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Neue Solidarität
Nr. 4, 25. Januar 2012

Schweden und Finnland blicken zur Arktis

Von Ulf Sandmark

Durch das Abschmelzen des arktischen Eises eröffnen sich neue Verkehrsverbindungen und sehr konkrete wirtschaftliche Perspektiven zur Nutzung der dortigen Rohstoffvorkommen.

Lange nach den Norwegern und Russen fangen auch die Schweden und Finnen allmählich an, die Vorteile ihrer Lage in der Nähe der Arktis zu begreifen. Die Entwicklung der arktischen Gebiete und der Ausbau der Transportwege durch Rußland zu den großen Industrieregionen in Japan, Südkorea und Nordchina wird die nordischen Länder aus ihrer Randlage zunehmend in eine zentrale Position bringen.

So übernimmt Finnair, die nationale Fluggesellschaft Finnlands, eine immer größere Rolle bei den Geschäftsflügen zwischen Westeuropa und China, Japan und Südostasien, indem es systematisch Finnlands Lage auf der kürzesten Verbindung über die Arktis ausnutzt. Immer mehr Europäer und Asiaten stellen fest, daß der schnellste Weg zwischen Europa und China über Helsinkis Flughafen Vantaa führt. Auf diese Weise vermeidet man ein Hin- und Herfliegen in Europa, da die kürzesten Flugverbindungen sowieso über Skandinavien führen. Die südlichen Alternativen führen auf einem viel längeren Weg über den Persischen Golf und Indien.

Bergbauboom

Das Umdenken in Schweden und Finnland ist nicht zuletzt ausgelöst durch den Boom des Bergbaus im Hohen Norden dieser Länder - in Lappland ebenso wie in der russischen Barents-Region und in Norwegen. In Schweden und Finnland wurden neue Minen eröffnet und große neue Erzvorkommen entdeckt. Man muß nur noch die Infrastruktur schaffen, um dieses Erz zu den Märkten zu bringen. Die größten Eisenerzminen Europas liegen in dieser Region und gehören dem staatlichen schwedischen Bergbaukonzern LKAB in Kiruna. LKAB ist dabei, neue Minen zu erschließen und die Produktion um 35% auszuweiten. Die Eisenbahn, über die das Erz in den norwegischen Hafen Narvik an der Atlantikküste gebracht wird, wird derzeit ausgebaut, um die Kapazität zu vergrößern, damit das Erz von LKAB und aus einer neuen Mine in Pajala nahe der finnischen Grenze, die 2013 die Produktion aufnehmen wird, transportiert werden kann.

Karte: Philippe Rekacewicz, UNEP/GRID-Arendal
Die Barentsregion umfaßt Teile Norwegens, Schwedens und Rußlands. Hervorgehoben sind in dieser Karte die Bevölkerungszentren der Region.

Am 2. November berichtete der staatliche finnische Fernsehsender Yle, der Bergbaukonzern Anglo-American habe neue Metallvorkommen in Sodankyla im finnischen Teil Lapplands entdeckt. Die dortigen Nickel- und Kupfervorkommen seien auch aus globaler Sicht bedeutend, erklärte das Unternehmen. In dieser Region ganz im Norden Finnlands gibt es bereits eine weitere Nickel- und Kupfer-Mine, außerdem Goldminen. Für diese neuen Minen werden neue Eisenbahnen benötigt. Bisher endet die Eisenbahn in Rovaniemi, der „Heimat des Weihnachtsmanns“. Eine neue Eisenbahn nach Sodankyla soll bis 2020 gebaut werden. Aber anstatt all dieses Erz nach Süden zu schaffen, blickt man jetzt zur Arktis.

Die Nordostpassage

Das Abschmelzen der arktischen Eiskappe ist ein Segen für die Menschheit. Es eröffnet die sog. „Nordost-Passage“ entlang der Nordküste Sibiriens für den Schiffsverkehr zwischen dem Atlantik und dem Pazifik, sowie ganz neue Möglichkeiten für die internationale Zusammenarbeit in der Arktis. Die Entwicklung Alaskas und Nordkanadas durch das riesige NAWAPA-Projekt könnte dazu als Motor dienen, ebenso der Bau eines Tunnels unter der Beringstraße zwischen Alaska und Sibirien. Insgesamt wird die Arktis zu einer der großen Entwicklungsregionen der Erde.

Der Verkehr auf der Nordostpassage wuchs in der Verkehrssaison 2011 auf 34 Schiffe mit einer Gesamtladung von 820.000 t Fracht, während im Jahr zuvor nur vier Schiffe mit einer Fracht von 110.000 t die Strecke befuhren. Erstmals passierte auch ein Supertanker, die Wladimir Tichonow, mit einem Volumen von 162.000 BRT die Strecke, mit einer Fracht Flüssiggas. Auch bei den Massengütern wurde in diesem Jahr ein Rekord erreicht, als die Sanko Oddyssey (75.600 BRT) die Strecke zurücklegte. 2010 wurde auf dieser Route erstmals Eisenerz nach China gebracht; es kam aus der neueröffneten Eisenmine in Sør-Varanger bei Kirkenes nahe der norwegischen Grenze zu Rußland.

Rußland arbeitet nachdrücklich daran, die Nordost-Passage durch neue Navigationssysteme und eine bessere Kartierung des Meeres zu entwickeln. Demnächst soll ein System von Satelliten im Weltraum in Position gebracht werden, um die Schiffahrt in der Arktis und Rettungsmaßnahmen zu unterstützen sowie die Umwelt zu beobachten. Derzeit sind zehn Basen für Rettungseinsätze im Bau. Außerdem baut Rußland seine Eisbrecherflotte aus: Sechs neue Eisbrecher, drei davon mit Atomantrieb, sollen den Verkehr auf der Route unterstützen und die siebenmonatige Verkehrssaison verlängern.

Neue Berg- und Hüttenwerke, nahrungsmittelverarbeitende Industrien und Wohnsiedlungen werden gebaut, um den Schiffsfahrtsweg zu nutzen und zu verwalten. Alle wichtigen Häfen entlang der Strecke werden ausgebaut, insbesondere der Hafen von Murmansk, der sich zu einem wichtigen Umschlagplatz für den kombinierten Frachtverkehr von China zur amerikanischen Ostküste und zur Region der großen Seen in den Vereinigten Staaten und Kanada entwickelt.

Neue Kernkraftwerke

2015 wird beim Kernkraftwerk Kola südlich von Murmansk mit dem Bau eines neuen Kernkraftwerks mit einer Leistung von 1000-1200 MW begonnen. Derzeit deckt dieses Kraftwerk mit seinen vier 440 MW-Reaktoren vom Typ WWER die Hälfte des Strombedarfs im gesamten Bezirk Murmansk. 2020 soll der neue Reaktor die beiden ältesten Reaktoren ablösen, die 1973 und 1975 fertiggestellt wurden. In Finnland wird südlich der Stahlstadt Oulu das siebte Kernkraftwerk des Landes gebaut werden - derzeit sind vier im Betrieb, eines ist im Bau. Da noch nicht darüber entschieden wurde, welcher Kraftwerkstyp dabei zum Einsatz kommen soll, könnte es gut sein, daß man sich für einen Hochtemperaturreaktor entscheidet, der neben Strom auch Wärme für die expandierende Metallindustrie liefern könnte.

In der Baltysk-Schiffswerft in St. Petersburg wird derzeit das erste von sieben schwimmenden Kernkraftwerken gebaut. Jede dieser Plattformen umfaßt zwei 35 MW-Reaktoren vom selben Typ, wie er auch in den atomgetriebenen russischen Eisbrechern zu Einsatz kommt. Diese Plattformen werden dann über die Ostsee und den Atlantik um Norwegen herum zu den sibirischen Küstenstädten gebracht, wo sie vor Anker gehen, um diese Städte mit Strom zu versorgen.

Die Entwicklung Sibiriens

Die Eröffnung der Nordost-Passage bedeutet, daß die gesamte Nordküste Sibiriens belebt wird. Eine der Städte, deren Strombedarf durch ein solches schwimmendes Kernkraftwerk versorgt werden soll, ist die geplante Wissenschaftsstadt Umka, die an der Nordostpassage auf der Insel Kotelny im Neusibirischen Archipel gebaut werden soll. Diese Stadt mit 5000 Einwohnern wird, wie eine Weltraumstation, vollständig gegen die arktische Außenwelt abgeschlossen sein und sich selbst mit allen lebensnotwendigen Dingen versorgen.

Ebenfalls an der Nordostpassage in der russischen Region Archangelsk wird derzeit die militärische Raketen-Basis Plesetsk zu einer „Weltraumstadt“ umgebaut. Momentan wird dort eine Startanlage für die Angara-Raketen errichtet, mit denen schwere Nutzlasten in den Weltraum befördert werden sollen. Diese Startanlage wird Rußlands Abhängigkeit von der Weltraumstation Baikonur in Kasachstan verringern, wo derzeit die meisten russischen Raketen gestartet werden. Rußland erweitert auch die Nordische (Arktische) Universität in Archangelsk als Ausbildungszentrum für Spezialisten zur Entwicklung der Arktis.

Aufgrund des in der Arktis gelegenen magnetischen Erdpols mit seinen Magnetfeldern steht die Arktis in enger Verbindung mit den Magnetfeldern der Galaxis und der kosmischen Strahlung, sodaß die Menschheit hier am besten lernen kann, wie man mit den Herausforderungen umgehen kann, mit denen uns die Aktivität der Sonne und der Galaxis konfrontiert und die sich auf das Wetter und das Klima auf der Erde auswirken. Indem wir die Probleme in dieser extremen Umgebung studieren, können wir lernen, wie man Katastrophen verhindert, anstatt abzuwarten, bis sie eintreten. Der wahrhaft menschliche Charakter kreativen Einfallsreichtums, der an solchen herausfordernden Orten gedeiht, bedroht die heutige oligarchische Herrschaft über die Menschen, die Wirtschaft und die Technologie.

Eine der wichtigsten Institutionen dieser oligarchischen Herrschaft ist der Arktische Rat mit seiner extremen Feindseligkeit gegenüber jeglichen Wirtschaftsprojekten in der Arktis. Auf der Internetseite des Arktischen Rats sind die Hinweise auf eine Entwicklung der Region tief unter Überschriften wie „Umwelt und Klima“, „Biodiversität“ und „Arktische Völker“ versteckt. Schweden hat derzeit den Vorsitz dieses Forums der arktischen Nationen und ist bisher noch bestrebt, seine extrem entwicklungsfeindliche Agenda noch zu verschärfen. Aber der Bergbau-Boom im schwedischen und finnischen Lappland bedeutet offensichtlich einen Bruch mit dieser Politik der Nichtentwicklung und des Monetarismus.

Neue Eisenbahnen in die Barents-Region

Im vergangen Jahr legte der Rat der finnischen Region Nord-Lappland eine Studie über die Verlängerung der geplanten Eisenbahn nach Sodankyla bis zum norwegischen Hafen Kirkenes vor. Darin wird das Jahr 2030 als mögliches Datum für die Fertigstellung dieser Verbindung ins Auge gefaßt. Diese Eisenbahn soll nicht nur dem Transport von Eisenerz dienen, sondern auch dem Export von Produkten der finnischen Holzindustrie nach Asien. Die Studie schätzt das potentielle Verkehrsaufkommen auf dieser Strecke zur Küste der Barentssee auf täglich bis zu 40 Güterzüge.

Auch die neuen großen Eisenerzminen im schwedischen Pajala müssen ihr Erz ausführen. Die schwedische Regierung beschloß, als erstes eine kurze Eisenbahnverbindung zur finnischen Eisenerzstadt Kolari zu bauen, die gleich jenseits der Grenze liegt. Diese Mine hat eine Bahnverbindung zum Hafen Kemi am Bottnischen Meerbusen. Aber auch hier gibt es Pläne, das Erz in die Arktis zu bringen. Auf schwedischer Seite soll entlang der Grenze eine Eisenbahn zum norwegischen Hafen Skibotn gebaut werden. Die norwegische Regierung hat in diesem Jahr eine Million norwegische Kronen für eine Studie bereitgestellt, wie das finnische Eisenbahnnetz mit den Häfen Skibotn und Kirkenes verbunden werden kann. Am 21. September sagte jedoch die finnische Verkehrsministerin Merja Kyllonen nach einem Bericht des staatlichen Norwegischen Rundfunks (NRK), eine Eisenbahnlinie nach Skibotn sei eine „Utopie“, da es dafür in Finnland kein Geld gebe.

Als Mitglied der Eurozone hat Finnland Milliarden Euros für die Rettung südeuropäischer Banken verschwendet, und auch wenn es selbst noch nicht rote Zahlen schreibt, ist es doch gefangen in der Eurokrise. Aber mit einer Wirtschaftspolitik im Stil von Franklin D. Roosevelt würde Finnland solche Projekte wie den Bau von Eisenbahnen in die Arktis anstreben, um die Produktivität des Landes drastisch zu vergrößern und neue Beschäftigungsmöglichkeiten zu eröffnen.

Wenn die neue Eisenmine in Pajala 2013 die Produktion aufnimmt, setzt der Nordland- Bergbaukonzern auf eine Partnerschaft mit der Firma Caterpillar: Alle 10 Minuten wird ein 170-Tonnen-Transporter das Erz auf der Hauptstraße zur Bergbaustadt Svappavaara transportieren, von wo es eine Eisenbahnverbindung nach Narvik gibt. Die Möglichkeit, das Erz von hier aus über die Arktis nach China zu schaffen, war entscheidend für diesen Entschluss, und die mit diesem sehr aufwendigen Straßentransport verbundenen Kosten werden den Druck, neue Eisenbahnverbindungen zu bauen, offensichtlich vergrößern.

Offiziell haben die Regierungen Finnlands und Schwedens wenigstens beschlossen, den Bau der wichtigen Eisenbahnverbindung des sog. „Bottnischen Korridors“ zu beschleunigen. Beim Treffen der EU-Verkehrsminister am 29.-30. November 2011 wurde der Bottnische Korridor auf die Prioritätenliste der Projekte des Transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-V) gesetzt. Diese Eisenbahn würde die wichtigen Industriezentren entlang der schwedischen und finnischen Küste des bottnischen Meerbusens miteinander verbinden, und ein Industriezentrum mit Stahlwerken und anderer Schwerindustrie sowie deren Zulieferindustrien nahe der Arktis schaffen, das nur mit der russischen Stadt Murmansk mit ihren Schiffswerften und der Schwerindustrie für die russische Marine sowie die Bergbauaktivitäten auf der Halbinsel Kola zu vergleichen wäre. Die Verbindung dieser beiden Regionen - der bottnischen Küste und Murmansk - durch eine Eisenbahn würde einen großen Schub für die Industrialisierung der Arktis bedeuten. Dieses größte Siedlungsgebiet des Nordens an der Barentssee beruht auf der Zufuhr warmen Wassers durch den Golfstrom im Atlantik, durch den die Menschheit Zugang zur Arktis hat.

Karte: belkomur.com
Das Belkomur-Projekt im Kontext des Nordost-West-Verkehrskorridors.

Die Belkomur-Eisenbahn

Die Eisenbahnverbindungen zwischen Skandinavien und Rußland wurden bereits verbessert durch den Allegro-Zug, der die Reisezeit zwischen Helsinki und St. Petersburg auf 3,5 Stunden reduziert und von dort auf der neuen Hochgeschwindigkeitsstrecke in weiteren vier Stunden Moskau erreicht. Neben dieser Eisenbahn, die die wichtigste Verbindung von Finnland, Schweden und Norwegen zur Transsibirischen Eisenbahn darstellt, ist eine weitere neue Eisenbahnstrecke in Rußland geplant, die den Zugang zum Fernen Osten noch weiter erleichtern wird: die Belkomur-Eisenbahn, die von Archangelsk zur Stadt Perm an der Transsibirischen Eisenbahn in der Nähe des Ural führt.

Bisher verläuft der Eisenbahnverkehr von Schweden und Norwegen nach Rußland rund um den Bottnischen Meerbusen herum und dann nach Süden. Derzeit wird bereits eine neue Eisenbahnverbindung von Mittelfinnland über die russische Eisenerzstadt Kostamus zur Murmansk-Eisenbahn gebaut. Etwas weiter nördlich zweigt eine Eisenbahn nach Archangelsk ab, wo die Belkomur-Eisenbahn beginnen wird. Diese Eisenbahn wird durch den Bau längerer neuer Strecken die bisherigen Strecken miteinander verbinden. Das ist schon lange geplant, denn es ist wesentlich für den kombinierten Verkehrskorridor von China über Murmansk zur amerikanischen Westküste und zur Region der großen Seen in den USA und Kanada.

Solange die Neoliberalen die Wirtschaftspolitik Rußlands beherrschten, wurde dieses Projekt blockiert, aber im August 2011 gab die russische Investitions-Kommission bekannt, daß der Russische Investmentfonds die Belkomur-Eisenbahn finanzieren wird. Sie wird dadurch zum größten Eisenbahnprojekt in der Barentsregion bis 2020.

Öl und Gas in der Arktis

Der Motor der Öffnung der Arktis ist die Ausweitung der Förderung von Erdöl und Erdgas in der Barentssee und in Nordsibirien. Im November 2011 legte das russische Ministerium für Rohstoffvorkommen einen Plan für die Erschließung der Erdöl- und Gasvorkommen im russischen Schelfmeer bis 2030 vor. Bis dahin sollen 8-16% der russischen Ölförderung und 32-35% der Erdgasförderung aus den Meeren kommen. Außer einigen Ölfeldern im Pazifik liegen diese Gebiete vor allem in der Barentssee und im Arktischen Meer. Nur in diesen Schelfgebieten hat Rußland die Mittel, um dort Öl zu fördern. Der Plan sieht Investitionen in Höhe von 153 Mrd. Euro vor. Ende Dezember wurde die Entscheidung über die Vergabe der Lizenz zur Gasförderung im riesigen Schtokman-Feld auf März 2012 vertagt.

In der Barentssee hat bisher nur Norwegen die Förderung aufgenommen. Der norwegische Konzern Statoil fördert in der See nördlich des Nordkaps im Schneeweiß-Feld Erdgas, von wo aus das Gas per Unterwasser-Pipeline nach Melköya gebracht wird, wo es verflüssigt und in Flüssiggas-Tanker verladen wird. Ein weiteres nahegelegenes Feld, Goliat, wird 2013 die Produktion aufnehmen.

Seit Jahren versuchen die Norweger, Schweden für eine Zusammenarbeit beim Transport und der Verarbeitung des norwegischen Gases zu gewinnen. Bisher gibt es keine Pipelineverbindung nach Schweden. Nur als die Bankiersfamilie der Wallenbergs, der auch der Flugzeugbaukonzern Saab gehört, das Militärflugzeug Gripen an Norwegen verkaufen wollte, zeigte Schweden Interesse am norwegischen Erdöl und Erdgas in der Barentssee.

Die Norweger haben Probleme, ihr Flüssiggas abzusetzen, seit es den USA durch den Einsatz neuer Bohrtechniken gelungen ist, Gas aus Ölschiefer zu gewinnen. Deshalb suchen sie jetzt nach Möglichkeiten, das Gas als industriellen Rohstoff aufzubereiten. Es könnte beispielsweise für den Betrieb eines neugeplanten Aluminiumwerkes oder zur Stromerzeugung verwendet werden. Um diesen Strom zu nutzen, müssen neue Übertragungsleitungen bis in den Süden Norwegens gebaut werden. Im Oktober 2011 reiste Norwegens Außenminister Jonas Gahr Store zusammen mit seinem schwedischen Kollegen Carl Bildt per Eisenbahn von Narwik nach Kiruna, um für die Idee „norwegisches Gas trifft schwedisches Eisenerz“ zu werben.

Dafür soll eine Gaspipeline zu den schwedischen Eisenminen gebaut und das Gas anstelle von Kohle zur Verhüttung des Eisens verwendet werden. Die Verhüttung des Eisens vor Ort würde die Transportkosten der Stahlindustrie drastisch senken und deren Produktivität deutlich erhöhen. Eine Pipeline zum Bottnischen Meerbusen würde es erlauben, das Gas als neuen Rohstoff für die dortige Papier- und Papierchemieindustrie zu nutzen.

Der Reichtum der Rohstoffvorkommen in der Arktis wird gerade erst erschlossen, und der neue Boom des Bergbaus im hohen Norden könnte als ein Weckruf für Schweden und Finnland wirken, sich aus der jahrzehntelangen oligarchischen Eingrenzung zu befreien und dem menschlichen Geist neue Gebiete zu eröffnen.

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