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Neue Solidarität
Nr. 49, 4. Dezember 2013

Obamacare ist eine Katastrophe

Helga Zepp-LaRouche sprach am 21. November mit Jessica Tremblay, die im amerikanischen Gesundheitssektor arbeitet, über die tödlichen Folgen von Präsident Obamas „Gesundheitsreform“. Das Interview wurde für den Abdruck leicht bearbeitet.

Helga Zepp-LaRouche: Hallo Jessica, ich bin sehr froh, daß ich Dich als junge Amerikanerin - Mutter von zwei Kindern und Du und Dein Mann im Gesundheitsbereich tätig - interviewen kann zu der Frage von „Obamacare“. Denn in Amerika zeichnet sich eine sehr starke Revolte ab, weil die Menschen wirklich sehr, sehr wütend, verängstigt, enttäuscht sind. Aber im starken Kontrast dazu sind die Medien in Deutschland immer noch der Meinung, daß Obamacare einen Fortschritt dargestellt hätte.

Nun hat sich herumgesprochen, daß das mit der Registrierung bei den Computern [die staatliche Krankenversicherungsbörse im Internet] nicht funktioniert. Aber was wäre mit Obamacare, wenn die Computer alle funktionieren würden - wenn jeder so eine Chipkarte haben könnte und von der technischen Seite her alles okay wäre? Was wäre dann die Lage mit Obamacare?

Arme leben kürzer

Jessica Tremblay: Sie wäre trotzdem verheerend. Obamacare - es gibt viele Gründe, weshalb sie wirklich schlecht ist, ich würde aber sagen, das Hauptproblem ist: Das Vertrauen der amerikanischen Bevölkerung in ihre eigene Regierung ist weg.

Das Gesundheitswesen in den Vereinigten Staaten ist schon seit Jahren als sehr problematisch bekannt, ich könnte viele Zahlen durchgehen. Man kann vielleicht nur eine sehr wichtige Zahl nennen, die in den letzte Wochen herausgekommen ist: Die Lebenserwartung für Frauen in den Vereinigten Staaten, wenn man in den ärmeren Gemeinden lebt, sinkt. Und die Lebenserwartung von Männern in diesen ärmeren Gemeinden sinkt genauso. Die Lebenserwartung in diesen Gemeinden, wenn man in West-Virginia wohnt oder Teilen der Südstaaten, liegt bei 68 Jahren; sie ist vergleichbar mit manchen Staaten in Afrika! Es ist also eine verheerende Situation.

Wenn man Geld hat in den Vereinigten Staaten und die Lebenserwartung im Vergleich zu den europäischen Staaten sieht, dann kann man immer sagen: Wenn man die Ärmeren wegläßt, sind die Statistiken doch schön. Aber ebenso sieht man: Das Gesundheitssystem in den Vereinigten Staaten ist für die Armen schon seit Jahren als problematisch bekannt.

Die Menschen in Amerika waren wirklich offen dafür, Verbesserungen zu finden, herauszufinden, wie sie ein gutes Gesundheitssystem bekommen können. Und mit Obamacare ist das Vertrauen vollkommen weg.

Vielleicht kann ich einfach mal ein paar Beispiele anführen:

Bisher war es so - man kennt das vielleicht aus Erzählungen: Wenn man eine Krankheit hat, war das schwierig, hier eine Krankenversorgung, eine Krankenversicherung zu bekommen. Man wurde herausgeschmissen.

Ich persönlich gehöre zu den Selbständigen, die von Obamacare sehr betroffen sind. Ich gehöre zu den Menschen, die nicht durch ihren Arbeitgeber eine Krankenversicherung bekommen, sondern sie selbständig kaufen müssen. Wir haben keine andere Möglichkeit.

Ich habe versucht, Krankenversicherung zu bekommen, vor ein paar Jahren, als wir selbständig geworden sind. Wir haben sie auch angeboten bekommen - für horrende Preise. Die Bedingung bei einer Versicherung war: Eine vorhandene Krankheit wird nicht bezahlt, es ist einfach so. Die eine Krankheit, die ich chronisch habe - Asthma -, wird dann nicht von der Krankenversicherung bezahlt.

Eine Frage des Vertrauens

Man verliert das Vertrauen in das System, wenn so etwas passiert, daß man eine Krankenversicherung nicht bekommen kann, weil man eine bestimmte Krankheit hat. Viele Leute haben gedacht, mit Obamacare wird das auf einmal besser. Aber was ist die Realität? Man versucht, eine Krankenversicherung durch Obamacare zu bekommen - wunderbar, aber die Kosten sind das Dreifache, das Dreifache der jetzigen Versicherung! Die Kosten sind horrend. Man soll dann für diese gestiegenen Kosten einen Zuschuß von der Regierung bekommen.

Die Vertrauensfrage kommt dann wieder auf, weil zur Zeit so viele soziale Kürzungen in den Vereinigten Staaten vorgenommen werden - sie passieren in allen möglichen sozialen Bereichen, Gesundheitswesen, Krankenhäuser etc.; Beispiele kann ich vielleicht später anführen, wenn es notwendig ist. Aber man weiß jetzt schon, daß die Regierung so viel kürzt. Woher soll ich das Vertrauen haben, daß die Regierung diese Zuschüsse für diese gestiegenen Kosten auch nächstes Jahr noch zahlen wird? Und dann als vierköpfige Familie, zwei Kinder: Wie sollen wir dann diese verdreifachten Krankenversicherungskosten bezahlen? Wo soll das Geld dann herkommen?

Zepp-LaRouche: Es macht ja auch überhaupt keinen Sinn, wenn 500-700 Milliarden Dollar in einem Zeitraum von zehn Jahren eingespart werden sollen, daß dann eine bessere Gesundheitsversorgung dabei herauskommen soll. Das ist eigentlich nicht einsichtig.

Tremblay: Es ist sehr schlimm. Und ich gebe auch für diesen Fall am besten ein konkretes Beispiel: eine Frau, die jetzt krebskrank ist und ein Einkommen von 1000 Dollar im Monat hat, sie hat jetzt schon Rechnungen von 900 Dollar. Bisher war das dann so, daß der Bund pauschal Geld an die Krankenhäuser verteilt hat, so daß Menschen in solchen Situationen weiterhin versorgt werden und die Rechnungen nicht so hoch werden. Genau in solchen Fällen wie bei der Frau. Nun versucht sie, bei dem Krankenhaus, bei dem sie behandelt wird, finanzielle Unterstützung zu bekommen - und das ist einfach nicht mehr vorhanden. Und sie weiß tatsächlich nicht, wie sie selbst sagt, wie sie nächste Woche das Essen kaufen soll.

Und um das auch konkret zu machen, weil es viel mit der Situation für die ärmeren Menschen zu tun hat: Noch bis Oktober, bis Obamacare in Kraft getreten ist, hatten viele ältere Menschen - vielleicht Schwarze, viele traditionelle Demokraten, die ihr Leben lang gearbeitet haben - noch diesen einen Punkt bei Obama, da haben sie dran festgehalten: „Wenigstens das wird er packen, das wird er schaffen.“ Und da wir in diesem Bereich zu tun haben, mein Mann und ich, wird jetzt klar, jeden Tag hört er das: „Nicht einmal das schafft er. Ich dachte, es würde besser, ich dachte, es könnte sich verbessern.“ Und das tut es nicht.

Zepp-LaRouche: Was ich auch besonders bedenklich finde, ist, daß jetzt Krankenhäuser, die Patienten „zu oft“ wieder aufnehmen, weil sie chronische Krankheiten haben oder älter sind, Geld abgezogen bekommen von den Versicherungsgesellschaften, 1-3%, und daß alle drei Monate Prüfungen stattfinden und die Krankenhäuser dann natürlich diese Patienten nicht so gerne haben, wenn das mit finanziellen Verlusten verbunden ist.

Gewinne stehen im Vordergrund

Tremblay: Da muß man wirklich sehen, was der Kern von Obamacare ist: Was machen die Versicherungen jetzt für Profite?

Mitarbeiter von EIR haben Zahlen zusammengestellt, die sehr konservativ sind. Schätzungsweise werden die Versicherungen durch Obamacare 250 Milliarden Dollar mehr im Jahr einnehmen. Gleichzeitig sind die Aktienkurse der verschiedenen Versicherungsgruppen - Signal Health, Aetna, alles Profitunternehmen - allein in diesem letzten Jahr im Schnitt um 43% gestiegen.

Das ist die Realität der Versicherungen. Bei Obamacare gibt es diese sogenannten Zuschüsse von der Regierung für Familien wie meine, dieses Geld geht auch noch direkt an die Versicherungen. Es gibt ein Beispiel nach dem anderen, wie die Versicherungen mehr Geld verdienen und dann diese Aktienausschüttungen mehr und mehr werden, während gleichzeitig die Bevölkerung genau so behandelt wird wie in den Fällen, die Du jetzt erwähnt hast.

In den Vereinigten Staaten ist das so: Krankenhäuser sind anders als in Deutschland organisiert, Krankenhäuser übernehmen eigentlich die gesamte Versorgung für die Menschen. Es ist nicht wie in Deutschland mit den einzelnen Ärzten oder Praxen. Krankenhäuser leisten die gesamte Versorgung für schwerkranke Menschen. Und Krankenhäuser, die Menschen immer wieder aufnehmen, sind dann Universitäten, die schwere Fälle nehmen, wenn einzelne Menschen viele Krankheiten haben und das zusammenkommt. Natürlich müssen diese Leute öfters ins Krankenhaus und natürlich sind da mehr Schwierigkeiten mit deren Krankheiten. Und nun kriegen sie das Geld gestrichen. Wenn man zurückdenkt an dieses Beispiel der Frau mit Krebs: Das sind die Gelder, die die Krankenhäuser vorher bekommen haben vom Bund, um solchen ärmeren Menschen auszuhelfen. Tja...

Zepp-LaRouche: Aber es betrifft ja nicht nur alte Menschen mit vielen Krankheiten, sondern selbst wenn man jung ist, also z.B. ein alleinstehender junger Mann. Man kauft dann so eine teure private Police, dann steht trotzdem, soweit ich mich informiert habe, genau drin, welche Krankenhäuser und welche Ärzte man damit in Anspruch nehmen kann. Also angenommen, dieser junge Mann bekommt jetzt eine sehr seltene Krebserkrankung und würde gerne zu einem der Spezialzentren gehen - das ist ihm aber laut dieser Police dann verweigert. Es betrifft also nicht nur alte Menschen.

Tremblay: Es trifft alle. Vielleicht, um das einmal klar zu machen: Diese Frage des Gesundheitswesens in den Vereinigten Staaten, diese Idee von einem sozialen Gesundheitswesen, stellt sich bei vielen, vielen Amerikanern. Die haben wirklich geglaubt, Obama würde die Situation besser machen. Fast jede Familie, fast jeder Freundeskreis hat irgend jemanden, wo man einen Fall erzählen kann, wie ein Mensch durch eine Krankheit in eine ungeheure Situation gestürzt wird. Die meisten Amerikaner wollen ein besseres System. Sie wollen wirklich die Versorgung haben. Und es ist leider so: In den sechziger Jahren waren 86% aller amerikanischen Ärzte selbständig. Und die hatten ein persönliches Verhältnis zu ihren Patienten...

Zepp-LaRouche: Das ist extrem wichtig.

Tremblay: Ja. Und heute sind es 36% - nur noch 36% der Ärzte in Amerika sind selbständig. Das heißt, die anderen sind eben Vertragsärzte. Die große, große Mehrheit der amerikanischen Ärzte sind Vertragsärzte und das ist genau die Situation, die Du aufbringst: Die sind in einem Vertrag mit einer Versicherungsfirma, d.h., diese Ärzte haben keine Möglichkeit, eine Therapie auszuwählen, es muß alles ganz genau abgeklärt werden mit den einzelnen Versicherungen. Diese sogenannten „Overhead Costs“, das, was die Versicherung für die eigene Verwaltung ausgibt in den Vereinigten Staaten, die private Versicherung, liegt bei 30%. Bei dem einzigen funktionierenden, regulierten Krankenversicherungssystem in den Vereinigten Staaten, Medicare, liegen diese Verwaltungskosten bei 3%. Wir haben also eine Möglichkeit, das Gesundheitswesen zum Positiven zu verändern, wir haben die Grundlage dafür. Aber Obamacare hat in keinster Weise irgend etwas gemacht, was die Situation der Menschen verbessern könnte.

D.h., in dem Fall von dem jungen Mann, der vielleicht krebskrank ist, der versucht, zu einem Arzt zu gehen: Gehört sein Arzt zu seiner persönlichen Versicherung? Nein, sein Arzt gehört nicht zu dieser Versicherungsgruppe, da kann er also gar nicht zu seinem eigenen Arzt gehen, sondern er muß sich einen anderen Arzt suchen, und der Arzt muß dann die Spezialisten finden, die mit seinem Vertrag verbunden sind. Es ist vollkommen verrückt.

Zu wenige Ärzte

Zepp-LaRouche: Und ein Problem ist, daß die Versicherungsgesellschaften für Medicare weniger bezahlen und deshalb immer weniger Ärzte solche Patienten überhaupt annehmen. Viele Ärzte hängen deshalb den Beruf überhaupt an den Nagel, weil sie einen moralischen Konflikt sehen zwischen der Erfüllung ihres hippokratischen Eides und den Erfordernissen, die sie gegenüber den Versicherungsgesellschaften erfüllen müssen - weshalb die Gesamtzahl von Ärzten unheimlich schrumpft.

Tremblay: Ja, das ist richtig. Was meiner Meinung nach auch unheimlich wichtig ist zu erwähnen: Hier in den Vereinigten Staaten hat jetzt ein Arzt, Dr. Shelley, einen Aufruf gemacht, mit unheimlich viel Resonanz. Er kommt aus Pennsylvania, einer etwas ländlicheren Gegend. Er ist an einem Punkt angekommen, wo er sagt: Er kann nicht bei jedem einzelnen Patienten bei dessen Krankenhausbesuch persönlich dabei sein [um sicherzustellen, daß der die notwendige Behandlung bekommt]. Deshalb sind zuletzt zwei seiner Patienten gestorben, und da hat er vor ein paar Wochen beschlossen, diesen Aufruf zu veröffentlichen.

Und er sagt, was er erlebt, ist genau die Situation, vor der Dr. Leo Alexander, der Hauptberater der Anklage während der Ärzteprozesse in Nürnberg nach dem Zweiten Weltkrieg, gewarnt hat. Dr. Alexander sagte sehr deutlich, daß die ganze Politik der Euthanasie damit angefangen hat: Am Anfang stand diese unmenschliche Änderung in der Sicht der Welt und über den Wert des menschlichen Lebens, die sich im einzelnen Arzt langsam vollzogen hat, und genau solch eine Situation sehen wir heute.

Zepp-LaRouche: Wenn über das menschliche Leben nach Kosten-Nutzen-Überlegungen entschieden wird, dann ist völlig klar, daß es bei einer Politik der absoluten Profitmaximierung dann „unwertes Leben“ gibt, das sind natürlich die Armen und die Kranken. Und damit sind wir wirklich an einem Punkt, wo die Gefahr besteht, daß Euthanasie wiederkommt. Das klingt vielleicht für deutsche oder europäische Ohren ein bißchen kraß, aber die Praxis, die sich in Amerika entfaltet, geht wirklich in diese Richtung.

Tremblay: Tatsächlich ist die Euthanasie schon da. Diese Frage der Lebenserwartung - wenn man eine Situation hat, wo arme Menschen eine Lebenserwartung haben, die 10 oder 15 Jahre niedriger ist als die von Menschen, die Geld haben, die reich sind - wenn so eine Situation da ist, ist das doch Euthanasie. Das sagt doch etwas aus. Da sind dann kleine Dinge, Infektionen, die auftauchen, die nicht mehr versorgt werden. Natürlich ist auch inzwischen klar: Armut in den Vereinigten Staaten ist so schwerwiegend, daß sie einen Effekt hat, auf den Kreislauf, auf alles Mögliche, auch auf die Bildung. Die Euthanasie ist in den Vereinigten Staaten schon da.

Ohne Krankenhäuser keine Behandlung

Zepp-LaRouche: Es gibt ja diesen neuen Fall, der jetzt die Schlagzeilen erobert, und zwar hat ein Landessenator von Virginia, [Craig] Deeds, einen Sohn, der vor einigen Tagen einen Anfall hatte und eigentlich dringend eine psychiatrische Behandlung brauchte, und dann stellte sich heraus, daß in der Gegend kein Krankenhausbett dafür da war, das diesen Sohn, der dringend hätte behandelt werden müssen, aufgenommen hätte. Da hat der Sohn versucht, mit mehreren Messerstichen in die Brust und ins Gesicht seinen Vater zu töten, und hat sich dann selbst erschossen. Zum Glück ist dieser Senator jetzt außer Lebensgefahr. Aber das wirft natürlich ein Schlaglicht auf die Versorgungslage mit Krankenhausbetten für Patienten, die psychologische Probleme haben, und überhaupt die Frage der Krankenhäuser in ländlichen Gebieten, wo die Zahl der Krankenhausbetten pro Kopf unheimlich zurückgegangen ist. Was nützt es einem, wenn man eine private Versicherungspolice hat, aber es gibt in hundert Meilen Umkreis kein Krankenhaus, wenn man es braucht? Vielleicht kannst du das noch mal beleuchten?

Tremblay: Das ist auch wiederum eine Aussage bei Obamacare: Wenn man eine Krankenversicherung hat, dann hat man automatisch Versorgung - Unsinn, völliger Unsinn! Krankenversicherung als solches - und da denkt man auch an die Börsengewinne dieser Versicherungsgruppen, die diese Krankenversicherung anbieten - bedeutet überhaupt nicht Krankenversorgung.

Du hast die Frage der Anzahl der Ärzte aufgebracht. Die Hausarztsituation in den Vereinigten Staaten: Ich glaube, es war der Bundesstaat Kalifornien, der als Ausnahme ein sehr gutes Computersystem hat, um Obamacare-Versicherungen zu kaufen. Da gibt es ein Gesetz und einen Versuch, ein Gesetz durchzubringen, diese ganze Frage von Obamacare neu zu überlegen, weil, wie ein Landtagsabgeordneter sagte: Wie sollen wir denn Gesundheitsversorgung anbieten, wie können wir Krankenversicherung anbieten, wenn wir zuwenig Hausärzte haben? Die Zahlen habe ich jetzt nicht mehr im Kopf, aber es war eine horrende Zahl, es ging in die Zehntausende - Kalifornien ist ja ein sehr großer Bundesstaat - Zehntausende von Hausärzten fehlen einfach und sind nicht vorhanden.

Es gibt auch weitere Zahlen von diesem Arzt Dr. Mark Shelley, der hat das dargestellt: Pro 1000 Amerikaner, glaube ich, sind es 2,4 Ärzte; im europäischen Durchschnitt sind es etwas über drei. Also es ist sehr deutlich: Es sind gar nicht genug Ärzte da, um die Versorgung durchzuführen.

Die ländlichen Krankenhäuser, dazu gibt es auch wiederum neue Gesetze. Weil Amerika ein sehr großes Land ist, hatte man hat eine gewisse Anzahl von Krankenhäusern, um sicherzugehen, daß die Menschen in ländlichen Gebieten Krankenversorgung haben. Das hing von der Einwohnerzahl ab und davon, wie weit man von anderen Krankenhäusern entfernt war. Dieses Gesetz wird jetzt auch geändert. Kleinere Krankenhäuser werden geschlossen.

Und da sieht man an einem sehr konkreten Fall, einem horrenden Fall, wo ein Mensch eindeutig eine Versorgung gebraucht hat und die nicht vorhanden war.

Zepp-LaRouche: Das ist offensichtlich schon die „schiefe Ebene“, von der Dr. Alexander gesprochen hat, aber ich sehe eine noch größere Lawine auf uns zukommen, denn es stehen ja zum Jahresende wieder Verhandlungen an über die Erhöhung der Schuldenobergrenze bzw. des Haushalts und so, wie im Augenblick die Stimmung im Kongreß und im Senat ist, scheint es nicht ausgeschlossen, daß keine Einigung zustande kommt. Und die Gesamtlage mit den sog. „Too-big-to-fail“-Banken, also den Banken, die angeblich zu groß sind, um untergehen zu dürfen, ist sowieso schon so, daß z.B. renommierte Personen wie Thomas Hoening, der Vizechef der FDIC, also der Bankeneinlagensicherung, oder auch Elizabeth Warren, die Senatorin, gewarnt haben, daß wir heute in einer Situation sind, die viel schlimmer ist als 2008 vor dem Kollaps von Lehman Brothers. Was ist denn Deine Sicht, wie die Gesundheitslage aussehen würde, wenn es zu so einem Finanzkrach kommt - was passiert dann?

Tremblay: Also ehrlich gesagt, möchte ich fast gar nicht daran denken. Ich denke dabei an die Leute, mit denen mein Mann und ich arbeiten, das sind wunderbare Menschen, das sind öfters, wie gesagt, ältere Menschen, das sind Menschen, die ihr ganzes Leben für ihre Kinder, ihre Enkelkinder alles gegeben haben, gearbeitet haben - und die sind so enttäuscht und die Armut, in denen diese Menschen leben, ist erschütternd. Es ist eine sehr beängstigende Situation.

Ich wohne in Philadelphia, gerade vorgestern war hier wieder ein Fall in einer Realschule, ein Überfall, die Polizei mußte geholt werden. Zwölf 16jährige wurden wegen einer Schlägerei verhaftet. Es ist eine sehr, sehr bedrohliche Situation. Man hat es einerseits sehr konkret, daß Menschen, die Krankheiten haben, nicht versorgt werden, aber die andere Frage ist auch die Gewaltsituation. Sind wir in der Lage, in einer Gewaltsituation Menschen zu helfen? Was ist mit den Krankenhäusern, wenn die geschlossen werden? Können wir auch jungen Menschen dann helfen, wenn sie in einer sehr schlimmen Situation sind? Die Palette ist sehr, sehr breit an Möglichkeiten, die verheerend sein können.

Jeder hat das mitbekommen: Polio ist ausgebrochen in Syrien. Wir sind nicht weit davon entfernt. Hier in den Vereinigten Staaten sind Fälle von Keuchhusten aufgetreten. Denn einerseits kriegen die Kinder keine Impfung, aus ideologischen Gründen, aber das ist nicht der Hauptgrund. Viele bekommen die Impfungen nicht, weil die Gesundheitsversorgung nicht vorhanden ist. Keuchhusten ist für Kinder unter einem Jahr tödlich. Es ist also eine Situation, die ist wirklich erschreckend.

Trotzdem möchte ich sagen: Grundsätzlich wollen die Amerikaner das verbessern. Es gibt die Chance, die ist vorhanden. Die Leute haben eine unheimliche Wut, aber sie sind bereit, die Frage einer Solidarität mit ihren Mitmenschen neu zu durchdenken. Das sehen wir in der politischen Arbeit, die wir hier leisten. Einerseits haben die Menschen unheimlich viele persönliche Geschichten, die sie an Informationsständen, in politischen Treffen etc. erzählen, aber andererseits ist da auch eine Bereitschaft, neu zu überlegen, daß die Vereinigten Staaten von Amerika die Möglichkeit haben, die Gesundheitsversorgung, die Bildung, alle diese Dinge wieder zusammenzubringen, so daß dieser Staat wirklich funktionieren kann und daß das Vertrauen in unsere Regierung, in unsere Verfassung wieder vorhanden ist. Also, es ist eine sehr schwierige Situation, aber ich bin optimistisch, daß wir das wirklich schaffen können.

Ein neues Paradigma

Zepp-LaRouche: Morgen ist ein besonderer Jahrestag, nämlich der 50. Jahrestag der Ermordung Kennedys. Und eigentlich ist ja dieser Niedergang wirklich seit diesem Zeitpunkt der Ermordung des Präsidenten Kennedy festzustellen und der Paradigmenwandel, der in den letzten 50 Jahren stattgefunden hat, war ja offensichtlich ein völliger Irrweg. Man müßte eigentlich an diesen Optimismus, den Kennedy ausgedrückt hat - mit dem Apolloprogramm, mit vielen großen Wasser-Infrastrukturprojekten -, anknüpfen. Und ich denke eigentlich auch, daß Amerika schon ganz oft bewiesen hat, daß es eine Art innere Widerstandskraft hat und es immer wieder geschafft hat, doch aus schweren Krisen herauszukommen. Wie würdest Du unseren deutschen Zuschauern die Zukunftsaussichten beschreiben, was sind die Alternativen, wie würdest Du das sehen?

Tremblay: Vielleicht kann ich das am Beispiel dieses Konzertes erzählen. Ich habe daran gearbeitet, dieses Konzert publik zu machen und bekannt zu machen, ich habe viele Schulen angeschrieben, angerufen...

Zepp-LaRouche: Vielleicht sagst Du noch mal gerade, was für ein Konzert das ist?

Tremblay: Ja, das ist jetzt am Freitag [den 22. November]. Wir werden das Mozart-Requiem aufführen. Das Mozart-Requiem hat auch einen sehr persönlichen Bezug zu Kennedy, es wurde auch für ihn, damals als er ermordet wurde, aufgeführt. Es ist natürlich auch das letzte Stück, das Mozart selbst geschrieben hat, und wir werden morgen abend das ganze Stück aufführen. Das habe ich versucht, bekannt zu machen, über die Schulen, wir nutzen natürlich auch die Zeitungen usw. und offensichtliche Wege, aber auch sehr viel persönlichen Kontakt. Viele Lehrer haben darauf reagiert, viele Eltern haben uns angeschrieben, ob sie Karten haben könnten. Das ist ein Konzert mit freiem Eintritt, die Leute freuen sich unheimlich, auch eine Chance zu bekommen, in dieser Form klassische Musik zu hören.

Es gab auch viele Anfragen zur Frage der Stimmung: Wir werden das in der Verdi-Stimmung spielen, d.h. in der niedrigeren Stimmung, a’=432 Hz gegenüber a’=440 Hz; das ist die klassische Stimmung, die Mozart, Beethoven und Verdi benutzt haben. Es gibt unheimliches Interesse daran: Was heißt das, was bedeutet das? Einige unserer Mitarbeiter wurden auch eingeladen, das den Jugendlichen und Kindern vorzustellen, diese wissenschaftliche Frage klarzustellen und zu vermitteln, daß es ein verständliches Universum gibt. Und da gab es auf jeden Fall eine sehr positive Resonanz.

Eine andere Sache: Wir haben viel mit Musikern zu tun gehabt, die sich bereit erklärt haben, morgen an dem Konzert teilzunehmen, und da gab es die verschiedensten Reaktionen. Ich habe mit einer Frau gesprochen, die ist Lehrerin, die sagte: Das ist mein Geburtstag, ich werde an dem Tag 50. Und erst wollte sie kommen, dann hat sie zurückgerufen und sagte: Ich weiß nicht, ob ich das aushalten würde, ich weiß nicht, ob ich das schaffen würde, das ist so emotional für unsere ganze Familie, das ist so eine geschichtliche Verbindung: Kennedy, Mozart... Es ist jetzt noch nicht klar, ob sie kommen wird oder nicht, aber man hat gesehen, daß es eine unheimliche Resonanz in der Bevölkerung hat, darüber nachzudenken, wie Amerika sich verändert hat, seit Kennedy ermordet wurde, und dann eben wirklich zu sagen: Wir überlegen, was war mit diesem Datum, was ist passiert vor 50 Jahren? Machen wir es besser, machen wir es anders.

Zepp-LaRouche: Ich kann nur sagen, die ganze Welt würde sich nichts sehnlicher wünschen, als daß Amerika wieder das Amerika von Kennedy wird und daß alles, was mit Obama, Obama-does-not-care und allen anderen Aspekten zusammenhängt, daß das wirklich zu den Akten gelegt wird.

Vielen Dank, Jessica, ich bin sehr froh über das, was du gesagt hast.