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Frankreich. Zwölf französische Ökonomen veröffentlichten in der Tageszeitung „Le Monde“ einen gemeinsamen Aufruf an die Regierung, das gescheiterte Experiment des Euro zu beenden.
Während sich in Deutschland Bundeskanzlerin Merkel und Finanzminister Schäuble zum Jahreswechsel in lächerlichen öffentlichen Beteuerungen darüber ergingen, wie stabil und sicher der Euro sei, sieht die Diskussion in Frankreich völlig anders aus. Am 23. Dezember veröffentlichten zwölf prominente französische Ökonomen aus dem gesamten politischen Spektrum in der Zeitung Le Monde einen gemeinsamen Aufruf für die „koordinierte Abwicklung des Euro“. Zu den Unterzeichnern gehören Gabriel Colletis, Alain Cotta, Jean-Pierre Gerard, Jean-Luc Greau, Roland Hureaux, Gerard Lafay, Philippe Murer, Laurent Pinsolle, Claude Rochet, Jacques Sapir, Philippe Villin, Jean-Claude Werrebrouck. Den vollständigen französischen Text finden Sie auf http://www.lemonde.fr/idees/article/2011/12/23/pour-un-demontage-concerte-de-l-euro_1622307_3232.html
Der Beitrag spiegelt in vielen Aspekten deutlich den Einfluß des Präsidentschaftswahlkampfs von Jacques Cheminade (Solidarité et Progrès) wider. Die Ökonomen fordern nach dem Beispiel von Franklin D. Roosevelt in den 1930er Jahren „Bankfeiertage“ und bezeichnen die Abschaffung seines „Glass-Steagall“-Trennbankengesetzes als einen der Hauptgründe für die gegenwärtige Desintegration des Finanzsystems. Nach einer Analyse der großen Unterschiede zwischen den verschiedenen nationalen Volkswirtschaften der Eurozone heißt es: „Unter diesen Bedingungen führt jedes weitere Beharren der Regierungen, den Marsch in die Euro-Sackgasse zu beschleunigen, lediglich zur allgemeinen Verschlimmerung der wirtschaftlichen Situation Europas... Deshalb schlagen die Unterzeichner dieses Textes eine europäische Koordination zur notwendigen Abwicklung des Euro vor, die mit den folgenden sechs Schritten möglich ist.
Erstens werden in jedem Land der Eurozone die nationalen Währungen wieder hergestellt, indem jeder existierende Euro in eine Einheit dieser neuen Währung umgetauscht wird. Für das Papiergeld brauchen wir eine kurze Übergangsperiode, in der die alten Euronoten - die von der jeweiligen Zentralbank herausgegeben wurden und ein besonderes Zeichen je nach Land tragen (U für Frankreich) - gestempelt werden, bis genügend neue Banknoten gedruckt sind, um sie auszutauschen. Bei Münzen kann der Übergang sehr schnell geschehen, da sie bereits nationale Prägungen tragen. Technisch ist eine solche Operation sehr viel einfacher als diejenige, mit der der Euro 2002 eingeführt wurde.
Zweitens werden die Wechselkurse der neuen nationalen Währungen zueinander - ab dem Tag, an dem der Euro wegfällt -, durch eine gemeinsamen Beschluß festgelegt, um wieder normale Handelsbedingungen herzustellen. Nur so kann man das prinzipielle Problem der Netto-Auslandsschulden lösen. Man muß dabei den Preisanstieg in jedem Land seit der Einführung des Euro sowie die Situation des Außenhandels in Betracht ziehen. Notwendige Ab- oder Aufwertungen werden entsprechend einer europäischen Verrechnungseinheit festgelegt, deren internationaler Wert außerhalb der Eurozone durch einen gewichteten Durchschnitt der Wechselkurse nationaler Währungen berechnet wird, so wie beim früheren ECU [der Europäischen Verrechnungseinheit vor Einführung des Euro].
Drittens werden die Preise für Güter und Dienstleistungen zum Zeitpunkt der Abschaffung des Euro in jedem Land unverändert bleiben, ebenso wie der Wert von Anlagen und Bankkonten. Mit dem Verschwinden des Euro wird die öffentliche Schuld jedes Landes in seine jeweilige nationale Währung umgewandelt, unabhängig davon, wer die Gläubiger sind“, während ausländische Schulden privater Händler in ECU umgewandelt werden.
Viertens: „Ohne zur Verhängung von Devisenkontrollen greifen zu müssen, werden alle Regierungen für eine begrenzte Zeit, eine Woche oder mehr, falls nötig, Bankfeiertage erklären. So wie Franklin Roosevelt, Präsident der Vereinigten Staaten es 1933 getan hat, werden sie vorübergehend die Banken schließen, um zu entscheiden, welche Banken überlebensfähig sind und welche die Hilfe der Zentralbanken brauchen. Ihre Börsennotierung wird während dieser Zeit ausgesetzt.“ Als allgemeines Prinzip könnte in allen Ländern beschlossen werden, daß die Zentralbanken auf der Grundlage dieser Untersuchung eine Garantie abgeben. Und: „Der Staat wird die Einleger schützen, indem er, falls notwendig, einen Teil des Bankensystems übernimmt.“ Die Zentralbanken gäben ihre Autonomie auf und kehrten zum Zustand vor den 1970er Jahren zurück.
Fünftens: „Der nominale Wechselkurs nationaler Währungen wird während diese Zeitraums fest bleiben, entlang den gemeinsam beschlossenen Paritäten. Später können sie in geplanter Weise mit einer 10%igen Fluktuationspanne an den Märkten gehandelt werden. Die Suche nach einem idealen Europäischen Währungssystem ist Inhalt weiterer Verhandlungen. Ein neues Europäisches Währungssystem könnte erarbeitet werden, bei dem die realen Wechselkurse stabilisiert werden, abhängig von den unterschiedlichen Inflationsraten.“
In Punkt 6 schließlich heißt es: „Diese Operation wird einfacher werden, wenn vor der Auflösung des Euro der Wechselkurs des Euro gegenüber anderen Währungen stark abgewertet wäre.“ Auch wenn die europäischen Partner Frankreichs oder die EZB dem nicht zustimmen würden, könne Frankreich den Prozeß voranbringen, indem es ein 1973 von Giscard d'Estaing eingeführtes Gesetz wieder abschaffe. Dabei handelt es sich um das Verbot der Finanzierung von Staatskredit durch die Zentralbank, was durch das Maastrichtabkommen und dann erneut durch den Lissaboner Vertrag bestätigt worden war. (Auch Jacques Cheminade fordert die Abschaffung dieses Verbots in seinem Programm).
Die Autoren des Papiers stellen fest: „In Zukunft werden wir nicht vermeiden können, uns mit den Problemen, die durch die Eurokrise verschleiert wurden, auseinanderzusetzen - besonders der Explosion privater Geldschöpfung und dem weltweiten Abdriften von Bankensystemen - die als Konsequenz aus der Abschaffung des Glass-Steagall-Gesetzes entstanden sind.“
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