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Neue Solidarität
Nr. 24, 16. Juni 2016

Das Spiel der NATO mit dem Dritten Weltkrieg:
Frieden ist nur mit Rußland und China möglich!

Von Helga Zepp-LaRouche

„Nomen est Omen“,1 könnte man bezüglich des NATO-Manövers Anakonda 16 sagen, das gegenwärtig in Polen unter Teilnahme von 31.000 Soldaten aus 24 Nationen stattfindet. Denn während das Manöver den angeblichen Angriff „eines Gegners“ (natürlich Rußland) auf Polen und die baltischen Staaten abwehren soll, verrät der Name des Manövers - eine Schlange, die ihre Mahlzeiten erwürgt - schon eher die Absicht der NATO, die sich nunmehr entlang der gesamten osteuropäischen Grenze zu Rußland vorgeschoben hat. Gleichzeitig finden noch drei weitere Manöver in den baltischen Staaten und Polen statt, so daß insgesamt zwischen 50-60 000 Soldaten direkt an der russischen Grenze operieren.

Das letzte Mal, das dies geschah, war es der Aufmarsch von Hitlers Reichswehr 1941 - und genau so wird dies von der russischen Bevölkerung empfunden. Der Unterschied ist, daß es dieses Mal um den Dritten Weltkrieg mit dem Einsatz von thermonuklearen Waffen und damit das Ende der Menschheit geht.

Parallel zu Anakonda 16 finden noch drei weitere Manöver statt, Baltops 16 in und um die Ostsee, Saber Strike 16 in den drei baltischen Staaten und Swift Response in Polen und Deutschland. Nirgendwo sind Zahlen über den genauen Umfang veröffentlicht, aber schätzungsweise sind bei den vier Manövern zwischen 50.000 und 60.000 Soldaten beteiligt.

Gleichzeitig lief das amerikanische Kriegsschiff USS Porter, einer der vier in Rota stationierten Zerstörer der Aegis-Klasse, die zum amerikanischen Raketenabwehrsystem gehören, auf dem Weg zum bulgarischen Hafen Warna im Schwarzen Meer ein. Der US- Flugzeugträger USS Dwight Eisenhower mit seiner Kampfgruppe lief gleichzeitig vom Atlantik aus ins Mittelmeer ein, und die USS Harry Truman verlagerte ihre Position vom Golf durch den Suezkanal zum US European Command ins Mittelmeer, in einer „klaren Demonstration der Kapazitäten“, wie es Konteradmiral Bret Batchelder ausdrückte.

Rußland reagiert auf diese Demonstrationen, indem es seinerseits die Militärbasen im nördlichen Militärdistrikt personell verstärkte, Manöver auf der Krim und in der Rostow- Region veranstaltet und laut Iswestija Übungen abhält, in denen russische Piloten trainieren, wie die amerikanischen Raketenabwehrsystem entlang der russischen Grenze ausgeschaltet werden können.

Was ist der wahre Zweck des Raketenabwehrsystems?

Wie der stellvertretende russische Verteidigungsminister Anatolij Antonow kürzlich auf der Sicherheitskonferenz „Shangri-La Dialogue“ in Singapur betonte, befürchtet Rußland, daß der Zweck des US-Raketenabwehrsystems, das entlang der russischen Grenze installiert wird, darin besteht, einen nuklearen Überraschungsangriff auf das russische Nukleararsenal zu führen und die Verteidigung damit auszuschalten. Der von Anfang an durchsichtige Vorwand, diese Systeme seien notwendig, um Europa vor Raketen aus dem Iran zu schützen, ist spätestens seit dem P5+1-Abkommen mit dem Iran hinfällig, und Militärexperten sind sich einig, daß diese Systeme innerhalb kürzester Zeit von defensiven in offensive Systeme umgerüstet werden können, indem einfach die Software ausgetauscht wird, ohne dass dies von Gastländern wie Rumänien oder Polen überhaupt bemerkt würde.

Inzwischen dämmert es einigen, daß uns diese Kombination von realer Einkreisung Rußlands, Manövern, die diese Absicht sogar im Namen tragen, und die erwartungsgemäßen Gegenmaßnahmen Rußlands in eine Situation gebracht haben, in der der Ernstfall schlimmstenfalls nur Minuten entfernt liegt. Der Spiegel sorgt sich, daß diese Manöver, die das Szenario eines realen Krieges zur Grundlage haben, zu weit gehen, Die Zeit nennt die Installation der Raketenabwehrsysteme in Rumänien und Polen den wahrscheinlich größten Fehler, den die NATO dabei ist zu begehen und der womöglich die Aufkündigung des INF- Vertrages (Intermediate Range Nuclear Forces) über die nuklearen Mittelstreckensysteme durch Rußland zur Folge haben wird.

Ein hochrangiger Militärvertreter kommentierte, diese Provokationen gegenüber Putin seien extrem unklug, da sie nur zu einer Eskalation führen könnten. Die Situation erinnere sehr an die vor dem Ersten Weltkrieg. Wenn eine Seite mit der Gefahr konfrontiert werde, das Gesicht zu verlieren, markiere dies den Kriegsbeginn.

Zu größter Sorge gibt Präsident Obamas Weigerung Anlaß, die Besorgnis für die russischen Sicherheitsinteressen, die sich aus dem US-Raketenabwehrsystem ergeben, auch nur zur Kenntnis zu nehmen, bzw. darüber zu diskutieren, was Präsident Putin wiederholt verlangt hat - zuletzt am 27. Mai dieses Jahres. Selbstverständlich ist es Moskau nicht entgangen, daß sich die Doktrin der NATO längst verändert hat - weg von der Doktrin des MAD („Mutual Assured Destruction“) und damit der Idee, daß der Einsatz von Atomwaffen ausgeschlossen ist, weil er zur gegenseitigen vollständigen Vernichtung führen würde. An deren Stelle ist die utopische Doktrin getreten, daß ein nuklearer, begrenzter Nuklearschlag „gewinnbar“ sei, weil dank moderner Technologien die Zweitschlagkapazität eines jeden Gegners mittels eines Überraschungsschlags ausgeschaltet werden könnten. Bereits 2006 erschien in Foreign Affairs, dem Journal des Council on Foreign Relations, ein Artikel, in dem diese Auffassung vertreten wurde,2 heute ist sie die Grundlage der diversen US- und NATO-Doktrinen, des „Prompt Global Strike“, des US- Raketenabwehrsystems und der „Air-Sea-Battle“-Doktrin für Asien. Die Tatsache, daß Obama sich weigert, die russischen Argumente auch nur zu diskutieren, worauf Anatolij Antonow erneut hingewiesen hat, läßt für viele Beobachter nur einen einzigen Schluß zu.

Unterstützt wird diese Annahme durch den bellikosen Ton, den die neue Garde amerikanischer Militärs anschlägt. So betonte Lt. General Ben Hodges, Kommandant der US-Armee in Europa, die Position der NATO im Baltikum habe sich von assurance (Garantie) zu „deterrance“ (Abschreckung) verwandelt. „Deterrence“ erfordere reale militärische Kapazitäten, die es dem Gegner unmöglich machten, sein Ziel zu verwirklichen, es handele sich nicht um einen sogenannten „tripwire“, also einen Stolperdraht, der nur den Anlaß für den Einsatz des gesamten strategischen Arsenals bieten würde. „Wir brauchen Rußland in der internationalen Gemeinschaft,“ so Hodges, „aber sie respektieren nur Stärke“.

Rußland hat wiederholt betont, daß es nicht die geringsten Absichten habe, in den baltischen Staaten oder Polen einzumarschieren - trotzdem ist dieses Szenario die Basis für die ganze Hysterie. Anfang des Jahres veröffentlichte die Rand Corporation eine Studie, die zum Thema hatte, daß das Baltikum wegen mangelnder strategischer Tiefe gegen einen russischen Angriff nicht zu verteidigen wäre und in 60 Stunden von russischen Truppen überrannt werden könnte, womit also implizit zugegeben wurde, daß all die dorthin verlagerten Bataillone und schweren Geräte eben doch nur die besagte Stolperdrahtfunktion haben. Genau deshalb sei es nötig, die Ausgaben des Pentagon für Europa 2017 zu vervierfachen, betonte Michael Carpenter, stellvertretender US-Verteidigungsminister für Rußland, Ukraine und Eurasien vor dem Außenpolitischen Ausschuß des US-Senats.

Europa als Kanonenfutter?

Es ist buchstäblich eine Sekunde vor Mitternacht und überlebenswichtig aufzuwachen, ehe wir in Europa den geopolitischen Interessen eines angloamerikanischen Empire, dessen Anspruch auf eine unipolare Welt ohnehin nicht aufrecht erhalten werden kann, als Kanonenfutter in einem vermeintlich begrenzten Nuklearkrieg geopfert werden. Wenn es beim kommenden NATO-Gipfel in Warschau Anfang Juli zum weiteren Ausbau des US-Raketenabwehrsystems kommt - geplant ist u.a. die Verknüpfung des Systems in Rumänien mit den raketenfähigen Aegis-Kriegsschiffen -, dann könnte sehr bald der Punkt ohne Wiederkehr erreicht sein.

Der russische Generalkonsul in San Francisco brachte es bei der jüngsten Konferenz des Schiller-Instituts als Antwort auf die diesbezügliche Frage des ehemaligen US- Senators Mike Gravel auf den Punkt: „Ich teile die Einschätzung, daß wir sehr dicht vor einem großen Konflikt stehen. Und ich möchte hinzufügen, daß es keine Möglichkeit eines ,begrenzten Nuklearkriegs’ gibt. Wenn er beginnt, ist er das Ende der Welt.“

Es ist allerhöchste Zeit, aus der NATO auszutreten und eine inklusive Sicherheitsarchitektur an deren Stelle zu setzen, die unser aller Überleben ermöglicht. Der Eiertanz von Bundeskanzlerin Merkel, „langfristig“ den gemeinsamen Wirtschaftsraum EU-Rußland anzustreben, aber der Verlängerung der EU- Sanktionen gegen Rußland für weitere sechs Monate zuzustimmen, ist brandgefährlich. Es sollte der „C“DU-Politikerin eigentlich bekannt sein, was schon die Bibel in der Offenbarung 3,15 über die Lauwarmen sagt.


Anmerkungen

1. Auf deutsch etwa „Der Name ist Programm”.

2. Siehe https://www.foreignaffairs.com/articles/united-states/2006-03-01/rise-us-nuclear-primacy