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Das italienische Nachrichtenmagazin L’Espresso veröffentlicht am 9. August eine realistische Analyse des Gipfeltreffens zwischen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. (Allerdings übersieht ihre Analyse, wie Lyndon LaRouche betont, den entscheidenden Aspekt, daß sich unter Putins Führung in Zentralasien bereits eine neue Konstellation für Frieden und wirtschaftliche Entwicklung ausbildet, der sich die Türkei nun angeschlossen hat.)
„Die Verstimmung gegenüber dem Westen ist die eigentliche Grundlage für die Annäherung zwischen Rußland und der Türkei“, schreibt L’Espresso. „Moskaus Hauptziel ist es, das bestehende System von Bündnissen, das voller Widersprüche ist und sich in einer tiefen Krise befindet, neu zu definieren, und im Nahen Osten und darüber hinaus anerkannt zu werden.“ Ankara seinerseits wolle „der Quarantäne-Isolierung, in der es sich nach der Reaktion der Regierung auf den gescheiterten Putsch in diesem Land befindet, entkommen und so viele Verbündete in der Region finden wie möglich, wo in einer Zeit, in der Syrien ruiniert wird, der schiitische Iran an Einfluß gewinnt.“
L’Espresso fährt fort: „Das Trio Moskau-Teheran-Ankara wird nun die Probleme des Nahen Ostens lösen - etwas, was weder Washington noch die EU vor einem Jahr vorhersehen konnten, als sie ein Abkommen über das iranische Atomprogramm unterzeichneten, das alle mit dem Nuklearprogramm verbundenen Sanktionen gegen Teheran aufhob, damit es in das System der internationalen Beziehungen zurückkehren konnte.“ Dies gefalle „Irans Erzfeind“ Saudi-Arabien natürlich nicht.
Das Treffen zwischen Putin und Erdogan übermittle der EU und den USA klare Botschaften. Europa werde gesagt, „daß es nicht mehr der Mittelpunkt des Universums ist... Die europäische Führung findet sich nun in neuen Bedingungen wieder und sollte schneller handeln und effizienter zu den richtigen Entscheidungen gelangen.“ Die Botschaft an die USA laute, daß die Türkei „auch andere strategische Optionen auf dem Tisch hat“.
Wie LaRouche betont, übersieht L’Espresso den größeren strategischen Kontext: Das Trio Rußland-Iran-Türkei strebt nicht nur eine Lösung der Syrienkrise an, sondern auch eine Stabilisierung der gesamten Region, über den Kaukasus bis nach Zentralasien im Osten und an den Indischen Ozean im Süden. Die Türkei kann dazu beitragen, die Krise zwischen Armenien und Aserbeidschan über Berg-Karabach beizulegen, was den Kaukasus stabilisieren würde, um einen Zweig des Nord-Süd-Korridors zum Schwarzen Meer zu ermöglichen, an dessen Verwirklichung Rußland, Aserbeidschan und der Iran bereits arbeiten. Dazu müßten die Eisenbahnverbindungen durch Armenien von Aserbeidschan und der Türkei, die aufgrund des ungelösten Konflikts über Berg-Karabach gesperrt wurden, wieder geöffnet werden. Das würde neue Transportkorridore für die Neue Seidenstraße eröffnen und so die gesamte zentraleurasische Region stärker integrieren.
Wenn man die Presseberichte der westlichen Medien über den fehlgeschlagenen Putsch in der Türkei betrachtet, dann kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß sie es bedauern, daß dieser Putsch keinen Erfolg hatte. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung lamentiert, daß die transatlantische Strömung in den türkischen Streitkräften durch den gescheiterten Putschversuch geschwächt und die „eurasische“ Strömung, die für die Kooperation mit Rußland in der Region eintritt, gestärkt wurde.
In einem Interview mit der Bild-Zeitung sagte der türkische Außenminister Mevlut Cavusoglu, die Frage eines Austritts der Türkei aus der NATO stehe nicht auf der Tagesordnung, das sei bloß Propaganda türkeifeindlicher Kreise. Ein Grund, warum die Türkei die Zusammenarbeit mit Rußland anstrebe, liege darin, daß die Partner der Türkei in der NATO sich stets geweigert haben, Ankara Luftabwehrsysteme zu verkaufen. Deshalb sehe sie sich nun nach anderen Partnern um.
Verteidigungsminister Fikri Isik sagte in einem Interview mit Hurriyet Daily News, es sei an der Zeit, daß die NATO sich zusammensetze, um ihre Fehler in ihrer Reaktion auf den Putschversuch in der Türkei einzuschätzen. „Wenn unsere Verbündeten die Türkei weiter auf Abstand halten, dann wird dies die Wut in der Bevölkerung verstärken, und das wird weder für die Türkei noch für die NATO gut sein“, sagte er. Er machte sehr deutlich, daß die Türkei weiterhin zur NATO halte.
In Bezug auf die Kooperation beim Kauf von Waffensystemen und in der Rüstungsindustrie sagte er: „Unsere NATO-Verbündeten sind sehr selbstsüchtig, was das Teilen von Technologien angeht. Die Türkei muß diese Systeme entwickeln. Wir können den Ansatz ,Ich werde es dir nur verkaufen’ nicht akzeptieren. Wenn unsere NATO-Verbündeten weiterhin selbstsüchtig sind, was das Teilen der Technologien angeht, wird die Türkei andere Wege finden.“
Auf die Frage, ob die Türkei sich in Bezug auf Rüstungsgüter an Rußland oder China wenden werde, antwortete er: „Die Kooperation in der Rüstungsindustrie ist für die Türkei lebenswichtig. Niemand hat das Recht, die Türkei zu kritisieren. Einen Preis vorzuschlagen, der doppelt so hoch ist wie der von Rußland, und uns dann zu sagen, ,Wir wären beleidigt, wenn ihr mit Rußland kooperiert’, das ist nicht der richtige Ansatz... Unsere Priorität sind unsere Verbündeten... Das kann uns nicht daran hindern, mit Rußland oder China zu kooperieren, wenn nötig.“
Auf die Frage, ob die Normalisierung der Beziehungen der Türkei zu Rußland sich auf die Syrienkrise auswirken werde, sagte Isik: „Die Präsidenten der beiden Länder haben beschlossen, eine enge Arbeitsbeziehung anzustreben, um das Problem in Syrien zu lösen. Die technische Arbeit hat bereits begonnen. So wird es gegenseitiges Vertrauen geben... Alles wird zur Normalität zurückkehren: Die Türkei und Rußland werden sowohl in Bezug auf die militärischen Aktivitäten als auch bei der Suche nach einer dauerhaften Lösung zusammenarbeiten. Jetzt, wo die Spannungen nicht mehr bestehen, werden wir es leichter finden, mit Rußland und mit der Koalition zusammenzuarbeiten.“