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Neue Solidarität
Nr. 47, 24. November 2016

Der Aufstand der lahmen Enten in Berlin:
Die Musik der Geschichte spielt anderswo

Von Helga Zepp-LaRouche

Die Hysterie, die in eingefleischten Atlantikerkreisen und in den Massenmedien schon vor der US-Wahl hohe Wogen schlug und seit Trumps Wahlsieg beispiellose Dimension erreicht hat, ermöglicht einen klinischen Einblick in den Geisteszustand und das Demokratieverständnis dieser Leute. Offensichtlich wäre ihnen eine Präsidentin Hillary Clinton und ein Dritter Weltkrieg als Folge ihrer angekündigten Syrien-Politik lieber als die Möglichkeit einer Verbesserung des russisch-amerikanischen Verhältnisses, das für die Erhaltung des Weltfriedens und positive Lösungen für Syrien und die Ukraine so unerläßlich ist.

Es ist schon bemerkenswert: Nachdem der abgewählte Präsident Obama immerhin drei Tage Zeit fand, im Hotel Adlon zu residieren und mit seiner Freundin Angela Merkel zu dinieren, zu diskutieren und dann einen Mini-Gipfel der selbsternannten „Sechs“ abzuhalten, beschlossen die beiden gemeinsam mit den nicht gerade auf stabilen Stühlen sitzenden Regierungschefs Hollande (7% Zustimmung bei Umfragen), Renzi (wahrscheinlicher Verlierer des Referendums am 4. Dezember), Rajoy (Notlösungs-Regierungschef einer Minderheitsregierung) und der glücklosen Frau May, daß die Sanktionen gegen Rußland noch für ein weiteres Jahr verlängert werden. Es darf bezweifelt werden, daß dieses Vorgehen, sich gewissermaßen zum Vorstand der EU zu ernennen und dann eine Politik zu verordnen, denen die Hälfte der EU-Mitglieder nicht zustimmt, die Kohäsion in der EU fördern wird.

Die erlesenen Sechs haben offensichtlich immer noch nicht begriffen, daß ihre Art der neoliberalen, auf Konfrontation mit Rußland und China ausgerichteten Politik sowohl beim Brexit im Juni als auch bei der jüngsten Präsidentschaftswahl in den USA abgewählt worden ist. Sie haben nicht begriffen, daß in der transatlantischen Welt der Zustand eingetreten ist, von dem in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung die Rede ist: daß nämlich, wenn Regierungen „für die Endzwecke“ ihres Auftrags - nämlich, die unveräußerlichen Rechte der Menschen auf Leben, Freiheit und das Streben nach Glückseligkeit zu garantieren -  „verderblich“ geworden sind, es „das Recht, ja ihre Pflicht“ ist, eine solche Regierung abzuwerfen. Denn die im Text der Unabhängigkeitserklärung erwähnte „lange Reihe von Mißhandlungen und gewaltsamen Eingriffen“ entspricht exakt der Erfahrung, die die von Hillary Clinton so verächtlich als die „Bedauernswerten“ bezeichneten Menschen mit der Politik Obamas gemacht haben, und deren Fortsetzung durch Clinton sie verhindern wollten.

Die selbsternannten Sechs und erst recht die völlig durchgeknallten Medienvertreter, die selbst vor als Humor getarnten Drohungen gegenüber Trump nicht zurückschrecken, sind so in ihrer eigenen Ideologie gefangen, daß sie die naturrechtliche Dimension der Umwälzung überhaupt nicht begreifen können.

Immerhin veröffentlichte die New York Times (NYT) auf ihrer Frontseite einen Artikel mit der Überschrift: „Eine Idee für einen Neuen Präsidenten in Trump-Größe: Bau etwas Inspirierendes!“ Die NYT konstatiert richtig, daß Trump das Land nur vereinen könne, wenn er die in den letzten Jahrzehnten völlig vernachlässigten Investitionen in große Infrastrukturprojekte in Gang bringen würde, er müsse die modernen Versionen von Franklin D. Roosevelts Golden-Gate-Brücke, Hoover-Damm, Lincoln-Tunnel etc. bauen. Dann zählt die Zeitung zur Erinnerung die wichtigsten Projekte Roosevelts auf. Aber der Artikel bleibt naturgemäß weit hinter dem Programm Lyndon LaRouches zurück, der schon 2015 den Bau der Seidenstraße in den USA – einem großangelegten Infrastruktur- und Re-Industrialisierungsprogramm – veröffentlichte, das die Integration der USA in die Weltlandbrücke vorschlägt.

Die Konzeption der „Win-Win-Kooperation“ für den Ausbau der neuen Seidenstraße geht  derweil mit Riesenschritten voran. Es ist das beherrschende Thema beim Gipfeltreffen der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (APEC) in der peruanischen Hauptstadt Lima am 19.-20. November, an dem auch die Präsidenten Chinas und Rußlands, Xi Jinping und Wladimir Putin, sowie der japanische Premierminister Abe teilnehmen, die daneben auch bilaterale Treffen haben werden. Abe hatte sich zuvor mit dem designierten Präsidenten Trump getroffen und ihm ausgezeichnete Führungsqualitäten attestiert.

Präsident Xi hatte vor dem APEC-Gipfel Ecador einen Staatsbesuch abgestattet und wird anschließend Peru und Chile besuchen. Präsident Xi und der ecuadorianische Präsident Raffael Correa beschlossen eine „Umfassende Strategische Partnerschaft“ zwischen ihren beiden Ländern, die einen regelmäßigen breitangelegten Austausch und Kooperation eines breiten Fächers von Themen umfassen wird. Dazu werden verstärkt produktive Investitionen, der Ausbau der Wirtschafts- und Handelsbeziehungen, landwirtschaftliche Kooperation und Zusammenarbeit bei Wissenschaft und Technologie gehören. China leistet bereits großzügige Hilfe beim Wiederaufbau der Bauten und Anlagen, die beim schweren Erdbeben im April 2016 zerstört worden waren.

Präsident Correa gab seinem Dank an China beredten Ausdruck, beide Länder seien gleichgesinnt, betonte er. China wolle seine Ökonomie auf die Basis der Innovation stellen, Ecuador wolle sich von einem Exporteur von Waren zu einer Wissensökonomie entwickeln. Ohne die chinesische Finanzierung und den Technologietransfer wäre dies unmöglich.

In einer gemeinsamen Erklärung kündigten sie an, bei der Verwirklichung großer Projekte in den Bereichen Öl, Gas, Bergbau, Infrastruktur, Wasser, Wassermanagement, Kommunikation, Finanzsektor, Landwirtschaft, Petrochemische Produktion, Schiffsbau, Metallurgie, Papierproduktion und dem Bau einer neuen Wissenschaftsstadt zusammenzuarbeiten. Präsident Correa betonte in einer Rede, der Staatsbesuch Präsident Xis sei das wichtigste Ereignis in der Geschichte Ecuadors.

Könnte man sich vorstellen, daß Bundeskanzlerin Merkel mit einem solchen Programm nach Griechenland fahren würde? Wohl eher nicht. Bundesfinanzminister Schäubles Kopf läuft schon rot an, wenn ihn - wie soeben bei einer Banker-Konferenz in Frankfurt - ein Journalist nach einem partiellen Schuldenerlaß fragt, und doziert dann, die Griechen lebten über ihre Verhältnisse - und das, nachdem die Austeritätspolitik der Troika 45 Prozent der Griechen unter die Armutsgrenze befördert hat. Die Politik des transatlantischen Sektors heißt eben nicht „win-win“, sondern „lose-lose“ – es sei denn, man ist Banker oder Konzernvorstand.

Nachdem Obamas Freihandelsabkommen für Asien, TPP, nun ebenso tot ist wie das TTIP für den Atlantik, stehen nun das von China konzipierte, inklusive Asiatisch-Pazifische Freihandelsabkommen (Free Trade Area of the Asia-Pacific, FTAAP) und die „Regionale Umfassende Partnerschaft“ (Regional Comprehensive Partnership, RCEP) auf der Tagesordnung.

Als Antwort auf unverantwortliche diesbezügliche Medienartikel betonten Regierungssprecher Rußlands und Chinas, daß diese Handelsabkommen keineswegs den Ausschluß oder die Isolation der USA beabsichtigten. Xinhua zitierte den Sprecher des chinesischen Außenministeriums Geng Shuang, China wolle weder im FTAAP noch im RCEP eine führende Rolle einnehmen, Handelsabkommen seien dazu da, miteinander, und nicht gegeneinander zu arbeiten. Der Kontrast zu Obamas „Die USA bestimmen die Regeln“, könnte nicht deutlicher sein.

Ein weiteres wichtiges Diskussionsthema bei der APEC-Konferenz war der Bau der Biozeanischen Eisenbahn von Brasilien nach Peru, von der atlantischen zur pazifischen Küste, die ebenfalls mit chinesischer Hilfe gebaut wird, und deren Bau ein wichtiger Schritt bei der infrastrukturellen Erschließung des lateinamerikanischen Kontinents ist.

Der Gegensatz zwischen den beiden Paradigmen, der die „Win-win-Perspektive“ der Neuen Seidenstraße von der „Westlichen Wertegemeinschaft“ Obamas und Merkels unterscheidet, könnte nicht offensichtlicher sein. Beim ersten arbeiten die Nationen zum gegenseitigen Vorteil an ihrer gemeinsamen Entwicklung, beim letzteren ist zwar viel die Rede von Demokratie, Freiheit und Menschenrechten, aber großes Schweigen zu Drohneneinsätzen, Regimewechseln gegen legitime Regierungen mit Hilfe vor Terrorgruppen, Totalausspähung und lebensverkürzender Austeritätspolitik.

Wie Abraham Lincoln schon sagte: „Ein Teil des Volkes kann die ganze Zeit getäuscht werden, und das ganze Volk zumindest einen Teil der Zeit. Die ganze Zeit aber läßt sich das ganze Volk nicht täuschen.“

Es ist allerhöchste Zeit, daß sich Deutschland aus dem Klammergriff imperialistischer Dominanzphantasien befreit, seien sie von Washington und London diktiert, oder seien sie das Derivat von „Mehr Europa“. Die Zukunft der Menschheit kann nur in einem völlig neuen Paradigma liegen, das die Interessen der einen Menschheit voran stellt, das das internationale Völkerrecht respektiert und in dem sich das kreative Potential eines jeden Menschen auf diesem Planeten entwickeln kann. Und genau dazu brauchen wir die Kooperation mit der Neuen Seidenstraße.