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Neue Solidarität
Nr. 1, 7. Januar 2015

Wie kommt Deutschland aus der Sanktionsfalle heraus?

Offenbar bröckelt der Zusammenhalt in der Großen Koalition: Die Sozialdemokraten wollen den Sanktionskurs der Kanzlerin und der Christdemokraten gegen Rußland so nicht mehr mittragen. Eine ganze Serie von Äußerungen prominenter SPD-Politiker, darunter Außenminister Steinmeier und Wirtschaftsminister (und Vizekanzler) Gabriel in den vergangenen Tagen zeigen dies deutlich. Vor allem aber jener Aufruf von 60 Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Kultur in der Zeit gegen die Gefahr eines neuen Krieges erhöht den Druck auf die Bundesregierung, zumal nämlich mit Roman Herzog, Horst Teltschik und Lothar de Maizière auch führende Christdemokraten unter den 60 Unterzeichnern sind.

Ist ein Kurswechsel in der Rußlandfrage überhaupt gegen die Kanzlerin durchsetzbar, oder wird die Koalition früher oder später darüber zerbrechen? Bisher schreckt die SPD davor zurück, die Koalitionsfrage über die Entspannungspolitik zu stellen. Sie kritisiert die bisherigen Sanktionen auch nicht, sondern sperrt sich nur gegen weitere Verschärfungen. Auch ist das, was Sozialdemokraten wie Egon Bahr über die von ihnen geforderte „neue Entspannungspolitik” bisher verlauten lassen, nebulös. Dabei hat Steinmeier bereits einen Ansatz, dessen Konkretisierung sich lohnen würde: Einerseits geht es um eine massive Ausweitung der „Modernisierungspartnerschaft” zwischen deutscher und russischer Industrie, andererseits um seinen Vorschlag, daß das Ukraine-Problem auf einer höheren diplomatischen Ebene in direkten Verhandlungen zwischen der EU und der Eurasischen Union gelöst werden kann und soll.

Die Tür zu einer intensiven Debatte über das von der BüSo vorgeschlagene Doppelkonzept „Eurasische Landbrücke - Neue Seidenstraße” ist somit schon einen kleinen Spalt offen. Die SPD und die ähnlich Denkenden in der CDU sowie in der Industrie müssen nur einen deutlichen Schritt machen, um die Tür ganz aufzustoßen. Wenn die SPD in diese Richtung marschiert, braucht sie auch keine Angst vor Neuwahlen zu haben, die erforderlich wären, sollte die Kanzlerin sich weigern, von ihrer Rußland-Blockade abzugehen.

Noch halten die meinungsmachenden Medien entsprechende Meldungen zurück, aber in Kreisen, die etwas besser über die politischen und wirtschaftlichen Realitäten informiert sind, wird schon seit einiger Zeit darauf hingewiesen, daß die Sanktionen weder eine Änderung der russischen Politik bewirken noch die russische Wirtschaft in die Knie zwingen werden. Statt dessen sind die Verluste der deutschen und europäischen Wirtschaft enorm, und die Zusammenarbeit zwischen Rußland und China wird mehr gefördert, als die EU das eigentlich will. Der französische Rußlandkenner Jacques Sapir spricht sogar ganz offen von Sanktionen, die auf Europa wie „ein Bumerang zurückschlagen“. Offenbar ist der französische Präsident Hollande, der erst kürzlich einen Besuch in Moskau machte und dort direkt mit Putin zusammentraf, etwas pfiffiger als die betonköpfige Bundeskanzlerin. Während Hollande aber auf Berater wie Sapir zu hören scheint, läßt sich Angela Merkel in ihrem Starrsinn von ihrem Chefberater Christoph Heusgen bestärken, der ein offener Gegner Steinmeiers ist. Es sieht nicht so aus, als ob die SPD ihren Spagat zwischen Koalition und neuer Entspannungspolitik noch lange aufrechterhalten kann: Sie muß sich entscheiden, und im Interesse Deutschlands und Europas muß sie dies bald tun.

rap