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Neue Solidarität
Nr. 39, 26. September 2012

Eine kalte Dusche für den grünen Glauben

BüSo in Aktion. Paul Felix Giebeler berichtet über den Deutsch-Japanischen Energiewissenschaftlichen Dialog

Am 12. September ereignete sich ein Tsunami, der den Anwesenden der Veranstaltung zum Deutsch-Japanischen Energiewissenschaftlichen Dialog kalt in den Rücken fiel. Der Saal im neuen Seminargebäude an der Universität zu Köln war voll, und mindestens 70 Teilnehmer, zumeist Deutsche und Japaner, wurden mit der Realität der Energieversorgung und -sicherheit konfrontiert.

Schon der erste Redner, MdB Michael Paul, hielt sich zwar strikt an die Parteilinie der CDU, daß der Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg beschlossene Sache sei, zeichnete aber ein Bild, welches den Zusammenbruch Deutschlands als Industrienation und eine Rückkehr zu Planwirtschaft aufzeigte.

Er begann seinen Vortrag mit der Schwierigkeit, die drei Faktoren Energiesicherheit, Umweltfreundlichkeit und Erschwinglichkeit zu vereinen. Die Pläne der Bundesregierung für den Ausbau von Energietrassen quer durch Deutschland, da der Strom in Zukunft nicht mehr dort erzeugt wird, wo man ihn braucht, wurden als politisch sehr problematisch beschrieben, und es wurde deutlich, daß Deutschland seit dem Abschalten der Kernkraftwerke sofort vom Energieexporteur zum Energieimporteur geworden ist.

Herr Paul zeigte außerdem auf, daß nicht nur die Strompreise sich über die letzten zehn Jahre verdoppelt haben, sondern daß mit dem vollständigen Atomausstieg der gesamte Bereich der regenerativen Energien zu 100% in Form von Gaskraftwerken ersetzbar seien müsse, da der höchste Energieverbrauch in Deutschland typischerweise an kalten Winterabenden stattfindet, an denen die Sonne nicht scheint und meistens auch kein Wind weht.

Er endete den Vortrag mit der Feststellung, die energieintensive Industrie könne nur durch staatliche Subventionen erhalten werden, und diese müßten dann auf den Kleinverbraucher abgewälzt werden.

Der zweite Redner war Herr Nobuo Tanaka, bis 2011 Vorsitzender der internationalen Energieagentur (IEA), dessen Vortrag sich in der Frage zusammenfassen ließe: „Muß der Iran erst die Straße von Hormus schließen, bevor Japan seine Meiler wieder hochfährt?“ Er erklärte, daß in Japan, bis der Tsunami am 11.3. 2011 die Streßtests von Kernkraftwerken verursachte, 50% der japanischen Energieversorgung aus der Kernspaltung stammten, während es heute nur noch 18% seien und die Sozialdemokraten sogar einen vollständigen Ausstieg bis 2040 fordern. Dieses Projekt ist jedoch hochkompliziert, da Japan, anders als Deutschland, nicht in ein enges europaweites Netz der Energieversorgung eingebunden ist. Würde durch einen Krieg Israels gegen den Iran jedoch die Straße von Hormus geschlossen, wäre Japan von 85% seiner Ölimporte abgeschnitten, und insgesamt würden 17 Millionen Barrel Öl täglich für den internationalen Verbrauch wegfallen. Die IEA habe zwar Reserven, um Sicherheiten auf den internationalen Märkten zu schaffen, aber diese Reserven wären innerhalb weniger Tage bis Wochen aufgebraucht.

Er beendete seinen Vortrag mit der Aussage, daß die Welt weiterhin auf Kernkraft setzen wird, und betonte die Notwendigkeit von Investitionen in Kraftwerke der vierten Generation und modulare Reaktoren, um sich schlußendlich über Angela Merkel zu amüsieren. Er erzählte von einer Begegnung zwischen ihm und Angela Merkel 2010, bei der Sie ihm gesagt hatte: „Ich bin Wissenschaftlerin, Sie brauchen mir nicht zu sagen, daß wir die Kernkraft brauchen, Herr Tanaka, aber sagen Sie mir, wo sind die Wählerstimmen?“

Der dritte Vortrag stammte von Herrn Hiroshi Tsukamoto, dem Generalsekretär des EU-Japan-Zentrums für Industriekooperation. Er begann seinen Vortrag mit den Schlußfolgerungen der Untersuchungskommission der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), die zu dem Urteil gekommen war, der Hauptgrund für die Unfälle im Kernkraftwerk Fukushima-Daiichi seien die Obrigkeitshörigkeit und ähnliche Charakteristika der japanischen Kultur gewesen, was zu vermeidbaren Fehlern geführt habe. Er beschrieb dann, wie in Japan seit dem Unfall Umfragen in der Bevölkerung mit Aufklärung verbunden würden, um die Bürger in den Entscheidungsprozeß mit einzubinden, und berichtete über die Stimmung der Bevölkerung, aber auch darüber, welche Gruppierungen aus der Politik und der Wirtschaft diese beeinflussen.

Der letzte Beitrag stammte von Dr. Dietmar Lindenberger vom Energiewirtschaftlichen Institut der Universität zu Köln und behandelte verschiedene Szenarien für die Zukunft, die auf Computermodellen und - wie von ihm immer wieder betont wurde - auf reinen Annahmen beruhen. Zu diesen Annahmen gehören zur Zeit der vollständige Ausstieg aus der Kernenergie bis 2030 und die gleichzeitige Reduktion der CO2-Emissionen um 80%. Aber selbst dieser Vertreter einer Zunft von Gelehrten im Elfenbeinturm kam zu der Schlußfolgerung, daß der Ausstieg aus der Kernkraft Deutschland nicht nur sehr teuer zu stehen kommen wird, sondern daß dieses Land überhaupt nicht für die regenerativen Energien geeignet ist, weil wir weder große Küsten noch viel Sonne haben, und die „Annahme“ eines vollkommen integrierten Energienetzes in Europa noch weit von der Realisierung entfernt ist.

Atomkraft statt Atomkrieg

Nach den Vorträgen wurde die Zeit für Fragen von einer geplanten halben Stunde wegen der starken Beteiligung des Publikums auf fast eine Stunde ausgedehnt. Alle vier gestellten Fragen waren aber der Kernkraft gegenüber positiv - drei davon kamen von der BüSo.

Die erste Frage bezog sich auf den immensen militärischen Aufmarsch von Streitkräften um den gesamten eurasischen Kontinent und darauf, daß die wahre Gefahr heute von thermonuklearen Waffen und nicht von der friedlichen Nutzung der Kernenergie ausgeht, und gerade die Kernkraft im Rahmen eines neuen Westfälischen Friedens die Armut auf dem Planeten beenden könne.

Die zweite Frage stammte von einem Kernphysiker, einem alten Vertrauten von Prof. Schulten, dem Entwickler des Thorium-Hochtemperatur-Reaktors (THTR). Er sagte, es habe noch nie eine so grauenhafte Verzerrung der Tatsachen in den deutschen Medien gegeben wie nach dem Erdbeben vor der Küste von Tohoku; den Deutschen sei ein Bild geboten worden, als seien die Toten und die Verwüstung von einem Gau und nicht von einem Tsunami ausgegangen.

In der Antwort sagte Herr Tanaka, daß diese Rolle der Medien in der Tat katastrophal sei und es tatsächlich nur sehr wenige Länder gegeben habe, die in dieser Form auf den Unfall reagierten, während alle anderen auf den Ausbau der Nuklearenergie setzen und diese weiterhin eine wichtige Energiequelle sei.

Daraufhin kam wieder eine Frage der BüSo, diesmal zum Thema der Erdbebenvorhersage und Deutschlands Rolle in der Entwicklung der Kernfusion. Die Antworten zu diesem Thema waren allerdings etwas enttäuschend, und sowohl Herr Paul als auch Herr Tsukamoto beriefen sich auf eine unvorhersagbare Zukunft.

Zum Schluß kam noch eine Frage von der BüSo, in der angegriffen wurde, daß der wirtschaftliche Kollaps von Griechenland auf Basis seiner geringen Produktivität nun mit dem Ausstieg auch in Deutschland eingeführt würde.

In den persönlichen Gesprächen am Ende der Veranstaltung bei Kölsch und japanischen Spezialitäten ergaben sich etliche sehr gute Gespräche mit Anwesenden und insbesondere den japanischen Gästen, die auch fast alle in Kontakt halten wollen, um die Ideen der BüSo weiter zu verfolgen.

Paul Felix Giebeler