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Der frühere Nationale Sicherheitsberater der USA rät zur Zusammenarbeit mit Rußland und Syrien - die Alternative sei ein Krieg mit weitreichenden Konsequenzen.
Zbigniew Brzezinski wird vielen Lesern ein Begriff sein: Brzezinski war als Nationaler Sicherheitsberater der US-Regierung unter Präsident Jimmy Carter (1977-81) einer der Autoren der Strategie, für den Kampf gegen die Sowjetunion in Afghanistan fanatische islamische Kämpfer, die „Mudschaheddin“, zu bewaffnen und zu finanzieren. Heute ist er dagegen, daß die USA die Rebellen in Syrien bewaffnen. In der Sendung von Charlie Rose im Fernsehsender PBS am 23. Oktober warf der frühere Vorsitzende der Trilateralen Kommission England und Frankreich vor, sie hätten in Syrien einen „Schlamassel“ angerichtet, und er regte eine Zusammenarbeit mit Rußland und China an, um Lösungen für die Konflikte in der Region zu finden. Die Alternative sei ein großer regionaler Krieg.
Lyndon LaRouche kommentierte diese Kehrtwende Brzezinskis in seinem Internetforum zum Präsidentschaftswahlkampf vom 27. Oktober: „Er schaut sich jetzt die Welt an und sagt: ,Seht, diese Zeiten sind vorbei. Es gibt keine Sowjetunion mehr, die uns Sorgen bereiten müßte. Auch all das andere gibt es nicht mehr. Ich bin ein alter Mann, ich bin ein Katholik, ein gläubiger Christ. Und was soll ich jetzt, wo ich am Ende meines Lebens stehe, mit der mir verbleibenden Zeit anfangen?’ So haben wir hier den Fall eines Mannes, der, wenn man ihn von außen betrachtet hat, einen total verkommenen Eindruck machte, und jetzt stellt man fest, daß er eine ganz andere Politik vertritt. Jetzt ist es zur Abwechslung seine eigene Politik. Ein alter Mann, der diese Welt nicht verlassen will, ohne etwas Ehre mitzunehmen.“
Da Brzezinskis Intervention so bemerkenswert ist, wollen wir sie etwas ausführlicher zitieren. Das Thema von Roses Sendung war eine kürzlich veröffentlichte Schrift von Prof. Michael Mazarr vom National War College, der Hochschule der US-Streitkräfte, der darin die These vertritt, daß die derzeitige weltweite strategische Position der Vereinigten Staaten nicht mehr haltbar ist. Gäste der Sendung waren Mazarr, Brzezinski, Präsident Obamas früherer Nationaler Sicherheitsberater Gen. James Jones und der Kolumnist David Ignatius von der Washington Post.
Rose (der zu den „Falken“ gehört) fragte Brzezinski, was „strategische Unhaltbarkeit“ in Bezug auf Syrien bedeute. Brzezinski antwortete, man müsse bedenken, daß dieser Krieg sich schnell ausweiten könne. Er erläuterte:
„Syrien liegt gleich neben dem Irak. Der Irak steht kurz vor dem Absturz in einen Bürgerkrieg zwischen Sunniten und Schiiten. Auch Syrien steht am Abgrund, auf der Kippe, bei den Kurden und ihrer Rolle in der Region. Wenn der Krieg sich ausweiten würde, könnte das sehr, sehr destabilisierend sein. Dann ist natürlich gleich nebenan der Iran, der ebenfalls in der einen oder anderen Weise hineingezogen werden könnte.
Kurz, ich habe das Gefühl, daß es nicht gerade im Rahmen unserer Möglichkeiten, unserer Mittel liegt oder mit unseren jüngsten Erfahrungen vereinbar ist, wenn wir uns dort einmischen, ohne sehr gründlich darüber nachzudenken, daß wenn wir uns einmischen und ganz besonders, wenn wir selbst mitmachen - denn wir sind heutzutage im Nahen Osten nicht besonders beliebt -, daß das Resultat dann wahrscheinlich ein sehr viel größerer Krieg sein wird, mit dann wirklich schwerwiegenden Konsequenzen für die Türkei und vielleicht auch für Jordanien und Saudi-Arabien, und wegen der wirtschaftlichen Folgen auch für Europa. Ich fürchte daher, das Wort, das ich in diesem Kontext betonen würde, ist eher ,Vorsicht’ als ,Engagement’.“
Rose erwähnte die Äußerungen der beiden Präsidentschaftskandidaten in ihrer Fernsehdebatte über unterschiedliche Möglichkeiten, wie man die syrische Opposition unterstützen könnte, da unterbrach Brzezinski ihn:
„Man kann nicht anfangen, jemanden zu bewaffnen, ohne in der Konsequenz hineingezogen zu werden! Man kann sich nicht auf Dauer in einem solchen sicheren Abstand von den Waffenlieferungen und letztendlich von militärischem Engagement halten, besonders nicht, wenn die Waffenlieferungen selbst einen Anreiz schaffen, den Krieg auszuweiten.“
Im weiteren Verlauf der Sendung beschrieb Mazarr, wie das Obama-Regime sich in den veränderten Gesamtumständen an eine neue Syrienpolitik herantastet und möglicherweise Oppositionsgruppen bewaffnen und ähnliche Schritte unternehmen will. „Aber es wird für sie sehr chaotisch sein, es wird für viele, die nach kurzfristigem Handeln rufen, nicht zufriedenstellend sein, und wir werden lange Zeit dranbleiben müssen. Es wird nicht so sauber ablaufen, wie die Befürworter einer Intervention einmal geglaubt haben.“
Hier fragte Rose Brzezinski: „Zbig, Sie lächelten, als Sie ihn das sagen hörten. Was bedeutet dieses Lächeln?“ Brzezinski lachte leise und antwortete:
„Nun, ich verstehe einfach nicht, wie wir uns mit Unterstützung und Waffen einmischen und so die Voraussetzungen für einen Bürgerkrieg schaffen können, ohne darüber nachzudenken, wie lange das ganze dauern mag, wieviel Blut es kosten wird, wie stark wir uns werden engagieren müssen und wie es sich ausbreiten könnte. Dies ist eine äußerst unbeständige Region. Man darf dabei nicht nur an Syrien denken, was mehr als 20 Millionen Menschen sind. Es stimmt, 30.000 Menschen kamen um, aber es sind 20 Millionen Menschen, und über die meisten dieser 20 Millionen herrscht immer noch die Regierung. Deshalb sollen wir versuchen, das umzustürzen? Deshalb sollen wir den Bürgerkrieg noch intensivieren, ausweiten, noch blutiger machen?
So etwas wird Folgen für die Nachbarschaft haben, denn es wird einen sunnitisch-schiitischen Konflikt auslösen. Es wird Jordanien destabilisieren. Es destabilisiert schon jetzt den Libanon. Und es könnte die Türken mit hineinziehen. Sind die Türken bereit, in Syrien einzufallen? Vielleicht möchten sie, daß wir in Syrien aufräumen, aber wir müssen uns fragen, was die Konsequenzen sind, wenn wir es versuchen. Sind wir bereit, das ernsthaft anzupacken, oder wollen wir bloß Waffen liefern, während die Lage nach und nach immer schlimmer wird?
Ich denke, nach zehn Jahren in Afghanistan und nach dem Schlamassel im Irak sollten wir doch lieber ruhig und nüchtern über diese Fragen nachdenken. Es ist sehr emotionalisierend, weil es dabei um viel menschliches Leiden geht. Aber ich hätte gerne, daß jemand einen Plan vorlegt, wie wir dieses Problem lösen können, wenn man erst die Opposition bewaffnet, aber gleichzeitig ein späteres massives militärisches Engagement ausschließt. Was ist, wenn die ganze Region explodiert?“
Als Rose daraufhin einwarf: „Sollen wir also gar nichts tun?“, antwortete Brzezinski, es gebe noch vieles, was man tun könne. Er riet dazu, mit den Russen und Chinesen zusammenzuarbeiten, um eine tragfähige Lösung zu entwickeln, die man der Regierung Assad als gangbaren Weg vorschlagen könne - statt ihr die eigenen Vorstellungen zu diktieren und dann Syrien zu verurteilen, wenn es sie nicht akzeptieren will. Er fügte hinzu:
„Ich sage: Laßt uns sehen, ob wir es noch mit der internationalen Gemeinschaft auf unserer Seite machen können. Und ich denke, man darf noch nicht ausschließen, daß die Russen und die Chinesen mitmachen. Auf den Rat der Franzosen und Briten können wir uns nicht wirklich verlassen, denn die sind die Architekten dieses Schlamassels, der jetzt anfängt, zusammenzubrechen.“
Nachdem Brzezinski dies gesagt hatte, wechselte Rose schnell das Thema. Gegen Ende der Sendung wies Brzezinski nochmals auf die Gefahr hin, daß man einen regionalen Krieg in Gang setzt:
„Es gibt zwei Mächte, die an Syrien angrenzen und sehr wichtig und relevant sind für das, was in der Zukunft geschieht. Die eine ist Saudi-Arabien. Wir müssen da sehr vorsichtig sein, denn die Saudis sind derzeit tief darin verwickelt, einen sunnitisch-schiitischen Konflikt in Syrien anzufachen. Ist das wirklich in unserem Interesse? Sollen wir das wirklich unterstützen? Und wie wird sich das auf die Reaktion des Iran auswirken? Das ist etwas, was meiner Meinung nach einige Vorsicht verlangt. Die zweite ist die Türkei. Die Türkei ist ein wichtiges Land mit 80 Millionen Einwohnern. 80 Millionen Menschen! Und sie hat tatsächlich die beste Armee in der NATO, abgesehen von den Vereinigten Staaten. Was ist mit den Türken? Wollen wir eine amerikanische Beteiligung an der Bewaffnung der Rebellen und möglicherweise ein amerikanisches Militärengagement in dem Konflikt?“
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