von Bloomberg vom 19. Februar sollte man wegen ihres Sammlerwerts aufbewahren. Was wir in diesem Nachrichtenbrief vor einem Jahr über die Dimension und Natur des Zusammenbruchs der Schuldenpyramide der Wall Street und der Londonder City sagten - daß das Platzen der Öl- und Rohstoffblase zum Auslöser einer globalen Finanzexplosion werden könne wie 2007-08 die Blase der minderwertigen Hypotheken - wird nun von großen internationalen Medien aufgegriffen.
So befaßt sich Christopher Langner von Bloomberg Gadfly in seiner Kolumne vom 19. Februar mit der Blase der Rohstoffschulden, die schätzungsweise 3,6 Bio.$ umfaßt. Seit 2008 haben die 5000 größten Rohstoffunternehmen (Öl und Gas, Metalle und Bergbau, Eisen und Stahl) im Zuge der Nullzinspolitik und des Liquiditätspumpens der westlichen Zentralbanken ihre Schulden auf 3,6 Bio. Verdoppelt. Im Metall- und Bergbausektor haben sie sich in diesen 7 Jahren verdreifacht und in der Öl- und Gasbranche sogar vervierfacht.
Infolge dessen, schreibt Langner, hätten diese Unternehmen, nachdem ihr Nettojahreseinkommen 2010 noch höher als die Verschuldung gewesen war (die Schulden entsprachen etwa 10 Monaten Einkommen), heute Schulden im Umfang von 8,3 Jahren ihres aktuellen Einkommens.
Die Rohstoffpreise sind auf den tiefsten Stand seit einem Vierteljahrhundert gefallen und befinden sich schon seit einem Jahr auf diesem Stand. Daher werden Schulden nicht bedient, und 47% der Schulden wurden im vergangenen Jahr einmal oder mehrfach von Standard & Poor’s herabgestuft. Inzwischen können etwa 15% der Schulden nicht gezahlt werden.
Langner schätzt, daß Investoren, darunter Schattenbanken aller Art und Rentenfonds, 2,1 Bio.$ Rohstoffschulden halten, und Banken sitzen auf 1,5 Bio.$ sowie dem Großteil der Derivate.
Abschließend schreibt er, die 1,5 Bio.$ Rohstoffschulden machten zwar nur 1,5% des Gesamtbesitzes der transatlantischen und japanischen Banken aus - aber die auf minderwertige Hypotheken gestützten Papiere entsprachen 2008 weniger als 1%.
Diesmal ist jedoch keine gigantische staatliche Rettungsaktion für das System mehr möglich, und auch ein „Bail-in“ würde niemals ausreichen, selbst wenn sämtliche Werte der Kunden beschlagnahmt würden. Wie der neue Chef der Federal Reserve Bank von Minneapolis, Neil Kashkari, kürzlich warnte, gibt es nur eine Chance, das System zu retten, wenn man die großen Banken aufspaltet.
Die Zentralbanken und Regierungen haben nur zwei Alternativen: entweder Gelddrucken im hyperinflationären Ausmaß oder die Wall Street aufgeben und die Menschen retten mit einer Glass-Steagall-Bankentrennung.
Wie wir berichteten, fällte der Oberste Gerichtshof Spaniens am 27. Januar ein Urteil, das weitreichende Folgen für die ganze Europäische Union und die Schweiz haben kann. Er entschied, daß die große Sparkasse Bankia 2011 kleine Anleger beim Verkauf von „Vorzugsaktien“ betrogen hat, weil sie dabei ihre eigene Finanzlage falsch darstellte. Als Bankia später bankrott ging und vom Staat mit 22 Mrd.€ gerettet wurde, wurden diese Aktien per Bail-in eingezogen und Zehntausende Familien verloren hohe Summen.
Das Urteil des Obersten Gerichtshofs bezog sich nur auf die zwei Anleger, die in dem konkreten Fall geklagt hatten, aber Tausende weitere klagen ebenfalls auf die Rückgabe ihres Geldes. Bankia entschied sich nun für eine außergerichtliche Einigung und bietet etwa 200.000 Anlegern an, ihnen auf einen einfachen schriftlichen Antrag hin ihr Geld innerhalb von zwei Wochen mit 1% Zinsen zurückzuzahlen. Die Gesamtsumme liegt nach Angaben der Bank bei knapp 1,8 Mrd.€.