|
|
Von Alexander Hartmann
Will US-Präsident Barack Obama sich noch vor seinem Ausscheiden aus dem Amt auf eine militärische Kraftprobe mit Rußland und China einlassen? Zu diesem Schluß muß man kommen, wenn man die jüngsten Wendungen der US-Politik betrachtet: Unmittelbar, nachdem es US-Außenminister John Kerry und dem russischen Außenminister Sergej Lawrow gelungen war, eine Ausweitung der Waffenruhe in Syrien auf der Grundlage des Genfer Abkommens auszuhandeln, wofür ein eigenes, größeres Büro in Genf mit russischen und amerikanischen Militärs und Diplomaten eingerichtet werden soll, um die Waffenruhe zu überwachen, wurde Kerry - offensichtlich von Obama - dazu veranlaßt, dem syrischen Präsidenten Baschar Assad öffentlich ein Ultimatum zu stellen: Wenn er nicht bis zum 1. August zurücktrete, würden die USA „andere Seiten aufziehen“.
Angesichts der Tatsache, daß die USA schon jetzt ohne Zustimmung des syrischen Präsidenten amerikanische Soldaten in Syrien einsetzen, ist dabei offensichtlich von einem großen Militäreinsatz die Rede, der das ausdrückliche Ziel hat, einen Regimewechsel in Syrien zu erzwingen. Und damit ist klar, daß Rußland und China, die sich entschieden einem von außen erzwungenen Regimewechsel in Syrien widersetzen und dort selbst militärisch präsent sind, vor die Wahl gestellt werden sollen, entweder Assad fallenzulassen - oder eine direkte militärische Konfrontation mit den USA in Kauf zu nehmen.
Gleichzeitig rollt die Politik des militärischen Aufmarschs und der Einkreisung gegenüber Rußland und China weiter „wie eine Dampfwalze voran“, wie die BüSo-Vorsitzende Helga Zepp-LaRouche am 4. Mai in ihrem Internetforum betonte. Entscheidend sei die Zeit bis zum NATO-Gipfel Anfang Juli, denn dort soll die Schaffung einer permanenten Truppenpräsenz der NATO im Baltikum von den NATO-Mitgliedstaaten abgesegnet werden.
Diese Einheiten sollen dort nicht permanent stationiert, sondern im Rotationsverfahren eingesetzt werden - wie in Kriegsgebieten. UN News zitierte einen namentlich nicht genannten Militärvertreter: „Wir gehen von Rückversicherung über zur Abschreckung, von Rückversicherung zu einer Kampfaufstellung.“ Das gleiche gilt auch für den amerikanischen Truppeneinsatz auf den Philippinen.
Die US-Regierung hat beim US-Kongreß bereits die Vervierfachung der Mittel für die amerikanischen Truppeneinsätze in Osteuropa beantragt, und sie hat - sowohl durch Verteidigungsminister Ashton Carter als auch durch General Philip Breedlove, den bisherigen Oberkommandeur der US-Truppen in Europa, und dessen Nachfolger General Curtis Scaparrotti, dem Carter am 3. Mai in Stuttgart das Kommando übertrug - auch ganz klar gemacht, daß sie Rußland und China als ihre wichtigsten Feinde betrachtet.
Offensichtlich will Präsident Obama noch vor dem Ende seiner Amtszeit eine „Endlösung“ des Syrienproblems in seinem Sinne durchsetzen. Es mag sein, daß dies aus Obamas Sicht nur ein gigantischer Bluff sein soll, mit dem er sich selbst und der übrigen Welt beweisen will, wer „der Herr im Haus“ ist - aber wenn sich Obama dabei verrechnet, kommt es zu einem Nuklearkrieg zwischen den Supermächten. Es ist höchste Zeit, daß die vernünftigen Kräfte in den westlichen Regierungen und Parlamenten sich endlich dazu aufraffen, Obama an solchen verrückten Dummheiten zu hindern, denn das gefährliche an Ultimaten ist, daß sie oft eine Lage schaffen, in der keine der beiden Seiten mehr zurückstecken kann.
Es ist klar, daß Rußland und China, auch wenn sie gleichzeitig dem Westen die Hand bieten für eine vernünftige Politik der Zusammenarbeit, gar nicht anders können, als auf den westlichen Aufmarsch mit eigener Aufrüstung und Erhöhung der Kampfbereitschaft zu reagieren. So kündigte beispielsweise Rußland an, daß es als Reaktion auf die Aufrüstung der NATO in Osteuropa im Laufe des Jahres drei neue Divisionen zu je 10.000 Mann in seinen westlichen und südlichen Militärbezirken aufstellen wird. Und nicht nur die USA arbeiten fieberhaft an der Modernisierung ihrer Atomwaffen, sondern auch Rußland und China.
Helga Zepp-LaRouche vergleicht den Aufmarsch der NATO in Osteuropa mit dem „Unternehmen Barbarossa“, dem Truppenaufmarsch des Dritten Reichs zum Überfall auf die Sowjetunion (vgl. Neue Solidarität 18/2016), und begründete in ihrem Internetforum diesen Vorwurf. Nach dem Besuch von Obama habe Bundeskanzlerin Merkel bekanntgegeben, daß sofort auch 250 Bundeswehrsoldaten an den NATO-Bataillonen im Baltikum beteiligt werden. In Rußland werde jedoch derzeit verstärkt die Erinnerung an den Großen Vaterländischen Krieg wachgerufen, „und wenn dann, nur 71 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, deutsche Soldaten direkt an der russischen Grenze stationiert werden, in einer relativ hohen Kampfbereitschaft, kann ich mir sehr gut vorstellen - da bin ich mir absolut sicher -, daß das wirklich starke Emotionen in Rußland hervorrufen wird. Die ganze Politik der NATO ist ja im Grunde eine Politik der Einkreisung gegenüber Rußland und gegenüber China.“
Wenn man sich die Gesamtstrategie anschaue - von den Sanktionen gegen Rußland über die Versuche, Farbrevolutionen zu inszenieren, bis hin zu der Rüstungsspirale, in die Rußland und China hineingezwungen worden sind -, dann sei klar, daß dies in der Absicht geschehe, Regimewechsel herbeizuführen.
Es bleibe die unbeantwortete Frage: „Warum werden Atomwaffen modernisiert? Alle amerikanischen Atomwaffenarsenale sollen modernisiert werden, die taktischen Atomwaffen B61-12 in Deutschland - das sind Offensivwaffen. Und was sollen die Russen darüber denken?“
Vor allem kritisierte sie, daß es bisher keine öffentliche Debatte über diese Fragen gebe:
„Es traut sich ja in Deutschland nicht einmal jemand, über die Sanktionen zu reden - außer einer verhaltenen Kritik. Aber über diese ganze militärische Dimension fehlt eine Debatte eigentlich fast vollständig. Und das ist wirklich skandalös.
Ich denke, wir brauchen wirklich eine dramatische Änderung der Politik, denn wir müssen in Deutschland und ganz Europa unsere eigenen Interessen bestimmen. Werden wir in so einen Kriegszug hineingezogen? ... Sollen wir uns wirklich quasi im Windschatten der USA in solch eine Konfrontation hineintreiben lassen, die wirklich die existentiellen Interessen Deutschlands in Frage stellt? Denn wenn es schief geht, dann wird Deutschland aufhören, zu existieren.“
Das wahre Motiv hinter der Konfrontationspolitik gegenüber Rußland und China, betonte sie, zeige sich in den Verhandlungen über die Freihandelsabkommen TPP (mit den asiatischen Nationen) und TTIP (mit Europa), die die US-Regierung noch vor dem Ausscheiden Obamas aus dem Amt durchsetzen will. Dies demonstriere ein Gastbeitrag Präsident Obamas mit der vielsagenden Überschrift „Amerika - und nicht China - bestimmt die Regeln“ in der Washington Post. „Darin sagt er, Südasien und Südostasien entwickeln sich rasant, und wir - die USA - können nicht erlauben, daß China die Regeln bestimmt, sondern wir werden das tun. Und damit hat er eigentlich die Katze aus dem Sack gelassen. Denn auch bei den vorher angesprochenen militärischen Aufrüstungen und Konfrontationsszenarien geht es eigentlich nur um eine Sache. Sowohl bei TPP, TTIP als auch bei der NATO-Aufrüstung gegen Rußland und natürlich auch im Südchinesischen Meer, in Korea, die ganze militärische Dimension, da geht es eigentlich nur um ein einziges Thema - und das ist, die unipolare Position der USA mit allen Mittel zu verteidigen.“
Im Südchinesischen Meer gehe es mit Sicherheit nicht um ein paar Felsen, und es sei auch die Freiheit der Schiffahrt kein einziges Mal verletzt worden, das sei alles bloß große Propaganda. Vielmehr wolle Obama „den Hoheitsanspruch der USA über den Pazifik und wahrscheinlich bald auch über den Indischen Ozean, d.h. über die Meere der Welt konsolidieren... Es geht um das Aufrechterhalten der unipolaren Welt.“ Aber dieser Zug sei gewissermaßen schon abgefahren, denn es gebe sie schon gar nicht mehr. „Asien steigt auf, China entwickelt sich, andere asiatische Staaten, Indien, andere Staaten, die vormals sogenannten Tigerstaaten, entwickeln sich rasant.“
Chinas Regierung habe sehr kühl auf Obamas Artikel reagiert, mit der Feststellung, daß die Handelsregeln nicht von einem Land bestimmt werden, sondern von allen beteiligten Nationen, und bei einem Treffen in Australien, wo es um das chinesische Handelsabkommen ging, hätten 15 Nationen teilgenommen, „die offensichtlich die Bedingungen, die China vorschlägt, für sehr viel attraktiver halten als das TPP, das eigentlich nur den Zweck hat, China außen vor zu halten“.
Der entscheidende Punkt sei jedoch, „daß alle Imperien in der Geschichte immer an Überdehnung untergegangen sind... Die USA sind schon jetzt überdehnt, die ökonomischen Zahlen sind katastrophal - sowohl die Zahlen für die Arbeitsplätze, die Zahlen in Bezug auf den Produktivitätsanstieg, der seit fünf Jahren quasi null oder geringer ist. D.h., die physische Ökonomie der USA schrumpft immer mehr, und der Bankensektor ist natürlich sowieso eine Riesenblase, die schlimmer als 2008 zu explodieren droht - genau wie in Europa.“
Sie fuhr fort: „Mit anderen Worten: das ist eine Politik, die nicht haltbar ist, und das macht es auch so gefährlich.“ Denn es gebe im transatlantischen Sektor Kräfte, die auf diese Entwicklung in Asien so reagieren, daß sie in die sogenannte „Thukydides-Falle“ tappen, vor der der frühere US-Generalstabschef Dempsey mehrfach gewarnt habe, wie in dem von Thukydides beschriebenen Konflikt zwischen Athen und Sparta im klassischen Griechenland, „wo der Aufstieg des einen zur Kriegsführung der anderen Seite geführt hat und damit der Peloponnesische Krieg gestartet wurde, der dann in der letzten Konsequenz zum Untergang des klassischen Griechenland führte“.
Das sei heute, im Zeitalter thermonuklearer Waffen und wo die Rede sei vom Übergang von Abschreckung zur Kampfbereitschaft und zum Mobilitätszustand der Truppen, extrem besorgniserregend. „Ich habe es schon oft gesagt, wir brauchen eine öffentliche Debatte. Wo sind die Interessen Deutschlands? Die Interessen Deutschlands sind eben nicht Fremdenfeindlichkeit oder ,Schotten dicht’, sondern die einzige Weise, wie Deutschland seine Existenz langfristig sichern kann, ist, indem es ein neues Paradigma initiiert und daran mit anderen Staaten teilnimmt, vor allen Dingen ganz Eurasien, die dann gemeinsam die Probleme lösen, die uns alle betreffen: die totale Zerstörung im Nahen und Mittleren Osten, die furchtbare Lage in Afrika. Und die einzige Chance, die wir haben, um aus all diesen Konflikten herauszukommen, ist die, daß wir gemeinsam mit Rußland und China die Neue Seidenstraße ausbauen zur Weltlandbrücke.“