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Amerikanische Militärstrategen halten inzwischen militärische Enthauptungsschläge für denkbar - was die Nuklearkriegsgefahr vergrößert.
Das Risiko, daß Nuklearwaffen in einem zukünftigen Konflikt tatsächlich eingesetzt werden könnten, wurde durch zwei wesentliche Veränderungen seit dem Ende des Kalten Krieges vergrößert, schreiben die beiden Autoren eines Leitartikels, der soeben im Strategic Studies Quarterly der Universität der US-Luftwaffe veröffentlicht wurde. Die Autoren sind Keir A. Lieber, außerordentlicher Professor an der Edmund A. Walsh-School of Foreign Service der Georgetown-Universität, und Daryl G. Press, außerordentlicher Professor für Regierungswesen an der Universität Dartmouth.
Tatsächlich ist die Gefahr, auf die sie hinweisen, das Resultat der Übernahme der britisch-imperialen, geopolitischen Kriegspolitik durch die Regierung Obama, die darauf ausgerichtet ist, den größten Teil der Weltbevölkerung zu beseitigen.
Lieber und Press erklären gleich zu Beginn ihres Artikels, worin diese beiden Veränderungen bestehen. Erstens haben „technische Innovationen die Fähigkeiten von Staaten drastisch gesteigert, ,Enthauptungsschläge’ zu führen, das sind Militärangriffe, die darauf abzielen, einen Gegner zu entwaffnen, indem man seine Nuklearwaffen zerstört“. Zweitens, argumentieren sie, „wird es in den kommenden Jahrzehnten viel schwieriger werden, vom Einsatz nuklearer Waffen in einem konventionellen Krieg abzuschrecken, als es die meisten Analysten glauben“.
Grundlage für das erste Argument von Leibler und Press ist, daß „sehr genaue Trägersysteme, neue Aufklärungstechnologien und die Verringerung der Arsenale gegenüber dem Kalten Krieg konventionelle und nukleare Enthauptungsschläge viel leichter möglich gemacht haben als je zuvor“. Während des Kalten Krieges konnten weder die USA noch die Sowjetunion einen entwaffnenden Erstschlag gegen die andere Seite führen, weil beide Seiten so viele Waffen hatten, die auf unterschiedlichen Wegen zum Einsatz gebracht werden konnten, daß der Versuch eines Enthauptungsschlages einen Vergeltungsschlag nicht verhindert hätte. Das ist nicht mehr der Fall. Die Reduzierung der nuklearen Arsenale auf beiden Seiten bedeutet, daß es jetzt weniger Ziele gibt, die getroffen werden müssen. 2006 habe man einen hypothetischen Erstschlag der USA gegen Rußland durchgespielt. „Die gleichen Modelle, die während des Kalten Krieges verwendet wurden, um die Unvermeidlichkeit eines Patts - den Zustand der ,gegenseitig zugesicherten Zerstörung - zu demonstrieren, deuten nun darauf hin, daß sogar das große russische Arsenal in einem Entwaffnungsschlag zerstört werden könnte.“
Dabei ging es den Autoren nicht um das nukleare Verhältnis zwischen den USA und Rußland, sondern darum, aufzuzeigen, daß die Axiome der gegenseitig garantierten Zerstörung und der Abschreckung aus dem Kalten Krieg heute nicht mehr gelten. Lieber und Press gehen jedoch noch weiter und argumentieren, daß die USA heute bewußt eine Strategie der strategischen Überlegenheit gegenüber potentiellen Gegnern verfolgen, „was bedeutet, daß Washington versucht, sich die Fähigkeit zum Sieg über feindliche Nuklearstreitkräfte zu verschaffen. Aber die Nuklearwaffen der USA sind nur eine Dimension dieser Bemühungen.
Tatsächlich umfaßt der Versuch, feindliche strategische Kräfte zu neutralisieren - d.h., eine strategische Überlegenheit zu gewinnen - fast alle Bereiche der Kriegsführung, beispielsweise die Abwehr ballistischer Raketen, Abwehr von U-Booten, Geheimdienste, Überwachungs- und Aufklärungssysteme, offensive Cyberkriegführung, konventionelle Präzisionsangriffe und Langstrecken-Präzisionsangriffe, zusätzlich zu den Nuklearschlags-Kapazitäten.“ Die Gefahr, die dies mit sich bringt, ist offensichtlich, aber sie stellen trotzdem ausdrücklich die Frage: „Wie soll Abschreckung funktionieren, wenn der Einsatz von Nuklearwaffen nicht mehr automatisch auch Selbstmord und Massentötung bedeutet?“
Nicht minder beunruhigend ist der zweite Punkt, den Lieber und Press ansprechen. Wenn die Vereinigten Staaten in einen Konflikt mit einer anderen Macht hineingezogen werden, die ebenfalls Nuklearwaffen besitzt, dann erhöht sich das Risiko, daß diese zum Einsatz kommen. Sie widerlegen das Gegenargument, daß niemand, der bei Sinnen ist, einen Nuklearkrieg gegen die Vereinigten Staaten beginnen würde. In Friedenszeiten mag das richtig sein, aber wenn ein Regime bereits von den Vereinigten Staaten angegriffen wird, könnte sein Überleben könnte von dem abhängen, was die Autoren als „eskalatorischen Zwang“ bezeichnen: „Führer schwächerer Staaten - jenen, die sich in einem konventionellen Schlachtfeld wahrscheinlich nicht durchsetzen könnten - stehen unter einem Überlebensdruck, ein Patt zu erzwingen“, schreiben sie. „Und Kernwaffen sind ein besseres Mittel, eine Eskalation zu erzwingen, als praktisch jedes andere.“
Das ist nicht weit hergeholt. Tatsächlich war dies die Strategie der NATO im Kalten Krieg. Es war Pakistans Strategie gegenüber Indien, und es dient heute Israel als Sicherheit, falls seine konventionellen Truppen eine katastrophale Niederlage erleiden sollten. Sie schreiben: „Diejenigen, die während des Kalten Krieges schwach waren, sind heute stark, und militärisch schwächere Länder - wie etwa Nordkorea, der Iran, Pakistan und sogar China und Rußland - halten sich jetzt an Nuklearwaffen oder streben diese an, um sich gegen eine übermächtige militärische Macht zu verteidigen, so, wie es einst die NATO getan hat.“
Die einzige Schwäche des Artikels liegt in den Vorschlägen, was die USA tun sollten, um mit dieser Lage umzugehen. Als Alternative bieten sie an, Kriege mit nuklear bewaffneten Staaten zu vermeiden, was, wie sie selbst sagen, unter Umständen nicht möglich sei, oder noch mehr zu tun, d.h., die Kapazitäten für einen Enthauptungsschlag so weit auszubauen, daß der Gegner eine Eskalation nicht mehr erzwingen kann.
Tatsächlich liegt die einzige Möglichkeit, die Gefahr einer solchen Konfrontation zu vermeiden darin, die Politik der Vereinigten Staaten vom derzeitigen britisch-saudischen Konfrontationskurs abzubringen, und zu diesem Zweck Präsident Obama aus dem Weißen Haus zu entfernen.
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