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Der EU-Kommissar für wirtschaftliche und monetäre Angelegenheiten, Ollie Rehn, der behauptet hat, das „Zypern-Modell“, mit dem die Bankguthaben gestohlen wurden, sei „einmalig“, hat am 5. April einem Interview in Finnland zugegeben, daß dieses Modell tatsächlich die Grundlage der neuen EU-Richtlinie bildet, die derzeit vorbereitet wird. „Zypern war ein Sonderfall“, sagte er gegenüber dem öffentlichen finnischen Sender YLE, „aber die bevorstehende Direktive geht davon aus, daß Investoren und Anleger im Fall einer Umstrukturierung oder Abwicklung der Bank haftbar gemacht werden.“
Die fragliche EU-Richtlinie bezieht sich auf die Rettung „systemrelevanter“ Banken. Als erstes würden die Aktien abgeschrieben und „dann möglicherweise die ungesicherten Investitionen und Bankguthaben. Aber die Grenze von 100.000 Euro ist heilig, Guthaben, die kleiner sind, werden immer sicher sein.“ Er hätte auch sagen können: Vergeßt bitte, was wir in Zypern zunächst versucht hatten.
Rehn sagte auch, daß die EZB durch Zinssenkungen und den Kauf von Staatsanleihen („Quantitative Easing“) noch mehr Geld in die Banken pumpen sollte (was EZB-Chef Mario Draghi in seiner Pressekonferenz am Vortag als „unübliche Maßnahmen“ bezeichnet hatte). Rehn: „Die Äußerungen der EZB am Donnerstag sowohl über übliche wie über unübliche Maßnahmen sind sehr wichtig, weil die EZB eine Rolle dabei spielen kann, die Lage zu erleichtern.“
Der Londoner Economist beklagt in seiner Kolumne „Charlemagne“ (Karl der Große), daß die Reaktion der verschiedenen Beteiligten in der Zypern-Krise den vereinbarten Plänen für die „Bankenunion“ schade. London braucht diese Bankenunion, um dem übrigen Europa seine Politik diktieren zu können. „Charlemagne“ ist keineswegs gegen das sogenannte „Bail-in“, aber es komme auf den geeigneten Zeitpunkt an.
„Charlemagne“ schreibt: „Herr Dijsselbloem wird aus den falschen Gründen verurteilt. Er hat recht, daß statt der Steuerzahler die Gläubiger der Bank Verluste in Kauf nehmen sollen. Aber aufgrund geringer Erfahrungen oder auch bloß niederländischer Offenheit sprach er zum unpassenden Zeitpunkt. Die Eurogruppe debattiert immer noch über gemeinsame Regeln für das Heranziehen von Bankgläubigern. Ein Streitpunkt ist der Anfangszeitpunkt. Deutschland und andere Gläubiger wollen, daß die Bail-in-Ära 2015 beginnt, Frankreich und die Europäische Kommission streben einen Aufschub bis 2018 an. Herr Dijsselbloem hat einseitig verkündet, daß die Zukunft schon jetzt beginnt.“
„Karl der Große“ schließt: „Wie die Dinge liegen, ist ein Euro in Zypern nicht mehr so viel wert wie der gleiche Euro anderswo. Die Kreditkosten für Firmen in Südeuropa waren schon immer höher als in Nordeuropa. Nun wird eine gut verwaltete Bank in Südeuropa vielleicht als weniger sicher betrachtet als eine schlecht verwaltete Bank in Nordeuropa. Der Euro kann eine solche Spaltung nicht überleben. Nur eine richtige Bankenunion kann das reparieren.“
Anfang April wurde in Griechenland eine neue Partei namens „Plan B“ gegründet, die den Euro-Ausstieg und die Rückkehr zur Drachme fordert. Der Gründer Alekos Alavonos war früher in der Spitze der größten Oppositionspartei Syriza, zerstritt sich mit ihr jedoch in der Euro-Frage. Er erklärte, das Sparprogramm richte dauerhaften Schaden an und eine Mitgliedschaft in der Eurozone sei nicht mehr im Interesse des Landes. „Ein großer Teil der griechischen Gesellschaft, vielleicht sogar 50%, die für den Ausstieg aus dem Euro sind, können nun mitreden.“ Alavanos sagte laut EnetEnglish, die Abschaffung des Euro wäre nur der erste Schritt, darauf würden wirtschaftliche Planung, Einstellung der Zahlungen an ausländische Gläubiger und Nationalisierung von Banken folgen. Die Ereignisse in Zypern hätten gezeigt, daß Griechenland mit dem Euro als Zukunft ein Alptraum erwarte.
In Zypern sind zwei Drittel der Einwohner für die Rückkehr zum Zypern-Pfund, aber die Regierungspartei DISI behauptet, das würde eine Katastrophe. Bei ihrem Koalitionspartner jedoch, der Demokratischen Partei (DIKO), gibt es Stimmen, die einen Ausstieg aus dem Euro einer Unterwerfung unter die Bedingungen der „Rettung“ vorziehen.
Der Generalsekretär der früheren zypriotischen Regierungspartei AKEL, Andros Kyprianou, sagte der griechischen Nachrichtenagentur Athens News Agency: „Wir haben keine endgültige Haltung in der Frage des Euro-Ausstiegs. Das bleibt als eine Option auf dem Tisch. Das erfordert sorgfältiges Studium und Planung.“ Ähnlich äußern sich andere Oppositionsparteien wie die Grünen und die Sozialdemokraten.
Erzbischof Chrysostomos II., der die sehr einflußreiche Zypriotisch-Orthodoxen Kirche leitet, geht weiter. Er hat nicht nur den Verbleib in der Eurozone in Frage gestellt, sondern auch den in der Europäischen Union. „Die Volkswirtschaften Spaniens, Portugals und Italiens sind gegenwärtig in Gefahr, und wenn die italienische Volkswirtschaft zerstört wird, so wie unsere Volkswirtschaft, wird die EU das nicht überleben“, sagte der Erzbischof in einem Interview mit dem russischen Fernsehsender Channel One. „Die Leute, die die Europäische Union beherrschen, und besonders die Entscheidungsträger der sogenannten Troika, verstehen vieles nicht, und das führt zum Zusammenbruch der EU. Deshalb glaube ich, daß wir [Zypern] uns von der Union zurückziehen sollten, bevor es zum Zusammenbruch kommt.“
Die bekannte Finanzautorin Ellen Brown, die mit dem Public Banking Institute und der Internetseite webofdebt.com verbunden ist, hat eine nachdrückliche Unterstützungserklärung für die Kongreßresolution HR 129 zur Wiedereinführung von Glass-Steagall veröffentlicht. Ihre Kolumne wurde von mehreren Internetseiten aufgegriffen.
Brown warnt zunächst vor der Bail-in-Politik der Troika in Zypern, die ein „Quantensprung über den Bail-out hinaus“ sei, und weist dann auf die Verschwendung von 230 Bio. Dollar an Derivaten. Sie bezieht sich dann auf das gemeinsame Dokument der US-Bundeseinlagenversicherung und der Bank von England vom Dezember 2012, mit dem Amerika sich auf die gleiche Bail-in-Linie wie Europa begeben habe. „Wenn Sie glauben, daß das, was in Zypern geschehen ist, anderswo wahrscheinlich nicht geschehen wird, dann sollten Sie darüber noch einmal gründlich nachdenken. Wirtschaftspolitiker in den USA, Großbritannien und anderen Ländern bereiten es vor. Denken Sie daran: Jemand muß das alles bezahlen. Werden Sie es sein? Wenn Sie ein Bankguthaben haben, lautet die Antwort Ja.“ Nach dem Dodd-Frank-Gesetz hätten die Halter von Derivaten als erste Zugriff auf die Gelder der Anleger, und Derivate seien von den normalen Bankprozeduren ausgenommen.
Die Lösung steht am Ende ihres Artikels: „Stellt Glass-Steagall wieder her, welches das Kundengeschäft von den Investmentbankgeschäften trennt. Unterstützt Marcy Kapturs HR 129.“