Nr. 51, 18. Dezember 2013
Griechenland - eine moderne griechische Tragödie
Von Spyros Marinis
Auf dem Europaparteitag der BüSo am 1. Dezember in Mainz-Kastel
berichtete Spyros Marinis von der griechischen Drachme-Partei als Gastredner
über die Lage in Griechenland.
Meine Damen und Herren, ich würde gern auf deutsch sprechen, aber
vielleicht das nächste Mal. Zunächst möchte ich gern allen Kandidaten der BüSo
gratulieren und Ihnen alles Gute wünschen.
Im folgenden werde ich versuchen, eine lebende Tragödie zu schildern -
„eine moderne griechische Tragödie“, wie Aischylos sagen würde.
Im folgenden in groben Zügen die Vorstellung unser Programms. In vier
Abschnitten will ich die tatsächliche Situation im heutigen Griechenland
skizzieren, sodann die Meinung der griechischen Bürger über das, was sich
heute in Griechenland und in Europa abspielt, die Vorschläge unserer
Drachme-Partei für einen Wirtschaftsaufschwung, und schließlich ein
Resümee.
Das ist die Realität dessen, was derzeit in Griechenland passiert:
- Das Bruttoinlandsprodukt Griechenlands ist um 35% geschrumpft.
- Die großen Medien werden von der Troika kontrolliert.
- Auf den Märkten herrscht ein völliger Mangel an Liquidität.
- Staatsbedienstete werden entlassen.
- Das Bildungssystems funktioniert nicht.
- Staatseigentum ist unverkäuflich.
- Die Arbeitslosenrate liegt bei 34%.
- Die Jugendarbeitslosigkeit liegt über 64%.
- 31% der Griechen drohen Armut und soziale Isolation.
- Die Gesundheitskosten steigen dramatisch.
- Ärzte werden entlassen, Krankenhäuser geschlossen.
- Die Menschen leiden unter Gesundheitsproblemen, viele Medikamente sind
nicht mehr verfügbar. Patienten reduzieren die Dosierungen, um Geld zu
sparen.
- Großunternehmen wandern aus in andere europäische Länder.
- Das fiskalische und wirtschaftliche Umfeld ist instabil.
- Es gibt provokante politische Entscheidungen zugunsten der Banken und
hohe Gehälter im Bankenwesen verglichen mit dem öffentlichen Dienst.
Wir erleben somit eine beispiellose moderne griechische Tragödie, ohne
Hoffung auf eine Umkehr - eine enorme Armut, wie wir sie in der Vergangenheit
und in der Eurozone noch nie erlebt haben.
Die destruktive Obsession mit extremen Austeritäts-Rezepten zusammen mit
schimpflichen Kreditkonditionen und dem harten Euro zerstören die griechische
Wirtschaft und die Wirtschaft Südeuropas. Die Eurozone ohne einen starken,
zentralen politischen und wirtschaftlichen Schirm führt in die Sackgasse.
Meinungsumschwung
Aber es entwickelt sich auch etwas Neues: die Meinung der griechischen
Öffentlichkeit ändert sich.
Im September 2012 waren 67% der Bevölkerung für den Euro und 31% dagegen.
Im September 2013 waren es 51% bzw. 49%. Das heißt, die Zahl der Eurogegner in
der Bevölkerung ist allein in den letzten 12 Monaten um 18%-Punkte
gestiegen.
Wenn morgen eine Volksabstimmung wäre, würden 36% für die Rückkehr zu einer
nationalen Währung stimmen.
Die Umfrageergebnisse der drei Parteien, die eine Rückkehr zur Drachme
unterstützen (Plan B, Drachme und EPAM) bestärken deren Zuversicht, daß sie
ins griechische Parlament einziehen werden.
Noch deutlicher ist der Meinungsumschwung der Bürger zur EU: 2012 waren 52%
für die EU, 44% gegen sie. 2013 waren nur noch 43% für die EU und 55% gegen
sie.
Unser Vorschlag ist eine politische Plattform in 9 Punkten. Es gibt darin
viele Überschneidungen, aber ich möchte einige aufzählen:
- Als Drachme-Partei wollen wir das Memorandum aufkündigen und zur
nationalen Währung zurückkehren.
- Wir wollen Neuverhandlungen der Schulden und einen Schuldenerlaß von etwa
70% erreichen, wobei für die Rückzahlung des Rests ein Zahlungsaufschub von
zwei bis drei Jahren gewährt werden sollte.
- Anspruch auf Kriegsreparationen und die Umsetzung eines Plans für
nachhaltige Entwicklung.
- Eine ethnozentrische Orientierung der EU an den Völkern und nicht an den
Märkten und Banken.
- Eine multidimensionale Außenpolitik, die vom nationalen Interesse ausgeht
und Beschäftigungsmöglichkeiten für junge Menschen schafft und ihre
Abwanderung ins Ausland verhindert.
- Wirksame Kontrolle der illegalen Einwanderung, Steigerung der
Geburtenrate griechischer Mütter und Stärkung der Verbindungen zur Diaspora,
Verteidigung der historischen Kontinuität Griechenlands durch eine
Rückbesinnung auf das großartige historische Erbe in den Wissenschaften, den
Künsten und der Literatur.
- Förderung eines Zusammenschlusses der Länder Südeuropas mit der
Perspektive eines Austritts von Griechenland, Italien, Spanien, Portugal und
Zypern aus dem Euro.
- Gelockerte Wechselkursbeziehungen ihrer Währungen, Schaffung einer
Freihandelszone in Südeuropa, Entwicklung einer gemeinsamen Politik im Bereich
von Wirtschaft, Finanzen, Handel, Banken und Geld, zivile Partnerschaft zur
Stärkung ihrer geopolitischen Macht, Neuverhandlung der Schulden, Nutzung der
Energieressourcen und völkerrechtliche Proklamation einer Südeuropazone.
- Förderung der griechischen Produktion, des Binnenkonsums und
ortsansässiger Unternehmen, Verbesserung der Beschäftigung, des Sozialstaats
sowie Anhebung der geringen und mittleren Einkommen mit dem Ziel, die
Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft wiederherzustellen, eine gerechtere
Verteilung des nationalen Einkommens und Schutz der Umwelt.
- Trennung zwischen Geschäfts- und Investmentbanken, Schaffung von
Investmentbanken für Auslandsgriechen und Freunde des Landes.
- Erhaltung der Bank von Griechenland und der Nationalbank unter der
Kontrolle der Zentralregierung.
Es gäbe viele weitere Fragen, die hier angeführt und diskutiert werden
könnten, doch abschließend nur noch ein Punkt:
- Wie im Geschäftsleben muß sich ein Sanierungsplan darauf konzentrieren,
die wichtigste Ressource zu nutzen, nämlich den Menschen. Nur wenn Reichtum
erzeugt wird, können alle zufriedengestellt werden: die Beschäftigten, die
Gläubiger, das Management und die Anteilseigner.
Genauso wie es kein Unternehmen ohne Lohn für die Beschäftigten gibt, so
gibt es kein Land ohne eine Einkommen für seine Bürger.
Vielen Dank.