Produktive Kreditschöpfung 
  Neues Bretton Woods
  Glass-Steagall
  Physische Wirtschaft
  Kernenergie
  Eurasische Landbrücke
  Transrapid
  Inflation
  Terror - Cui bono?
  Südwestasienkrise
  11. September und danach
  Letzte Woche
  Aktuelle Ausgabe
  Ausgabe Nr. ...
  Heureka!
  Das Beste von Eulenspiegel
  Erziehungs-Reihe
  PC-Spiele & Gewalt 
  Diskussionsforum
  Wirtschaftsgrafiken
  Animierte Grafiken
[an error occurred while processing this directive]
Neue Solidarität
Nr. 49, 4. Dezember 2013

Verfassungsbewegung gegen Troika-Diktat in Portugal

Am 21. November fand in Lissabon die Konferenz „Zur Verteidigung der Verfassung, der Demokratie und des Sozialstaates“ statt, organisiert auf Initiative des früheren sozialistischen portugiesischen Präsidenten und Premierministers Mario Soares. In seiner Rede warnte Soares vor wachsender Armut und Hunger in Portugal, was eine Welle von Gewalt auslösen könnte. Der jetzige Präsident Cavaco Silva und Premierminister Pedro Passos Coelho (beide Sozialdemokraten, PSD) sollten sofort zurücktreten.

„Wir befinden uns auf dem Weg zu einer neuen Diktatur... Gewalt steht vor der Tür und das muß verhindert werden“, sagte Soares. „Mit einer völlig paralysierten Regierung ohne Richtung, die nicht mit der Bevölkerung spricht und einem Präsidenten der Republik, der nur daran denkt, wie er seine Partei zusammenhalten kann, bringen wir Tag für Tag Verzweiflung und Gewalt hervor... Niemand akzeptiert die Sparpolitik, die all unseren Mißständen zugrunde liegt. Es ist die Troika, die in Portugal regiert. Welche eine Schande für einen Staat, der die Welt entdeckte und seit über neun Jahrhunderten unveränderte Grenzen hat.“

Schon im Mai hatte Soares, die „graue Eminenz“ der Sozialistischen Partei, ein „Anti-Austeritäts“-Treffen der Linken organisiert und damit eine breite Bewegung gegen die Troika-Politik der Regierung in Gang gesetzt. Der frühere Präsidentschaftskandidat der Sozialisten, Manuel Alegre, bezeichnete dieses erste Treffen als eine Zusammenkunft von „Demokraten, Patrioten und allen, denen es um ein gemeinsames Anliegen geht: die Verteidigung der Verfassung“ gegen eine Regierung, die die Politik der Troika sogar noch übertreffe.

Dieses Mal waren noch wesentlich mehr Repräsentanten von linken Parteien und den Gewerkschaften anwesend. Auch der frühere Fraktionschef der regierenden PSD-Sozialdemokraten, Pacheco Pereira, sowie hochrangige frühere Militärs und ein katholischer Bischof, die nicht der Linken zuzurechnen sind, sprachen bei der Konferenz oder sandten Grußbotschaften. Einige Vertreter des konservativen Lagers, die ihre Teilnahme angekündigt hatten, wurden offenbar massiv unter Druck gesetzt und sagten in letzter Minute ab.

Hintergrund dieser Entwicklungen ist die Tatsache, daß sich das Land nach mehreren Jahren unter der Diktatur der „Troika“ (Weltwährungsfonds, Europäische Zentralbank und EU-Kommission) vor einem sozialen und demographischen Abgrund befindet. Der neue Prüfungsbericht des Weltwährungsfonds verlangt sogar noch mehr Rationierungen in der Medizin, die Zerschlagung des öffentlichen Nationalen Gesundheitsdienstes, weitere Kürzungen von Renten/Pensionen, Löhnen und mehr Abbau von Arbeitsplätzen und staatlichen Einrichtungen.

Der IWF griff in seinem Bericht ausdrücklich Portugals Verfassungsgericht an, weil es bereits mehrfach von der Troika verlangte Sparmaßnahmen als verfassungswidrig untersagt hat. Verteidigungsminister José Pedro Aguiar-Branco sprach sogar unverhohlen von einen „gefräßigen Sozialstaat“, der zur „Versuchung eines totalitären Staates“ führe, und forderte eine Verfassungsänderung. Portugals Verfassung, die 1974 nach dem unblutigen Sturz der 50 Jahre langen Diktatur eingeführt wurde, ist offenbar eine der ersten, die beseitigt werden soll, weil sie viele Vorschriften zum Schutz des Gemeinwohls enthält, die damals zu den Zielen der „Nelken-Revolution“ gehörten.

eir