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Neue Solidarität
Nr. 48, 26. November 2014

Wer marschiert, der soll auch singen

Von Ramsey Clark

Im Wortlaut. Ramsey Clark war von 1967-69 Justizminister der USA in der Regierung von Präsident Johnson. Clark war entscheidend an der Durchsetzung des Wahlrechts und der Bürgerrechte für die Afro-Amerikaner (Voting Rights Act 1965 und Civil Rights Act 1968) in Amerika beteiligt. Er war einer der Rechtsanwälte von Lyndon LaRouche und mehrerer seiner Mitarbeiter, als diese Ende der 80er Jahre aus politischen Gründen inhaftiert wurden.

Guten Tag. Nach Musik, wie wir sie gerade gehört haben, erscheinen Worte wenn nicht nutzlos, dann jedenfalls schwach. Neben meinem Stuhl, auf dem ich zuhause gewöhnlich sitze, hängt ein kleiner Spruch. Er lautet: „Ohne Musik wäre das Leben wertlos.“ Ich bin mir nicht einmal sicher, ob es ohne Musik überhaupt Leben gäbe, denn für mich ist sie ein sehr großer Teil des Lebens - vielleicht der beste. Sie bereitet einem fast nie Kopfschmerzen, wie es das Denken tut. (Manche Musik, die man hört, kann allerdings auch Kopfschmerzen verursachen, schon der Lautstärke wegen, wenn nicht wegen des Rhythmus.) Ich wünsche mir, daß Musik ein wichtiger Weg zum Frieden ist. Ich denke, wenn man gemeinsam Musik anhören würde, dann würde man feststellen, daß unsere Seelen miteinander im Frieden sind. Aber wir hören getrennt zu, wenn wir Musik hören, und wahrscheinlich auch nicht oft genug.

Die ständige Gegenwart brutaler Gewalt (das durchzieht mein ganzes Erwachsenenleben, aber ich bin zu den Landungstruppen gegangen, als ich 17 war, also fing es schon an, bevor ich erwachsen war) ist für den menschlichen Charakter das Entwürdigendste, was es gibt. Und das wirft die Frage nach dem Wert unseres Charakters auf, der unser Verhalten steuert, ob wir es begreifen oder nicht.

Wenn ich sage „wir“, dann meine ich die Institutionen, mit denen wir leben und für die wir verantwortlich sind, wie weit sie unserem persönlichen Einfluß auch entzogen erscheinen mögen. Und diese Institutionen bedrohen das Leben auf der Erde. Obwohl wir heute schon so viele Mittel zur totalen Vernichtung haben, gibt es immer noch äußerst phantasievolle Forscher (Phantasie kann ebenso schädlich wie hilfreich sein), die nach noch besseren Massenvernichtungsmitteln suchen. Die Forschung und Entwicklung unserer Rüstung ist stets begierig nach neuen Waffen, die noch einen Teil mehr unserer Brüder und Schwestern und Kinder auslöschen können, die wir zu Feinden erklärt haben oder die wir unter den gegebenen Umständen für unsere Feinde halten. Und man sieht, zu welchen Extremen das führt.

Von Irak zu ISIS

Es besteht eine klare Verbindung dazwischen, daß wir den Irak seit Januar 1991 kaputtgemacht haben, und daß eine als ISIS bekannte Gruppe von Menschen fähig ist, jede menschliche Regung abzuwerfen: Man tötet nicht einfach, sondern man tötet, um zu quälen, man will anderen wehtun, so hart und schmerzlich und so weit und breit und so unterschiedslos wie möglich. Man tötet um des Tötens willen. Das ist fast wie eine Krankheit. Aber es ist eine Krankheit, die aus einer langen Zeit der Näherung (oder wie immer Krankheiten entstehen) von Entmenschlichung resultiert.

Wir sehen es mit an. Ich beziehe mich auf ISIS, weil das gerade im Vordergrund steht. Anscheinend will man dort bewußt etwas, was man als die grausamste, unmenschlichste, inakzeptabelste Form des Tötens beschreiben kann - vielleicht in dem Glauben, daß man mit Terror Anpassung erzwingen oder wenigstens Widerstand bzw. die Fähigkeit zum Widerstand beseitigen könnte. Aber das geht schon so lange so, daß man denkt, man braucht immer wirkungsvollere Massenvernichtungsmittel und Gewaltmittel.

Wenn wir all das Geld nähmen, das wir in Mittel zum Töten von Menschen stecken und dafür ausgeben, und wir benutzten es für Gesundheitsversorgung oder Bildung oder etwas, was für Kinder gut ist, dann sähe die Welt ganz anders aus. Aber unsere Rüstungsausgaben gehen weiter und unsere Forscher suchen weiter nach billigeren Mitteln, wirkungsvolleren Mitteln, breiter wirksamen Techniken, um Menschen umzubringen.

Gott segne unsere Kinder, sie sind erstaunlich. Man denkt, sie müßten kleine Teufel sein, wenn sie sich anschauen, was wir alles tun. Aber es gibt noch Hoffnung für unsere Kinder, daß sie sich zum wahren Geist der Menschheit erheben, der immer die Möglichkeit des Friedens verheißen hat - ich meine den wahren Frieden, wo man sich schlicht weigert, anderen weh zu tun, ob individuell oder kollektiv.

Und seit einiger Zeit müssen wir dringend unser Augenmerk darauf richten, denn unsere Fähigkeit zur Vernichtung ist jetzt, wenn nicht total, dann sehr, sehr nahe daran. Und wir suchen immer noch nach Mitteln, näher da ran heranzukommen, alle, die wir zu unseren Feinden erklärt haben, in ihrer Gesamtheit auszulöschen. Wir müssen uns mit der Tatsache befassen, daß die gewaltsame Lösung von Problemen als akzeptabel gilt. Wir müssen erkennen, daß der Militarismus die größte Bedrohung menschlicher Werte und menschlichen Lebens ist. Und das sage ich als ein Mensch, der mit 14 Jahren einige Wochen vor seinem Geburtstag am 8. Dezember 1941 zu Fuß in die Stadt ging - es waren mehr als zehn Kilometer bis Los Angeles -, um sich bei den Landungstruppen zu bewerben. Sie haben mich rausgeworfen: „Raus hier, Junge! Das ist ein Krieg.“ Und ich sagte: „Ich will mitmachen.“ „Raus hier!“ Ich mußte bis zum 18. Dezember 1944 warten, als ich 17 wurde.

Ich weiß, daß wir hier vom Frieden und dem Wunsch nach Frieden reden und an seine Möglichkeit glauben, aber wir haben noch nicht in unserem Denken die scharfe Fokussierung erreicht, um Menschen dafür zu organisieren, auch nur die Forschung und Entwicklung immer besserer Formen der Massenvernichtung zu beenden. Und das muß eine Priorität werden. Das ist nicht sehr anziehend und spaßig, aber es ist der einzige Weg, wie wir die technische Möglichkeit der Vernichtung allen Lebens auf der Erde beenden können, bevor wir uns selbst vernichten.

Und der Weg dorthin ist klar: Er geht durch das menschliche Herz, durch den menschlichen Geist, und die Erkenntnis, daß wir entweder alle einander lieben (und ich finde die heutige Veranstaltung sehr liebenswert) oder alle sterben werden - keinen friedlichen Tod, umgeben von liebenden Freunden, sondern einen gewaltsamen Tod, stolz darauf, daß wir so gerissen darin sind, so wundervolle Massenvernichtungsmittel zu erfinden, daß wir ein halbes Volk auslöschen können oder einen halben Kontinent oder am Ende sogar alle lebenswichtigen Elemente, die wir auf diesem Planeten vorfanden, als wir ankamen, für ein gutes Leben mit Liebe und Musik in unseren Herzen. Denn irgendwo da drin ist Musik der Schlüssel zur Liebe und der Schlüssel zur Freude am Leben.

Vor dem Abgrund

Und wir stehen nahe am Abgrund. Wir sehen noch keine massiven Kriege, obwohl sie im Hintergrund lauern, aber wir sehen ein neues und bedeutendes Element, wo reines Morden als Zweck an sich betrachtet wird. Und das entstand durch die Wertesysteme von Gesellschaften, die einen Krieg nach dem anderen nicht nur durchgestanden, sondern sogar gefeiert haben. Der moralische Wert eines Volkes läßt sich wahrscheinlich besser ermessen an der Höhe des Rüstungshaushalts des Landes, in dem es lebt, als an allem anderen, weil das besagt: „Wir bringen euch um, um unseren Willen durchzusetzen.“

Ich bin Optimist. Das ist einer der Gründe, warum die Leute mich nicht besonders ernst nehmen. Aber mir ist es lieber, nicht ernstgenommen zu werden, als nicht mehr zu glauben, daß wir alles überwinden können. „We shall overcome.“ Ich habe erlebt, wie wir in der Frage der Rassenbeziehungen in diese Richtung marschiert sind. Das war schön, und es hat bewiesen, daß man [für das Gute] marschieren und singen kann. Und wer marschiert, der sollte auch singen, denn sonst wird er wahrscheinlich eine große Waffe bei sich tragen. Wir können überwinden, aber wir sind in einem Wettlauf zwischen Erziehung und Katastrophe. Und die Katastrophe rückt näher.

Lassen Sie mich in diesem optimistischen und frohen Sinn sagen: Singen wir unsern Weg zum Frieden.