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Über längere Zeit hatte die Spitze der Federal Reserve zu verstehen gegeben, daß sie gerne die Zinsen anheben und so „zur Normalität zurückkehren“ würde, aber das ist nun Vergangenheit. Die Fed-Vorsitzende Janet Yellen und der Offenmarktausschuß begründeten bei ihrem Treffen am 15. Juni ihre Abkehr von diesen Plänen mit dem Argument, seit dem letzten Treffen im April habe sich die US-Wirtschaft abgeschwächt und der Arbeitsmarkt verschlechtert. Nachdem inzwischen auch die Zinsen für langfristige deutsche Staatsanleihen negativ sind, wird nun damit gerechnet, daß auch die kurzfristigen Zinsen der Fed zum erstenmal in ihrer Geschichte in den negativen Bereich gedrückt werden.
Wegen dieser absurden Politik, die mit einem Einbruch der Kapitalinvestitionen und der Produktivität verbunden ist, sodaß Kredite nur noch für Wertpapierspekulation aufgenommen werden, stehen die Bankensysteme in Europa und den USA am Rande des Zusammenbruchs.
Yellen sprach am 15. Juni auch über die Möglichkeit von „Helikoptergeld“: die Massenausgabe neuen Geldes der Federal Reserve direkt auf die Konten des Staates, von Privathaushalten, Rentenfonds oder Unternehmen. Der frühere Fed-Chef Ben Bernanke bezeichnete dies als ein „geldfinanziertes Haushaltsprogramm“ - mit anderen Worten, die Fed druckt Geld, damit die Regierung es ausgeben kann.
Im März hatte Yellen noch erklärt, daß die Fed diese Möglichkeit nur „theoretisch studiert“, jetzt nannte sie es „ein monetäres Werkzeug, das unter extremen Bedingungen legitimerweise in Betracht gezogen werden kann“. Man würde es nutzen in „einer außergewöhnlichen, extremen Situation, in der man alles versuchen muß“, um die Wirtschaft zu retten.
Eine ganze Riege hochrangiger Vertreter der Finanzwelt hatte am gleichen Tag der Fed diesen hyperinflationären Wahnsinn des „Hubschraubergelds“ dringend angeraten: der frühere Vorsitzende des Finanzstabilitätsrates (FSB) Lord Adair Turner, der Chefökonom der HSBC (Hong Kong and Shanghai Bank) Stephen King, der Chefstratege der Deutschen Bank Jim Reid („es ist wahrscheinlich die nächste große politische Antwort, die wir sehen werden“), der Chef von Oxford Economics Gabriel Stein (in Bloomberg News) und andere, die offensichtlich über den Kollaps des transatlantischen Finanzsystems verzweifeln. Der frühere US-Finanzminister Lawrence Summers beschränkte sich in der Washington Post darauf, der Fed zu raten, schon bald auf negative Zinsen zu setzen.
Schon das Gerede über das „Helikopter-Geld“ hat dazu geführt, daß die Kreditvergabe und die Aktienkurse der Banken in der ganzen transatlantischen Region und in Japan rasch sinken. Und würde tatsächlich ein „geldfinanziertes Haushaltsprogramm“ umgesetzt, dann würde dies wahrscheinlich die Kreditvergabe der Banken ganz zum Stillstand bringen.
Das Argument der Europäischen Zentralbank (EZB) für die negativen Zinsen klingt einfach: Damit würden die Banken gezwungen, das von der EZB erhaltene Geld ohne Kosten in die Wirtschaft zu investieren. Aber die Faktenlage nach einem Jahr „quantitativer Erleichterung“ (QE) zeigt, daß das falsch ist.
Trotzdem hat die EZB ihr QE-Programm von 60 auf 80 Mrd.€ monatlich erhöht und kauft seit dem 9. Juni auch Unternehmensanleihen. Gerüchten zufolge sind darunter auch Anleihen nur eine Stufe über dem „Ramsch“-Rating. Die EZB hat außerdem deutlich gemacht, daß sie weiterhin Anleihen kaufen wird, auch wenn diese danach herabgestuft werden.
Die Negativzinsen zerstören den wichtigsten Teil des Bankwesens: Einlagen und Zahlungen. Einige Konsequenzen waren vorher bekannt: In den USA gab es schon früh Studien über die realen Grenzen negativer Zinsen. Das vielleicht erstaunliche Resultat war, daß die Grenze bei der Kapazität der Banken liegt, Geld in den Tresoren aufzubewahren. Mit anderen Worten, Banken würden das Geld im übertragenen Sinne „unter der Matratze“ aufbewahren - und ihre Kunden im buchstäblichen Sinne. http://www.fuw.ch/article/james-bianco-the-risk-of-an-accident-is-very-high/
Die Experten berechneten die Grenze für die USA und verglichen dies mit Europa. Hier war die Grenze höher - wegen der 500-Euro-Scheine, die jetzt nicht mehr gedruckt werden...
Die Negativzinspolitik der Zentralbanken hat erwartungsgemäß die Realwirtschaft nicht belebt, sondern ruiniert nur die Einlagenfunktion des Bankwesens. Das größte Geldinstitut Japans, die zweitgrößte Versicherung der Welt und die zweitgrößte Bank Deutschlands behalten lieber ihr Geld für sich, als Negativzinsen in Kauf zu nehmen, oder erwägen dies.
Japan war der Vorreiter mit jahrzehntelanger „Quantitativer Erleichterung“, d.h. Liquiditätspumpen, was keine realwirtschaftliche Erholung brachte, aber die Renditen auslöschte. Zehnjährige Staatsanleihen haben jetzt Negativzinsen von -0,17%. Nur 30jährige Anleihen haben mit 0,26% noch positive Zinsen, die aber in 30 Jahren mit Sicherheit durch die Inflation aufgefressen sein werden. Dies in einem Land mit einem Schulden-BIP-Verhältnis von 218%, dem höchsten der Welt.
Unter normalen Umständen müßte der Staat Anlegern zweistellige Renditen bieten, so war es nur eine Frage der Zeit, bis Anleger diese Schulden abstoßen.
Am 8. Juni meldete der nationale Sender NHK, daß die Bank of Tokyo-Mitsubishi, die größte Bank Japans, als erste Großbank keine Staatsanleihen mehr kauft. Dies könne eine Welle bei den anderen Großbanken auslösen und den Anleihemarkt aus dem Gleichgewicht bringen, so NHK.
In Deutschland hat Munich Re, der zweitgrößte Versicherungskonzern der Welt, angefangen, flüssige Mittel im Tresor zu lagern, statt sie bei -0,40% bei der EZB zu parken. Vorstandschef Nikolaus von Bomhard hatte im März gesagt, der Rückversicherer werde damit experimentieren, mindestens 10 Mio.€ der Reserven in bar und Gold zu lagern, um die Durchführbarkeit zu prüfen.
Reuters zufolge wird bei der Commerzbank erwogen, es genauso zu machen. Auch einige bayerische Banken bunkern Berichten zufolge schon Bargeld. Finanzminister Wolfgang Schäuble und Bundesbankchef Jens Weidmann haben die Negativzinspolitik der EZB öffentlich kritisiert. Die Bundesregierung, der größte Aktionär der Bank, weiß eigenen Angaben zufolge, daß die Commerzbank erwägt, kein Geld mehr bei der EZB in Frankfurt einzuzahlen.