|
|
Am Rande des Verdi-Festivals gaben der Organisator und künstlerische Leiter, Silvano Frontalini, und zwei chinesische Sängerinnen Interviews.
Die italienische LaRouche-Bewegung Movisol und das Schiller-Institut besuchten auch das zweite Roncole-Festival in der Verdi-Stimmung, das vom 19.- 30. Juli dank der Initiative von Maestro Silvano Frontalini stattfand. Wie im vergangenen Jahr wurde an Orten musiziert, die mit Giuseppe Verdi verbunden sind, so sein Geburtsort Roncole und Salsomaggiore Terme, wo er seinen Urlaub verbrachte.
In diesem Jahr stand das Festival unter dem Motto eines Dialogs der Kulturen, dank eines Kooperationsprojektes mit dem Konservatorium der chinesischen Stadt Chengdu, das durch die beiden Sopranistinnen Liu Ling und Zhang Yi vertreten war. Die chinesischen Sopranistinnen sangen zusammen mit dem Tenor Rino Matafù und dem Bassisten Ischtschenko Wsewolod sowie der moldawischen Sopranistin Natalia Margarit. Zum Jahreswechsel ist eine Konzertreise des Orchesters des Chengdu Conservatory of Music durch Italien geplant, u.a. in Florenz. Im Gegenzug wurde Maestro Frontalini wieder nach China eingeladen, um dort in zwei Jahren Puccinis Turandot mit italienischen Künstlern aufzuführen.
Wie aus den folgenden kurzen Interviews hervorgeht, war diese Kooperation entscheidend, um das Festival fortzuführen, da der italienische Staat und auch die örtlichen Gemeinden nicht bereit waren, das Festival in irgendeiner Weise zu unterstützen. Während Europa sein kulturelles Erbe zunehmend vergißt, herrscht in China daran reges Interesse, auch an der italienischen Oper, und man investiert dort viel in die Kultur, ebenso wie in die Infrastruktur. Wie Helga Zepp-LaRouche kürzlich beim Vorbereitungstreffen („T20“) der G20-Gruppe betonte, sollte Europa diesem Beispiel folgen.
Es folgen Auszüge aus Interviews mit Movisol und dem Schiller-Institut vom 20. Juli; Carlos Valdivieso sprach mit Maestro Frontalini, Flavio Tabanelli mit Liu Ling und Zhang Yi. – lg
Maestro Frontalini, wie fing die Zusammenarbeit mit dem Konservatorium von Chengdu an, und wie entwickelt sie sich?
Frontalini: Im November 2015 dirigierte ich das Orchester des Musikkonservatoriums von Chengdu. Ich war sehr beeindruckt, wie gut die Chinesen musikalisch vorbereitet waren. Ich war zum erstenmal in China. Ein großartiges Orchester. Als ich mit ihm die erste Probe hatte, erschien es mir schon so wie eine Generalprobe in Italien oder mit einem russischen oder italienischen Orchester: Sie kannten die Stücke ganz genau. Man stellte mir für die Opernarien von Verdi zwei Sängerinnen zur Verfügung, und das sind die beiden Sopranistinnen, die ich zum Roncole-Festival eingeladen habe. Ich lud sie nach Italien ein, und die Zusammenarbeit begann. Daraus ging ein Projekt hervor, darunter auch ein Konzert des Konservatoriums von Chengdu mit 70 Orchestermitgliedern unter der Loggia dei Lanzi auf der Piazza della Signoria in Florenz am 31. Dezember dieses Jahres. Am nächsten Tag werden sie im Milanollo-Theater in Savigliano [in der Nähe von Turin] spielen, und danach werden sie noch einige weitere Konzerte geben (…)
Es dauerte drei Monate, bis sie schließlich den Vertrag unterschreiben konnten, denn alle Reiseausgaben (1200 Euro pro Person) bezahlt der chinesische Staat - nicht auf nationaler Ebene, sondern auf der regionalen Ebene. Chengdu hat 14 Millionen Einwohner, die Region Sinchin 92 Millionen. Die Verspätung bei der Vertragsunterzeichnung hatte einen einfachen Grund: Das Gesetz in China schreibt Kontrollen gegen Korruption vor.
Sie kommen nach Italien, um sich im Heimatland der Oper bekannt zu machen. Und ein Austausch mit chinesischer Kultur tut uns gut, und das nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen. Ich habe festgestellt, daß sie kulturell auf einem ausgezeichneten Niveau sind.
Wir haben drei weitere Projekte: Wir wollen die traditionelle chinesische Oper hierherbringen, die anders ist als unsere Oper. Sie besteht aus Tänzern, Jongleuren, mit einer einfachen Handlung, die auf einem phantasmagorischen Thema basiert. Ein italienisches Publikum ermüdet dabei schon nach zehn Minuten, aber für sie ist das wie Verdi für uns.
Der chinesische Staat zahlt alles. Wir müssen nur die Theater finden.
Das andere Projekt ist Puccinis Turandot in China, irgendwann in den nächsten zwei Jahren. Ein solches Projekt kostet bei sieben oder acht Aufführungen rund eine Million Euro. Der Staat zahlt alles. Es ist ein bißchen so, wie es in Italien vor vielen Jahren war, als der Staat die Kultur noch förderte.
China und Rußland – zum Beispiel mit dem Konzert in Palmyra – fördern die klassische Kultur, wie sehen Sie da die Haltung der italienischen Regierung und der Europäischen Union zur Kulturfinanzierung?
Frontalini: Das wenige Geld, das Italien für Kultur ausgibt, ist schlecht investiert, denn es hat die Form politischer Patronage, zielt auf Konsens und Wählerstimmen. Wenn [Regierungschef] Renzi sagt: „Ich gebe euch für jeden Euro für Verteidigung auch einen Euro für Kultur”, dann möchte ich ihn fragen: „Welche Kultur? Die der Fußballstadien, der Jukebox, oder die Kultur der Oper und der klassischen Musik?“ Bei uns regiert das Prinzip do ut des oder qui pro quo [„eine Hand wäscht die andere“], und wenn man mit solchen Leuten über die Verdi-Stimmung redet, haben sie keine Ahnung, was das ist, und sind völlig uninteressiert. Sie fragen: „Kann man mit der Verdi-Stimmung Geld machen? Wenn nicht, dann laßt mich damit in Ruhe.“
Sprechen wir vom a’=432 Hz. Wie wurde das im vergangenen und in diesem Jahr vom Publikum angenommen?
Frontalini: Leider ist das Verständnis dafür gering. Es ist wichtig für einen „Visionär“ wie mich und einige andere. „Verdi forderte 1884 ein a’ von 432 Hz? Dann sollten wir das versuchen!“ Außer dem Schiller-Institut and Movisol haben mich nur sehr wenige darin unterstützt.
Wie ist es mit den Sängern?
Frontalini: Die waren sehr froh; aber nun müssen wir das Problem der Blasinstrumente lösen. In diesem Jahr machten wir die Aufführung mit einem auf a’=432 Hz gestimmten Klavier. Man muß investieren, um auf a’=432 Hz gestimmte Oboen, Fagotte und Flöten zu finden. Wenn man eine moderne Flöte herunterstimmt, stimmen die hohen Töne nicht mehr. Wir sollten Flöten finden, die um 1800 gebaut wurden. Wir müssen ein Orchester in der Verdi-Stimmung aufbauen, das ist eine große Investition, aber es ist möglich, und wir brauchen Musiker, die mit dieser Stimmung vertraut sind.
War es auch für die Violinen ein Problem?
Frontalini: Die Violine kann man auf a’=432 Hz stimmen, wie alle Streichinstrumente. Auch Trompeten, Posaunen und Hörner, denn sie haben Züge, die man verkürzen kann. Das Problem kommt mit Oboe und Fagott, und das größte Hindernis bemerkten wir im letzten Jahr bei der Flöte. Aber diese Probleme kann man lösen. Genau aus diesem Grund ließ Verdi 1884 dieses Gesetz verabschieden. Er wußte, daß die menschliche Singstimme der Maßstab ist, sie ist naturgegeben. Die Stimmung wurde wegen der Nazi-Kapellen erhöht, die bei a’=442-444 spielten, das war eine Art psychologische Droge. Ich bin kein Experte, aber einige sagen, die Verdi-Stimmung habe therapeutische Wirkung.
Das Schiller-Institut setzt sich für einen Dialog zwischen den Kulturen ein. Nachdem ich heute abend das Konzert gehört habe, möchte ich Ihnen zwei Fragen stellen. Die erste ist: Wie sehen Sie unsere klassische Kultur, die Belcanto-Tradition, aus der Sicht der chinesischen Kultur?
Liu Ling: Als ich ein kleines Mädchen war, hörte ich viel klassische europäische Musik, zum Beispiel Puccinis Arie O mio babbino caro aus Madame Butterfly, Bizets Carmen usw. ... Ich staunte, daß Musik so faszinierend sein kann. Es gefiel mir. Ich hörte zum erstenmal Mozart, gesungen von Mirella Freni. Wie wundervoll! Das war ein bißchen seltsam, schließlich war ich noch ein kleines Mädchen. Aber es hat einen verzaubert, bewegt. Es war, als hätte ich das schon gehört, bevor ich geboren wurde. Es hängt mit Gott zusammen: In meinem Herzen spürte ich seine Kraft.
Beim Singen?
Liu Ling: Auch wenn ich Opernmusik höre.
Haben Sie eine Ausbildung in der chinesischen klassischen Kultur? Können Sie die beiden Traditionen, die westliche und die chinesische, vergleichen?
Zhang Yi: Sie sind zu verschieden: die Melodie ist anders, das Tonsystem, wie die Emotionen dargestellt werden. In China haben wir versucht, in Hinsicht auf klassischen Gesang europäische Opern zu verwenden und an die chinesische Technik anzupassen, aber das war nur ein Versuch…
Ende Juni haben wir in Berlin in Verbindung mit unserer internationalen Konferenz ein Konzert veranstaltet, das ein musikalischer Dialog der Kulturen war. Deshalb stelle ich Ihnen diese Fragen. Gibt es eine Annäherung zwischen den beiden Kulturen?
Liu Ling: Wollen Sie damit fragen, ob es wichtig ist, sich auszutauschen? Das ist schwer zu sagen, ich muß darüber nachdenken. (…) Viele Menschen in China studieren die italienische Oper. Sie lieben diese Musik, genauso wie wir. Es ist eine Begegnung. Musik ist ein Dialog.
Auch andere Elemente sind notwendig, beispielsweise muß man, wenn man auf Italienisch singt, auch wissen, was man singt.
Liu Ling: Man muß die Bedeutung kennen. Chinesische Hörer und Zuschauer müssen sich erst mit der Handlung vertraut machen, bevor sie in die Oper gehen und sie sich anhören.
Jetzt die letzte Frage. Wir sagen, die italienische Sprache ist an sich musikalisch, mehr als Englisch, Holländisch, Deutsch etc. Wie ist es für Sie, auf Italienisch zu singen, ist das leichter als Deutsch oder andere Sprachen, auch Chinesisch?
Liu Ling: Ja, Italienisch ist einfacher.
Auch im Vergleich mit Chinesisch?
Liu Ling: Ja.
Das ist interessant.
Liu Ling: Im Chinesischen werden Ideogramme kombiniert, aber jedes Zeichen wird anders ausgesprochen. Man muß die Töne der Vokale beiseite lassen, um die Melodie zu singen.1 Im Italienischen muß man das nicht. Außerdem haben wir kein gerolltes R, das müssen wir erst lernen.
Anmerkung
1. Im Chinesischen erhalten die Wortsilben unterschiedliche Bedeutungen, je nachdem, mit welchem Klangverlauf (hoch-tief, tief-hoch) sie ausgesprochen werden.