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Neue Solidarität
Nr. 36, 5. September 2012

Amerika vor der Wahl

Josef Stalleicher berichtet von einem Besuch in den USA.

Nach zwanzig Jahren Liberalisierung und Privatisierung auch in Europa ist man leider nicht mehr so betroffen vom schlechten Zustand der Infrastruktur in den Vereinigten Staaten - die Zustände gleichen sich mehr und mehr an und werden eben auch hier bei uns immer schlechter. Es ist höchste Zeit, hüben wie drüben eine amerikanische Revolution in Form einer erneuten Unabhängigkeitserklärung zu formulieren. Diesmal vom bankrotten britischen Monetarismus.

Ein lehrreiches geschichtliches Beispiel für das, was verloren gegangen ist, gibt ein Besuch der Stadt Paterson nahe New York und des Edison-Museums in West Orange. Edison beschäftigte bis zu seinem Tod Anfang der dreißiger Jahre zehntausend Leute, die meisten in der Elektrotechnik. In den fünfziger Jahren wurde ein ganzer Stadtteil mit den Produktionseinrichtungen und Laboratorien in ein Museum verwandelt.

Ein anders Schicksal erlitt die Industriestadt Paterson. Alexander Hamilton schlug schon 1791 vor, die Wasserkraft des Passaic-Flusses zu nutzen, der dort einen breiten, mächtigen, zwanzig Meter hohen Wasserfall bildet. Hamilton gründete die „Society for the Establishment of Useful Manufacturers“. Das Wasser wurde kanalisiert und konnte zum Beginn des 19. Jahrhunderts von verschiedensten nacheinander angesiedelten Gewerken als Antriebskraft genutzt werden. So entstand in den 1830er Jahren bereits eine Lokomotivenfabrikation. Deren Qualität war so bekannt, daß de Lesseps dreißig Lokomotiven für den Bau des Panamakanals orderte. Eine Motorenfabrik entstand. Dort wurde der Flugzeugmotor entwickelt, der Lindberghs Maschine über den Atlantik brachte. Ein Ire namens Holland baute dort 1880 unter strengster Geheimhaltung die ersten U-Boote aus Stahl. Er wollte damit England angreifen. Man kann die eisernen Ungeheuer im Museum besichtigen. Der berühmte Colt wurde in allen möglichen Ausführungen dort hergestellt. Eine gewaltige Textilfabrikation erwuchs zur Verarbeitung von Seide. Chemische Industrie siedelte sich an.

Heute sind all diese Industriebetriebe geschlossen. Einen Teil kann man als Museum besichtigen, die gesamte Stadt Paterson ist in einem jämmerlichen Zustand des Verfalls und quasi bankrott. Der Mensch scheint fehl am Platze. Die Natur erobert das Gebiet zurück.

Aber die Bevölkerung spürt natürlich, daß sich ihre Lage immer weiter verschlechtert. Obama wie Romney sind unbeliebt. Viele wollen nicht zur Wahl gehen oder sehen keinen Unterschied zwischen Obama und Romney. Gegenüber vor zwei Jahren, als Passanten am Informationsstand noch reihenweise hysterisch Obama zu verteidigen suchten, war dies in diesem Jahr nur äußerst selten der Fall. Man hört sogar: „Das ist der schlimmste Präsident, den wir je hatten.“ Alle sind betroffen vom „economic downturn“, den Auswirkungen des wirtschaftlichen Abschwungs. Man hört von Entlassungen in den Kommunen und massiver Erhöhung der Steuer- und Abgabenlast. Von alledem war früher nicht die Rede.

Im Bankenviertel New Yorks ist der Begriff „Glass-Steagall“ in aller Munde. Viele kommen zum Informationsstand von LaRouchePAC und fragen nach dem weiteren Vorgehen in der jetzigen Krisensituation. Der Bekanntheitsgrad von LaRouche in New York ist enorm. Einige vom Fach drücken ihre Zustimmung zur Wiedereinführung des Trennbankengesetzes aus und interessieren sich für Hamiltons Nationalbank und große Infrastrukturprojekte, wie NAWAPA, das vier Millionen neue Arbeitsplätze schaffen würde, oder die Raumfahrt einschließlich der Besiedelung des Mars. Bei der amerikanischen Bevölkerung kann man sehr schnell wieder Optimismus erwecken, bis auf einige, die meinen, das sei alles unnütz. Alles kann sich schnell wenden, wenn die Macht der Spekulanten gebrochen ist und mit staatlicher Kreditschöpfung ein neues Wirtschaftswunder geschaffen wird.

Josef Stalleicher