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Neue Solidarität
Nr. 31, 1. August 2012

Eine Vision für die Zukunft

Von Helga Zepp-LaRouche stammt das folgende Vorwort zu der demnächst in Druck gehenden neuen EIR-Studie „Neuer Kurs für die Welt: Großprojekte statt grüner Deindustrialisierung“.

Dem „denkenden, besseren Theile des Volkes“, wie Friedrich Schiller es ausdrücken würde, ist schon seit langem deutlich bewußt, daß etwas grundsätzlich schief läuft in unserer Gesellschaft, und daß wir uns auf einen geschichtlichen Moment der Entscheidung zu bewegen. Doch auch das breite Publikum wird aufgeschreckt durch solche Äußerungen wie: „Europa steuert schlafwandelnd auf eine Katastrophe von unabsehbaren Ausmaßen zu“, wie aus einem Gutachten von 17 angeblich renommierten Ökonomen zitiert wurde. Peinlich nur, daß diese Ökonomen selbst maßgeblich zum Schlafwandel Europas beigetragen hatten, denn weder hatten sie die Krise prognostiziert, noch waren sie bis vor allerkürzester Zeit bereit, den systemischen Charakter der Krise zuzugeben.

Es ist nicht mehr von der Hand zu weisen, daß uns die Politik des nachindustriellen grünen Paradigmas der vergangenen 40 Jahre und der Globalisierung der vergangenen 20 Jahre in eine Sackgasse manövriert hat. Der Euro, dem von Anfang an die Voraussetzung fehlte, nämlich ein europäisches Volk, hat sich als ein schlecht konzipiertes Experiment herausgestellt. Eine Fortsetzung der Politik der „Rettungspakete“, verbunden mit brutaler Sparpolitik, droht ins Chaos zu führen.

Ebenso die sogenannte Globalisierung, die sich nach der Auflösung der Sowjetunion uneingeschränkt und dereguliert bis in den letzten Winkel der Erde verbreitete und sich als Spielwiese von „Playern“ herausgestellt hat, denen jedes Rechtsempfinden abhanden gekommen ist, wie der gigantische LIBOR-Skandal, dem buchstäblich Millionen von Geschädigten zum Opfer gefallen sind, dem schockierten Publikum vor Augen führt.

Nicht weniger dramatisch ist das Ausmaß der Geldwäsche aus dem illegalen Drogenhandel durch Großbanken, wie es jetzt im Falle der HSBC bei den jüngsten Anhörungen im amerikanischen Kongreß zu Tage getreten ist. Der ehemalige Drogenbeauftragte der UN, Antonio Maria Costa, und der jetzige Drogenbeauftragte Rußlands, Victor Iwanow, vertreten seit geraumer Zeit die Ansicht, daß das globale Finanzsystem ohne die Zufuhr dieser illegalen Liquidität längst zusammengebrochen wäre. Wer sich einmal mit den Auswirkungen des Drogenkonsums auf die kognitiven Fähigkeiten junger Menschen beschäftigt hat, wird hierin ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit sehen und kein Kavaliersdelikt.

Ohne hier auf alle Gründe eingehen zu wollen, die für die gegenwärtig eskalierende Lage im Nahen Osten verantwortlich sind: auch hier ist absehbar, daß eine Fortsetzung der existierenden Politik im „besten Fall“ zu einem Flächenbrand in der gesamten Region, im schlimmsten Fall zu einem thermonuklearen Krieg mit Rußland und China führen würde. Und ohne hier auf alle Aspekte der wahrhaft zivilisatorischen Krise, in der wir uns befinden, eingehen zu können, stellt sich doch die Frage, ob wir als Gattung intelligent genug sind, um uns aus diesen nur scheinbar ausweglosen Situationen  zu befreien.

Es gibt eine Alternative. In den USA, und neuerdings sogar in der Londoner City ebenso wie auf dem europäischen Kontinent, verstärken sich die Kräfte, die die sofortige Rückkehr zu einem Trennbankensystem in der Tradition des Glass-Steagall-Gesetzes von Franklin D. Roosevelt fordern. Im amerikanischen Kongreß findet die Gesetzesvorlage der demokratischen Abgeordneten Marcy Kaptur, HR 1489 für die Verwirklichung von Glass-Steagall, die bereits von 75 Abgeordneten mitgetragen wird, immer mehr Unterstützung im ganzen Land, bei Gewerkschaften, regionalen Bankenverbänden, Bürgermeistern, Stadträten, Unternehmern etc. Bei den Republikanern wirkt der stellvertretende Vorsitzende der FDIC, Thomas Hoenig, als der Vorkämpfer für dieses Gesetz, das der gegenwärtigen, uneingeschränkten Kasinowirtschaft ein Ende bereiten würde.

Aber das wäre nur der erste, unerläßliche Schritt. Dem müßte sofort die Errichtung eines Kreditsystems folgen, mit dem in wohldefinierte Projekte der Realwirtschaft investiert werden könnte. Für eine ganze Reihe dieser Projekte gibt es bereits erfolgreich durchgeführte Machbarkeitsstudien, und ihre Verwirklichung und damit die Schaffung einer großen Zahl produktiver Arbeitsplätze könnten binnen kürzester Zeit Realität werden.

So gibt es zum Beispiel für das größte Infrastrukturprogramm, das jemals geplant wurde, das NAWAPA-Programm, eine vom amerikanischen Kongreß gebilligte Studie aus den siebziger Jahren. Bei diesem Programm würden ungenutzte Wassermengen aus Alaska und Kanada, die jetzt einfach ins Meer abfließen, durch ein umfangreiches Kanal- und Pumpsystem entlang der Rocky Mountains bis nach Mexiko geleitet, um die Regionen, die jetzt aus Wüsten oder Steppen bestehen, zu bewässern, für Land- und Forstwirtschaft nutzbar zu machen und dabei unter anderem neue regionale Wetterzyklen zu erzeugen, indem das Wasser durch die Pflanzen zunächst aufsteigen und Wolken bilden würde, um dann wieder abzuregnen.

Durch NAWAPA würden, in Anlehnung an das historische Beispiel von Roosevelts TVA- Programm, umgehend sechs Millionen produktiver neuer Arbeitsplätze geschaffen und damit ein erster wichtiger Schritt getan, um die darniederliegende amerikanische Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. In den USA wächst derzeit die Unterstützung für NAWAPA auf vielen Ebenen und es ist erwarten, daß es kurzfristig zur Verwirklichung auf die Tagesordnung gesetzt wird.

Aber auch für die Staaten Europas, die jetzt von Massenarbeitslosigkeit und wirtschaftlichem Niedergang geplagt sind, gibt es wohldefinierte Projekte, die fertig in den Schubladen liegen. Dazu gehören zum Beispiel die Beschlüsse der Europäischen Verkehrsminister von 1994, als sie auf einer Konferenz in Kreta zehn Transportkorridore zur Priorität erklärten, von denen aber nur kleine Teilstrecken verwirklicht wurden und an denen seit dem Ausbruch der Krise jegliche Arbeit aufgehört hat. Fünf dieser Korridore führen auf den Balkan bis nach Griechenland, andere würden das europäische Verkehrsnetz nach Süditalien und auf die iberische Halbinsel vervollständigen. Ebenfalls ausgewiesen sind Wassermanagementprojekte, die zur Bewässerung wüstenartiger Landstriche und damit dem Aufbau von Landwirtschaft und urbanen Lebens dienen könnten

Auch für das historische Projekt eines Tunnelbaus unter der Straße von Gibraltar zwischen Spanien und Marokko gibt es sowohl eine ausgearbeitete Machbarkeitsstudie als auch einen bereits unterzeichneten Staatsvertrag zwischen beiden Ländern. Andere Projekte, wie der Bau der Brücke von Messina zwischen der italienischen Halbinsel und Sizilien, oder dem Tunnel von Sizilien bis Tunesien, sind seit langem in der Planung und Diskussion und könnten relativ kurzfristig startklar gemacht werden.

Ein Rückblick auf alle erfolgreichen Aufbauprogramme der Vergangenheit demonstriert, daß die Frage der Finanzierung solcher Projekte völlig unproblematisch ist. So konnte Roosevelt Amerika mit Hilfe eines Kreditsystems aus der Depression der dreißiger Jahre herausführen und zur stärksten Industrienation der Welt machen. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau, die auf der Basis von Roosevelts Reconstruction Finance Corporation die Marshallplan-Kredite koordinierte, half entscheidend mit, Deutschland aus einem Trümmerfeld in ein Land des Wirtschaftswunders zu verwandeln. MITI in Japan spielte eine ähnliche Rolle.

In all diesen Fällen war das spätere Steueraufkommen um ein Vielfaches größer als die ursprünglich für die Aufbauprojekte ausgegebenen Kredite. Kredite, die für zukünftige Produktion und einen Anstieg der Produktivität von Industriekapazitäten und Arbeitskraft ausgegeben werden, sind im Gegensatz zu Rettungspaketen für vergangene Spekulationen nicht inflationär, weil durch die Fähigkeit der menschlichen Arbeit und Kreativität ein Mehrwert geschaffen wird, der über die ursprüngliche Investition hinausgeht. Investitionen in grundlegende Infrastruktur sind dabei der Schlüssel für jede erfolgreiche Industrialisierung, ganz gleich, an welchem Fleck der Erde dies geschieht.

Die hier exemplarisch vorgestellten Infrastruktur- und Entwicklungsprogramme beschreiben nicht nur einen Weg, wie wir die gegenwärtige Krise der transatlantischen Region überwinden können, sondern sie knüpfen an einer Idee an, die im Jahre 1967 die Grundlage für die Enzyklika Populorum Progressio von Papst Paul VI. bildete: Frieden heißt Entwicklung. Gerade in Afrika, dem Maghreb, dem Nahen Osten und zunehmend auch in Südeuropa ist es der Mangel an wirtschaftlicher Entwicklung, der die bestehenden Probleme akzentuiert. Bei dem sogenannten arabischen Frühling war es das Fehlen einer Perspektive für die Zukunft, das zur sozialen Explosion führte. Das gleiche Problem stellt sich in Spanien, wo es Regionen gibt, die über 70% Jugendarbeitslosigkeit haben, oder Griechenland, wo mehr als 40% der jungen Menschen arbeitslos sind und die in ihrer Heimat gegenwärtig keine Perspektive sehen. Gerade in Deutschland sollte man sich daran erinnern, daß Massenarbeitslosigkeit und Kulturpessimismus in die Katastrophe führen können.

Es gibt aber andererseits allen Grund zu der Hoffnung, daß die hier vorgestellten Alternativen verwirklicht werden können, und daß wir als menschliche Gattung intelligenter sind als die Dinosaurier.

Helga Zepp-LaRouche, 25.7.2012


1. „Die Kettenreaktion des Bösen - Kriege, die weitere Kriege nach sich ziehen - muß durchbrochen werden, oder wir werden in den finsteren Abgrund der Vernichtung stürzen.“ (Martin Luther King 1963 in Strength to Love.)

Lesen Sie hierzu bitte auch:
Der Aufbau Europas: Gemeinsame Entwicklung statt Schuldenunion
- Neue Solidarität 27/2012