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Hinter den Menschenschmuggel-Operationen, in deren Verlauf Tausende von Flüchtlingen im Mittelmeer umgekommen sind, stecken die dschihadistischen Mörder, die 2011 von US-Präsident Obama und Großbritanniens David Cameron nach dem Sturz und der Ermordung des libyschen Präsidenten Muammar Gaddafi in Libyen an die Macht gebracht wurden.
In einem der größten Schiffsunglücke der modernen Zeit starben am 18.-19. April Berichten zufolge zwischen 700 und 900 afrikanische Flüchtlinge in libyschen Gewässern. Wie die Los Angeles Times berichtet, sind seit Anfang 2014 etwa 4400 Flüchtlinge aus Libyen auf diese Weise ums Leben gekommen - und allein 2015 schon 900 vor dieser jüngsten Katastrophe. Diese und andere Todesfälle sind nicht einfach „Kollateralschäden“ des Libyenkrieges von 2011 - sie sind Absicht.
Obama und die Briten hatten 2011 die Resolution des UN-Sicherheitsrates (UNSC) durchgesetzt, angeblich um die libysche Zivilbevölkerung in Bengasi vor einer „humanitären Katastrophe“ zu retten, und es waren Obama und Cameron, die den UNSC belogen und sagten, es gebe keine Pläne für einen Regimewechsel. Aber die von den USA und Großbritannien angeführte Militärkoalition setzte durch ihre Bombenangriffe den Regimewechsel in Libyen in Gang. Aus Gründen, die vielleicht mit seiner Wahlkampffinanzierung zusammenhingen, fing der damalige französische Staatspräsident Nikolas Sarkozy mit den Luftangriffen an und informierte seine europäischen Partner erst, nachdem die Luftangriffe bereits begonnen hatten. Und die Rebellen, die Gaddafi gefangen nahmen und dann barbarisch ermordeten, wurden vom französischen Geheimdienst gesteuert.
Es waren Obama, Großbritannien und die saudisch-katarischen Wahabiten, die die mit Al-Kaida verbundene Libysche Islamische Kampfgruppe (LIKG) an die Macht brachten und später die Waffen aus Libyen nach Syrien schafften, mit denen dort Al-Nusra und der Islamische Staat (ISIS, IS) aufgebaut wurden.
Die gleichen dschihadistischen Mörder, die 2014 in Libyen die gewählte Regierung stürzten, bereichern sich nun daran, Flüchtlinge auf Todesschiffe zu pferchen. Gian Micalessin, Kriegskorrespondent von Il Giornale, berichtete am 20. April in einem Artikel, daß die von der Regierung Obama unterstützte Regierung in Tripoli den Menschenschmuggel über das Mittelmeer steuert. Seit letztem August, als die dschihadistische Miliz Fadschr Libya („Libysches Morgenrot“) die Macht in Tripolis ergriff und das erst kürzlich gewählte Parlament und die Regierung zwang, nach Tobruk ins Exil zu gehen, habe diese Bande das Geschäft mit den Flüchtlingen gesteuert, um damit ihren Krieg gegen die gewählte Regierung in Tobruk zu finanzieren, schreibt Micalessin.
Fadschr Libya ist dominiert von der Muslim-Bruderschaft und früheren Mitgliedern der LIKG. Tripolis hat intensive Beziehungen zu der dschihadistischen Miliz, die den Menschenhandel an der Südgrenze des Landes zum Sudan, Tschad und Niger betreibt. Seit August haben diese Milizen „grünes Licht“, Tausende von Menschen durch die Wüste bis an die Küsten Libyens zu schaffen: Die Schmuggler im Süden verlangen von jedem Flüchtling 800$, die Schmuggler im Norden 1500$. Die „Ladung“, die am 19. April im Mittelmeer ertrank, habe also Einnahmen von 900.000 $ gebracht, und dieses Geld werde zwischen den Schmugglern und der Führung von Fadschr Libya geteilt, so Micalessin.
Er schreibt weiter, diese dschihadistische „Koalition“ werde nicht nur von Katar und der Türkei unterstützt, sondern sei auch eng verbündet mit der Terrororganisation Ansar Al-Scharia, die wiederum dem Islamischen Staat sehr nahe stehe. Er erwähnt nicht Ansar Al-Scharias entscheidende Rolle beim Angriff auf die US-Einrichtungen in Bengasi und der Ermordung des Botschafters Chris Stevens am 11. September 2011 - dem Jahrestag der von Saudi-Arabien unterstützten Anschläge des 11. September 2001 auf das World Trade Center und das Pentagon. Micalessin verschweigt auch, daß die Regierung Obama sich hinter die Bemühungen der UN gestellt hat, einen „Dialog“ zwischen Tripolis und Tobruk herbeizuführen, was die „Libysche Morgenröte“ in ganz Libyen an die Macht bringen würde.
Eine Notkonferenz der EU am 23. April zum Flüchtlingsproblem bekräftigte die Unterstützung für diese Bemühungen der UN - obwohl alle EU-Regierungen zweifellos wissen, mit wem sie es in Tripolis zu tun haben. Ernsthafte Maßnahmen zur Rettung von Menschenleben oder zur Beseitigung der Ursachen des Flüchtlingsproblems wurden bei der Konferenz nicht beschlossen.
Die EU weigert sich, die relativ erfolgreiche italienische Operation „Mare Nostrum“, die zwischen Oktober 2013 und dem 1. November 2014 mehr als 100.000 Flüchtlinge gerettet hat, wieder aufzugreifen. Statt dessen wurden die Mittel für die EU-Mission „Triton“ zur Überwachung der Außengrenzen der EU aufgestockt, die aber nur in EU-Gewässern operiert.
Die EU beschloß auch keine Änderungen in ihrer Einwanderungs-Richtlinie, die es den Flüchtlingen nicht erlaubt, sich in einem anderen Mitgliedsland als dem, in dem sie zuerst eintrafen, niederzulassen. Diese Regel ist eine enorme Belastung für Italien, das Hauptziel der Flüchtlingsschiffe. Es wurde lediglich beschlossen, daß andere Mitgliedstaaten „auf freiwilliger Basis“ Flüchtlingskontingente aufnehmen können. Und die EU wird im Gegenteil sogar „illegale Wirtschaftsflüchtlinge“ in die Ursprungs- und Transitländer zurückschicken. Wie dies geschehen soll, ist eine offene Frage.
Der Gipfel der Heuchelei war das Angebot des britischen Premierministers Cameron, Schiffe für die Operation Triton zur Verfügung zu stellen - unter der Bedingung, daß die geretteten Flüchtlinge nicht nach Großbritannien gebracht werden! Eben jener Cameron ist, wie schon gesagt, persönlich mitverantwortlich für die immense humanitäre Tragödie, die sich in Libyen und Nordafrika abspielt.
Außerdem erteilte der EU-Rat der außenpolitischen Repräsentantin der EU Federica Mogherini den Auftrag, Möglichkeiten zu prüfen, wie die Schmugglerschiffe schon in den libyschen Häfen zerstört werden können, bevor sie zur Fahrt über das Mittelmeer aufbrechen. Das wird jedoch kaum möglich sein, da eine solche Aktion nach dem Völkerrecht sowohl ein (mögliches) Mandat der UN als auch die Zustimmung des betroffenen Landes erfordert, was ausgeschlossen sein dürfte.
Gegen die eigentliche Ursache der Krise, nämlich die verzweifelte Armut der afrikanischen Bevölkerung, haben die EU-Führer nichts beschlossen. Die Tatsache, daß die rund 900 Menschen, die bei dem Schiffsunglück vom 18. April ums Leben kamen, aus schwarzafrikanischen Ländern und der Sahelregion kamen, zeigt deutlich, daß Armut und Hunger das eigentliche Problem sind. Sicherlich gibt es in dieser Region auch die Terroristen von Boko Haram, aber das Problem, daß Menschen vor der Armut, die mit der Ausbreitung der Wüste einhergeht, aus den Sahelstaaten nach Nordafrika und Europa fliehen, existiert schon seit 30 Jahren.
Helga Zepp-LaRouche kommentierte die Lage in ihrem Internetforum am 22. April folgendermaßen: „Ich sehe im Augenblick wirklich zwei vollkommen unterschiedliche Systeme, zwei vollkommen unterschiedliche Paradigmen, wie man auf die Lage reagiert.“ Das eine sei „wirklich eine Form von neuem Faschismus“: Auf absolut zynische Weise habe die EU „dieses Mare-Nostrum-Programm, was von Italien bis zum letzten Jahr noch allein unterhalten wurde, ersetzt durch ein Programm, wo nicht mehr der Versuch gemacht wurde, Flüchtlinge aus dem Mittelmeer zu retten, sondern man ganz zynisch sagt: ,Je mehr von ihnen ertrinken, desto besser ist das als Abschreckung für diejenigen, die dann abgeschreckt werden, nicht zu kommen.’ Das ist der totale moralische Bankrott dieser EU... Wir lassen Tausende von Menschen bewußt ertrinken, damit die Festung Europa irgendwie verteidigt wird.“
Das sei derselbe Geist wie bei der Zerstörung der griechischen Wirtschaft durch die Troika, wo man in Kauf nehme, daß sich die Sterberate in Griechenland erhöht, und dasselbe sehe man genauso in Italien, Spanien und Portugal. „Und es ist auch derselbe Geist, mit dem man eine wirkliche Entwicklung verhindert, indem man einfach eine wirkliche Hilfeleistung nicht gibt - gegenüber Afrika generell... Man sieht diese menschenverachtende Haltung, die eben Entvölkerung, Bevölkerungsreduktion, in Kauf nimmt, so daß, wenn man alle diese verschiedenen Aspekte zusammennimmt, sich schon der Verdacht aufdrängt, daß die Intention genau das ist - nämlich, die Bevölkerung zu reduzieren.“
Tatsächlich existiert der Plan zur Lösung des Sahel-Problems schon lange. Es ist ein von italienischen Ingenieuren ausgearbeitetes Projekt, Wasser aus dem Becken des Kongo über einen 2400 km langen Kanal ins Tschadbecken zu leiten, um den Tschadsee wieder aufzufüllen und dort Lebens- und Arbeitsmöglichkeiten in Landwirtschaft und Industrie für 30 Millionen Menschen zu schaffen. Dieses Projekt mit dem Namen „Transaqua“ würde außerdem eine Verkehrs-, Energie- und Kommunikationsinfrastruktur in Zentralafrika schaffen, die dann nach Norden, Osten, Westen und Süden weiter ausgebaut werden kann.
Aber dieses und ähnliche Entwicklungsprojekte in Nordafrika bleiben in der politischen Debatte in Europa vollkommen unerwähnt. Im Gegenteil, just am 19. April erschien in einer Londoner Publikation ein Angriff auf Transaqua und zwei weitere große Infrastrukturprojekte in Afrika, wobei Umweltschutzargumente gegen diese Projekte geltend gemacht werden. Diese Publikation - scidev.net - läßt sich lang und breit aus über die „Organisation des höchst kontroversen amerikanischen politischen Aktivisten Lyndon LaRouche“, der Transaqua seit Jahren unterstütze und den Ansatz eines „Friedens durch Entwicklung“ verfolge.
Tatsache ist, daß die Bemühungen von LaRouches Organisation erfolgreich waren und die Sahelstaaten in jüngster Zeit neues Interesse am Transaqua-Projekt gezeigt haben. Im Kontext des neuen Paradigmas, das durch das weltweite Entwicklungssystem der BRICS-Staaten definiert ist, könnten Transaqua und andere Großprojekte zur Entwicklung Afrikas verwirklicht werden.
Europa hat einen Fuß in der Tür zu diesem neuen Paradigma, indem es sich der Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB) angeschlossen hat, aber es kann nicht gleichzeitig im Käfig der anglo-amerikanischen Geopolitik und des Euro-Finanzsystems bleiben. Europa muß sich entscheiden: entweder Krieg und Chaos - oder Frieden und Entwicklung.
Claudio Celani und Michele Steinberg