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Neue Solidarität
Nr. 8-9, 22. Februar 2012

1995-2012: Cheminades Kampf gegen die finanzielle Bedrohung

Dokumentation. In einem Video, das auf seiner Wahlkampfseite Cheminade2012.fr im Internet veröffentlicht wurde, wird der jahrzehntelange Kampf des französischen Präsidentschaftskandidaten Jacques Cheminade gegen die Finanzoligarchie folgendermaßen dargestellt.

15 Jahre zuvor hatte Jacques Cheminade seinen hohen Posten in der Staatsverwaltung aufgegeben, um gegen die Finanzoligarchie zu kämpfen und die Welt zu verändern. Die Menschen im „System“ hielten ihn für verrückt und meinten, er werden nichts erreichen. 15 Jahre lang verschwendeten sie keinen Gedanken an ihn.

Aber als er am 17. März 1995 mit den Unterstützungsunterschriften von 500 Bürgermeistern zum Verfassungsrat ging, um die Franzosen gegen ein verrücktes Finanzsystem zu mobilisieren, waren die französischen Eliten schockiert. Um jeden Preis wollten sie verhindern, daß die Menschen seine Botschaft hörten.

Trotz des offenkundigen Verstoßes gegen die Vorschriften beließ es der Oberste Rat für die Audivisuellen Medien - die Aufsichtsbehörde für die elektronischen Medien in Frankreich - bei einer unverbindlichen Ermahnung der Bosse der großen Senderketten und stellte am Tag vor der ersten Runde der Präsidentschaftswahl lediglich fest, daß Cheminade gerade einmal halb soviel Sendezeit zugestanden worden war wie den anderen acht Kandidaten. Die Nationale Wahlkampf-Kontrollkommission stellte daraufhin fest, daß sein Anrecht auf Gleichbehandlung durch die Medien nicht respektiert worden war.

Cheminade bemerkte dazu: „Ich glaube, das System will sich rächen.“

Tatsächlich war das die Absicht des Verfassungsrates, der sechs Monate nach der Wahl die Wahlkampfkosten-Abrechnung von Jacques Cheminade für ungültig erklärte und ihn so in den Bankrott trieb, indem er sich weigerte, seine Wahlkampfauslagen - 4,7 Mio. Franc (FF) - zu erstatten.

Da der Verfassungsrat die höchste juristische Instanz des Landes ist, gab es damals keine Möglichkeit oder Autorität, seine Entscheidung anzufechten. Das Urteil wurde unter Ausschluß der Öffentlichkeit in den Hinterzimmern des Palais Royal gefällt, und Cheminade wurde vom Verfassungsrat nicht einmal mitgeteilt, welche Einwände es gegen seine Unterlagen gab, sodaß er weder gehört wurde noch sich verteidigen konnte.

Da weder an seinen Ausgaben noch an seinen Quittungen irgend etwas zu beanstanden war, erfand der Verfassungsrat einen völlig neuen Grund, um ihm die Kostenerstattung zu verweigern. Er warf ihm vor, daß er für die meisten der Kredite, mit denen er seinen Wahlkampf finanziert hatte, keine Zinsen bezahlen mußte. Da die Banken sich überraschenderweise geweigert hatten, ihm einen Kredit zu geben, konnte Cheminade sich das Geld nur von Unterstützern leihen, die es ihm meist zinslos zur Verfügung stellten. In den Artikeln 1902 und 1905 des Code Civil heißt es, daß ein Kredit dadurch charakterisiert ist, daß eine Verpflichtung besteht, die Summe zurückzuzahlen. Auch die Nationale Kommission für die Wahlkampfabrechnungen selbst hatte, „um alle Zweifel zu beseitigen“, festgestellt, daß für einen politischen Kredit keine Zinsen notwendig seien. Trotzdem bildete dies die Grundlage für die Ablehnung der Wahlkampfkostenabrechnung von Jacques Cheminade durch den Verfassungsrat, der zu dem Schluß kam, das Fehlen eines festgelegten Zinssatzes stelle eine „Bevorzugung des Kandidaten“ dar.

In einer Presseerklärung von Solidarité et Progrès am 16. August 1996 heißt es dazu: „Das Argument scheint rechtlich und politisch um so überraschender, wenn man die Tatsache berücksichtigt, daß mindestens zwei der großen Kandidaten die autorisierte Ausgabengrenze um das 10- bis 30-fache überschritten hatten, ohne daß dies beanstandet wurde. Hinzu kommt die verschwiegene, aber von den Medien aufgedeckte Tatsache, daß die Wahlkämpfe anderer Kandidaten durch ,geheime Gelder’ des Matignon [Amtssitz des franz. Ministerpräsidenten, damals Edouard Balladur], ‚Vermittlungsgebühren’ für Rüstungsaufträge sowie aus noch weniger ehrenhaften Quellen im Immobiliensektor und im ,Afrika-Geschäft’ unterstützt wurden.“

15 Jahre später wurde im Zuge des „Karatschigate“ enthüllt, daß der Kandidat Balladur mehr als 10 Mio. Francs in großen Bargeldbeträgen auf sein Wahlkampfkonto eingezahlt hatte - Geld, von dem die Richter vermuten, daß es sich um Schmiergelder für den Verkauf von Waffen nach Pakistan handelte. In dieser Angelegenheit wurde gegen Nicolas Bazire, damaliger Stabschef von Premierminister Edouard Balladur, gegen Thierry Gaubert, damals Mitarbeiter des Haushaltsministers unter Balladur, sowie gegen einen gewissen Nicolas Sarkozy, der Balladur damals als Wahlkampfsprecher und -leiter diente, als mutmaßliche „Kofferträger“ ermittelt. In ähnlicher Weise wurde durch Stammesfehden im Herzen des französischen Staats bekannt, daß Chiracs Wahlkampf aus afrikanischen Koffern bezahlt worden war...

Libération zeigte im Oktober 2010 anhand der entsprechenden Dokumente, daß die Berichterstatter im Verfassungsrat eindeutig empfohlen hatten, Balladurs Wahlkampfabrechnung zurückzuweisen: Er hatte nicht nur zahlreiche Ausgaben vertuscht, um den Anschein zu erwecken, die vom Gesetz vorgesehene Ausgabenobergrenze sei nicht überschritten worden, er hatte auch - trotz wiederholter Aufforderung durch die Berichterstatter - keinerlei Erklärung für die verdächtigen Bareinzahlungen von 10 Mio. FF geliefert. Mediapart zeigte später auf der Grundlage des Augenzeugenberichtes eines Richters des Verfassungsrats, daß dessen Präsident Roland Dumas als höchste juristische Autorität des Landes die Berichterstatter wiederholt gezwungen hatte, Balladurs Kostenabrechnung zu manipulieren, damit sie als „gültig“ anerkannt werden konnte.

Im offiziellen Bericht des Verfassungsrates, der im Journal Officiel veröffentlicht wurde, ist keine Spur mehr von den verdächtigen 10 Mio. FF zu finden. Der Rat identifizierte etwa 5,9 Mio. FF an versteckten Wahlkampfausgaben für Balladur und etwa 3,3 Mio. FF an versteckten Wahlkampfausgaben für Chirac, die zum Teil in die Abrechnung aufgenommen worden waren, ohne daß dies irgendwelche Konsequenzen für sie hatte.

Am 11. Mai 2011 fragte der Moderator des Fernsehprogramms Face aux Français Dumas, warum er die Wahlkampfkostenabrechnung von Jacques Cheminade zurückgewiesen habe, aber nicht die der anderen, worauf Dumas nur mit den Achseln zuckte: „Nun, Cheminade war natürlich ziemlich ungeschickt, die anderen waren schlauer.“

Zwischen 1995 und Karatschigate war kein einziger Journalist und kein einziger Politiker bereit, den Fall Cheminade anzusprechen. Nach der Welle von Verleumdungen und der Ablehnung seiner Wahlkampfkostenabrechnung erging die Anweisung, ihn nicht mehr zu erwähnen. Unter dem Schutz dieser Mauer des Schweigens begann der Staat nun erst recht, Cheminade zu verfolgen:

Am 18.10. 1995 teilte der Innenminister offiziell mit, daß der Staat „Kandidaten, deren Abrechnung zurückgewiesen wurde, keine Wahlkampfkostenerstattung schuldet... Das schließt natürlich den Vorschuß mit ein, den Sie im vergangenen April erhalten haben. Aufgrund dieses Anspruchs schulden Sie dem französischen Staat also eine Summe von 1 Mio. FF.“

Am 19.12. 1995 setzte das Schatzamt dann eine Frist von einem Monat, diese Summe zurückzuzahlen. Zwischen 1996 bis 2010 beschlagnahmte der Staat Cheminades Eigentum und mehrfach seine Bankkonten, pfändete sein Appartement und versäumte es im Februar 2010 nicht, diese Pfändung verlängern zu lassen. Unmittelbar vor dem Präsidentschaftswahlkampf 2012 verlangte der Staat von Cheminade erneut die bescheidene Summe von 171.325,46 FF.

Aber als das Finanzsystem im September 2008 für alle ersichtlich in seinen Grundfesten erschüttert war, war es erneut Jacques Cheminade, der dem Staat zu Hilfe kam - oder vielmehr seine Ideen, in Form seiner Wahlslogans, die ihm heute die Glaubwürdigkeit verschaffen, die ein Staatsmann braucht in einer Zeit, in der alles zusammenbricht.

Schon zwei Jahre vor dem Zusammenbruch von Lehman Brothers hatte Cheminade in seiner Plattform für die Präsidentschaftswahl 2007 darauf hingewiesen, daß die Krise, vor deren unausweichlichem Eintreten er seit 1995 gewarnt hatte, nun unmittelbar bevorstünde.

Drei Monate nach Sarkozys Amtsantritt löste die Krise der „Subprime“-Hypotheken eine kettenreaktionsartige Explosion der weltweiten Blase der Finanzderivate aus, und als das internationale Bankensystem dann unmittelbar vor dem Abgrund stand, wurde die Forderung nach einem Neuen Bretton Woods, die Cheminade seit 1997 erhoben hatte, von anderen aufgegriffen.

Aber für Sarkozy und Nicolas Hollande waren das bloß Worte, genau wie für jene, die heute ein „Glass-Steagall“ zur Trennung der Banksparten fordern. Sie wollen das Entscheidende vermeiden, nämlich ein Insolvenzverfahren für die Banken und Finanzinstitute, das aber den einzigen verfassungsmäßigen Weg darstellt, um die Zügel unseres gemeinsamen Schicksals wieder in unsere Hände zu nehmen und uns die Mittel zu verschaffen, wieder in Schulen, Krankenhäuser, Forschungslaboratorien und all jene Projekte zu investieren, in denen sich die Würde des Menschen als Dienst eines jeden zum Nutzen aller äußert. Und das ist es, wofür Jacques Cheminades Präsidentschaftswahlkampf steht.

S&P

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Internetseite von Jacques Cheminade
- in französischer Sprache
Internetseite der Solidarité et Progrès
- in französischer Sprache