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José Vega, der gerade die High School absolviert hat und in der Stiftung für die Wiederbelebung der Klassischen Kultur aktiv ist, sprach am 18. September mit Diane Sare. Sare ist Mitglied des Politischen Ausschusses des LaRouche-Aktionskomitees und Leiterin des Offenen Chores des Schiller-Instituts in New York City.
José Vega: Fangen wir am Anfang an: Wo kommt dieser Chor, die Idee zu dem Chor her? Warum habt ihr einen Chor in New York City gegründet?
Diane Sare: Nun, wir hatten schon einen Chor. Das Schiller-Institut hat schon seit langer Zeit Chöre, und wir hatten schon einige Jahre einen kleinen Chor in New Jersey. Dann aber gab es im Winter 2014 den Zwischenfall in St. Louis, wo ein junger, unbewaffneter Afro-Amerikaner von der Polizei erschossen wurde und es daraufhin zu Ausschreitungen kam, und dann folgte hier in Staten Island der Fall Eric Garner, der [im Polizeigewahrsam] erstickt wurde. Als dann die Anklagejury sagte, es gebe keinen Grund für eine Anklage [gegen die Polizei], waren deswegen viele Menschen zu Recht wütend; es hatte aber noch nicht das Ausmaß, wie es einige Kreise bewußt schüren wollten. Wir sahen die Gefahr, daß die Bevölkerung in New York gespalten würde, auf der einen Seite die Polizei und auf der anderen die Afro-Amerikaner - typische Spaltungen, die eigentlich immer bewußt geschürt werden, wenn die Wirtschaft kollabiert.
Wir beschlossen, [als Zeichen gegen Gewalt] eine Aufführung von Händels Messias zum Mitsingen zu veranstalten, was wir in nur sechs Tagen auf die Beine gestellt haben, und zu meiner Überraschung kamen etwa hundert Menschen, um mitzusingen. Als wir das organisierten, fanden wir einige alte Freunde wieder, insbesondere Leute wie den Begleiter Robert Williams. Es stellte sich heraus, daß er Klavierbegleiter Carlo Bergonzis gewesen war und das Schiller-Instituts kannte, seit wir 1988 in Mailand unsere Kampagne für die niedrigere Stimmung anfingen. Man spürte deutlich, daß wirklich ein großes Potential vorhanden war, etwas zustandezubringen. Nach der Mitsing-Aufführung sagte dann einer der Teilnehmer: „Ich würde ja gerne in eurem Chor mitsingen, aber ich will nicht immer nach New Jersey fahren. Warum organisiert ihr nicht einen Offenen Chor hier in Manhattan?“ Und angesichts der Tatsache, daß Lyndon LaRouche damals gerade sein Manhattan-Projekt gestartet hatte, schien die Sache ganz natürlich. Deshalb beschloß ich, einen Offenen Chor in Manhattan zu gründen, und das war der Anfang.
Vega: Es ging also im Grunde darum, die Menschen zusammenzubringen, um mit Musik die Gewalt zu beenden. Ist das auch der Hintergrund der Konzerte, die wir kürzlich in vier verschiedenen Kirchen veranstaltet haben, mit dem Mozart-Requiem?
Sare: Ja, und in gewissem Sinne würde ich sagen, daß es für unseren Chor ein großes Glück war, an diesen Veranstaltungen, die von der Stiftung für die Wiederbelebung der Klassischen Kultur gefördert wurden, teilnehmen zu können.
Bei der Frage der Beendigung der Gewalt geht es meiner Ansicht nach nicht einfach nur um die Idee: „Verzichten wir auf Gewalt.“ Diese Frage der Beendigung der Gewalt, warum Menschen nicht gewalttätig sein sollten, ist polemisch. Viele Tiere sind ziemlich gewalttätig, und der entscheidende Punkt ist, daß Menschen kein Tiere sind. Die Musik der großen klassischen Komponisten, und speziell für uns in den Vereinigten Staaten die traditionellen afro-amerikanischen Spirituals sind für uns die Demonstration, daß der Mensch kein Tier ist, sondern, wie Schiller sagte: „Zu was Besserm sind wir geboren.“
Vega: Das führt mich zu der nächsten Frage: Warum wurden im Konzert vor dem Requiem Spirituals gesungen?
Sare: Man könnte natürlich sagen, daß das Requiem für sich steht. Es ist ein außerordentlich schönes Stück. Aber viele Leute haben mir hinterher gesagt, daß die Spirituals sie dafür bereit machten, das Requiem in seiner Intention zu hören. Ich halte sie für besonders wichtig in einer Zeit wie dieser, wo wir einen Präsidenten haben, der zu allen möglichen Gewalttaten bereit ist und keinerlei Achtung vor dem menschlichen Leben hat, und sich dies in unserem Land wiederspiegelt in immer mehr Morden und anderen Verbrechen von Menschen an Menschen, und ganz allgemein in einer Kultur der Verzweiflung.
Das besondere an den Spirituals ist, daß sie wirklich amerikanisch sind, sie sind in englischer Sprache und sie kommen aus den Vereinigten Staaten. Sie kommen aus diesem Land, und sie bringen eine große Kraft zum Ausdruck. Sie wurden nämlich von Menschen gesungen, die unter ganz schrecklichen, barbarischen Bedingungen lebten, aber in dieser Musik ist von dieser Barbarei keine Spur. So gesehen sind die Spirituals etwas Erhabenes, denn sie bringen eine Qualität im Menschen zum Ausdruck, welche die Barbarei und Erniedrigung, die die Menschen erleiden mußten, überwindet.
In gewissem Sinne sehe ich ein großes Potential, man hat bei diesen Veranstaltungen wirklich gespürt, daß diese Musik in den Menschen etwas bewirken kann. Sie ist sehr bewegend. Auf der einen Seite erscheint sie sehr einfach, die Texte sind einfach, es gibt keinen Kontrapunkt wie in einer Bach-Fuge oder in Mozarts Requiem, aber die Stimmen und die Interaktion zwischen ihnen - man könnte sagen, die Harmonie - haben ihren eigenen Reichtum.
Vor allem aber ist es eine Möglichkeit, wie man die Menschen in Amerika in dieser Zeit erreichen kann. Ich denke, das ist extrem wichtig, und man konnte das an der Reaktion vieler Menschen im Publikum auf die Spirituals sehen.
Vega: Ich denke, das ist euch wirklich gelungen. Möchtest du noch etwas sagen?
Sare: Ich möchte noch sagen: Als Dvorak nach Amerika kam, erkannte er, daß die Melodien dieser Gesänge, der Spirituals – und auch die Musik der Indianer, sagte er – alles enthalten, was man für „eine große und edle Schule der amerikanischen klassischen Musik“ braucht (das waren, glaube ich, seine Worte), in ähnlicher Weise, wie Brahms dies in der Volksmusik in Europa fand. Dvorak, der mit Brahms zusammenarbeitete, versuchte, ein Amerikanisches Musikkonservatorium vor allem mit afro-amerikanischen Musikern aufzubauen. Aber aufgrund der Rückschläge in der Restaurationszeit, der Gegenreaktion darauf, der britisch-imperialen Rassisten, Jim Crow etc. und dann der Erneuerung des Ku-Klux-Klan 1913 wurde dieser Prozeß des Aufbaus des nationalen Konservatoriums unterdrückt.
Aber es blieb eine Handvoll Leute, und ironischerweise arbeiteten viele von ihnen genau hier in Manhattan. Hier wirkte auch Dvorak. Jetzt gibt es Leute wie unseren Begleiter Robert Wilson, der mit einigen zusammengearbeitet hat, die selbst als Schüler daraus hervorgingen, wie auch einige, mit denen ich kürzlich als Resultat dieser Arbeit in Kontakt gekommen bin, wie den Chorleiter, Sänger und Musikprofessor Dr. Eugene Simpson, der als Begleiter und Sänger mit Hall Johnson in dessen letzten elf Lebensjahren zusammengearbeitet hat. Johnson war einer der Arrangeure der Spirituals, die wir aufgeführt haben. Ein anderer war William Dawson.
Was wir hier aufgreifen, ist ein Erbe dessen, was ein Amerikanisches Musikkonservatorium hätte werden sollen, eine nationale Bewegung für die klassische Musik in den Vereinigten Staaten. Das ist meiner Ansicht nach vielleicht sogar der wichtigste Aspekt daran. Es ist nur der Anfang von etwas, was potentiell zu etwas weit Größerem heranwachsen kann, wenn wir eine oder zwei Generationen exzellenter Musiker hatten. Vielleicht wird der nächste Beethoven ein Amerikaner sein.