Produktive Kreditschöpfung 
  Neues Bretton Woods
  Glass-Steagall
  Physische Wirtschaft
  Kernenergie
  Eurasische Landbrücke
  Transrapid
  Inflation
  Terror - Cui bono?
  Südwestasienkrise
  11. September und danach
  Letzte Woche
  Aktuelle Ausgabe
  Ausgabe Nr. ...
  Heureka!
  Das Beste von Eulenspiegel
  Erziehungs-Reihe
  PC-Spiele & Gewalt 
  Diskussionsforum
  Wirtschaftsgrafiken
  Animierte Grafiken
» » » Internetforum mit Helga Zepp-LaRouche « « «
Neue Solidarität
Nr. 44, 28. Oktober 2015

Deutschland kann Geschichte machen: Entscheidung über Krieg und Frieden

Von Helga Zepp-LaRouche

In der gegenwärtigen historischen Phase, in der so gut wie alle als sicher geltenden Annahmen über die Gesellschaft hinfällig werden und in der jeder spürt, daß es um die ganz großen Fragen von Krieg oder Frieden, von Sein oder Nichtsein, von Absturz ins Chaos oder neuer klassischer Renaissance geht, gehört Deutschland zu den wenigen Akteuren auf der großen Bühne der Weltpolitik, die mitentscheiden können, welche der beiden Alternativen Wirklichkeit wird.

So denken bisher nur sehr wenige Menschen in Deutschland, was aber den Wahrheitsgehalt dieser Aussage nicht schmälert. Natürlich ist die welthistorische Rolle Chinas offensichtlicher, mit Xi Jinpings „Win-Win“-Perspektive des globalen Ausbaus der Neuen Seidenstraße hat es ein völlig neues Modell der außenpolitischen Beziehungen auf die Tagesordnung gesetzt, das zum ersten Mal in der Geschichte einen Weg aufzeigt, wie die unheilvolle Geopolitik, die bereits zu zwei Weltkriegen im 20. Jahrhundert geführt hat, durch die gemeinsame Kooperation im gegenseitigen Interesse überwunden werden kann. Und ebenso offensichtlich ist die Bedeutung der Rolle Rußlands, das mit seiner strategischen Partnerschaft mit China ebenso wie seiner militärischen Flanke in Syrien für eine neue Kräftekonstellation in der Welt gesorgt hat, die verdeutlicht, wie hohl der unipolare Anspruch der Obama-Administration inzwischen geworden ist.

Präsident Putin hat soeben in seiner Rede beim diesjährigen Treffen des Waldai-Clubs mit dem Thema „Krieg und Frieden“ auf die Gefahr hingewiesen, die darin liegt, wenn die USA versuchen, das US-Raketenabwehrsystem in Osteuropa für einen den Gegner angeblich entwaffnenden Erstschlag mit sehr präzisen modernisierten Nuklearwaffen zu nutzen, um so das strategische Gleichgewicht zu ihren Gunsten zu verändern und der ganzen Welt den eigenen Willen aufzwingen zu können, während ein solches Vorgehen jedoch nur zu der garantierten gegenseitigen Auslöschung führen könne. Nach dem erfolgreichen Nuklear-Abkommen mit dem Iran könne auch der Vorwand einer angeblichen Bedrohung durch iranische Raketen nicht mehr aufrechterhalten werden, wobei diese Bedrohung in der Realität nie bestanden habe. Wozu also werde noch das Raketenabwehrsystem aufrechterhalten?

Putin, dessen eigene Militäroperationen in Syrien gegen ISIS und andere diverse Rebellen erfolgreich Schritt für Schritt voranschreiten, verwies zugleich auf den Grund für den vergleichsweisen Mißerfolg der amerikanischen Militäroperation in der Region. Es sei eben ein nicht aufzulösender Widerspruch, einerseits gegen Terroristen vorgehen zu wollen, und sie gleichzeitig zu bewaffnen, um mit ihrer Hilfe legitime Regierungen zu stürzen. Auf keinen Fall vermissen sollte man die köstlich ironische Abhandlung desselben Themas der verwirrenden US-Politik gegenüber dem Terrorismus im Nahen Osten in der jüngsten Ausgabe der Satire-Sendung „Die Anstalt“ in Anlehnung an die Schnulzensendung „Herzblatt“ (http://www.zdf.de/ZDFmediathek#/beitrag/video/2583744/Herzblatt).

Und selbstverständlich liegt es an der amerikanischen Bevölkerung selbst - dem vielleicht wichtigsten Akteur auf der genannten Weltbühne -, die permanenten Verletzungen des internationalen Völkerrechtes zu beenden und zu ahnden, die durch die Kontinuität der Neokon-Politik seit Bush/Cheney bis zur heutigen Obama-Administration leider zur Regel geworden sind. Es geht um die Kriege in Südwestasien, die auf Lügen aufgebaut waren, bis zum Einsatz von Drohnen gegen vermeintliche Terroristen, ohne jeglichen ordentlichen Gerichtsprozeß oder die berühmten „Kollateralschäden“, die laut den Enthüllungen des jüngsten Whistleblowers auf der Webseite The Intercept zu über 90% unschuldige Zivilisten getroffen haben.

Die nun von mehreren Organisationen dringend geforderte Untersuchung durch den amerikanischen Kongreß könnte sehr schnell zur Amtsenthebung von Präsident Obama führen, der laut der veröffentlichten Dokumente jeden Dienstag persönlich die Abschußliste zusammenstellte. Der Ansturm der Flüchtlinge auf Europa und vor allem Deutschland ist das Resultat dieser Kriege und der Drohnenangriffe, die den Vormarsch von ISIS eher befördert als eingedämmt haben.

In besonderer Weise hat die Geschichte aber nun gerade wegen der Flüchtlingskrise den Ball der Entscheidung Deutschland zugespielt. Die Hilfsbereitschaft einer großen Mehrheit der Bevölkerung angesichts der Notlage der vielen verzweifelten Menschen bleibt ungebrochen groß. Aber spätestens seit den demonstrativ bei Demonstrationen mitgeführten Guillotinen, den nach Angaben des Bundeskriminalamts rund 500 Übergriffen gegen Flüchtlingsheime in diesem Jahr und dem Mordanschlag auf die Kölner Oberbürgermeisterkandidatin Henriette Reker ist auch klar, daß die Grenzlinie zwischen den „besorgten Bürgern“ und rechtem Extremismus, der auch vor Gewalttaten nicht zurückschreckt, überschritten ist. Es droht sich zu bewahrheiten, wovor Putin vor vielen Monaten warnte, als er prophezeite, die Unterstützung von Nazi-Organisationen in der Ukraine durch den Westen werde zu einer Verbreitung solcher Organisationen in vielen europäischen Staaten führen.

Die unsägliche Lage der Flüchtlinge in Slowenien, in der Menschen in diesen Tagen ohne wettergerechte Kleidung von völlig überforderten Sicherheitskräften wie Schwerverbrecher zusammengetrieben werden, ohne das dies auch nur im Geringsten zu einem Nachlassen des Andrangs führen würde, ist nur die Momentaufnahme einer Tragödie, die - wenn keine neue Ebene der Lösung gefunden wird - schon kurzfristig zu einer Eskalation der Lage in ganz Europa führen wird, an deren Ende Chaos und Bürgerkrieg stehen könnten.

Es gibt eine Lösung für diese Krise, aber sie erfordert, daß eine ganze Reihe von fehlerhaften axiomatischen Annahmen der vergangenen Jahrzehnte in der Politik des Westens und Deutschlands im Besonderen korrigiert werden müssen.

Die erste offensichtliche Konsequenz muß die sofortige Beendigung der Kriege unter falschem Vorwand sein. Deutschland hat sich mitschuldig gemacht, nicht nur durch die Totalausspähung der eigenen Bürger in der Zusammenarbeit von BND und NSA, die wissentliche Zurverfügungstellung der Militärbasis Ramstein für Drohneneinsätze in Südwestasien und eine stillschweigende und teilweise explizite Unterstützung der unipolaren Politik Washingtons und Londons. Lediglich die Nichtteilnahme an den Kriegen gegen den Irak durch die Regierung Schröder und gegen Libyen durch Merkel/Westerwelle hat zumindest einen kleinen Teil der Ehre Deutschlands gerettet.

Deutschland hat sich ebenfalls mitschuldig gemacht, indem es jahrzehntelang die Auflagenpolitik des IWF und der Weltbank gegenüber dem Entwicklungssektor mitgetragen hat, die jede Form von wirklicher Entwicklung zugunsten eines Schuldenregimes verhindert hat, das ausschließlich dem Profitinteresse des Finanzsektors des Britischen Empires zugute kam, für das der Begriff „Globalisierung“ nur ein anderer Ausdruck ist. Wenn heute Millionen von Flüchtlingen nicht nur von Kriegen auf der Basis von Lügen, sondern auch vor Armut und Krankheit weglaufen - die sogenannten „Wirtschaftsflüchtlinge“ aus dem Balkan, aus Südeuropa, aus Afrika -, dann ist dies die Konsequenz dieser Politik.

Solange Deutschland bei dem gleichen Monetarismus bleibt, der sich auch gegen Europa richtet, mit Schäubles „Schwarzer Null“, d.h. daß um der Schimäre eines ausgeglichenen Haushaltes willen Kitas, Turnhallen, Erziehungsprogramme, Renten etc gekürzt werden müssen, damit die Flüchtlinge versorgt werden können, was einhergeht mit brutaler Austeritätspolitik gegenüber Griechenland und ganz Südeuropa, solange werden die sozialen Spannungen in Deutschland und in ganz Europa zunehmen bis zur Explosion.

Und es gibt noch eine weitere, schlechte, liebgewordene Gewohnheit, von der sich Deutschland verabschieden muß, wenn wir eine Lösung für diese Krise finden wollen: Wir müssen die grüne Ideologie über Bord werfen. Die Vorstellung, daß wir die sogenannten Entwicklungsländer mit „nachhaltiger, angemessener“ Entwicklung - also letztlich gar keiner Entwicklung - abspeisen und gleichzeitig neue „Limes“- Mauern um die „Festung Europa“ bauen können, muß aufgegeben werden. Wir brauchen wirkliche Entwicklungs- und Aufbauprogramme für Afrika, Südwestasien und die südliche Hemisphäre, die die Armut und Unterentwicklung überwinden. Die durch Wissenschaft und Kunst entdeckten, universell gültigen Prinzipien heißen deshalb universell, weil sie auch in den Entwicklungsländern gelten.

Ob die Menschheit die gegenwärtigen Herausforderungen meistern kann, wird davon abhängen, ob wir ein neues Paradigma verwirklichen, das in der wunderbaren Vielfalt der Kulturen und Zivilisationen die höchsten Ausformungen dessen aktualisiert, was die Universalgeschichte der Menschheit bisher hervorgebracht hat. Und nur wenn es uns gelingt, einen Dialog zwischen den Repräsentanten dieser Hochphasen der verschiedenen Kulturen zustande zu bringen, werden wir rechtzeitig die großartige Idee der Völkerverständigung und der einen Menschheit der Beschränktheit der Buchhalter und der Einfalt der Dumpfbacken entgegensetzen können.

Wenn Deutschland sagen würde, wir verlangen, daß diese Kriege aufhören, daß eine wirkliche Entwicklungspolitik gemeinsam mit den BRICS-Staaten beim Ausbau der Weltlandbrücke auf die Tagesordnung kommt, wir integrieren kurzfristig die Flüchtlinge, aber wir entwickeln ihre Heimatländer durch den Ausbau der Neuen Seidenstraße, wir erinnern uns an unsere eigene klassische Hochkultur und beginnen eine Dialog der Kulturen mit den Hochphasen der anderen Kulturen - dann können wir Deutsche Geschichte machen.

Ich bin optimistisch, was das angeht.