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Neue Solidarität
Nr. 18, 4. Mai 2016

Die Geschichte verändern durch Veredelung des Menschen

Von Helga Zepp-LaRouche

Helga Zepp-LaRouche eröffnete den Schlußabschnitt der New Yorker Konferenz des Schiller-Instituts am 7. April mit den folgenden Bemerkungen.

Konfuzius machte viele wichtige Aussagen über die Musik und über den Zusammenhang zwischen der Musik und dem Staat. Er sagte, wenn man den Zustand eines Landes beurteilen wolle, dann sollte man seine Musik betrachten. Nun, nach diesem Maßstab ist der Westen offensichtlich in sehr großen Schwierigkeiten.

Deshalb mißt das Schiller-Institut der klassischen Musik und der klassischen Kunst insgesamt größte Bedeutung zu. Aber in einer Gesellschaft, die dermaßen gespalten ist, in der alle Themen die Meinungen spalten und die Menschen so viele Meinungen haben, daß man kaum zwei findet, die sich in irgendeiner Sache einigen können, wie findet man da zurück zum Streben nach Wahrheit? Und um die Wahrheit zu finden - ganz egal, ob in der Musik, in der Lehre, in der Wissenschaft, in der Wirtschaft -, sollten die Menschen wahrheitsliebend sein. Denn nur dann sind sie wirklich Menschen.

Es gibt nur zwei Bereiche, in denen man wirklich nach Wahrheit streben kann, ohne durch Eigensinn abgelenkt zu werden, oder dadurch, daß man einfach die Meinungen von jemand anderem übernimmt, von den Medien, den Nachbarn, wem auch immer: die beiden Bereiche, in denen es möglich ist, Wahrheiten zu suchen, sind die Naturwissenschaften, weil man dort Prinzipien entdecken kann, die universell gültig sind - wenn man sie in Deutschland entdeckt, dann gelten sie auch in China oder in Amerika, es gibt ein Kriterium für Wahrheit; und der einzige andere Bereich, in dem dies ebenfalls gilt, ist die klassische Kunst. Denn nur in der klassischen Kunst findet man Prinzipien, die genauso ewig und wahrhaftig sind wie wissenschaftliche Prinzipien.

Die Frage ist daher: Wie führen wir die Gesellschaft - geheilt - heraus aus dem schrecklichen Zustand, in dem sie sich befindet?

Dazu müssen wir den Menschen wieder beibringen, was Schönheit ist. Es gibt Schillers berühmte Kontroverse mit Kant; Kant sagte, im kategorischen Imperativ: Du mußt. Du mußt moralisch sein, du mußt so handeln, daß du nicht die Rechte eines anderen verletzt. Schiller fand das schrecklich und sagte: Der arme Kant, er muß eine schreckliche Kindheit gehabt haben, denn er schrieb nur für die Sklaven, für die Knechte, und nicht für die schönen Seelen.1 Denn eine schöne Seele ist ein Mensch, der die Freiheit so sehr liebt, daß er zur Moral nicht durch irgendwelche Mechanismen gezwungen sein will, weil dann etwas unterdrückt wird, und wahre Freiheit darf nicht unterdrücken.

Deshalb ist die Schönheit in allem, besonders aber in der klassischen Kunst so absolut entscheidend, denn Schönheit ist sowohl ein Begriff der Vernunft - Schiller verlangt, daß Schönheit nicht durch Erfahrung, sondern durch Vernunft definiert ist -, sie gehört gleichzeitig aber natürlich auch dem Bereich der Sinne an, und deshalb gibt es bei schönen Dingen und schöner Kunst keinen Widerspruch zwischen Vernunft und Gefühl.

Schiller war absolut überzeugt, daß es die wichtigste Aufgabe seiner Zeit war, die Gefühle der Menschen zu erziehen. Denn wenn die Menschen emotional verkrüppelt sind, so daß sie nur eine einzige spezielle Fähigkeit entwickeln und alles übrige vernachlässigen, oder sie mit ihrem ganzen Leben auf der falschen Spur sind - dann ist der einzige Weg, das zu verbessern, die Gefühle zu erziehen, bis an den Punkt, an dem uns die Gefühle auf die Ebene der Vernunft führen, sodaß man ihnen blind vertrauen kann, was immer ihre Impulse sein mögen, weil sie niemals gegen das verstoßen werden, was die Vernunft gebietet.

Schiller nannte dies die „ästhetische Erziehung“. Und der Weg dahin führt über die große klassische Kunst. Er hatte in seinen wunderschönen „Briefen über die ästhetische Erziehung des Menschen“ viel darüber zu sagen, warum nur die große klassische Kunst eine moralische Verbesserung und Veredelung des Individuums herbeiführen kann. Er war überzeugt - und das ist schon sehr lange mein festes Credo -, daß eine Änderung in der Politik einzig und allein als durch die Veredelung des Individuums erreicht werden kann.

Laßt uns also einige schöne Kunstwerke anhören, und bedenken dabei, daß dies Politik auf höchstem Niveau ist.


Anmerkung

1. „Womit aber hatten es die Kinder des Hauses verschuldet, daß er nur für die Knechte sorgte?“ in: „Über Anmut und Würde“