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Von Mulugeta Zewdie Michael
Mulugeta Zewdie Michael, Generalkonsul von Äthiopien in Frankfurt/Main, sprach bei der Konferenz des Schiller-Instituts am 25.11. über Äthiopiens Entwicklungspläne.
Vielen Dank. Ich sage auch Danke zu den Organisatoren, die mir die Gelegenheit gegeben haben, hier im Rahmen großer Projekte, die den Zustand der Wirtschaft, der Weltwirtschaft ändern könnten, zu sprechen und dafür den Großen Äthiopischen Renaissance-Damm als ein Beispiel zu nehmen.
Zuvor möchte ich Ihnen noch etwas zum Hintergrund sagen, warum wir zu dem Schluß kamen, den Großen Äthiopischen Renaissance-Damm am Nil zu bauen.
Äthiopien ist die Quelle des Blauen Nils, der zusammen mit dem Weißen Nil den Nil bildet und nach Ägypten fließt. Nun, es ist offensichtlich, daß ein Gewässer dieser Art, das einen internationalen Verlauf hat, in Übereinstimmung aller Anliegerstaaten reguliert werden muß. Es gab dazu jedoch zwei Abkommen zwischen drei Staaten, 1951 und 1957, und dies waren der Sudan und Ägypten. Und das dritte Land war natürlich eine britische Kolonie.
Nun, das muß geändert werden. Es sollte nicht zum Nachteil Ägyptens oder der anderen Länder verändert werden, aber es sollte geändert werden, in einem Rahmen, in dem alle verfügbaren Ressourcen ausgewogen und vertretbar genutzt werden.
In diesem Rahmen haben wir in den letzten zehn Jahren unter der Leitung der Initiative für das Nil-Becken verhandelt. Alle zehn Anliegerstaaten des Nil1 haben in den letzten zehn Jahren verhandelt, um eine Lösung zu finden, die alle zehn Anliegerstaaten zufriedenstellt. Was wir in diesen zehn Jahren erreicht haben, ist, daß es eine Kommission geben wird, die Kommission für das Nil-Becken, deren Sitz in Uganda sein wird und die die Projekte der zehn Anliegerstaaten beaufsichtigen wird. Und das ist es, was wir anstreben, nämlich, die Ressourcen nicht bloß für uns selbst zu nutzen und die anderen in die Armut zu treiben, sondern ausgewogen und vertretbar für uns alle, um Harmonie zwischen den afrikanischen Nationen herzustellen.
Dies hier ist der Große Äthiopische Renaissance-Damm (Abbildung 1). Die Entscheidung, den Großen Äthiopischen Renaissance-Damm zu bauen, ist ein zentrales Element in dem ehrgeizigen Wachstums- und Transformationsplan unseres Landes.
Nun, warum nennen wir ihn den Renaissance-Damm? Ein paar Worte dazu.
Wir befinden uns jetzt im dritten Millenium. Man nimmt an, und so steht es auch in den Geschichtsbüchern der Welt, daß Äthiopien im ersten Millenium zu den entscheidenden Ländern der Welt gehörte. Es war ein Brotkorb. Aber es ist allgemein bekannt, wo sich Äthiopien im zweiten Millenium fand: in Armut und Hunger. Erst vor zwei oder drei Wochen hat z.B. das Oxford Dictionary seine Definition des Wortes Hunger geändert. Sie finden dort jetzt Äthiopien als Beispiel.
Aber es gibt Lösungen, die wir selbst in der Hand haben. Und dies ist eine der Lösungen.
Der Große Äthiopische Renaissance-Damm wird, so glauben wir, Äthiopien wieder die Stellung verschaffen, die es im ersten Millenium hatte - eine Renaissance Äthiopiens. Er wird helfen die notwendigen Ressourcen zu mobilisieren, um eine wirtschaftliche Entwicklung zu entfesseln, indem wir elektrischen Strom in unsere Nachbarländer exportieren und die Entschlossenheit unserer Regierung demonstrieren, die Zusammenarbeit und die ausgewogene Nutzung durch alle Anliegerstaaten - und den Nutzen, den dies ihnen allen bringen wird - zu stärken.
Wie der kürzlich verstorbene Premierminister Meles [Zenawie] andeutete, haben der Sudan und Ägypten viel zu gewinnen, wenn sie sich an dem Projekt beteiligen. Und genau das ist es, was wir anstreben.
Dem verstorbenen Premierminister zufolge war die Lösung, das Projekt zu 50% von Äthiopien, zu 30% von Ägypten und zu 20% vom Sudan finanzieren zu lassen. Warum?
Nun, wie mein Kollege Aiman [Rscheed] weiß, nutzen Ägypten und der Sudan den Nil nicht bloß, sie haben auch einige Probleme mit ihm.
Was sind die Probleme? Ägypten z.B. verliert in den Wüsten rund 10 Mio. m3 Wasser, die nicht von Ägypten genutzt werden, sondern einfach nur verdunsten. Und dann sinkt mit der Zeit auch das Fassungsvermögen der ägyptischen Dämme, durch Schlick, der die Staubecken immer mehr auffüllt, sodaß sie immer weniger Wasser haben. Das ist das Problem von Ägypten.
Der Sudan leidet in jeder Regenzeit. Die Regenzeit in Äthiopien beträgt drei Monate, und in diesen drei Monaten leidet der Sudan unter Überschwemmungen. Das Wasser des Nil ist zu hoch, die Hauptstadt Khartum wird jedes Jahr überschwemmt.
Der Bau des Großen Äthiopischen Renaissance-Damms an dem Standort, der jetzt dafür ausgewählt wurde, wird das Problem Ägyptens und des Sudan lösen. Und er wird auch für Äthiopien nützlich sein, denn er wird unsere Lage wieder normalisieren.
Deshalb wurde vorgeschlagen, daß er allen drei gemeinsam gehören und von ihnen gemeinsam finanziert und nach dem Prinzip der ausgewogenen und vertretbaren Nutzung der internationalen Gewässer betrieben werden sollte.
Die Botschaft dieses Projektes ist klar: Es kann keine Abkehr geben von dem größten aller Projekte, nämlich, Äthiopien aus dem Treibsand der Armut herauszuziehen. Aber das wird auch all jenen, die bisher mit ihrer Beteiligung gezögert haben, eine Gelegenheit geben, das noch einmal zu überdenken und sich in diesem Moment mit den Menschen in Äthiopien und ihrer seit langem bestehenden Entschlossenheit zur Ausmerzung der Armut in Äthiopien und für eine Welt der Zusammenarbeit zwischen den Ländern im Becken des Nil und am Horn von Afrika zu verbünden.
Äthiopiens langfristiges Potential nutzbarer Energie wird auf rund 60.000 MW geschätzt. Das Gesamtpotential beträgt 60.000 MW; davon entfallen 45.000 MW auf Wasserkraft, 10.000 auf Geothermie und 5000 MW auf sonstiges - Wind und anderes. Aber von den 45.000 MW des Wasserkraft-Potentials werden bisher nur 2000 genutzt. Nun können Sie sich das Potential vorstellen, das uns in Äthiopien aus der Armut heben könnte.
Um unsere gegenwärtigen Pläne für die kommenden fünf Jahre zu erfüllen, war es notwendig, eine Reihe von Energieprojekten einzuleiten, von denen der Äthiopische Renaissance-Damm nur eines ist.
Vor diesem Damm gab es bereits einen anderen, der schon im letzten Vortrag erwähnt wurde, den Gilgel-Gibe-III-Damm, der etwa 1870 MW elektrischen Stroms erzeugt und jetzt von den sogenannten Umweltschützern angegriffen wird, den grünen Politikern, vor allem von dem, was man Survival International nennt. Es kann sich jeder denken, wer diese NGO finanziert, um Äthiopiens „übermäßige Nutzung des Wassers“ anzugreifen.
Das Ziel dieses Projektes ist es, elektrischen Strom zu erzeugen. Der Renaissance-Damm wird, wenn er fertiggestellt ist, etwa 6000 MW an Wasserkraft erzeugen. Wenn alle Projekte fertiggestellt sind, die derzeit geplant sind, werden wir wahrscheinlich etwa 10.000 MW erreichen. Nun, das Potential ist größer. Aber selbst bei dieser Grenze von 10.000 MW glauben wir, daß wir sie nicht nur selbst nutzen, sondern auch Elektrizität in die Nachbarländer exportieren können, bis nach Ägypten oder sogar übers Mittelmeer, und wir haben, so glauben wir, die Möglichkeit, Strom aus Wasserkraft durch das Mittelmeer bis in die südeuropäischen Länder zu exportieren.
Wie Sie sehen, konnte sich ein Land, das ein gewaltiges Entwicklungspotential hat, nicht entwickeln. Warum ist das so? Angesichts dessen, was wir hier diskutiert haben, glaube ich, dass die Dinge nicht richtig laufen, und das sollte man ändern.
Ein Weg, das zu ändern - von uns selbst aus, von äthiopischer Seite aus - ist es z.B., diesen Weg zu gehen und sich auf große Projekte zu konzentrieren, die nicht nur von Nutzen für Äthiopien sind, sondern für ganz Afrika, wie wir im vorangehenden Vortrag meines Kollegen Aiman [Rscheed] gesehen haben, was auch zum Nutzen aller afrikanischen Länder wäre.
Ein weiterer Punkt, den ich hier betonen möchte, ist: Wir glauben nicht, und das haben wir hier auch gesehen, daß die Märkte das alleine regeln können. Wir glauben nicht daran. Wir glauben, daß sie reguliert werden müssen. Die Staaten sollten eine ausgewogene Hand haben, um die Märkte zu regulieren, und das ist der Rahmen, in dem wir seit inzwischen 20 Jahren arbeiten. Jeder kann sich denken und es ist allgemein bekannt, wie Äthiopien vor 20 Jahren ausgesehen hat und wie es jetzt aussieht. Wir sprechen hier über ein neues Äthiopien, auf der Grundlage der Wirtschaftspolitik, die wir verfolgt haben. Wir haben beispielsweise erreicht, daß Äthiopien in den letzten acht aufeinanderfolgenden Jahren ein durchschnittliches Wirtschaftswachstum von 11% verzeichnet hat. Und wir glauben, daß wir mit Projekten dieser Art wieder eine glänzende Zukunft haben werden, in der wir auch die nächste Generation retten können.
Vielen Dank für die Gelegenheit, hier zu sprechen.
Anmerkung
1. Ägypten, Äthiopien, Burundi, die Demokratische Republik Kongo, Eritrea, Kenia, Ruanda, der Sudan, Tansania und Uganda.