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Die Abschaffung des griechischen öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ERT) Anfang Juni diesen Jahres per Dekret löste nicht nur in Griechenland einen Schock und Proteste aus. In einem Flugblatt riefen Studenten der Universität der Künste Berlin ebenfalls zum Protest auf. Am Freitag, den 5. Juli 2013 wollten sie ihre Ablehnung dieser diktatorischen Maßnahmen lautstark zum Ausdruck bringen. In dem Flugblatt schrieben sie u.a.:
„Es wurden auch die drei Orchester und der Chor des ERT abgeschafft, die in griechischer und europäischer klassischer und zeitgenössischer Musik spezialisiert waren, obgleich es in Griechenland wenige Chöre und Orchester gibt. Auch nicht genannt ist hier das einmalige digitalisierte Online-Archiv, das von höchster Signifikanz für die griechische und europäische politische Geschichte und Kultur ist, dessen Schicksal nunmehr unbekannt ist. ERT war das einzige Medium, das konsequent Kultur, Kunst und Musik (insbesondere die klassische Musik) gesendet hat. Außerdem läßt die bevorstehende Schließung des staatlichen und erfolgreichen Konservatoriums von Thessaloniki die Regierung kalt.”
Gäbe es weder den Kollaps des Wirtschafts- und Finanzsystems, noch die enorme Kriegsgefahr, so bliebe immer noch ein existenzbedrohendes kulturelles Problem, das gelöst werden muß. Bei den Musikstudenten heißt es weiter:
„Wir erleben zur Zeit die Transformation des Citoyen in einen Verbraucher, in ein möglichst amusisches und nur arbeitendes Wesen, lebend wie in Orwells ,1984’ und von Brüssel aus beherrscht. Ist das die Vision der EU für den mündigen Bürger? Kunst ein Luxusgut? Ein Land, das im Namen der Krise Zivilisatorisches opfern muß?
Als Musiker musizieren wir nicht für uns selbst. Uns obliegt auch die ästhetische Erziehung des Bürgers. Wir beobachten auch das Schwinden der musikalischen und musischen Erziehung in Griechenland und protestieren dagegen, indem wir unsere Stimmen bündeln und singen.”
Keine Trillerpfeifen, keine Rasseln, keine Pauken - nicht Krawall, sondern Schönheit wurde als Waffe gewählt, denn es galt, das Herz zu treffen. Die Musiker ließen ihre Stimmen erklingen. Der erste Teil des Programms war einem Teil des Liederzyklus „Magnus Eroticus” von Manos Hatzidakis gewidmet, den die Solisten bewegend vortrugen. Im zweiten Teil war der vierstimmige A-Capella-Chorsatz der „Liturgie Nr. 2 in h-moll, Für Kinder in Kriegen getötet” von Mikis Theodorakis zu hören.
Im achten seiner Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen schrieb Friedrich Schiller 1795, daß „der Weg zu dem Kopf durch das Herz geöffnet werden muß. Ausbildung des Empfindungsvermögens ist also das dringendere Bedürfnis der Zeit, nicht bloß weil sie ein Mittel wird, die verbesserte Einsicht für das Leben wirksam zu machen, sondern selbst darum, weil sie zu Verbesserung der Einsicht erweckt.”
Schillers Worte gelten auch heute. Wenn man es zuläßt, vom Schicksal Griechenlands heute bewegt zu werden, anstatt Herz und Geist von medial verbreiteten Vorurteilen über die Menschen dieses Landes abstumpfen zu lassen, erlangt man erst die innere Freiheit und den Mut, handelnd in das Schicksal der Welt einzugreifen.
Stefan Tolksdorf