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Von Jacques Cheminade
Auf dem Bundesparteitag der Bürgerrechtsbewegung Solidarität am 16. Juni 2012 in Frankfurt/M. hielt der ehemalige französische Präsidentschaftskandidat die folgende Rede.
Das eigentliche Thema meines Vortrages ist: Was müssen wir Europäer leisten in einem Augenblick, in dem Europa sich selbst ruiniert und von Hyperinflation zerrissen wird, unsere Regierungen ständig versagen, und wir am Rande eines Weltkriegs stehen?
Wir kennen die formale Antwort: die finanzielle Rettung des Empire beenden und sofort weltweit ein Trennbankensystem durchsetzen. Aber um ehrlich zu sein, kann man nicht bloß einen solchen Satz wiederholen oder darstellen. Es geht hier nicht um politische Ziele, in dem Sinne, wie Politik gewöhnlich formal definiert wird, sondern um unsere innere Überzeugung und Entschlossenheit: Unsere Identität muß darin bestehen, sich dem Sturm, der über uns hereinbricht, entgegenzustellen.
Da draußen ist das Empire, und es ist das Empire, das wir besiegen müssen, nicht eine seiner Marionetten oder seiner Flanken. Es kann nicht um ein Land allein gehen, und es gibt keinen großen „Masterplan“. Von Wert ist die Entschlossenheit, einen weltweiten Krieg zu führen, ohne die Illusion, die eine oder andere Schlacht zu gewinnen, sondern mit der Entschlossenheit, ihn kompetent zu führen, indem man ein Denken einführt, das auf einer höheren Ebene der Ideen ist als beim Rest der Bevölkerung und der derzeit herrschenden Mächte. Die Amerikanische Revolution siegte nach einer Serie scheinbar verlorener Schlachten, die im Geist der Kämpfer ständig ihre Dynamik verstärkte.
Aber ist das nicht eine Aufgabe für Riesen, statt für sogenannte normale Menschen?
Ja, es ist eine Aufgabe für Riesen, aber es herrscht weithin eine falsche Auffassung, was ein Riese ist. Der französische Riesenschriftsteller François Rabelais zeigt das ziemlich gut: Ein Riese ist ein wahrer Mensch, der im Sturm, wenn das Schicksal der Menschheit gefährdet ist, das Steuerrad ergreift. Es ist derjenige, der entschlossen ist, die Mannschaft zu retten, während andere gewöhnliche Zweibeiner sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern und versuchen, ihr privates System zu retten - mit dem Endergebnis, daß sie damit ihre Lage nur weiter verschlechtern und das Schiff gegen die Klippe fahren lassen.
Wenn wir das nicht mehr in uns spüren, sind wir zur Niederlage verdammt, weil wir uns damit den Spielregeln des Gegners unterwerfen.
Wenn wir das im Hinterkopf behalten, gibt es drei Möglichkeiten, das zu betrachten, was wir bei den jüngsten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Frankreich erreicht haben.
Das erste ist ein pragmatisches, statistisches Urteil: Wir haben uns sehr bemüht, wir hielten uns unter sehr feindseligen Bedingungen, und wir hatten ein sehr schwaches Ergebnis. Jammer, Schwermut, Selbstgeißelung: Wieder hat man uns zum Narren gehalten und besiegt, mit nur 0,25% der Stimmen bei der Präsidentschaftswahl und kaum 10.000 Stimmen bei der Parlamentswahl. So fragten einige, die erst euphorisch waren und dann am Ende nur deprimiert sein konnten: Sind wir dazu verdammt, in diesem Zirkus der Konkurrenz immer nur armselige Verlierer zu sein? Wird die Bevölkerung immer so dumm bleiben, wird ihr Zustand freiwilliger Knechtschaft ewig sein? Werden wir immer so eine Minderheit bleiben?
Die zweite Betrachtungsweise ist die irrational-ekstatische: Wir haben es geschafft, die guten Leute zu organisieren, und das haben wir angesichts unserer beschränkten Mittel auch gut gemacht. Wir stoßen auf gute Reaktionen, und wir werden Stück für Stück Leute hinzugewinnen und unsere Basis erweitern, um einen Anziehungspunkt für alle Außenseiter und Eigenbrötler zu schaffen. Die Zahl der Leute um uns herum wird wachsen. Hurra, wir sind die größten Wohltäter in diesem Tal der Tränen.
Habe ich es zu derb formuliert? Klingt das für einige von Ihnen nicht bekannt? Manchmal muß man bei Illusionen ein bißchen fies werden, denn die Selbstzerstörung kann alle beide dieser scheinbar entgegengesetzten Formen annehmen. Das „Praktischsein“ führt in eine Art politischen Selbstmord, weil es darauf hinausläuft, auf einem vom Gegner bestimmten Feld nach dessen Regeln zu spielen, statt nach unseren. Die Oligarchie benutzt Einzelthemen, um die Menschen zu steuern, und wenn man in die aufgestellte Falle tappt, die mit den unmittelbaren Emotionen um solche Themen spielt und mit der sozialen Identität als eine Art Sieger oder Verlierer wie bei einem Sportwettkampf, dann kann man gleich den sprichwörtlichen Löffel abgeben, dann wird man ein Opfer blinder Euphorie, Selbstgeißelung oder euphorischer Selbstgeißelung.
Zum Glück gibt es eine Möglichkeit, das von uns Erreichte wahrheitsgetreu zu betrachten - von oben, nüchtern und heiter. Wir haben viel erreicht, wenn wir unsere Identität aus globaler Sicht definieren, weil wir es geschafft haben, eine Schlacht zu gewinnen, indem wir den Gegner in unserem weltweiten Kampf gegen das oligarchische Empire geistig ausmanövrierten, auch wenn wir eine Wahlschlacht in Frankreich verloren haben.
Da ist vor allem die Tatsache, daß wir es geschafft haben, durch Aktivitäten über eineinhalb Jahre mit einem Team von 10-12 Leuten und mir, die Unterstützungsunterschriften von 585 Bürgermeistern zu bekommen - das sind etwa 2% der Bürgermeister -, wobei wir die meisten von ihnen sehr gründlich für uns organisierten, und die mich zu einem beträchtlichen Teil auch gewählt haben. Eine riesige Aufgabe, die wir sehr erfolgreich bewältigten.
Im Gegensatz zu den schwachen Antworten bei meiner Kandidatur 1995, als die Presse uns verleumdete und sie so sehr einschüchterte, daß sie sagten, sie hätten aus Versehen für mich unterschrieben oder seien dafür bezahlt worden, haben sie diesmal einfach aufgelegt, wenn die Schmierfinken anriefen, oder sie erklärten ganz ruhig, daß sie uns seit Jahren beobachten und wir als einzige die Auflösung des Finanzsystems und das soziale Chaos vorhergesagt hätten. Sie sagten den Journalisten: Die haben uns die Wahrheit über die Krise gesagt und uns die Lösung und den Ausweg erklärt, darum habe ich für sie unterschrieben. Die Journalisten waren stinksauer darüber, daß ein „kleiner Bürgermeister“, der für einen „kleinen Kandidaten“ unterschreibt, mehr Ahnung hatte als ihre Bosse in der Elite!
Dann begann der Wahlkampf und es brach wieder die Hölle los, wie 1995. Am schlimmsten waren die öffentlichen Fernsehsender - besonders France 2, falls Sie das kennen. Erst gab es eine 20minütige Sendung mit dem Titel „Ergänzende Recherche“, worin wir als politische Sekte verleumdet wurden.
Dabei muß man wissen, daß dieses Filmteam zu uns kam und vorgab, etwas über den Skandal zu drehen, daß mir 1995 die Wahlkampfkostenerstattung verweigert wurde, welche für Chirac und Balladur jedoch genehmigt worden war - dieser Skandal läuft durch die Presse -, aber statt dessen verbreiteten sie diese ungeheueren Vorwürfe, aufgrund lächerlicher Äußerlichkeiten. Praktisch wollten sie erreichen, daß mir auch diesmal die Erstattung verweigert würde, aber glücklicherweise und interessanterweise tat die amtliche Wahlkommission das nicht.
Dann beschloß die große politische Tageszeitung Le Monde, überhaupt nicht über mich zu berichten - unter dem Vorwand, sie könnten mich und meine Organisation nicht einordnen! Aber das hatte sie vorher nicht davon abgehalten, mich wortreich zu verleumden, wobei sie sich auf das oligarchische Revolverblatt Conspiracy Watch bezogen.
Darauf folgte eine Lynchkampagne der Fernsehsender von Nationalversammlung und Senat, sie hielten mir das Obama-Bild mit Hitlerbärtchen vor - wie meine Freunde in Amerika so etwas wagen könnten -, die Queen als Boß des Drogenschmuggels, die Finanzierung meines Wahlkampfs durch den US-Millionär oder Milliardär Lyndon LaRouche, ich wäre Antisemit oder Antizionist usw. Sie stahlen mir systematisch die mir gesetzlich zustehende Sendezeit, um mich als seltsamen Kandidaten hinzustellen, den keiner versteht, und um schlechte Stimmung zu machen.
Die vorgeschriebene Gleichbehandlung in allen öffentlichen Fernseh- und Radiosendern bei der Präsidentschaftswahl in Frankreich gilt für die letzten fünf Wochen vor der Wahl. Es gab ungefähr eine halbe Stunde Berichterstattung über mein Wahlprogramm, die drehten wir mit Hilfe eines offiziellen Fernsehteams, das sich schließlich für unser Rederecht einsetzte und anderen Journalisten Mails dazu schickte, und daneben etwa 140 Interviews zwischen vier und 45 Minuten Länge.
Dadurch hatte ich Zeit, bekannt zu werden und zurückzuschlagen. Und nach den schlimmsten Verleumdungssendungen schickten Hunderte von Bürgern Briefe, um mich zu unterstützen, und nach und nach begannen erfahrenere Journalisten - sechs oder sieben, darunter die bekanntesten Frankreichs -, sich anständig zu benehmen.
An dem Punkt fing die Verleumdung an, ich sei ein „Raumfahrtspinner“, der verrückte Ziele im Weltraum verfolgt, anstatt sich um Arbeit und Lebensstandard der Menschen zu sorgen. Das war seltsamerweise, zusammen mit den herumschwirrenden Zweifeln, ob wir nicht doch eine Sekte wären, die wirksamste Verleumdung, und es hieß, ich sei ein „kleiner Kandidat“, der „1995 nur 0,28% bekam und 2012 nicht mehr bekommen wird“. Die Prophezeiung mit Absichtshintergrund stimmte, was die Zahlen anging, diesmal hatte ich 0,25%.
Aber Zahlen sind eine Sache und die eigentliche Lage ist etwas ganz anderes. Erstens habe ich auf meiner jüngsten zweiwöchigen Wahlkampftour durch Frankreich zur Unterstützung unserer Kandidaten für die Nationalversammlung festgestellt, daß 20-40% der Leute auf der Straße mich erkennen. Keiner beschimpfte mich, die meisten unserer Plakate wurden nicht beschädigt. Bei jeder öffentlichen Aktivität auf der Straße kamen ein bis vier Leute auf uns zu und sagten: „Ich habe Sie gewählt und ich möchten Ihre Sache jetzt aktiv unterstützen. Sie haben als einziger erkannt, daß es das zukünftige Weltraumprogramm ist, was die Gegenwart definieren sollte, und ich habe verstanden, was Sie damit meinten, als Sie sagten, daß die Gegenwart auf die Katastrophe zusteuert wie die Titanic auf den Eisberg.“
Mehr als hundert kamen zu mir und sagten: „Sie haben mir besser gefallen als die anderen, Sie haben vor diesen Drecksjournalisten die Nerven behalten und Sie haben uns als einziger etwas erklärt, Sie bemühen sich um Ideen. Aber ich habe Sie nicht gewählt.“ Warum? Aus praktischen Gründen! Sie sagten: „Sie haben keine große Partei mit Massenbasis hinter sich, Sie scheinen zu ehrlich zu sein, um in der Politik Erfolg zu haben, ich fand Ihr Raumfahrtprogramm gut, aber andere Leute verstehen es nicht...“ Es ist nicht so schwer, solchen Leuten die Albernheiten auszutreiben, sie brauchen nur eine gute Dosis Mut und Ironie.
Nach der ersten Wahlrunde sagte ich dann, ich würde in der zweiten Runde Hollande wählen, damit wir Sarkozy loswerden, warnte aber gleichzeitig, Sarkozy sei nicht entscheidend. Er sei nur ein kleiner Teil des Empire, nicht der Kern der Sache, sondern eine imperiale Operation. Ich warnte Hollande, ich würde ihn sehr genau im Auge behalten. Er hatte in seiner Rede in Le Bourget gesagt, sein ärgster Feind sei die Finanzwelt, aber als er dann nach London fuhr, sagte er: „Ich bin für die City keine Gefahr.“ Ich betonte, wenn er seine Versprechen nicht hielte, würde ich einer seiner schlimmsten Gegner sein, und das mit vollem Recht.
Man muß hier einen Punkt verstehen. Die City, die Wallstreet und die Medien wußten, daß es mit Sarkozy bergab ging. Deshalb stürzten sie sich auf Hollande, um zu versuchen, ihn unter Kontrolle zu bringen, wobei sie wußten, daß er eine Art Erbe Mitterrands war: Dinge zu versprechen, von denen man weiß, daß man sie nicht halten kann. Wie ein schweinischer französischer Politiker einmal sagte: Versprechen, an die nur die glauben, die sie hören. In dem Kontext wollten unsere Feinde jeden Einfluß auf Hollande für eine bessere Politik ausschalten, was bedeutete, daß sie mich mundtot machen wollten. Interessanterweise kamen die einzigen öffentlichen Verleumdungen anderer Politiker über mich aus der Führung der Sozialistischen Partei und von den als Patrioten verkleideten Neofaschisten von Le Pen.
Inzwischen macht Hollande voll und ganz bei der hyperinflationären Politik mit, weil er denkt, er könne auf diese Weise seine Haut retten. Unsere Feinde haben irgendwie erreicht, was sie wollten.
Haben wir also verloren und unsere gute Arbeit umsonst geleistet?
Die Antwort ist ja, wenn man es falsch betrachtet und nur Zahlen sieht. Sie ist natürlich nein, wenn man besser urteilt und das ganze als Element in einem dynamischen Prozeß oder als eine erfolgreiche kleine Schlacht gegen den Feind betrachtet.
Erstens bin ich in Frankreich mehr als je zuvor für das bekannt, was ich wirklich sage. Etwa 20% der Bevölkerung kennen es mehr oder weniger, und etwa die Hälfte unserer Wähler könnte politisch aktiv werden, vorausgesetzt, wir behalten die Nerven und fördern weiter unsere Ideen. Wo wir Kandidaten hatten, hat sich unser Stimmenanteil bei der Wahl der Nationalversammlung verdoppelt.
Zweitens und noch wichtiger: Lyndon LaRouche ist jetzt in Frankreich fast so bekannt wie ich - weil die Sache mit dem Bärtchen fast zwanghaft von den Journalisten aufgebracht wurde, die damit ein Eigentor schossen. Le Courrier International, eine vielgelesene französische Publikation, die alle wichtigen ausländischen Artikel zusammenfaßt und übersetzt, veröffentlichte die vollständige US-Berichterstattung über Obama als fanatischen „Drohnenmörder“, ähnlich auch viele Blogs, und viele Menschen sagten mir: „Hey, damit hatten Sie auch recht.“
Trotz aller Bemühungen unserer Gegner liegt jetzt dank der vorgeschriebenen gleichen Sendezeit das Thema Empire, City und Wallstreet in der französischen Politik offen auf dem Tisch. Die Journalisten, die mich lynchen wollten, beschweren sich jetzt alle über die Sendezeitregelung, die sie trotz aller entgegengesetzten Anstrengungen gezwungen hat, auszustrahlen, was ich über Bankentrennung, Staatskredit und eine Nationalbank zu sagen hatte.
Wo stehen wir jetzt? Das Glass-Steagall-Gesetz steht weit oben auf der Tagesordnung, und Hollande wird sich Anfang Juli mit der „Bankenregulierung“ befassen müssen. Wenn er nach all seinen Fehlern in der europäischen Politik und bei den G20 im mexikanischen Los Cabos dann nur die weiche Variante von Vickers mit der Trennung der Geschäftsbereiche statt der ganzen Institute vertritt, wird sich in Frankreich ein Volksaufstand anbahnen.
Wir werden ihn anführen - nicht als französische Operation, sondern im Rahmen eines weltweiten Kampfs gegen das Empire. Es gab schon einen sehr interessanten Beitrag in Financial Watch für die Reform der Banken in der EU, worin es hieß, „Handels- und Investmentbanken zu trennen“ sei langfristig die einzig vernünftige Lösung. „Man muß unterscheiden zwischen Bankdiensten, die für die Gesellschaft und die Wirtschaft und andere Dienstleistungen unverzichtbar sind, und anderen Dienstleistungen.“ Die britische Vickers-Lösung und die Volcker-Regelung werden kritisiert. Das Problem ist nur, daß sie bloß vom „Langfristigen“ reden.
Wir brauchen die Bankentrennung hier und jetzt, weltweit. Sie ist die Waffe für den Weltfrieden, und es gibt keine andere. Deshalb planen wir um dieses Thema einen „Sommer der Unzufriedenheit“ in Frankreich, verbunden mit der Eurasischen Landbrücke als Verbindung zu Rußland und China, dem Mittelmeer-Entwicklungsprojekt für Südeuropa und Afrika sowie der Weltlandbrücke und NAWAPA.
Auf Merkozy darf nicht Merkhollande oder Hollandgabriel folgen. Wir müssen in Begriffen einer globalen Strategie denken: eine nationale Kampagne mit nationalen Kräften ist nützlich und notwendig, wenn sie Teil einer Weltstrategie ist, sie kann aber niemals das Problem als solches lösen, und es wäre närrisch, das zu glauben. Wir können nicht so tun oder annehmen, wir könnten in einer einzelnen Nation den Sieg erringen. Wie Lyn schon sagte: „Die Nationen werden Menschen mit verschiedenen Sprachen und verschiedene Kulturen sein, aber die Politik dieser Nationen wird eine gemeinsame sein, so, wie unsere kleine Organisation trotz aller Widrigkeiten überlebt hat, weil ihre Mission eine globale ist und ihre Kämpfe Teil eines weltweiten Kampfes.“