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Neue Solidarität
Nr. 30, 25. Juli 2012

Wichtiges kurzgefaßt

Weitere Untersuchungen wegen Derivatmanipulationen in Mailand und Prato

Der Mailänder Staatsanwalt Alfredo Robledo hat am 18. Juli eine Strafe von 1,2 Mio. Euro und 72 Mio. Euro Entschädigung gegen Deutsche Bank, Depfa, J.P. Morgan und UBS beantragt, sowie eine zwölfmonatige Haftstrafe für neun Angeklagte. Es geht um einen Derivatkontrakt über 1,68 Mrd. Euro, den die Stadt Mailand abgeschlossen hatte. Der Staatsanwalt sprach von wiederholten „Betrügereien“ der Banken gegen die Stadt. Die Kommune habe keine Möglichkeit gehabt, die Verträge richtig einzuschätzen, und sei vollkommen auf die Banken angewiesen gewesen. Diese hätten eine Doppelrolle als Gegenpartei und Berater gespielt.

In der zentralitalienischen Stadt Prato, die 2002 einen Swap-Kontrakt mit Dexia vereinbart hatte, haben die Ermittler ihre Untersuchungen gegen Dexia abgeschlossen und die Einleitung eines Verfahrens beantragt. Der Kontrakt kostete die Stadt jährlich 1,8 Mio. Euro. In London, dem Gerichtsstand für das Geschäft, findet bereits ein Prozeß statt, da Prato den Swap-Kontrakt einseitig gekündigt hat und dafür 8 Mio. Euro zahlen soll. Der Stadtrat Nicola Oliva (Demokratische Partei) hat jetzt angekündigt, daß er rechtliche Schritte ergreifen wird, um bei den Verfahren die LIBOR-Manipulationen und ihre Effekte auf die Konditionen von Swap-Kontrakten einzubringen. Auf Olivas Initiative hin verabschiedete der Stadtrat von Prato bereits eine Resolution für Glass-Steagall und das Verbot von Derivaten. Im Juni 2011 sprach auf seine Einladung Robert Reich, US-Arbeitsminister von 1993-1997, bei einer öffentlichen Veranstaltung in Prato und verlangte eine Rückkehr zu Glass-Steagall.

Forderungen nach Glass-Steagall auch in Deutschland

Die Debatte für die Einführung des Glass-Steagall-Trennbankensystems, wie sie ein maßgeblicher Teil der britischen Finanzelite seit zwei Wochen führt, erreicht nun mit einiger Verzögerung auch die deutsche Presse.

Am Freitag, dem 13. Juli, forderte der Londoner Korrespondent des Handelsblatts, Michael Maisch, in seiner Kolumne „City Talk“ einen „Kulturschock für die Investmentbanken“. Die Manipulation des LIBOR hätte sich nicht nur auf die Barclays Bank beschränkt, sondern dazu sei ein „klandestines Kartell“ mit anderen Banken erforderlich gewesen. Man brauche jetzt einen „radikalen Ansatz“, der sich unter dem Motto „zurück in die Zukunft“ zusammenfassen lasse. Maisch schreibt: „Dabei geht es letztlich um die Wiedereinführung eines Trennbankensystems, so wie es der Glass-Steagall-Act in den USA bis in die neunziger Jahre vorschrieb.“ Und: „Wer aus reiner Gier zum skrupellosen Betrüger wird, dem sollten hohe Gefängnisstrafen drohen“, so Maisch, der daran erinnert, daß die britische Regierung im letzten Sommer radikale Abschreckungsmaßnahmen ergriff, als Plünderer durch Londons Stadtteil Tottenham zogen. Im „Schnellverfahren“ seien damals Jugendliche wegen „des Diebstahls von ein paar Turnschuhen, Zigaretten oder Schokoriegeln“ zu Haftstrafen verurteilt worden.

Der Präsident des Bundesverbands der Volks- und Raiffeisenbanken (BVR), Uwe Fröhlich ist laut Medienberichten der Ansicht, man solle über die Trennung von Investmentbanking und Kundengeschäft „nachdenken“. Das Erpressungsrisiko für die Staatengemeinschaft sei nach den Bankenrettungen für die großen Banken immer größer geworden. „Steuerzahler und das klassische Einlagengeschäft sollten nicht für potentielle Risiken spekulativer Kapitalmarktgeschäfte geradestehen“, sagte Fröhlich laut FAZ vom 18.7.

Der Chef der Munich Re (früher Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft), Nikolaus von Bomhard, sprach sich in München für das Trennbankensystem nach Glass-Steagall und die Aufspaltung der Großbanken aus. Gleichzeitig aber fordert er die weitere Aufgabe nationaler Souveränitätsrechte an die EU, einen Verfassungskonvent und eine neue Verfassung, die Direktwahl eines EU-Präsidenten und - den Erhalt des Euro.

Genau das aber kann nicht funktionieren, denn die supranationalen EU-Strukturen sind aufs engste mit dem bankrotten Finanzsektor verwoben. Die Einführung des Euro hatte zum Ziel, ein globalisiertes und dereguliertes Finanzempire zu errichten, das die reale Substanz der Volkswirtschaften ausplündern kann. Nur mit der Wiedererlangung nationaler Souveränität über Währungs- und Wirtschaftspolitik sowie die Zusammenarbeit an großen Projekten wie dem „Plan für ein Wirtschaftswunder für Südeuropa und Afrika“ wird es möglich sein, wieder blühende Landschaften zu schaffen und einen chaotischen Absturz zu verhindern.

Die Verknüpfung solch unvereinbarer Positionen wie die von Bomhards oder von Ökonomen wie Michael Burda erinnern eher an Jörg Asmussen und die EU-Führung, die mit der Karotte einer angeblich besseren Bankenregulierung auf zentraler europäischer Ebene winken, damit die ESM-Kröte immer weiterer Bankenrettung und Hyperinflation leichter heruntergeschluckt wird. Aber auch damit wird ein hoffnungslos bankrottes Finanzsystem nicht zu retten sein.