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Von Helga Zepp-LaRouche
Den folgenden Vortrag hielt Helga Zepp-LaRouche am 30. Mai bei einem „Schillerfest“ in Essen.
Man sollte nicht überrascht sein, wenn am Wochenende der Euro platzt, einfach weil jetzt wahrscheinlich nicht nur Griechenland ausfallen wird, sondern weil Spanien ihm folgen wird. Denn das unmittelbare Finanzierungsbedürfnis von Spanien beträgt eine Billion Euro, die spanischen Banken sind bankrott, die spanische Regierung ist bankrott, die autonomen Regionen auch. Und das ist auch nur der Anfang, denn das gesamte transatlantische Finanzsystem ist an dem Punkt, daß es wirklich nur noch entweder einen kettenreaktionsartigen Kollaps gibt, wie damals 2008 bei Lehman Brothers, oder man versucht, das zu verhindern, indem man einfach Liquidität in das System pumpt - und dann sind wir in ganz kurzer Zeit bei einer Hyperinflation wie 1923; nur daß das diesmal nicht in einem Land wäre, sondern in der gesamten transatlantischen Region, weil der Dollar sich in einer ähnlichen Situation befindet.
Und damit in engem Zusammenhang haben wir eine akute Kriegsgefahr, die damit zusammenhängt, daß es Kräfte gibt, die mit diesem gegenwärtigen Finanzsystem eng liiert sind, die eine Art von thermonuklearem „Chicken Game“ spielen: mit Syrien, wo sie eine humanitäre Intervention androhen, mit der Komplikation, daß Israel sich vom Fortgang der Verhandlungen mit dem Iran bei den „P5+1“-Gesprächen nicht abschrecken läßt und sich trotzdem vorbehält, einen Schlag gegen den Iran zu machen, und ebenfalls im Zusammenhang damit, daß die Obama-Administration das Raketenabwehrsystem in Osteuropa weiterführt, das von Bush angefangen und von Rußland abgelehnt wurde, weil es Teil der so empfundenen Einkreisungsstrategie gegenüber Rußland und im weiteren Sinn auch gegenüber China ist.
Das kann ganz schnell ins Auge gehen, denn was da jetzt zusammenstößt, ist die Blair-Doktrin, die das Ende des Westfälischen Friedens erklärt hat, d.h., daß die nationale Souveränität nicht mehr respektiert wird, gegen die Doktrin Putins, der, seitdem er neu im Amt ist, erklärt hat, daß Rußland die Verletzung gerade dieser Souveränität des Nationalstaates nicht erlauben wird, und der damit auch die UN-Charta verteidigen will, die eben das Recht auf nationale Souveränität als eines der Grundrechte als internationales Völkerecht definiert.
Wir sind also an einem absolut wahnsinnigen Punkt in der Geschichte. Es gibt die Gefahr, daß es zu einem großen Krieg kommt, es gibt aber auch die Möglichkeit, das zu verhindern. Das würde dann einige Änderungen erfordern, u.a., daß Obama aus dem Amt entfernt wird, wofür es viele Gründe gibt. Gestern hat z.B. die New York Times einen langen Artikel gehabt, wo sie die Verletzungen der Verfassung aufzählt, derer sich Obama schuldig gemacht hat. Und natürlich müßte unser Programm der Bankentrennung - Glass-Steagall - durchgesetzt werden, ein neues Kreditsystem müßte einen Wiederaufbau der Wirtschaft finanzieren, wie wir das seit vielen Jahren erarbeitet haben - also das NAWAPA-Programm für Amerika, die ganze Eurasische Landbrücke, und wir haben auch gerade einen Marshallplan für Südeuropa, den Mittelmeerraum und Afrika als Entwurf fertig gestellt...
All das ist möglich, aber man muß sich wirklich die Frage stellen: Wie konnte die menschliche Zivilisation an diesen Punkt kommen, wo, wie ich glaube, jeder feststellt, daß alles, was man für vollkommen selbstverständlich gehalten hat, dabei ist, auseinanderzufallen - Gesundheitssysteme, Rentenversicherung, Jugendkultur?
Alle diese Entwicklungen zeigen eigentlich, daß wir in einem zivilisatorischen Kollaps stecken. D.h., wir haben nicht nur eine Finanzkrise und eine militärische Krise, sondern wir haben wirklich eine Krise, wo man sagen kann: Die Epoche, die die letzten 500 bis 600 Jahre charakterisiert hat, kommt an ihr Ende. Wir oder einige von uns haben in unserem Leben schon einmal erlebt, daß ein System zuende geht. Vielleicht sind einige von Ihnen noch zu jung, um sich daran zu erinnern, aber es ist ja immerhin nur knapp 23 Jahre her, seit die Sowjetunion untergegangen ist. Und jetzt erleben wir, wie dieses System der sogenannten Globalisierung noch viel dramatischer zusammenbricht, als es mit der Sowjetunion der Fall war.
Das Problem ist, daß alle Institutionen der westlichen Welt von dem oligarchischen Imperium dominiert sind, das wir als Britisches Empire bezeichnen. Wenn wir „Britisches Empire“ sagen, meinen wir damit keineswegs Großbritannien, sondern London als Finanzzentrum - 85% aller Hedgefonds haben ihr Hauptquartier in London -, eigentlich dieses System der Globalisierung, das aus der Verschmelzung von Zentralbanken, Investmentbanken, Hedgefonds, Beteiligungsgesellschaften, Zweckgesellschaften, Versicherungsgesellschaften, Rückversicherungsgesellschaften besteht, die alle praktisch ein einziges Geflecht darstellen. Und diese Kräfte sind entschlossen, dieses System aufrecht zu erhalten, egal, was es kostet, und man kann wirklich sagen, es ist eine moderne Form des oligarchischen Systems.
Das oligarchische System hat leider die Welt seit vielen Tausend Jahren regiert. Das kann man zurückverfolgen auf Babylon, auf das Persische Reich; Griechenland, wo das klassische Griechenland sich durch den Peloponnesischen Krieg in ein Empire verwandelte, wie schon Thukydides beschrieben hat, dann das Römische Reich, Byzanz, Venedig, das Britische Empire, wie es sich dann entwickelt hat: all dies waren nur Varianten desselben Prinzips.
Und was ist dieses Prinzip? Dieses Prinzip ist, daß eine kleine Elite - nicht Geisteselite, sondern Machtelite - sich das Recht herausnimmt, Privilegien zu haben, die sie meinen, nur haben zu können, wenn sie die Masse der Bevölkerung unterdrücken, rückständig halten, bewußt dumm halten. Diese Machtelite denkt, man muß das Volk mit „Brot und Spielen“ unterhalten. Im Römischen Reich wurden die Christen im Zirkus den Löwen vorgeworfen als Unterhaltung, das Volk durfte dann entscheiden - Daumen rauf oder Daumen runter -, und das hatte natürlich den Zweck, die Masse der Bevölkerung in diese bestialische Emotionalität hineinzuversetzen, die man notwendigerweise hat, wenn man sagt, der Mensch, der da liegt, soll jetzt von den Löwen gefressen werden.
Und dieses Instrumentarium der Kontrolle der Massen gehört zu diesem System. Was im Römischen Reich meinethalben der Zirkus war, oder die Gladiatoren in der Arena, das ist heute die Unterhaltungsmusik, die Unterhaltungsindustrie im weitesten Sinne.
Wenn man das einmal vergleicht: In den fünfziger Jahren oder auch noch in den sechziger Jahren hatten die Filme noch eine Story - also eine Geschichte, die erzählt wurde. Wenn die Filme gut waren, dann waren das total spannende Filme, während heute alles auf Seifenopern reduziert ist. Diese Seifenopern gehen jeden Tag fort, die Menschen leben mehr in den Seifenopern als im realen Leben und sind schon süchtig; wenn sie die nächste Folge nicht sehen können, dann verlieren sie den Faden. Sie leben also völlig fremdbestimmt.
Lessing hat schon im 18. Jahrhundert festgestellt: Alles, was den Menschen zur Masse macht, ist schlecht. Ich stimme dem vollkommen zu, und von diesem Standpunkt aus sind Fußballspiele ganz schlecht. Ich weiß, daß ich hier im Ruhrgebiet ein gewisses Risiko eingehe, wenn ich so etwas sage. [Heiterkeit.] Aber wenn man sieht, wieviel Energie, wieviel Geld die Menschen ausgeben, um zu Massenpopkonzerten zu kommen, zu Fußballspielen, zu anderen Massenveranstaltungen, wo sie alle denken, sie seien ungeheuer individuell und machten „ihr Ding“, aber letztendlich sind sie verkommen zu einer Masse, die manipuliert ist und auch in den Werten immer weiter nach unten manipuliert wird. Auch was die Gewaltfilme angeht - Gewaltvideos, Pornographie: über alle diese Bereiche muß man sagen, es wird immer schlimmer.
Das hat etwas mit der Klassik zu tun, denn die Romantik war ein Angriff auf die Klassik und wollte die klassische Form durch das „Interessante“ ersetzen. Und natürlich ist etwas, was heute interessant ist, morgen nicht mehr interessant; also muß man noch etwas Interessanteres machen, und dann noch was Interessantes. Deshalb ist diese Gegenwartskultur so, daß man immer schlimmer wird, und deshalb haben wir eigentlich vom Anfang unserer Bewegung an eigentlich schon immer gesagt: Wir brauchen eine Renaissance der klassischen Kunst!
Es hat sich so ergeben, daß mein Lieblingsdichter Friedrich Schiller ist. Ich hatte das Glück, drei Deutschlehrer zu haben, die uns wirklich mit der polemischen Methode gezwiebelt haben, Schiller zu lesen. Wenn man heute polemisch wird, dann kommen die Leute an und drohen mit dem Rechtsanwalt [Heiterkeit], aber wir waren sehr dankbar - wenigstens nach einer Weile. Da habe ich eine meiner Deutschlehrerinnen getroffen und mich bedankt, daß sie uns so gepeinigt hat, den Wallenstein mit 16 zu lesen, was man nicht unbedingt will, wenn man 16 ist. Aber es tut einem sehr gut.
Deshalb war Friedrich Schiller wirklich sehr wichtig auch für die Entwicklung dieser Bewegung. Ich möchte Sie anregen, daß Sie heute, wenn Sie nachhause gehen, oder morgen vielleicht, sich mal den Schiller vornehmen und einfach mal reinlesen, was Sie vielleicht nicht jeden Tag tun. Vielleicht steht ja auch das Gesamtwerk von Schiller auf Ihrem Nachttisch, und was ich sage, ist völlig überflüssig, aber falls das bei dem einen oder anderen nicht der Fall ist: Sie werden feststellen, es gibt keinen Dichter, in keiner Sprache, die mir bekannt ist, der antioligarchischer ist als Schiller. Und deshalb ist er so ungeheuer modern und aktuell. Und wenn wir uns aus diesem unmündigen Zustand befreien wollen, dann ist Schiller die beste Waffe.
Denn Schiller ist nicht nur ein Prosadichter, obwohl er natürlich sehr schöne und wichtige ästhetische Schriften, historische Schriften geschrieben hat, aber er ist auch der Dichter der Freiheit. Er hat die Kunst der klassischen Dichtung auf die höchste Stufe gebracht, weil er von einem wunderbaren Menschenbild ausgeht. Dieses Menschenbild ist alleine schon der Grund, warum die klassische Kunst so wichtig ist. Schiller oder Beethoven oder Schubert oder Mozart - alle diese Dichter und Komponisten hatten ein Menschenbild, was davon ausging, daß der Mensch unbegrenzt vervollkommnungsfähig ist. Und darin liegt so ein kultureller Optimismus - der Mensch kann, wenn er sich dazu entscheidet, seine Kreativität praktisch ohne Begrenzung entfalten. Er muß natürlich daran arbeiten, es kommt nicht vom Himmel, aber jeder Mensch kann im Prinzip ein Genie werden. Und Schiller sagt: Das Ziel ist, daß jeder Mensch eine schöne Seele bekommt.
Heute gehen viele Leute in die Fitneßstudios, um schöne Bizeps zu kriegen und schöne Trizeps und machen da Millimeterarbeit, aber die meisten vergessen, daß es viel wichtiger wäre, ihre Seele zu trainieren und schön zu machen. Das ist eigentlich viel, viel bedeutsamer, denn das ist es, was den Menschen eigentlich in seiner Identität ausmacht, und nicht, wie die verschiedenen Muskelgruppen sich zueinander verhalten. Und Schiller sagt, eine schöne Seele ist der Mensch, der die Freiheit in der Notwendigkeit findet und der mit Leidenschaft das tut, was seine Pflicht ist.
Dieser Zustand trifft nur auf einen einzigen Typ des Menschen zu, und das ist das Genie. Denn nur das Genie erweitert die Gesetze auf gesetzmäßige Weise.
Nachdem die Französische Revolution im Jakobinerterror untergegangen war und die Jakobiner die Köpfe abgehackt haben - Robespierre sagte, „Die Revolution braucht keine Wissenschaftler!“, und die beste Köpfe der Zeit wurden unter die Guillotine gelegt -; da hat Schiller in seinen Ästhetischen Briefen gefragt: Wie können wir verhindern, daß ein großer Augenblick ein kleines Geschlecht findet und dieser Augenblick versäumt wird?
Der große Augenblick war natürlich damals die Amerikanische Revolution, und alle Humanisten und republikanischen Kräfte in ganz Europa hatten gehofft, daß man dieses Modell der Amerikanischen Revolution in Europa wiederholen könnte, und der Punkt, wo das am offensichtlichsten erschien, war eben die Französische Revolution. Denn der Ballhausschwur war eine Verfassungsbewegung; Condorcet hatte durchaus anfänglich die richtigen Ideen, aber dann wurde das durch diesen Jakobinerterror zerstört, und später durch Napoleon, und damit war dieser Versuch gescheitert.
Schiller hat dann die Ästhetischen Briefe geschrieben, um die Frage zu beantworten: Wie ist es möglich, daß man die Menschen so verbessert, daß der nächste große Augenblick genutzt werden kann? Und er kam zu der Frage: Woher soll die Verbesserung kommen, wenn der Staat korrupt ist, die Eliten dekadent und die Massen erschlafft und verroht?
Wenn Schiller heute hier durch Essen oder eine andere Stadt spazieren würde, der würde sagen: „Wie konnte das passieren? Das ist ja noch viel schlimmer als zu meiner Zeit!“ Er würde aber wahrscheinlich dieselbe Antwort geben, er hat nämlich gesagt: Der einzige Bereich, wo der Herrscher, der oligarchische Herrscher nicht herrschen kann, ist die Wissenschaft und die Kunst. Und das ist ganz, ganz wichtig.
Wenn man sich mal die Leute heute anschaut, wenn sie in die Einkaufszeilen gehen: Die Leute rennen mit dem Blick auf dem Boden, keiner von ihnen hat jemals in den Himmel geguckt und sich überlegt: Wie viele Galaxien entwickeln sich da, da es ja Milliarden von Galaxien gibt, und wie könnte man herausfinden, wie die zusammenhängen?
Keiner von ihnen kommt je im ganzen Leben auf die Idee, eine solche Frage zu stellen. Die Menschen denken alle, das Leben ist eine Talkshow. Jeder sagt einen Satz, und der nächste sagt einen Satz, der ein Wort nimmt von diesem Satz, und der dritte macht wieder einen Satz aus einem Wort von dem nächsten Satz, und es geht immer so weiter. Man kommt vom Hölzchen auf Stöckchen, es gibt kein Konzept, sondern jeder hat seine Meinung, alle Menschen haben das Recht, ihre Meinung zu haben, und niemand hat das Recht zu sagen: „Das ist aber die Wahrheit!“
Im Grunde ist die Idee, daß man Erkenntnis aus der sinnlichen Erfahrung nimmt, eine allgemein akzeptierte Meinung. D.h., daß man sagt: „Ich habe das aber erfahren, das ist meine Erfahrung, ich kann das absolut so sehen, und du hast eine andere Erfahrung und eine andere Meinung, aber da soll jetzt niemand kommen und sagen, das ist die Wahrheit. Das ist autoritär!“ Deshalb hat man in Deutschland dieses totale Chaos, daß man nicht zwei Leute findet, die sich einigen können, weil jeder auf dem Recht auf seine Meinung besteht.
Aber die sinnliche Erfahrung - was ich riechen kann, hören, schmecken, greifen, also mit den Sinnen erfahren kann: das ist ja nur ein ganz minimaler Bruchteil von dem, was ich über das Universum wissen kann. Spätestens wenn ich versuche, im Nano-Bereich etwas zu erkennen, dann nützen mir meine Augen gar nichts, und wenn ich versuche, im makrophysischen Bereich Galaxien zu studieren, dann habe ich auch Schwierigkeiten, den Geruch festzustellen oder sie zu hören.
Mit anderen Worten: Daß es universelle Prinzipien gibt, die weit über das hinausgehen und eine ganz andere Ebene der Erkenntnis sind als das, was ich mit meiner Erfahrung realisieren kann, das ist eigentlich nachzuvollziehen. Und die Frage ist: Wie kann man jetzt erreichen, daß der Mensch erwachsen wird, daß er vernünftig wird, daß er die Wahrheit erkennen kann, ohne die ganzen Störmanöver?
Da ist die Naturwissenschaft natürlich ein klares Feld, denn wenn man eine wissenschaftliche Entdeckung macht von einem universellen wissenschaftlichen Prinzip, das die Menschheit qualitativ weiterbringt - das kann man beweisen. Es ist ein dann anerkanntes Prinzip, wenn man es wiederholen kann, wenn es in China dieselbe Wirkung hat wie in Afrika oder in Deutschland, also mit anderen Worten, wenn es etwas ist, was der Wahrheit des physischen Universums näher kommt. Entdeckungen physikalischer Prinzipien bringen uns näher an die Wahrheit über die Realität, in der wir uns befinden. Ich glaube, das wird noch jeder akzeptieren.
Aber genau die gleiche Bedeutung hat die klassische Kunst, weil da auch Prinzipien entdeckt werden, die genauso wahr sind und genauso gültig sind wie z.B. die Entdeckung der Gravitation oder wie die Entdeckung anderer Phänomene, die wiederholbar sind und gültig sind, weil sie Stufen der Erkenntnis sind, die der Mensch durchlaufen hat.
In der klassischen Kunst ist das die klassische Form, und das hat angefangen mit dem Menschenbild, daß der Mensch gut ist, daß der Mensch kreativ ist, daß der Mensch als einzige Gattung von allen Lebewesen kreativ die Grundlagen seiner Existenz verbessern kann. Kein Esel baut Mohrrüben an, damit er besser frühstückt, aber der Mensch kann sich sehr wohl bessere Dinge organisieren - für alles!
Dieses Menschenbild ist der absolute Beginn. Aber dazu kommt, daß man, um der Wahrheit näher zu kommen, zu der klassischen griechischen Idee zurückkehren muß, daß das Gute, das Wahre und das Schöne zusammenhängen. Das Wahre, das Gute und das Schöne sind absolut wichtiger Bestandteil der Kunst. Kunst, die nicht schön ist, ist per se keine Kunst. Das disqualifiziert schon mal den meisten Kram, der heute als Kunst läuft, einfach, weil er nicht schön ist.
Vom Standpunkt der klassischen Kunst gibt es die Notwendigkeit, daß der Mensch durch die Berührung mit der Kunst erhoben wird. Wie gesagt, Schiller hat einen sehr hohen Standard aufgestellt für den Künstler, er sagt nämlich, daß der Künstler die Fähigkeit hat, sein Publikum zu rühren. Und ich war vorhin bei einigen Beiträgen durchaus gerührt - nicht weil es schon perfekte Kunst war, sondern weil die Intention dahinter herübergekommen ist, daß eben versucht wurde, eine Schönheit zu vermitteln. Und damit der Künstler sein Publikum rührt, muß die klassische Kunst einer bestimmten Gesetzmäßigkeit unterliegen.
Schiller sagt, daß der Künstler, damit er es wagen darf, sein Publikum zu rühren, sich in dem Augenblick, wo er ein Gedicht schreibt, ein Gedicht vorträgt, eine Komposition macht, zumindest in diesem Augenblick zum idealischen Menschen empor adeln muß. Er muß rein fühlen. Wenn er die Seele anderer Menschen berührt, muß er etwas Universelles ausdrücken, denn wenn er sich der Wirkung nicht bewußt ist, die er als Künstler hat, dann kann er sich nicht Künstler nennen.
Wer sich einfach nur vor sein Publikum stellt und mal diese Wirkung hat und mal jene - natürlich ist es immer eine Neuschaffung, deshalb kann es etwas unterschiedlich sein -, aber wenn er überhaupt nicht weiß, ob jetzt die Leute weinen oder lachen werden oder wie auch immer, der ist Schiller zufolge kein Künstler.
Deshalb muß der Gegenstand, den der Künstler wählt, etwas sein, was universell zutrifft, und was auch wichtig ist. Also niemand soll ein Gedicht schreiben, jedenfalls kein großes Gedicht, wenn er einfach nur sagt: Oh, die Punkte an der Wand sind nett, und morgen geh ich schwimmen und jetzt habe ich Durst, und ich mache daraus ein Gedicht. Das wäre kein Gedicht.
Günter Grass hat ja nun neuerdings eine Reihe von politischen Gedichten geschrieben, die vom Inhalt her wirklich eine Wichtigkeit haben, aber klassische Kunst war das nicht. Er hat einfach Prosa genommen und hat diese Prosa punktiert, mit Kommas und Gedankenstrichen, ein bißchen das Versmaß geändert, also den Rhythmus verändert. Aber das macht kein Gedicht aus, sondern die klassische Form ist ganz wichtig.
Sie hatten vorhin über den Wilhelm Tell gesprochen, den Sie in der Schule durchgenommen haben: Schiller hat z.B. für die Dramen und für die Gedichte eine klassische Form entwickelt, die wirklich einzuhalten ist.
Im Drama z.B. hat Schiller eine Theorie entwickelt: Der Anfang ist der „prägnante Punkt“ - zum Beispiel im Don Carlos, die erste Szene - es ist meistens die erste Szene -, und in dieser Szene muß alles keimförmig enthalten sein, was sich später im gesamten Drama entfaltet. Man hat also in gewisser Weise in einer absolut komprimierten Form alles, was an Komplikationen, an Entwicklungen kommt, in diesem ersten Gedanken.
Dann entwickelt sich das, und dann kommt es auf dem Höhepunkt des Dramas zum, wie Schiller es nennt, „punctum saliens“. Das ist der Punkt, auf den die gesamte Entwicklung zuströmt, auf diesen einen Punkt, wo dann die Frage ist: Was passiert? Wird die Hauptperson einen Weg der Handlung wählen, der dazu führt, daß das Drama als Tragödie endet, wenn sie nicht die höhere Ebene der Lösung, der Aufhebung findet?
Im Fall von Don Carlos ist es ziemlich klar, daß Posas Versäumnis, Carlos in seine Verschwörung mit Philipp mit einzubeziehen, das ganze Problem auslöst, das die Inquisition manipulieren kann, und alles endet im Drama.
Im Wilhelm Tell ist es anders. Im Wilhelm Tell ist es so, daß Tell, der ein einfacher Mann war, am Anfang beim Rütlischwur gar nicht dabei war, dann aber durch die absolute Bosheit von Geßler wirklich zum Volksheld wird und sein Volk befreit. Und dieses Drama endet nicht als Tragödie, eben weil er die höhere Ebene des Ausgangs gefunden hat.
Schiller fügt dann am Schluß des Dramas die berühmte Parricida-Szene hinzu, wo der Mörder, der den österreichischen Kaiser umgebracht hat, zu Tell kommt und sagt, ich habe auch jemanden umgebracht, laß uns doch verbrüdern; und Tell schmeißt ihn raus und sagt: Ich habe mit gemeinen Mördern nichts zu tun.
Damit hat Schiller ganz klar gemacht, daß der Tyrannenmord kein allgemeines Mittel der Konfliktlösung sein darf, sondern nur im äußersten Fall, wenn kein anderes Mittel mehr vorhanden ist, sagt Schiller, ist es erlaubt. Das ist auch der Grund, warum z.B. die Nazis den Tell verboten haben, weil sie befürchteten, daß jemand auf die Idee kommen könnte, dieses Beispiel zu replizieren.
Was Schiller im Drama entwickelt hat, sind im Grunde strategische Studien. Wenn man sich alle Schillerschen Dramen anschaut - von den Räubern über Fiesco, Kabale und Liebe, Don Carlos, Wallenstein, Die Jungfrau von Orleans, Wilhelm Tell bis zum Demetrius-Fragment, die ja alle immer in anderen Ländern spielen -, dann kann man sagen, daß Schiller in seinem Gesamtwerk für jedes Volk eigentlich den Weg zu seiner Befreiung aus der oligarchischen Herrschaft dargestellt hat.
Das ist ganz fantastisch! Wenn Sie Schiller schon zehnmal ganz gelesen haben und lesen ihn dann noch einmal, ich verspreche Ihnen: Sie entdecken immer Neues, denn Sie haben sich in der Zwischenzeit weiterentwickelt, haben Dinge neu begriffen, und plötzlich lesen Sie das von einem ganz anderen Winkel, und es tun sich neue Welten auf. Und das ist wirklich extrem wichtig.
Das allerwichtigste überhaupt ist Lyrik. Wann haben Sie das letzte Mal ein lyrisches Gedicht gelesen oder besprochen oder geschrieben? Es ist nicht so populär, wie ich sehe. Dann muß ich Ihnen sagen: Sie verpassen wirklich das allerwichtigste!
Warum ist ein Gedicht so wichtig? Sie könnten natürlich sagen: „Ein Gedicht? Was soll das, das hat doch gar keine Bedeutung.“ Aber das Gedicht ist für jeden Menschen der einfachste Schlüssel zu eigener Kreativität, wenn Sie gute klassische Gedichte nehmen - meinethalben auch von anderen Dichtern, wie Mörike z.B., ein total unterschätzter lyrischer Dichter, der wirklich eine Sprache hat, die auf dem Goetheschen Niveau sich befindet; also an Feinheit und lyrischem Ausdruck ist Mörike absolut unglaublich, aber auch Goethe oder andere haben schöne lyrische Gedichte geschrieben.
An einem lyrischen Gedicht können Sie studieren, was eine Metapher ist. Wenn Sie einen Prosatext haben, ist es selbstverständlich: Sie lesen den Text, und er erschließt sich in der klaren Sprache, in der der Prosatext verfaßt ist.
Aber wenn Sie eine poetische Idee haben und entwickeln diese Idee nach den Gesetzen der klassischen Dichtkunst, dann ist der Inhalt des Gedichtes niemals in der Prosa, sondern Sie schaffen etwas oder Sie lesen etwas von dem Dichter, der etwas geschaffen hat, auf einer Ebene, die sich nur durch die Metapher erschließt. Und dieses Denken in Metaphern ist absolut notwendig, wenn Sie in diesen Bereich der Erkenntnis vordringen wollen, der nicht in der sinnlichen Erkenntnis liegt, denn dann müssen Sie etwas denken, was Sie vorher nie gedacht haben.
Wenn Sie eine wissenschaftliche Entdeckung machen wollen oder eine klassische Komposition, müssen Sie etwas schaffen, was vorher nicht da war. Und es muß diese ganzen Gesetze erfüllen, Sie können nicht einfach irgend etwas machen, Sie müssen etwas nach einer bestimmten Gesetzmäßigkeit schaffen, auf einer höheren Ebene.
Sie sind dann etwa in derselben geistigen Lage wie ein Feldherr, der weiß, daß seine Kräfte dem Gegner unterlegen sind, den er besiegen will, und das geht nicht, wenn man nur frontal aufeinander zurennt; dann würde er verlieren.
In der Militärgeschichte ist deshalb das Prinzip der Flanke ein ganz wichtiges Element, was gute Feldherren studiert und gemeistert haben, und durch Flanken oder sogar Doppelflanken haben oftmals schwächere Kräfte einen überlegenen Gegner ausgeschaltet.
Dieses Denken in der Form von Flanken ist dasselbe wie bei einem lyrischen Gedicht: Es ist ein Denken auf einer Ebene, die vorher nicht da war.
Geistesgeschichtlich kann man diese Denkmethode zurückverfolgen auf Nikolaus von Kues. Nikolaus war ein Kirchenfürst, der von 1401 bis 1464 gelebt hat, er war Kardinal und Außenminister des Papstes, er hat aber auch im Grunde die modernen Naturwissenschaften wirklich neu entdeckt und auf eine neue Grundlage gestellt. Er ist der Vater des souveränen Nationalstaates, und vor allem ist er der Erfinder des repräsentativen Systems. Das parlamentarische System, was wir heute haben, ist eigentlich das Endresultat von Nikolaus’ Gedanken. Aber das von meinem Standpunkt wahrscheinlich wichtigste ist: Er hat eine Denkmethode entwickelt, die eben dieses Metapher-Denken repräsentiert, das Konzept der coincidentia oppositorum, das „In-Eins-Fallen“ der Gegensätze.
Er führte nämlich einen Angriff auf Aristoteles und die Peripathetiker, die damals die Universitäten dominierten. Man muß sich dazu überlegen: Als Kues geboren wurde, waren die gesamten Universitäten Europas dominiert von der Scholastik und von den Peripatetikern, also den Leuten in der Tradition von Aristoteles. Und die sahen im Widerspruch das Prinzip, aus dem der Fortschritt kommt.
Da hat Nikolaus gesagt: Das ist wirklich für die niedrigen Leute. Wenn man oben auf einem Turm steht und man sieht das Kaninchen, das wegläuft, den Jäger, der hinter dem Kaninchen herläuft, und die Kugel, die das Kaninchen trifft, so sieht man den Prozeß von oben. Aber wenn man den Prozeß von unten sieht, dann ist man entweder das Kaninchen oder man ist der Jäger oder man ist die Kugel, aber man sieht den Gesamtprozeß nicht.
Und Nikolaus hat durch diese Methode, immer zu erkennen, daß die Einheit eine höhere Qualität hat als die Vielheit, eine Denkmethode entwickelt, die dann im Westfälischen Frieden die Idee des Friedens möglich gemacht hat, weil sich zwischen den kriegführenden Parteien, die sich in den Religionskriegen über 150 Jahre gegenseitig den Kopf eingeschlagen hatten, ein Prinzip finden ließ, das die Einheit höher setzte als die Verschiedenheit. Das waren der Respekt und die Liebe für den anderen, und das, was die Menschheit in ihren gemeinsamen Zielen verbindet.
Dieses Denken, daß man eine höhere Ebene finden kann, ist etwas, was man absolut trainieren kann. Deshalb kann ich nur sagen, wie wichtig die Beschäftigung mit klassischen Gedichten ist - daß man herausfindet, was sagt der Dichter, wo ist der Gehalt des Gedichtes, der nicht in den einfachen Worten liegt; die Spannung auszuhalten, die da drin liegt.
In unserer Welt, die so mechanisiert ist und wo alles laut ist - 150 Dezibel, die jungen Leute haben schon mit 17 einen permanenten Hörschaden, weil der Krach so unglaublich ist -, ist es mir ein großes Anliegen und wichtig, daß diese Feinheit der Seele, das nur in der Lyrik zum Ausdruck kommende, zarte Empfinden wieder entwickelt wird.
Warum ist die Menschheit in dem schrecklichen Zustand, in dem sie ist? Schiller würde sofort dazu sagen: Das größte Problem unserer Zeit ist der totale Mangel an Empfindungsvermögen. Wenn man den Leuten sagt: In Afrika sterben gerade 40 Millionen Menschen - „Das interessiert mich nicht, was habe ich damit zu tun?“ Schiller hat diese Menschen als verkrüppelte Pflanzen bezeichnet. Menschen, die kein Empfindungsvermögen haben, die mögen vielleicht gute Ärzte, gute Ingenieure, gute Elektriker, gute Irgendwas sein, aber es fehlt ihnen etwas für die menschliche Entwicklung - etwas ganz, ganz fundamentales.
Die Entwicklung des Empfindungsvermögens ist auch eine bewußte Erziehung der Emotionen. Die meisten Leute denken: „Die Emotionen kann man nicht erziehen. Den Geist kann man vielleicht noch entwickeln, wenn man studiert, man kann Dinge lernen, aber die Emotionen? Das ist mein Recht, daß ich wütend bin, daß ich das Gefühl habe gegenüber dem oder gegenüber jenem.“ Aber das stimmt nicht, man kann auch die Gefühle entwickeln und so erziehen, daß sie auf der Ebene der Vernunft sind. Und Schiller sagt, ich muß die Gefühle so erziehen, daß ich ihnen blindlings trauen kann, weil sie mir niemals etwas anderes sagen würden als das, was die Vernunft mir vorgibt. Das ist möglich.
Ganz wichtig ist dazu, was Lessing gesagt hat, daß nämlich die ästhetische Erziehung eigentlich nur den Zweck hat, den Menschen zu mehr Mitleid fähig zu machen. Lessing sagt, der mitleidigste Mensch ist der beste Mensch, und da bin ich 100% mit Lessing einer Meinung. Sonst ist man ein Mensch, der kein Mitleid empfinden kann, der sich nicht in jede Bevölkerungsgruppe irgendwo auf der Welt versetzen kann, der mitweinen kann, wenn vielleicht in Mali oder irgendwo sonst auf der Welt Mütter ihre sterbenden Kinder begraben müssen, weil kein Essen da ist.
Obwohl es so einfach wäre! Wir könnten in zwei Jahren Afrika in zwei Jahren entwickelt haben. Wir könnten den Hunger in einem halben Jahr stoppen. Wir könnten neue Eisenbahnen bauen, Straßen, wir könnten Flüsse begradigen, Wasserprojekte, wir könnten Wüsten begrünen - das ist alles technisch überhaupt kein Problem. Wir müßten keine einzige neue Erfindung machen, um die Menschheit aus ihrem jetzigen Jammerloch herauszubringen, und die Tatsache, daß das nicht getan wird, das ist nur politisch! Es ist keine praktische Frage.
Wir können sofort Ingenieure, wir können deutsche Mittelständler, deutsche Landwirte in die Länder schicken, denen wir die Maschinen zur Verfügung stellen, die Technologien, neue Städte bauen, Universitäten. Das wäre ganz einfach.
Wir werden das machen! Ich sage jetzt nicht nur, es wäre ganz einfach, sondern wir werden das machen, wir werden Afrika entwickeln, und nicht nur Afrika, sondern wir werden die gesamte Welt in einen Zustand bringen, der der Menschenwürde aller Menschen auf diesem Planeten entspricht.
Wenn wir das nicht machen, dann werden wir keine Gelegenheit haben, darüber traurig zu sein, sondern wir werden den eigenen Untergang schneller erleben, als sich das irgend jemand vorstellen kann.
Da die menschliche Gattung aber eine Mission hat - nicht nur auf der Erde, sondern in diesem Universum -, denke ich, daß wir das absolut tun können.
Auf jeden Fall brauchen wir deshalb die Erziehung der Emotionen, die Erziehung des Empfindungsvermögens, so daß jeder Mensch sich das Schicksal der gesamten menschlichen Gattung zueigen macht und schön empfindet. Die Menschen müssen lernen, schön zu empfinden, sie müssen lernen, menschlich zueinander zu sein, und die große klassische Kunst macht das absolut möglich.
Wenn Sie ein Beispiel dafür haben wollen, lesen Sie die Briefe zwischen Schiller, Körner (der Vater von dem Körner, der hier rezitiert wurde), Humboldt, Goethe oder die Briefe zwischen Planck und Einstein oder anderen großen Wissenschaftlern und Künstlern, und Sie sehen, wie ein zwischenmenschliches Verhalten sein kann.
Wenn ich sage, wir sind am Ende einer Epoche, dann meine ich: Wir sind am Ende eines Abschnittes, wo die Menschheit sich wie zweijährige, ungezogene Kinder verhält. Meine Horrorvorstellung dazu sind kleine Jungs von zwei, drei Jahren, die kleine Mädchen ans Bein treten, Aggressionen wild ausleben, wenig Verstand haben.
Die Menschheit muß vernünftig werden, sie muß erwachsen werden. Und sie braucht dazu die bemannte Raumfahrt, die Kolonisierung von Mond, Mars und darüber hinaus anderen, näheren Sternen und darüber hinaus. Wir müssen im Grunde lernen, die Gesetze des Universums so zu beherrschen, daß wir z.B. irgendwann einmal in andere Sonnensysteme reisen können. Wenn wir die thermonukleare Energie beherrschen, zur Materie-Antimaterie-Reaktion als Energiequelle kommen und weiteren Fragen dahinter, dann ist völlig klar: Wir sind bisher noch in der Baby-Phase oder vielleicht sogar noch der Embryo-Phase der menschlichen Entwicklung.
Aber wir werden auf keinen Fall diese höhere Stufe erreichen, wenn wir nicht im Bereich der Kunst zur Klassik kommen. Wenn die Menschen sich darüber unterhalten, wie eine klassische Komposition aufgebaut ist, oder ein sokratischer Dialog, was dasselbe ist: Man setzt ein Thema, und dieses Thema wird erschöpft, und die Wahrheit wird gefunden, und dann ist Schluß.
Genauso ist es in einem Gedicht oder einer Erzählung. Man setzt ein Thema, das Thema wird poetisch oder musikalisch bearbeitet, und dann kommt es an einen Punkt, und dann ist Schluß, dann ist es perfekt, dann ist es vollendet - und nicht wie eine Talkshow oder Seifenoper, wo alles immer fortgeht und nichts ist wahr, und alles ist gleichförmig.
Wir müssen zu einem rationalen Denken kommen in der Art und Weise, wie wir die Wirtschaft organisieren, wie wir die sozialen Verhältnisse unter uns organisieren. Und dann sehe ich keinen Grund, warum wir nicht eine Welt haben sollen - vielleicht in 10, 20 oder 30 Jahren -, wo die Wüsten begrünt sind, der Hunger eliminiert ist, alle Menschen medizinisch versorgt werden, Menschen ihr Leben für ihre eigene Kreativität organisieren können, jeder Mensch das Potential, das in ihm schlummert, voll und ganz entwickeln kann.
Es wird keinen zweiten Beethoven geben, aber es wird unendliche viele neue, kreative Menschen geben. Denn wir sind noch so sehr am Anfang der Entwicklung, daß die Idee, daß alles schon fertig ist und daß wir ein geschlossenes System haben, wo man jetzt „nachhaltig“ haushalten muß, der größte Unsinn aller Zeiten ist.
Wir brauchen eine Vision, wie wir die Zukunft gestalten, wie wir die offensichtlichen Aufgaben meistern können.
Z.B. gibt es eine Vielzahl von Asteroiden, deren Bahn in Richtung der Erde führt, und wir müssen einen Weg finden, sicherstellen, daß keiner von diesen Asteroiden die Erde trifft. Eine unheimlich große Anzahl dieser Steinbrocken fliegt im näheren Universum herum. Wenn auch nur einer davon die Erde trifft, dann ist eine hohe Wahrscheinlichkeit, daß das Leben auf diesem Planeten beendet wird, so wie das wahrscheinlich beim Untergang der Dinosaurier eine Rolle gespielt hat.
Wenn wir z.B. morgen solch einen Asteroiden vor der Tür haben und wollen den weghaben, dann wird das nicht gelingen. Wenn wir aber wissen, er wird in 20 Jahren hier ankommen, dann können wir noch vieles tun, um die Bahn zu beeinflussen, daß er an der Erde vorbei fliegt. Aber wir müssen uns dazu in die Lage versetzen, wir müssen die strategische Verteidigung der Erde als ein gemeinsames Ziel der Menschheit ernstnehmen.
Wir brauchen diesen Sprung, nicht mehr in Kleinheit zu denken, nicht mehr in geostrategischen Konflikten um Rohstoffe, Wasser und andere Konflikte, sondern wir müssen uns wirklich die gemeinsamen Ziele der Menschheit setzen als das, wo wir uns auf einer höheren Ebene finden. Wenn wir diesen moralischen und qualitativen Sprung nicht schaffen, dann ist die Wahrscheinlichkeit eines thermonuklearen Krieges praktisch 100%. Das ist doch ein großer Anreiz, daß wir wirklich diesen Schritt machen und zu Menschen werden. Und die klassische Kunst ist der sicherste Schlüssel zu den innersten Geheimnissen der Seele von uns allen.