|
|
Von Ulf Sandmark und Hussein Askary, EIR, Stockholm
Die folgenden „Diskussionspunkte für den Wiederaufbau Syriens“ wurden als Antwort auf Bitten syrischer Regierungsstellen erstellt. Diese Anfrage ergab sich infolge der Reise einer Delegation der schwedischen Vereinigung „Syrisches Unterstützungskomitee für Demokratie“, die im Dezember 2014 mehrere Ministerien und Behörden in Damaskus besucht hatten (s. „Neue Solidarität“ 49/2014). Dieser Delegation gehörte auch der im Schiller-Institut aktive Stockholmer EIR-Korrespondent Ulf Sandmark an. Hussein Askary ist der Redakteur der arabischen Ausgabe von EIR.
Warum inmitten eines verheerenden Krieges über den Wiederaufbau sprechen?
Die Hoffnung macht den Menschen zum Menschen. Die Hoffnung auf den Wiederaufbau mobilisiert die schöpferischen Kräfte des Menschen, was seine Seele dem Schöpfer am nächsten bringt.
Indem die syrische Nation ihre Augen zu der Vision von Wiederaufbau und Entwicklung nach dem Krieg erhebt, verdeutlicht sie am klarsten ihr Menschenbild, im Gegensatz zu der bösartigen und sinnlosen Zerstörungswut ihrer Feinde. Das werden nicht nur wir selbst und die Welt sehen, sondern nicht zuletzt auch für diejenigen unserer Feinde, die noch denken können, weil es sie davon überzeugt, daß sie mit ihrem Krieg für sich selbst nichts Besseres erreichen. Ein Wiederaufbauplan zeigt diesen Feinden, daß sie eine bessere Zukunft haben, wenn sie mit der syrischen Regierung zusammenarbeiten, anstatt ihren Krieg fortzusetzen.
Die Hoffnung auf die Zukunft Syriens ist die stärkste Waffe gegen Pessimismus, Verzweiflung und die Unmenschlichkeit des Feindes.
Die BRICS-Nationen (Brasilien, Rußland, Indien, China, Südafrika) haben die Hälfte der Menschheit in eine Organisation zusammengeführt, die sich dem Paradigma von Entwicklung und Prosperität für sich selbst und für die Welt verschrieben hat. Die BRICS setzt endlich eine starke organisierte Kraft hinter die Bestrebungen der Dritten Welt, der Blockfreien Bewegung und der Gruppe der 77, die Welt von Armut und Kolonialismus zu befreien.
Im Gegensatz zu Syrien und den BRICS herrscht in der westlichen Welt ein globalisiertes Finanzsystem, das hoffnungslos ist. Sein Papierwert von 2 Trillionen US-Dollar besteht zu 90 Prozent aus Spekulationsschulden. Dieses finanzielle Schneeballsystem ist in der Geschichte ohne Beispiel und wird nur durch ständige Kapitalspritzen der Zentralbanken und Staatshaushalte aufrechterhalten. Der verzweifelte Zustand des westlichen Finanzsystems setzt die westlichen Politiker unter Zugzwang, eine massive finanzielle Ausplünderung ihrer Bürger und der Realwirtschaft zuzulassen.
Beispielhaft für diese Ausplünderung ist die griechische Krise, aber noch weitaus verheerender hat sie sich auf die Dritte Welt ausgewirkt. Jetzt fällt es den westlichen Banken nicht mehr so leicht, die BRICS-Nationen auszubeuten. Die Methode, um die BRICS und andere unabhängige Nationen auszubeuten und zu beherrschen, besteht in Destabilisierungen und im Schüren von Chaos durch Terrorismus und regionale Kriege, die sich bis nach Zentralasien und nach China, Indien und Rußland ausbreiten könnten, um den Widerstand und die Führungsstärke dieser großen Länder zu brechen. Syrien liegt an der Hauptfrontlinie dieser Art von Geopolitik, die das Britische Empire nach wie vor einsetzt, um konkurrierende und aufstrebende Weltmächte zu unterdrücken. Da sich die Vereinigten Staaten derzeit diese britische geopolitische Doktrin zueigen gemacht haben, gehört die Drohung mit dem Einsatz amerikanischer Atomwaffen zu der Erpressungsmethode, die die Welt an den Rand einer drohenden globalen Katastrophe gebracht hat.
Die Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit im westlichen Finanzsystem und den alten Kolonialmächten wird in Form von Terrorismus und Regimewechsel-Politik auf Syrien und andere kriegszerstörte Länder projiziert. Die Kriegspolitik ließe sich beenden, wenn in der westlichen Welt die Finanzkrise durch eine Bankenreform und einen realwirtschaftlichen Neubeginn gelöst wird. Dieser Lösungsansatz wird seit langem von dem amerikanischen Staatsmann Lyndon LaRouche, seiner Frau Helga Zepp-LaRouche und dem Schiller-Institut vorgeschlagen.
Viele westliche Politiker arbeiten inzwischen für die gleichen Vorschläge zur Lösung der Finanzkrise. Die stärkste Hoffnung für die Welt ist das energische Eintreten der BRICS-Nationen für ein neues Paradigma weltweiter Entwicklung. Zusammen kann es diesen Kräften gelingen, Europa und die USA von ihrer Kriegspolitik abzubringen. Der heroische Widerstand der Syrischen Arabischen Republik gegen die imperialen Kräfte ist somit Teil eines militärischen wie wirtschaftlichen Kampfes. Er vereinigt die Völker der Welt in der Hoffnung und dem Kampf für eine neue gerechte Weltwirtschaftsordnung.
Die Freiheit, für die Syrien kämpft, ist die Grundlage der syrischen Wirtschaft und des Rechts der Regierung, Kredit und Geld zu schöpfen. Das Volk, der Boden und die Bodenschätze bergen ein riesiges Potential. Mit einem Wiederaufbau- und Entwicklungsplan entsteht ein noch größeres Potential.
Ein Landwirt oder Unternehmer muß oft bei anderen einen Kredit aufnehmen, um sein Potential zu verwirklichen. Eine freie Nation kann selbst entscheiden, ihr Potential zu realisieren. Die Nation tut das, indem sie beschließt, sich selbst Kredit zu gewähren, wobei die eigene zukünftige Produktivität als Sicherheit für den Kredit dient. Hierfür braucht man ein besonderes Finanzsystem, das „Kreditsystem“ genannt wird.
Ironischerweise war es ein solches „Kreditsystem“, das die Gründung der Vereinigten Staaten und ihr Überleben in den ersten Jahren ermöglichte. Das gleiche Wirtschaftsprinzip für das Überleben der USA haben später Präsident Abraham Lincoln während des Bürgerkriegs und erneut Präsident Franklin D. Roosevelt von 1933 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs angewendet. Danach kam es auch in Westdeutschland und Südkorea bei deren Wiederaufbau nach dem Krieg zum Einsatz. Die USA befinden sich heute in ihrer finanziellen Zusammenbruchskrise, weil sie dieses funktionierende System aufgegeben haben und gegen dessen Verwendung durch die BRICS-Staaten zu Felde ziehen.
Das Kreditsystem wurde nach dem amerikanischen Sieg im Befreiungskrieg gegen den Kolonialismus 1786 geschaffen. Auf Anregung des damaligen US-Finanzministers Alexander Hamilton vergab der US-Kongreß einen Kredit an die neugegründete National Bank of the United States, die den nationalen Wiederaufbau koordinierte. Der Wert der Landeswährung und die gesamten Kriegsschulden der Staaten stabilisierten sich rasch, als die US-Regierung den Kredit in vorrangige Projekte lenkte. Die Unternehmer, die für die Projekte verpflichtet wurden, gingen sofort ans Werk, wenn sie den Kredit bekamen. Auf diese Weise wurden die Ressourcen des Landes voll ausgeschöpft und erweitert, obwohl die Vereinigten Staaten gerade erst einen langen ruinösen Krieg hinter sich hatten.
Ausgangspunkt für das Hamiltonische Kreditsystem war die Vorstellung, Wert nach dem Potential der Zukunft und nicht nach der augenblicklichen mißlichen Lage zu bemessen. So gesehen, ist Syrien ein reiches Land und kann den Großteil seiner Wiederaufbauanstrengungen selbst finanzieren, um das zukünftige Potential des Landes zu verwirklichen.
Ein Kreditsystem beginnt mit dem Wiederaufbau- und Entwicklungsplan, in dem Schritt für Schritt dargelegt wird, was die Nation innerhalb bestimmter Fristen erreicht haben will. Mit diesem Plan als Grundlage kann die Regierung die notwendigen Kredite schöpfen, um alle verfügbaren Arbeiter, Werkzeuge und Materialien einzusetzen. Die Regierung oder ihre Behörden erteilen die Erlaubnis für die Projekte und beschaffen gleichzeitig den Kredit. Projekte können entweder von Privatunternehmern oder von staatlichen Stellen geleitet werden.
Zur Gewährung von Wiederaufbaukrediten braucht die Regierung eine Zentralbank und eine spezielle neue Wiederaufbaubank. Die syrische Nation kann das Kapital für diese Bank auf ähnliche Weise aufbringen, wie Ägypten seine Bevölkerung mobilisierte, um den zweiten Suezkanal zu finanzieren, indem den syrischen Bürgern daheim oder im Ausland direkte Anteilscheine angeboten werden.
Die Wiederaufbaubank erhält auf diese Weise ihr eigenes Kapital, um Kredite vergeben zu können. Die syrische Regierung sollte die Mehrheitskontrolle über die Wiederaufbaubank behalten. Neben diesem normalen Kreditmechanismus sollte die Zentralbank der Wiederaufbaubank einen besonderen „Hamiltonischen Kredit“ zur Verfügung stellen. Mit diesem zusätzlichen Kreditmechanismus kann die Regierung genug Kredit für den schnellstmöglichen Wiederaufbau Syriens bereitstellen.
Wenn die Regierung den Beginn eines Projektes genehmigt hat, überweist die Wiederaufbaubank den erforderlichen Kredit auf ein Projektkonto. Die Behörde oder der Privatunternehmer, die den staatlichen Auftrag für das Wiederaufbauprojekt bekommen haben, bezahlt die Lieferanten und Arbeiter mit dem Kredit aus diesem Konto. Das läuft weiter bis zum Abschluß des Projekts. So haben alle neuen Kredite der Wiederaufbaubank die Sicherheit in der Leistung der fertiggestellten Projekte.
Das Recht auf Kreditvergabe ist eine entscheidende nationale Ressource, welche unter staatlicher Kontrolle für den Wiederaufbau eingesetzt wird. Es ist unerläßlich, daß die Kredite nicht für Spekulation oder Schneeballsysteme mißbraucht werden, wie in den Banken auf den westlichen globalisierten Finanzmärkten. Deswegen müssen den syrischen Geschäftsbanken Beschränkungen auferlegt werden, d.h. sie dürfen kein Investmentbanking wie Eigenhandel oder Wertpapiergeschäfte betreiben. Das bedeutet kein Verbot des Investmentbanking, aber dieser Bereich des Bankgeschäfts muß in bezug auf Eigentümerschaft, Personal, Vorstandsmitglieder, Buchprüfung usw. vollständig vom Geschäftsbankbereich abgetrennt sein.
Seit der Zeit Präsident Roosevelts bis 1999 gab es in den USA ein Trennbankengesetz, den sog. Glass-Steagall Act, der eine vollständige Bankentrennung vorschrieb. Solange dieses Gesetz in Kraft war, gab es im amerikanischen Bankenwesen keine Systemkrise. Wenn in Syrien ein solches Trennbankengesetz eingeführt wird, können die Geschäftsbanken für den Wiederaufbau mobilisiert werden. Nur dann werden die Kredite der Wiederaufbaubank im Bankensystem umlaufen, um Ringe im Wasser der Realwirtschaft zu erzeugen. Solange der Wiederaufbau andauert, sollte außerdem die Kreditvergabe der Privatbanken streng überwacht werden, damit die Gelder in Übereinstimmung mit dem Wiederaufbauplan gezielt für die tatsächlichen Bedürfnisse der verschiedenen Wirtschaftszweige und der Bevölkerung verwendet werden.
In einem regulierten Geschäftsbankensystem kann die Wiederaufbaubank die Privatbanken dafür einsetzen, Kredite an beauftragte Unternehmen weiterzuleiten und die Zahlungen abzuwickeln. In einem solchen Fall wendet sich das Unternehmen mit einem Vertrag an seine örtliche Bank, die wiederum bei der Wiederaufbaubank den Kredit für das genehmigte Projekt beantragt.
Ein Hamiltonisches Kreditsystem kann alle Arbeitskräfte und Ressourcen im Land mobilisieren, aber es kann nicht finanzieren, was importiert werden muß. Um das zu bezahlen, ist in erster Linie Exporteinkommen erforderlich, aber das wird für die Wiederaufbau- und Entwicklungsanstrengungen nicht ausreichen. Syrien wird umfangreiche Darlehen in ausländischer Währung brauchen, um die notwendigen Maschinen und Ausrüstungen einführen zu können. Diese Darlehen könnten an den Wiederaufbauplan und den Wert der Projekte, die sie finanzieren sollen, gekoppelt werden. Auf diese Weise lassen sich die Darlehen und ihre Zinsen an die langfristigen Rückzahlungsmöglichkeiten anpassen, die sich aus dem Projekt ergeben.
Syrien kann nicht mit größeren Krediten der kriselnden westlichen Finanzinstitutionen rechnen. Jedoch gibt es eine andere Methode, selbst inmitten einer Finanzkrise an Kredite in fremder Währung zu kommen, nämlich durch bilaterale Handelsabkommen mit interessierten westlichen Ländern. Auf diese Weise kann ein Land einwilligen, staatliche Kredite in der eigenen Währung zu gewähren, um den Export von Maschinen oder andere Lieferungen nach Syrien zu finanzieren. Eine Reihe solcher bilateraler Handelsverträge mit interessierten Ländern kann die Lieferung ausländischer Güter für den Wiederaufbau sicherstellen.
Gegenwärtig wird die Neue Entwicklungsbank der BRICS-Nationen entsprechend dem neuen Paradigma für eine neue gerechte Weltwirtschaftsordnung eingerichtet. Diese Bank vergibt Kredite nach Maßgabe des Zukunftspotentials von Projekten und nicht nach den aktuellen Zahlungsmöglichkeiten der Länder, die diese Projekte in Angriff nehmen wollen. Dem gleichen Grundsatz folgen die vielen anderen neuen Fonds, die zur Finanzierung der zahlreichen Projekte der Neuen Seidenstraße eingerichtet werden. Hier bieten sich für ein unabhängiges Syrien viele Möglichkeiten, Finanzierung in Fremdwährung für wichtige große Infrastrukturprojekte zu bekommen.
Da die Auslandsverschuldung im Rahmen des neuen Paradigmas den neuen realisierten Projekten entspricht, ist die Verschuldung problemlos. Je mehr Schulden zur Steigerung des Potentials des Landes, desto besser. Diese Schulden werden keine Last sein, sondern ein Maß dafür, wieviel Syrien in sein zukünftiges Potential investiert.
1. Die Bevölkerung als Träger sämtlicher Potentiale. Ohne die vorrangige Versorgung mit Lebensmitteln, Notunterkünften, Gesundheitsversorgung, Erziehung und Arbeit läßt sich das Potential der Bevölkerung nicht freisetzen. Hierfür ist die größtmögliche Mobilisierung der verfügbaren Ressourcen des Landes auf allen Ebenen von den Regierungsbehörden bis hinab zu den örtlichen Verwaltungen erforderlich. Unter einem Kreditsystem könnten die Kommunalverwaltungen zusätzlich zu ihren normalen Einnahmen auch an der gezielten Kreditvergabe der Wiederaufbaubank beteiligt werden. Damit würden alle verfügbaren lokalen Ressourcen genutzt, um Schulen, Krankenhäuser, Kraft- und Wasserwerke wiederaufzubauen sowie die Nahrungsmittelerzeugung und andere wichtige Produktion schnell zu erneuern und zu steigern.
Besondere Kreditlinien könnten den früheren Besitzern von kriegszerstörten Industriebetrieben und Bauernhöfen und auch Unternehmern, die Firmen gründen wollen, gewährt werden. Daß der Feind systematisch die syrischen Pharmaunternehmen zerstört, unterstreicht deren strategische Bedeutung, und das gleiche gilt für die geschundene Öl-, Gas- und petrochemische Industrie. Auch die Verarbeitung von Baumwolle und anderen Agrarerzeugnissen etwa in der einst berühmten syrischen Textilindustrie ist eine wichtige Aufgabe des Wiederaufbaus, genauso wie der Industriesektor insgesamt. Befristete Arbeitsbrigaden aus Arbeitslosen könnten auf gleiche Weise finanziert werden, um notwendige Projekte zu verwirklichen und gleichzeitig die Arbeitslosen höher zu qualifizieren. Das Pionierkorps der Armee könnte den Kern dieser Arbeitsbrigaden stellen und durch seine Beteiligung an den Wiederaufbauprojekten weiter zum Schutz der syrischen Bevölkerung beitragen.
2. Wiederaufbau der Infrastruktur und zukunftsträchtiger Industriezweige. Mit Krediten der Wiederaufbaubank kann Syrien den dringendsten Infrastrukturbedarf finanzieren: Energie, Strom, Wasser und Kommunikation. Kredite können verlängert werden, bis alle verfügbaren Arbeitskräfte, Materialien und Maschinen im Land voll eingesetzt sind. Auf diese Weise läßt sich der Wiederaufbau entsprechend dem Potential zukünftiger Infrastrukturentwicklung am effizientesten organisieren.
Der Wiederaufbau kann so direkt auf den Aufbau einer Infrastrukturplattform auf dem höchsten Niveau von Technologie und Produktivität ausgerichtet werden. Die Erfahrung mit den modernsten Technologien bei Fluggeräten, Elektronik und Anlagen im Krieg kann zur Grundlage der Einführung neuer ziviler Industriebereiche auf neuem technologischem Niveau werden. Eine großangelegte Nachrüstung der chemischen Industrie auf der Grundlage der strategischen Öl- und Gasressourcen kann zur Gründung neuer Industriebetriebe zur Herstellung von Düngemitteln, Kunststoffen, Eisen, Arzneimitteln und Hightech-Produkten führen. Im Rahmen des neuen BRICS-Paradigmas kann auch die von Israel zerstörte kerntechnische Industrie wiederentstehen, um Strom zu erzeugen, Meerwasser zu entsalzen und in die wirtschaftliche Nutzung der Isotopenforschung einzusteigen.
3. Das Potential neuer Technologien beim Wiederaufbau. Besondere Aufmerksamkeit und Kredite sollten darauf verwendet werden, Möglichkeiten für Sprünge in der technischen Entwicklung zu finden, wenn alte Technologien ersetzt werden müssen. Zum Beispiel könnte man bei der Verlegung von Stromkabeln gleich Glasfaserkabel für die Telekommunikation mitverlegen. Das Kriterium dafür, welche Technologie den Vorrang erhalten sollte, ist die Energiedichte. Genauso wie bei der Bewaffnung der Soldaten eine höhere Energiedichte in Bezug auf Präzision und Kraft pro Quadratzentimeter die Wirkung auf den Feind steigert, so ist auch bei friedlicher Arbeit die Energiedichte der Parameter, um die Produktivität zu erhöhen und das höchste Rentabilitätspotential in der Realwirtschaft zu erreichen.
4. Das Potential der Neuen Seidenstraße nach Syrien leiten. Das Potential einer Anbindung Syriens an die Infrastrukturrouten vom Mittelmeer, dem Indischen Ozean, dem Roten Meer, dem Kaspischen Meer und dem Schwarzen Meer war die visionäre Idee hinter Präsident Baschar Assads „Fünf-Meere-Strategie“. Das enorme Wachstum der BRICS-Länder und alle ihre Initiativen zum Aufbau der Neuen Seidenstraße zu Land und zur See werden auch auf Syrien übergreifen, wenn die syrische Infrastrukturplanung sich von dieser Vision leiten läßt. Dabei geht es nicht nur um den Verkehr, sondern auch darum, wie zwei internationale Entwicklungskorridore, ein Ost-West- und ein Nord-Süd-Korridor, an Syriens alten Wegkreuzungen dauerhaft für Lebenskraft und Wachstum sorgen. Dies betrifft neben der Eisenbahn eine Vielzahl anderer Infrastruktureinrichtungen wie Pipelines, Wasserprojekte, Industriezonen, Landwirtschaft sowie den Städtebau. Mit dem Paradigma der Neuen Seidenstraße kommen Visionen auf die Tagesordnung wie die Begrünung der Wüsten, die Verminderung der Folgen von Sandstürmen und die Rückeroberung großer Wüstengebiete für die Landwirtschaft und Besiedlung in Zusammenarbeit mit den Nachbarländern zur maximalen Nutzung und Vergrößerung der Wasserressourcen.
1. Die Verbindung nach Bagdad und Teheran. Chinas Strategie „Ein Gürtel, eine Straße“ zum Ausbau der Alten Seidenstraße als Entwicklungskorridore mit modernen Verkehrs- und Infrastrukturnetzen reicht bis nach Europa, berührt aber auch Südwestasien, Ägypten und Afrika (Abbildung 1). Geplant ist derzeit ein Landweg mit Bahnlinien von Iran nach Ägypten entlang der Strecke von Teheran über Kermanschah nach Bagdad, Amman und Akaba. Durch einen geplanten Tunnel bei Scharm el Scheich wird die Eisenbahn Ägypten und seine Hauptstadt Kairo erreichen. Diese neue Bahnstrecke führt nahe an Syrien vorbei, so daß eine Bahnstrecke von der syrischen Endstation am Euphrat, Deir Ezzor, nach Bagdad geschaffen werden kann. Auf diese Weise erhielte die Alte Seidenstraße entlang des Euphrats von Basra eine Bahnverbindung und würde zum wichtigsten Ost-West-Entwicklungskorridor für Syrien, dies brächte neue Energie in die zerstörten Industriezonen von Raqqah und Aleppo. Eine solche in Zusammenarbeit mit dem Irak gebaute Bahnstrecke wäre ein großer Schritt zur Verwirklichung der „Fünf-Meere-Strategie“, da sie Anschluß an den Arabischen Golf und den Indischen Ozean hätte.
Die Bahnverbindung von Bagdad nach Teheran brächte auch Handel auf dem Landweg der Seidenstraße aus China und Indien. Der mittlere Hauptkorridor der Seidenstraße aus Westchina und Zentralasien verläuft durch Teheran. Auch der Landweg aus Indien ist in Reichweite, da das iranische Bahnnetz bis nach Zahedan an der Grenze zu Pakistan ausgebaut wird, von wo zukünftig ein Bahnanschluß nach Indien eröffnet werden wird.
Die Bahnstrecke aus Teheran ermöglicht als nächsten Schritt in der „Fünf-Meere-Strategie“ auch eine Verbindung zum Kaspischen Meer. Die Transportwege aus Rußland auf dem sogenannten Nord-Süd-Korridor zwischen St. Petersburg und der iranischen Hafenstadt Bandar Abbas, später auch nach Chabahar am Indischen Ozean, verlaufen über das Kaspische Meer und auf Bahnstrecken beiderseits davon, welche auch einen Anschluß nach Syrien bieten.
Basra im Südirak ist nicht weit entfernt von der geplanten Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke an der Westseite des Arabischen Golfs von den VAE nach Kuwait. Diese Bahnstrecke wird zukünftig auch nach Oman und Jemen weitergebaut. Alle diese Handelswege sind wie die Alte Seidenstraße auch auf Syrien bis nach Aleppo ausgerichtet, und dieser Entwicklungskorridor wird weiterreichen bis zur zerstörten Region um Idlib und dann zum Hafen von Latakia, der ausgebaut werden müßte.
Ein nächster Schritt zur Wiedereröffnung des Ost-West-Verlaufs der Alten Seidenstraße ist der Bau einer Bahnstrecke von Deir Ezzor nach Tadmor/Palmyra, der legendären Stadt an der Seidenstraße, wo vor dem Krieg jedes Jahr ein „Silk Road Festival“ stattfand. Dieses fehlende Zwischenstück wird eine Bahnverbindung von Teheran und Bagdad direkt nach Damaskus und Beirut schaffen.
2. Die Verbindung nach Kairo. Die dynamische Entwicklung Ägyptens mit den riesigen geplanten Industriezonen entlang des Neuen Suezkanals wird sich direkt auf Syrien auswirken, wenn die Bahnverbindung von Kairo nach Amman eröffnet sein wird. Die alte Bahntrasse von Jordanien kann als Schnellgeschwindigkeitsstrecke nach Damaskus und den Großstädten Homs und Hama und weiter bis nach Aleppo im Norden ausgebaut werden (Abbildung 2). Auf diese Weise wird auch die Region des Roten Meeres über den Hafen Akaba ihre Bahnanbindung nach Syrien erhalten. Die ägyptischen Pläne für Bahnverbindungen entlang des Nils nach Süden werden Syrien nicht nur Handelswege nach Sudan eröffnen, sondern auch entlang einer geplanten Bahnstrecke von Ostafrika nach Äthiopien, dem wirtschaftlich am schnellsten wachsenden Land der Welt.
Wenn die Hedschas-Bahn als Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke ausgebaut wird, wird Damaskus ein Hauptausgangspunkt für Reisen nach Mekka und Medina sein. Entlang dieser Strecke wird es auch eine Verbindung von Jemen geben, und ebenso von Afrika über den geplanten Tunnel unter der Bab-El-Mandab-Straße von Dschibuti.
Von Ägypten wird der eingestellte Bau der Arabischen Gaspipeline wiederaufgenommen, so daß diese in Syrien bei Homs an die neue geplante Gaspipeline von Iran nach Syrien angeschlossen werden kann. Für alle angeschlossenen Länder wird es so viel leichter, eigenes Gas zu exportieren und Gas für den eigenen Bedarf zu entnehmen.
3. Die nördliche Verbindung von Europa, der Schwarzmeerregion und Rußland. Wenn die nördliche Grenze Syriens wieder offen ist, liegt Syrien an der Hauptkreuzung der Eisenbahn von Europa, die bald zu einer Hochgeschwindigkeitsstrecke nach Kairo werden wird. Davon werden alle kriegsgeschundenen Städte profitieren: Aleppo, Hama, Homs und Damaskus. In jeder Stadt kann schnell ein Nahverkehrssystem gebaut werden, wenn man sich für die geräuscharme Magnetbahntechnik entscheidet. Mit dieser Technik lassen sich eine höhere Geschwindigkeit und Energiedichte erreichen. Gleichzeitig ist die Bauzeit kurz, da die Führungsschiene auf Stelzen steht und die Probleme mit der Ausgrabung historischer Zeugnisse, die damals den Bau eines U-Bahn-Netzes in Damaskus anhielten, vermieden werden. Die Bahnstrecke, die Nahverkehrssysteme und andere Infrastruktureinrichtungen werden die Städte und ihr Umfeld zu einem breiten Nord-Süd-Entwicklungskorridor durch den gesamten westlichen Teil Syriens zusammenführen.
Auch der chinesische Handel mit Europa entlang des mittleren Hauptkorridors der Neuen Seidenstraße durch den Iran und die Türkei hat in der Türkei Anschluß an diesen syrischen Nord-Süd-Entwicklungskorridor. Durch die Türkei wird sich auch ein Handel mit Armenien und Aserbaidschan und über sie mit Rußland entwickeln. Die Schwarzmeerregion erstreckt sich über die Häfen Samsun und Istanbul bis nach Syrien; letzterer ist auch Zielort der neuen „Wiking-Bahnlinie“ vom Hafen Klaipeda in Litauen, über die Handelsgüter aus der Ostseeregion und Schweden transportiert werden.
4. Die Mittelmeerverbindung. Seit der Einweihung des neuen Suezkanals im August dieses Jahres gelangen mit riesigen Schiffen neue Güterströme aus China und Indien auf der Maritimen Seidenstraße ins Mittelmeer. Bauarbeiten und Planungen sind im Gang, um mehrere Häfen wie Piräus in Griechenland und Taranto, Crotone und Gioia Tauro in Süditalien zu erweitern, damit diese neuen Güterströme bewältigt werden können. Neue, schnelle Güterzugstrecken sollen durch Italien und den Balkan nordwärts nach Mitteleuropa entstehen. China beteiligt sich an der Planung eines neuen Schiffahrtkanals durch den Balkan von Thessaloniki über die Flüsse Axios/Vardar und Drina bis hinauf zur Donau, der Hauptverkehrsader Europas, die über den Main-Donau-Kanal mit dem Rhein in Deutschland verbunden ist. Dadurch sind auch Transporte nach Syrien möglich, wenn dessen wichtigste Mittelmeerhäfen Tartus und Latakia ausgebaut werden.
Das gesamte Mittelmeer sollte eine Entwicklungsregion werden, um der Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit in Nordafrika und Südeuropa entgegenzuwirken. Um das zu verwirklichen, hat eine EIR-Arbeitsgruppe einen Marshallplan für die Region vorgelegt, das „Programm für ein Wirtschaftswunder in Südeuropa, dem Mittelmeerraum und Afrika“, worin viele Zukunftsprojekte wie die geplanten Tunnels zwischen Sizilien und Tunesien sowie unter der Straße von Gibraltar aufgeführt sind (Abbildung 3).
An der nordafrikanischen Küste will Ägypten ein Kernkraftwerk zur Stromerzeugung und Meerwasserentsalzung bauen, um Landwirtschaft, Industrie und Wohnsiedlungen zu versorgen. Entsalzungsprojekte sind auch an anderen Orten entlang der afrikanischen Küste möglich, besonders vordringlich sind sie aber im Gazastreifen, wo bald das Trinkwasser ausgeht. In Tunesien besteht ein großes Wachstumspotential in den Salzmarschen des Schotts. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts gibt es dort Pläne für Wasserprojekte, um das Salz auszuwaschen und eine große Region im Süden Tunesiens und im Osten Algeriens in fruchtbares Ackerland zu verwandeln.
Andere wichtige Projekte, die vorgelegt wurden, zielen darauf, Wasser aus Zentralafrika in den Norden zu leiten. Mit dem Projekt „Afrika Pass“ soll Wasser bis in den Westen Ägyptens an der Grenze zu Libyen gebracht werden. Die große Qattara-Senke, die unter dem Wasserspiegel des Mittelmeers liegt, könnte mit Süßwasser gefüllt werden und einen großen See bilden. Zusammen mit neuen Bahnstrecken und Straßen entlang des Kanals durch die Sahara zu einem großen Hafen am Mittelmeer können zahlreiche Städte entstehen und die große Wüstenregion bevölkert werden.
Dem gleichen Ziel dient das Projekt „Transaqua“, das überschüssiges Wasser aus dem Kongo in einen Kanal bis zum Tschadsee leiten soll. Durch die Rettung des Tschadsees entstünden enorme Entwicklungsmöglichkeiten für ein riesiges Gebiet südlich der Sahara. Die Neue Entwicklungsbank der BRICS-Nationen könnte diese Projekte ermöglichen.
Wichtig ist, Europa und die Vereinigten Staaten in die Zusammenarbeit mit den BRICS-Nationen einzubeziehen. Auf diese Weise könnten die westlichen Länder wieder ihr eigenes realwirtschaftliches Potential entwickeln, anstatt mit ihrem kranken Finanzsystem und ihrer massenmörderischen Kriegspolitik unterzugehen.